TE Vwgh Beschluss 2019/3/8 Ra 2019/08/0028

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Veröffentlicht am 08.03.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ABGB §897
ASVG §4 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):Ra 2019/08/0038 B 03.04.2019

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der F GmbH in G, vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stubenring 18, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2018, Zl. I404 2007176-1/29Z, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Vorarlberger Gebietskrankenkasse; mitbeteiligte Parteien:

1.)

M B in D, 2.) S B in B, 3.) T D in W, 4.) L D in W,

5.)

C E in N, 6.) J F in T, 7.) S F in S, 8.) P H in B,

9.)

K I in B, 10.) R I in S, 11.) C K in W, 12.) M K, dzt. unbekannten Aufenthaltes, 13.) T K in V, 14.) R K in H,

15.)

M K in G, 16.) M L in N, 17.) D L in B, 18.) J M in D,

19.)

J N in L, 20.) M O in F, 21.) I Ö in B, 22.) P R in H,

23.)

N S in B, 24.) K S in B, 25) M S in D, 26.) M S, dzt. unbekannten Aufenthaltes, 27.) K T in W, 28.) V W in D,

                 29.)    C Z in Raggal, 30.) A Z in S, 31.) Pensionsversicherungsanstal t Landesstelle Vorarlberg, 6850 Dornbirn, Zollgasse 6,

                 32.)    Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Außenstelle Dornbirn, 6850 Dornbirn, Eisengasse 12), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem in Revision gezogenen "Teilerkenntnis" hat das Verwaltungsgericht unter Abweisung der Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 17. Jänner 2014 festgestellt, dass die 1. bis 30. mitbeteiligten Parteien (im Folgenden: "Dienstnehmer") auf Grund ihrer Tätigkeit als "Dialoger" für die revisionswerbende Dienstgeberin in näher genannten Zeiträumen zwischen 2002 bis 2006 gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung vollversichert und gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG arbeitslosenversichert waren.

5 Das Teilerkenntnis bezog sich in Anbetracht der damit zum Ausdruck gebrachten Einschränkung und der Begründung des Teilerkenntnisses auf den angefochtenen Bescheid betreffend die Pflichtversicherung, nicht auch auf den weiteren (mit demselben Beschwerdeschriftsatz) in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. Jänner 2014 betreffend die Verrechnung von Beiträgen und Verzugszinsen.

6 Die Revisionswerberin sei eine "Fundraising-Agentur", die für Non-Profit-Organisationen in deren Namen Kampagnen insbesondere zu dem Zweck führe, Förderer zu gewinnen, die sich zu jährlichen Spenden bzw. Unterstützungsbeiträgen verpflichten. Ein Rahmenvertrag mit den Dienstnehmern sehe vor, dass die Teilnahme als "Dialoger" an den einzelnen Kampagnen auf Grund freier Dienstverträge gesondert vereinbart würde. Den Dienstnehmern seien Richtlinien zur Durchführung der jeweiligen Kampagne vorgegeben worden. Sie würden durch "Teamleiter" (ebenfalls Dienstnehmer der revisionswerbenden Partei) eingeschult. Die Dienstnehmer seien zur Verschwiegenheit verpflichtet gewesen. Es sei eine erfolgsorientierte Bezahlung - nach Anzahl der gewonnenen Förderer - vereinbart worden.

7 Nach seiner Zusage, an einer Kampagne für einen bestimmten Zeitraum teilzunehmen, sei der betreffende Dienstnehmer dazu auch verpflichtet gewesen. Die Revisionswerberin habe den Dienstnehmern Betriebsmittel (Formulare, Informationsmaterial über die betreffende "Non Profit-Organisation" - NPO, Legitimationsausweise, Mietauto, Unterkunft) zur Verfügung gestellt. Ihnen sei ein "Ablaufplan" übermittelt worden. Die Revisionswerberin habe die Teams eingeteilt und die notwendigen Autos und Unterkünfte angemietet. In der Regel sei bei einer Kampagne ein Team von fünf Personen von Montag bis Samstag jeweils von 9 bis 18 Uhr (bei gemeinsamer Mittagspause) in einer Stadt unterwegs gewesen. Die "Dialoger" seien mit öffentlichen Verkehrsmitteln angereist. Nach ihrer Ankunft seien sie vom Teamleiter abgeholt und in das gemeinsame Quartier gebracht worden. Am Abend vor Beginn der Kampagne habe der Teamleiter eine Einschulung vorgenommen und "Motivationsgespräche" geführt. Die "Dialoger" hätten Ausweise mit ihrem Namen, dem Namen der Revisionswerberin und dem Zusatz "im Auftrag der (... NGO)" mit sich führen müssen. Teilweise hätten sie Kleidungen der jeweiligen NGO getragen. Der Teamleiter sei bei der Tätigkeit der "Dialoger" vor Ort anwesend gewesen und habe diese hinsichtlich Gesprächstechnik und Anzahl der Abschlüsse kontrolliert. Nach dem Ende der Tätigkeit hätten weitere Schulungen im Team stattgefunden. Die Dienstnehmer hätten sich nie vertreten lassen. Es handle sich um Tätigkeiten in persönlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 2 ASVG.

8 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9 Die revisionswerbende Partei erblickt entgegen diesem Ausspruch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, weil es die beschriebenen Tätigkeiten als abhängige Beschäftigung iSd § 4 Abs. 2 ASVG qualifiziert habe.

10 Die Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung iSd § 4 Abs. 2 ASVG ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Gesamtabwägung der maßgeblich für bzw. gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältniss es sprechenden Umstände und Merkmale. Wurde diese - wie hier - auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese Gesamtabwägung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte.

11 Das war hier nicht der Fall. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (VwGH 12.01.2018, Ra 2017/08/0032, mwN).

12 Soweit sich die Revision darauf stützt, dass die Dienstnehmer keine persönliche Arbeitspflicht getroffen habe, sei darauf verwiesen, dass die bloße Befugnis eines Erwerbstätigen, ihm angebotene Beschäftigungsmöglichkeiten auszuschlagen, kein die persönliche Arbeitspflicht und damit die persönliche Abhängigkeit ausschließendes "sanktionsloses Ablehnungsrecht" (also wenn die Leistung bereits übernommener Dienste jederzeit nach Gutdünken ganz oder teilweise abgelehnt werden kann) darstellt (VwGH 25.6.2013, 2013/08/0093). Die Dienstnehmer waren den Feststellungen zu Folge nicht berechtigt, nach ihrer Zusage, an einer Kampagne teilzunehmen, dieser fernzubleiben oder diese zu beliebigen Zeitpunkten wieder zu verlassen. Dienstnehmer, die erst anreisen und vor einer Kampagne in ein Team integriert und eingeschult werden müssten, bilden auch keinen "präsenten Arbeitskräftepool".

13 Das von der Revision erwähnte hg. Erkenntnis vom 2. April 2008, 2007/08/0107, betraf sowohl einen anderen Sachverhalt als auch mit der Abgrenzung zwischen der von der Behörde angenommenen Tätigkeit iSd § 4 Abs. 4 ASVG von solchen nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG eine andere Rechtsfrage.

14 Die revisionswerbende Partei hat in ihrer Beschwerde "für den Fall, dass dem Begehren nicht vollinhaltlich Folge geleistet wird", die Entscheidung durch den Senat des Verwaltungsgerichts (§ 414 Abs. 2 ASVG) beantragt.

15 Bedingte Prozeßhandlungen sind im Allgemeinen unzulässig (VwGH 25.11.1997, 96/04/0238). Die beantragte Entscheidung durch einen Senat, welche für den Fall wirksam werden sollte, dass das Verwaltungsgericht dem Beschwerdebegehren nicht vollinhaltlich Folge leisten würde, ist auch deshalb unzulässig, weil das Eintreten der Bedingung die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in seiner ursprünglichen Besetzung voraussetzt. Das Verwaltungsgericht hat daher gemäß § 2 VwGVG und § 6 BVwGG zutreffend durch eine Einzelrichterin entschieden.

16 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 8. März 2019

Schlagworte

Dienstnehmer Begriff Persönliche AbhängigkeitRechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019080028.L00

Im RIS seit

16.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

16.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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