TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/31 W214 2165265-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.01.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

31.01.2018

Norm

AVG §56
B-VG Art.133 Abs4
StPO §516 Abs4
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W214 2165265-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SOUHRADA-KIRCHMAYER über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes XXXX vom 08.06.2017, Zl. XXXX , betreffend Streichung aus der Verteidigerliste zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF (VwGVG), ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer war von XXXX bis XXXX in der Liste der Rechtsanwaltskammer XXXX und ab XXXX bis zu seinem Verzicht am XXXX in der Liste der Rechtsanwaltskammer XXXX eingetragen und als Rechtsanwalt tätig. Durch Legitimation vom XXXX wurde er als in die Liste der Verteidiger eingetragen bestätigt.

2. Auf Basis einer geänderten Rechtsansicht der belangten Behörde erging am 27.02.2017 eine Verständigung des Beschwerdeführers, in der ihm mitgeteilt wurde, dass seine aufrechterhaltene Eintragung in die Verteidigerliste irrtümlich erfolgt sei und er daher mit sofortiger Wirkung gelöscht werde.

3. Mit Schreiben vom 03.03.2017 wies der Beschwerdeführer daraufhin, dass in einem Telefonat mit einem namentlich genannten Senatspräsidenten geklärt worden sei, dass es sich bei dem Schreiben vom 27.02.2017 um eine Ankündigung handle und er bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Löschung eingetragener Strafverteidiger sei. Um eine entsprechende Entscheidung herbeizuführen, ersuche er um Zustellung eines entsprechenden Bescheides über seine Eintragung bzw. Streichung aus der Verteidigerliste.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer aus der Liste der Verteidiger der belangten Behörde gestrichen.

Begründend wurde dazu ausgeführt:

Gemäß § 39 Abs. 3 StPO in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung habe der Präsident jedes Gerichtshofes zweiter Instanz für seinen Sprengel eine Verteidigerliste anzulegen, mit Anfang eines jeden Jahres zu erneuern und allen Strafgerichten zuzustellen gehabt, bei denen sie zu jedermanns Einsicht offenzuhalten gewesen sei (§ 39 Abs. 3 1.erster Satz StPO aF).

Nach § 39 Abs. 3 StPO aF zweiter Satz seien in diese Liste vorerst alle im Sprengel des Gerichtshofs zweiter Instanz die Rechtsanwaltschaft wirklich ausübenden Rechtsanwälte aufzunehmen gewesen.

§ 39 Abs. 3 StPO aF dritter Satz bestimme, dass auf Ersuchen auch für die Rechtsanwaltschaft oder das Notariat geprüfte Rechtsverständige aufzunehmen gewesen seien, sofern nicht Umstände vorgelegen seien, die nach dem Gesetz die Ausschließung von der Rechtsanwaltschaft oder dem Notariat zufolge gehabt hätten.

Mit dem am 01.01.2008 in Kraft getretenen Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004, sei die Bestimmung des § 39 StPO aF aufgehoben und die Befugnis zur Strafverteidigung insofern neu geregelt worden, als nun nur mehr bestimmte Personengruppen ex lege als Verteidiger in Betracht kämen (aktuell § 48 Abs. 1 Z 5 StPO). Die Befugnis zur Verteidigung in Strafsachen setze daher nunmehr im Unterschied zu der bis 31.12.2007 geltenden Rechtslage iSd § 39 Abs. 1 StPO aF grundsätzlich nicht mehr die Eintragung in die Verteidigerliste voraus. Ob eine Person berechtigt sei, in einem Strafverfahren als Verteidiger einzuschreiten, sei somit nunmehr ausschließlich vom zuständigen Gericht auf Basis der gesetzlichen Bestimmungen zu prüfen.

Unter Hinweis auf § 516 Abs. 4 StPO idF BGBl. I Nr. 67/2011 wurde zusätzlich angeführt, dass die am 31.12.2007 bestehenden Eintragungen von Personen iSd § 39 Abs. 3, dritter Satz StPO aF (sogenannte "Nur-Verteidiger") in die Verteidigerliste aufrecht blieben und die dort eingetragenen Personen bis zur Vollendung ihres 70. Lebensjahres im Sinne des § 48 Abs. 1 Z 4 StPO als gesetzlich zur Vertretung im Strafverfahren berechtigte Personen gelten. Vor diesem Zeitpunkt erteilte Mandate würden bis zur rechtskräftigen Beendigung des zu Grunde liegenden Verfahrens zur Ausübung der Verteidigung in diesem Verfahren berechtigen. § 39 Abs. 3 StPO in der vor Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes geltenden Fassung sei für diese Eintragungen weiterhin anzuwenden.

Vor dem Hintergrund der Ausführungen in der Regierungsvorlage zu dem oben zitierten Strafprozessreformgesetz (231 der Beilagen XXIII.GP) werde die von der belangten Behörde bislang vertretene Rechtsauffassung, wonach die Wortfolge des § 516 Abs. 4 StPO "die dort eingetragenen Personen" sämtliche in die Verteidigerliste Eingetragene umfasse, nicht mehr aufrechterhalten. Es solle nämlich der erste Halbsatz des § 516 Abs. 4 StPO - anders als der Ministerialentwurf, der die "alte" Rechtslage nicht nur für die "Nur-Verteidiger", sondern mangels Differenzierung auch für die am 31.12.2007 eingetragenen Rechtsanwälte, die nach § 48 Abs. 1 Z 4 StPO ohnedies ex lege zur Verteidigung in Strafsachen befugt sind, perpetuierte - bestimmen, dass "nur" die am 31.12.2007 bestehenden Eintragungen in die Verteidigerliste von Personen iSd § 39 Abs. 3, dritter Satz StPO aF aufrecht blieben.

Hieraus folge unmittelbar, dass die Rechtsanwaltschaft mit Stichtag 31.12.2007 tatsächlich Ausübende, die - aus welchen Gründen immer - nach diesem Zeitpunkt aus der Rechtsanwaltschaft ausschieden, ungeachtet ihrer seinerzeit gemäß § 39 Abs. 3, zweiter Satz StPO aF in die Verteidigerliste erfolgten Eintragungen nicht mehr vor Gericht vertretungsberechtigt seien und somit der Beschwerdeführer, der am Stichtag des 31.12.2007 die Rechtsanwaltschaft tatsächlich ausgeübt hätte, von der Liste zu streichen gewesen sei.

5. Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 16.06.2017 zugestellten Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 13.07.2017 die verfahrensgegenständliche Beschwerde erhoben.

Begründend führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er durch den gegenständlichen Bescheid in seinem subjektiven öffentlichen Recht auf Erwerbsfreiheit eingeschränkt werde. Er sei am 06.03.2015 als in die Liste der Verteidiger eingetragen bestätigt worden. Dadurch sei ihm ein Recht erwachsen, dass nicht einseitig aufgrund einer geänderten Rechtsansicht (und NICHT geänderte Rechtslage!) entzogen werden könne.

Eine Auslegung der Bestimmungen im Sinne der Erläuterungen zur Gesetzesvorlage sei verfassungswidrig. Es handle sich um eine sachlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von in die Verteidigerliste automatisch eingetragenen Rechtsanwälten und "Nur"-Verteidigern.

6. Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht samt dem Verwaltungsakt zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Der Beschwerdeführer war von XXXX bis XXXX in der Liste der Rechtsanwaltskammer XXXX und ab XXXX bis zu seinem Verzicht am XXXX in der Liste der Rechtsanwaltskammer XXXX eingetragen und als Rechtsanwalt tätig. Durch Legitimation vom XXXX wurde er als in die Liste der Verteidiger eingetragen bestätigt.

2. Auf Basis einer geänderten Rechtsansicht der belangten Behörde erging am 27.02.2017 eine Verständigung des Beschwerdeführers, in der ihm mitgeteilt wurde, dass seine aufrechterhaltene Eintragung in die Verteidigerliste irrtümlich erfolgt sei und er daher mit sofortiger Wirkung gelöscht werde.

3. Mit Schreiben vom 03.03.2017 wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass in einem Telefonat mit einem namentlich genannten Senatspräsidenten geklärt worden sei, dass es sich bei dem Schreiben vom 27.02.2017 um eine Ankündigung handle und er bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Löschung eingetragener Strafverteidiger bleibe. Um eine entsprechende Entscheidung herbeizuführen, ersuche er um Zustellung eines entsprechenden Bescheides über seine Eintragung bzw. Streichung aus der Verteidigerliste.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer aus der Liste der Verteidiger der belangten Behörde gestrichen.

5. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und der Beschwerde und sind unstrittig. Strittig ist daher lediglich die rechtliche Beurteilung.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A) Ersatzlose Behebung:

3.1.1 Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit (Z 1); gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit (Z 2); wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde (Z 3); gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 2 B-VG (Z 4).

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes, soweit sich aus Abs.3 nicht anderes ergibt, über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte

(Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz-VwGVG), BGBl. I 2013/33, geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG sind die Behörden im Falle der Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch das Verwaltungsgericht verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

3.1.2. Gesetzeslage:

Die im Gegenstand maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

Mit 01.01.2008 trat das Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004, in Kraft, mit dem unter anderem die Befugnis zur Strafverteidigung neu geregelt wurde.

Die bis dahin maßgebliche Bestimmung des § 39 Abs. 3 Strafprozessordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975 idF BGBl. Nr. 526/1993 (im Folgenden: StPO aF), lautete:

"(3) Der Präsident jedes Gerichtshofes zweiter Instanz hat für seinen Sprengel eine Verteidigerliste anzulegen, mit Anfang eines jeden Jahres zu erneuern und allen Strafgerichten zuzustellen, bei denen sie zu jedermanns Einsicht offenzuhalten ist. In diese Liste sind vorerst alle im Sprengel des Gerichtshofes zweiter Instanz die Rechtsanwaltschaft wirklich ausübenden Rechtsanwälte aufzunehmen. Auf ihr Ansuchen sind aber auch für die Rechtsanwaltschaft oder das Notariat geprüfte Rechtsverständige aufzunehmen, sofern nicht Umstände vorliegen, die nach dem Gesetz die Ausschließung von der Rechtsanwaltschaft oder dem Notariat zur Folge haben. Wer sich durch die Ausschließung aus der Verteidigerliste gekränkt erachtet, kann sich binnen vierzehn Tagen, nachdem ihm die Entscheidung zugestellt worden ist, beim Bundesministerium für Justiz beschweren."

Mit In-Kraft-Treten der Reform der Strafprozessordnung kamen nunmehr nur bestimmte Personengruppen kraft Gesetzes als Verteidiger in Betracht.

Der Begriff des "Verteidigers" ist gemäß § 48 Abs. 1 Z 5 StPO (Anm.:

vor dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014, BGBl. I Nr. 71/2014, § 48 Abs. 1 Z 4 StPO) legaldefiniert und diese Bestimmung lautet:

"§ 48. (1) Im Sinne dieses Gesetzes ist

[...]

5. 'Verteidiger' eine zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft, eine sonst gesetzlich zur Vertretung im Strafverfahren berechtigte oder eine Person, die an einer inländischen Universität die Lehrbefugnis für Strafrecht und Strafprozessrecht erworben hat, sobald sie der Beschuldigte als Rechtsbeistand bevollmächtigt hat, und eine Person, die dem Beschuldigten nach den Bestimmungen dieses Gesetzes als Rechtsbeistand bestellt wurde."

Die Übergangsbestimmung des § 516 Abs. 4 StPO, welche mit dem Strafprozessreformgesetz BGBl. I Nr. 93/2007 eingefügt wurde und ebenfalls mit 01.01.2008 in Kraft getreten ist, lautet:

"(4) Am 31. 12. 2007 bestehende Eintragungen von Personen im Sinne des § 39 Abs. 3 dritter Satz in der vor Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes geltenden Fassung in die Verteidigerliste bleiben aufrecht; die dort eingetragenen Personen gelten bis zur Vollendung ihres 70. Lebensjahres im Sinne des § 48 Abs. 1 Z 4 als gesetzlich zur Vertretung im Strafverfahren berechtigte Personen. Vor diesem Zeitpunkt erteilte Mandate berechtigen bis zur rechtskräftigen Beendigung des zu Grunde liegenden Verfahrens zur Ausübung der Verteidigung in diesem Verfahren. § 39 Abs. 3 in der vor Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes geltenden Fassung ist für diese Eintragungen weiterhin anzuwenden."

Den Erläuternden Bemerkungen zu dieser Bestimmung ist Folgendes zu entnehmen (RV 231, GP XXIII):

"Zu Z 234 (§ 516 Abs. 4 StPO):

Anders als der Ministerialentwurf, der die derzeitige Rechtslage nicht nur für die "Nur-Verteidiger", sondern - mangels Differenzierung - auch für die am 31. Dezember 2007 eingetragenen Rechtsanwälte, die nach § 48 Abs. 1 Z 4 ohnedies ex lege zur Verteidigung in Strafsachen befugt sind, perpetuierte, soll nun der erste Halbsatz des § 516 Abs. 4 bestimmen, dass "nur" die am 31.12. 2007 bestehenden Eintragungen in die Verteidigerliste von Personen im Sinne des § 39 Abs. 3 StPO dritter Satz in der vor In-Kraft-Treten des Strafprozessreformgesetzes geltenden Fassung aufrecht bleiben."

3.2.3. Judikatur des Verwaltungsgerichthofes:

Die Anlegung und Führung der Verteidigerliste gemäß § 39 Abs. 3 StPO aF ist eine in die Kompetenz des Präsidenten des Oberlandesgerichtes fallende Justizverwaltungssache (VwGH 21.03.2001, 2000/10/0155 mwN). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass die Streichung von der Liste der Verteidiger zu erfolgen hat, wenn die Voraussetzungen für eine Eintragung nicht (mehr) vorliegen (vgl. VwGH 19.03.2013, 2011/01/0225; 08.05.2008, 2007/06/0333 mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gleichgelagerten Fall, in dem eine Streichung aus der Verteidigerliste vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt und die Beschwerde abgewiesen wurde (Erkenntnis vom 08.01.2018, Ro 2017/03/0032), Folgendes ausgeführt:

"7 Die vom Bundesverwaltungsgericht vertretene Rechtsauffassung betreffend die Übergangsbestimmung des § 516 Abs. 4 StPO läuft dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 22. November 2017, Ro 2017/03/0023, das nach der Erlassung der in Revision gezogenen bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheidung erging, zuwider und weicht daher im Ergebnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. Art. 133 Abs. 4 B-VG).

8 Unter Hinweis auf seine schon frühere Judikatur sprach der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis - auf das nach § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - insbesondere aus, dass Personen, die in die Verteidigerliste iSd § 516 Abs. 4 StPO eingetragen sind, unter den in § 516 Abs. 4 leg. cit. genannten Voraussetzungen weiterhin als Verteidiger in Strafsachen tätig werden können, solange sie nicht aus dieser Liste gestrichen sind. Dieser Rechtslage hat das Verwaltungsgericht nicht entsprochen, wenn es (aufbauend auf der geänderten Rechtsauffassung der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde zu der eben genannten gesetzlichen Bestimmung iZm § 39 Abs. 3 dritter Satz StPO in seiner alten Fassung) der unstrittigen Eintragung der revisionswerbenden Partei in die Verteidigerliste zu dem nach § 516 Abs. 4 StPO maßgeblichen Zeitpunkt des 31. Dezember 2007 nicht das nach der Rechtslage gebührende Gewicht beimaß.

9 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben."

Im Referenzerkenntnis vom 22.11,2017, Ro 2017/03/0023, wird ausgeführt:

"Aufgrund der Übergangsbestimmung des § 516 Abs. 4 StPO sind die Verteidigerlisten im dort beschriebenen Umfang weiterzuführen (vgl. VwGH 26.5.2009, 2009/06/0063; 17.12.2009, 2009/06/0062). Personen, die in diese Liste als "Nur"-Verteidiger eingetragen sind, können unter den in § 516 Abs. 4 StPO genannten Voraussetzungen weiterhin als Verteidiger in Strafsachen tätig werden, solange sie nicht aus dieser Liste gestrichen sind. Nichts anderes hat zu gelten, wenn diese Personen zwar faktisch aus der Liste der "Nur"-Verteidiger gestrichen worden sind, rechtlich aber als eingetragen zu gelten haben, weil die Streichung nicht mit Bescheid stattgefunden hat."

3.2.4. Umgelegt auf den konkreten Fall bedeutet dies Folgendes:

Der gegenständliche Bescheid ist aus folgenden Gründen inhaltlich mit Rechtswidrigkeit behaftet: Wie oben unter Punkt 3.2.3. ausgeführt wurde, hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur der ursprünglichen Rechtsansicht der belangten Behörde angeschlossen und nicht der (ebenfalls durch Weisung des BMJ veranlassten) nunmehr geänderten Rechtsauffassung der belangten Behörde. Daher war auch deshalb der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass es für eine rechtswirksame Streichung aus der Verteidigerliste - wie offenbar auch die belangte Behörde anerkannte - eines Bescheides bedarf und daher das Schreiben der belangten Behörde vom 27.02.2017, mit der dem Beschwerdeführer mitgeteilt wurde, dass seine Eintragung in die Verteidigerliste "mit sofortiger Wirkung gelöscht" werde, nicht als Bescheid zu qualifizieren ist (vgl. VwGH vom 22.11.2017, Ro 2017/03/0023) und daher keine Rechtswirkungen entfaltet.

3.2.5. Wie auch in der Literatur vertreten wird, handelt es sich bei einer ersatzlosen Behebung um eine materielle Erledigung der Rechtssache in Form eines Erkenntnisses. Diese Form der negativen Sachentscheidung ist von der Formalerledigung nach § 28 Abs. 3 2. Satz und Abs. 4 VwGVG zu unterscheiden. Eine neuerliche Entscheidung der Verwaltungsbehörde über den Gegenstand kommt bei ersatzloser Behebung regelmäßig nicht mehr in Betracht, wenngleich im Einzelfall über den zugrundeliegenden (unerledigten) Antrag dennoch abermals zu entscheiden sein kann. Die Behebungsgründe werden gesetzlich nicht genannt, in Betracht kommen etwa die Unzuständigkeit der Behörde, das Fehlen eines verfahrensleitenden Antrags, die Unzulässigkeit des Einschreitens von Amts wegen oder die rechtswidrige Zurückweisung eines Antrags (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2018], Anm. 17 und 18 zu § 28 VwGVG mwN).

Somit kann die belangte Behörde im gegenständlichen Fall nicht in derselben Sache nochmals entscheiden. Im Übrigen wurde durch die Behebung dem Anliegen des Beschwerdeführers Rechnung getragen.

3.2.6. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann ungeachtet eines Parteiantrages von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (MRK), noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegenstehen. Nach der Rechtsprechung des EGMR und des Verfassungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn die Tatfrage unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. VfSlg 18.994/2010, VfSlg 19.632/2012). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten, und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (VwGH 26.04.2016, Ra 2016/03/0038 mwN).

Im gegenständlichen Fall wirft die Beschwerde (lediglich) Fragen betreffend die Auslegung der Übergangsbestimmung des § 516 Abs. 4 StPO bzw. der Perpetuierung der Verteidigerliste nach § 39 Abs. 3 StPO aF auf. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht bestrittenen Parteivorbringens hingegen hinreichend geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.

3.3. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Rechtsprechung entspricht der bisherigen Rechtsprechung der Verwaltungsggerichtshofes (siehe dazu die Begründung in Punkt 3.2.). Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

3.4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Bescheiderlassung, Bescheidqualität, ersatzlose Behebung,
Rechtsanwälte - Liste, Rechtslage, Übergangsbestimmungen,
Verteidigerliste - Streichung, Verzicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W214.2165265.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten