TE Lvwg Erkenntnis 2016/11/7 405-3/95/1/10-2016

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.11.2016
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Entscheidungsdatum

07.11.2016

Index

L82005 Bauordnung Salzburg
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

BauPolG Slbg 1997 §9 Abs1 Z6
BauTG Slbg 1976 §8 Abs1 litb
AVG §13 Abs8

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht AP erkennt durch den Richter Mag. Thomas Thaller über die Beschwerden von 1. Helga und Peter WW, AG 82, 2. BB CC, vertreten durch Nico Schön, AG 79, 3. Barbara DD EE und Markus DD, AG 74, 4. Elfriede und Enrico EE, AG 75, 5. Doris und Benjamin FF, AG 71, und 6. Eveline GG, AG 72, sämtliche vertreten durch Rechtsanwalt Dr. AN AM, AQ, AO Salzburg, gegen den Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde AG vom 19.5.2016, Zahl 131-900/4256/25-2016, (mitbeteiligte Partei: AAAB GmbH, vertreten durch Dr. HH II, Dr. JJ KK, AY, AO Salzburg)

zu R e c h t:

I.   Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)

a.   werden die Beschwerden der Nachbarn Helga WW und Peter WW sowie BB CC als unbegründet abgewiesen;

b.   wird den Beschwerden der Nachbarn Barbara DD EE und Markus DD, Elfriede EE und Enrico EE, Doris FF und Benjamin FF und Eveline GG Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und dem zuletzt am 2.11.2016 vor dem Verwaltungsgericht modifizierten Bauansuchen der mitbeteiligten Partei vom 13.8.2015 (idF der Austauschplanung vom Oktober 2016) für den Neubau von zwei Mehrfamilienwohnhäusern mit 18 Wohneinheiten und überdachten Stellplätzen in AG auf den Grundstücken 703/21, 703/22, 703/23 und 703/24 KG AZ gemäß § 9 Abs 1 Z 6 iVm § 9 Abs 1 Z 2 Salzburger Baupolizeigesetz (BauPolG) die baubehördliche Bewilligung wegen Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte der angeführten Nachbarn versagt.

II.  Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Sachverhalt und Verfahrensgang:

Die mitbeteiligte Partei ist Eigentümerin der Grundstücke 703/21, 703/22, 703/23 und 703/24 KG AZ in AG. Diese Grundstücke sind im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde AG als Bauland in der Widmungskategorie "Reines Wohngebiet" ausgewiesen und sind Bestandteil des von der belangten Behörde ursprünglich am 21.9.1998 beschlossenen und mit Beschluss vom 29.6.2015 abgeänderten rechtsgültigen Bebauungsplanes der Grundstufe "". Im rechtsgültigen Bebauungsplan wurde das vom Geometer Dipl.Ing. TT, AG, am 23.5.1995 zu GZ 4549 aufgenommene Urgelände mit Höhenschichtlinien dargestellt. Auf den Bauplatzgrundstücken der mitbeteiligten Partei zur Verkehrsfläche (Wegparzelle 703/2) ist im Bebauungsplan eine Baufluchtlinie mit Abstand zur Straßenfluchtlinie von 5 m (im Bereich der Grundstücke 703/21 und 703/22) und 7,50 m (im Bereich der Grundstücke 703/23 und 703/24) festgelegt.

Die zu 1. angeführten Beschwerdeführer sind Eigentümer des nordöstlich unmittelbar an die Grundstücke der mitbeteiligten Partei angrenzenden Grundstückes 708/3 (Liegenschaft 82), die zu 2. angeführte Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des östlich unmittelbar angrenzenden Grundstückes 708/4 (Liegenschaft 79). Die zu 3. bis 6. angeführten Beschwerdeführer sind Eigentümer der westlich bis südwestlich angrenzenden nur durch die Verkehrsfläche (Wegparzelle 703/2) von den Grundstücken der mitbeteiligten Partei getrennten Grundstücke 703/27 und 703/28 (Beschwerdeführer zu 3., Liegenschaft 74), 703/14 (Beschwerdeführer zu 4., Liegenschaft 75), 703/30 (Beschwerdeführer zu 5., Liegenschaft 71) und 703/16 (Beschwerdeführerin zu 6., Liegenschaft 72).

Mit Ansuchen vom 13.8.2015 beantragte die mitbeteiligte Partei bei der Gemeinde AG als Baubehörde die Bauplatzerklärung für die genannten Grundstücke und die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung von zwei Mehrfamilienwohnhäusern mit 18 Wohneinheiten und einer Tiefgarage. Die beiden Wohnhäuser weisen jeweils eine Gesamtlänge von 27,85 m auf. Sämtliche der angeführten Nachbargrundstücke befinden sich noch innerhalb eines Abstandes von 15 m von den Fronten der von der mitbeteiligten Partei zur Baubewilligung beantragten Bauten.

Das von der mitbeteiligten Partei beantragte im Bauplatz nordwestlich gelegene Haus A (Bau Nr. 5541) weist laut Einreichplanung eine Traufenhöhe von 5,85 m (nordöstliches Eck, gesetzlicher Mindestabstand zum östlich angrenzenden Nachbargrundstück 708/3 der Erstbeschwerdeführer: 4,39 m, Abstand laut Projekt: 5,08 m) bzw. 6,35 m (südöstliches Eck, gesetzlicher Mindestabstand zum östlich angrenzenden Nachbargrundstück 708/4 der Zweitbeschwerdeführerin: 4,76 m, Abstand laut Projekt: 9,13 m). Das im Bauplatz südöstlich gelegene Haus B (Bau Nr. 5542) weist eine Traufenhöhe von 6.17 m (nordöstliches Eck, gesetzlicher Mindestabstand zum östlich angrenzenden Nachbargrundstück 708/4 der Zweitbeschwerdeführerin: 4,63 m, Abstand laut Projekt: 7,13 m) bzw. 6.20 m (südöstliches Eck, gesetzlicher Mindestabstand zum östlich angrenzenden Nachbargrundstück 708/8: 4,65 m, Abstand laut Projekt: 7,97 m) auf. Die Traufenhöhen beziehen sich auf das im rechtsgültigen Bebauungsplan festgelegte vom Geometer Dipl.Ing TT am 23.5.1995 aufgenommene Urgelände, welches auch in den eingereichten Bauplänen dargestellt wurde.

Die im rechtsgültigen Bebauungsplan zur Wegparzelle 703/2 festgelegte Baufluchtlinie soll laut Einreichplanung durch einen vor dem eigentlichen Wohnbau gestellten Vorbau mit Balkonen und Loggien im Bereich Haus A um 1,5 m und im Bereich Haus B um 1,2 m überragt werden. Dieser frontbildende Vorbau deckt die Fassade zur Straße hin fast vollständig ab (siehe die Fotomontage der mitbeteiligten Partei, Bild 1 unten).

Bild 1

Der Bürgermeister der Gemeinde AG (im folgenden Bürgermeister) führte über das Bauansuchen der mitbeteiligten Partei am 2.12.2015 eine mündliche Bauverhandlung durch, welche aufgrund einer vor der mündlichen Verhandlung durchgeführten Planänderung der mitbeteiligten Partei am 22.12.2015 fortgesetzt wurde.

Mit jeweils am 21.12.2015 bei der Baubehörde eingelangten Schriftsätzen erhoben die Beschwerdeführer schriftliche Einwendungen gegen das Bauvorhaben der mitbeteiligten Partei. Sie wendeten darin unter anderem jeweils ein, dass das Urgelände in den vorliegenden Lageplänen und im Bebauungsplan falsch dargestellt sei, die Berechnung der Geschossflächen falsch sei, die angegebenen Traufenhöhen und Firsthöhen mit der vorliegenden Planung nicht eingehalten werden können und durch die vorliegende Planung die im Bebauungsplan vorgegebenen Baufluchtlinien nicht eingehalten werden. Weiters wurden ein Bebauungsplan der Aufbaustufe, zusätzliche Gutachten im Hinblick auf Geologie und Verkehr, die Vorlage eines Oberflächenwässer-Entsorgungskonzeptes, eine Beweissicherung und eine Festsetzung der genauen Bauzeiten gefordert.

Mit an die mitbeteiligte Partei gerichteten Bescheid des Bürgermeisters vom 20.1.2016, Zl. 031-600/1400/3-2016, wurden die Grundstücke 703/21, 703/22, 703/23 und 703/24 KG AZ gemäß § 14 Abs 2 Bebauungsgrundlagengesetz (BGG) zum Bauplatz erklärt.

Mit auch den Nachbarn (darunter den Beschwerdeführern) zugestelltem Bescheid des Bürgermeisters vom 20.1.2016, Zl. 131-900/4256/18-2105, wurde der mitbeteiligten Partei in erster Instanz die baubehördliche Bewilligung für den Neubau von zwei Mehrfamilienwohnhäusern mit 18 Wohneinheiten und überdachten Stellplätzen auf den genannten Grundstücken erteilt und wurden die Einwendungen der Nachbarn (darunter der Beschwerdeführer) teilweise als unbegründet abgewiesen und teilweise als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid brachten die zu 1. bis 6. näher angeführten Beschwerdeführer durch ihren gemeinsamen Rechtsvertreter eine fristgerechte Berufung an die belangte Behörde ein. Vorgebracht wurde, dass die Erst- und Zweitbeschwerdeführer aufgrund der falschen Darstellung des Urgeländes und der folgenden falschen Abstandsberechnung zu ihren Grundstücken jedenfalls in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht auf Einhaltung des Mindestnachbarabstandes verletzt worden seien. Die Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer seien in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht auf gesetzmäßige Festlegung und Einhaltung der Baufluchtlinie verletzt worden. Die Baufluchtlinie werde nach den vorliegenden Planunterlagen unzulässigerweise 1,2 m (Haus A) bzw. 1,5 m (Haus B) überbaut. Weiters enthalte die zu Grunde liegende Bauplatzerklärung eine nicht dem Gesetz entsprechende Festlegung der Bauhöhe.

Mit Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 19.5.2016, Zl. 131-900/4256/25-2016, wurde die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid brachten die Beschwerdeführer durch ihren gemeinsamen Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 28.6.2016 bei der belangten Behörde eine fristgerechte Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) ein. Sie verwiesen darin im Wesentlichen auf ihr Berufungsvorbringen, wonach das Urgelände falsch im Bebauungsplan dargestellt sei, was sie weitwendig ausführten. Dadurch sei zu den Erst- und Zweitbeschwerdeführer eine falsche Abstandsberechnung erfolgt, wodurch diese in ihren subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzt worden seien. Die gesetzlichen Mindestabstände zu ihren Grundstücken und auch die festgelegten Geschoßanzahl (zwei Vollgeschoße) würden nicht eingehalten. Hinsichtlich der zu 3. bis 6. angeführten Beschwerdeführer sei die im bekämpften Bescheid angestellte Berechnung des Sollabstandes der Baufluchtlinie nicht nachvollziehbar und werde diese unterschritten. Zum Vortreten von Bauteilen wurde vorgebracht, dass nach den Planunterlagen schon im Erdgeschoss durchgehende Balkone vorhanden seien und jede sachverständige Feststellung fehle, dass dies nicht frontbildend wäre. Sie beantragten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und der Beschwerde Folge zu geben und das Bauansuchen abzuweisen.

Die belangte Behörde legte die Verfahrensakten dem Verwaltungsgericht am 1.8.2016 zur Entscheidung vor. Das versehentlich nicht übermittelte Beschwerdeschreiben wurde am 9.8.2016 nachgereicht. Die Beschwerde wurde der Rechtsvertretung der mitbeteiligten Partei mitgeteilt, welche dazu mit Schriftsatz vom 8.9.2016 eine schriftliche Stellungnahme abgab, worin sie beantragte, die Beschwerde aufgrund von Präklusion der Beschwerdeführer als unzulässig zurückzuweisen bzw. dieser keine Folge zu geben.

Das Verwaltungsgericht führte in der Sache am 2.11.2016 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung unter Beiziehung eines hochbautechnischen Amtssachverständigen, der eine gutachtliche Stellungnahme abgab, durch.

Die mitbeteiligte Partei modifizierte in der Verhandlung ihr Bauansuchen durch Vorlage eines Austauschplans, wonach anstelle des Vorbaus mit Balkonen und Loggien (siehe Seite 3, Bild 1) nun für alle Wohnungen (mit Ausnahme von zwei Wohnungen im Erdgeschoß) bei beiden Häusern zur Straßenfassade großzügige Balkone mit Überdachung im Obergeschoß, die aus der Baukonstruktion frei vorkragen und durch Balkonbrüstungen aus Glas abgesichert werden, vorgesehen werden sollen (vgl. die Fotomontage der mitbeteiligten Partei, Bild 2 unten).

Bild 2

Auch die im Austauschplan vom Oktober 2016 vorgesehen Balkone sollen die Baufluchtlinie um 1,5 m (Haus A) bzw. um 1,2 m (Haus B) überragen. Mit einer Gesamtlänge von je 21,80 m (entspricht ca. 78 % der jeweiligen Gesamtlänge der Baukörper) verschmelzen die Balkone fast zu einer Einheit und erwecken so selbst den Eindruck einer Front eines Baues.

Das Verwaltungsgericht hat erwogen:

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und Sachverhalt stützen sich auf die vorliegende unbedenkliche Aktenlage und das Ergebnis der durchgeführten Beschwerdeverhandlung der, insbesondere die schlüssigen Ausführungen des beigezogenen hochbautechnischen Amtssachverständigen, denen fachlich nicht entgegengetreten wurde.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen

Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der

Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der

Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind Nachbarbeschwerden gegen eine der mitbeteiligten Partei im Gemeindeinstanzenzug erteilten baubehördlichen Bewilligung.

Allen österreichischen Bauordnungen ist gemeinsam, dass die Rechtsstellung des Nachbarn im baubehördlichen Bewilligungsverfahren beschränkt ist. Der Nachbar hat nur dort ein durchsetzbares Mitspracherecht, wo seine durch baurechtliche Vorschriften geschützte Rechtssphäre bei Verwirklichung des Bauvorhabens beeinträchtigt werden könnte. Auch nach den baurechtlichen Vorschriften des Bundeslandes Salzburg ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (VwGH 7.8.2013, 2012/06/0142 mwN).

Im Fall der Anberaumung einer mündlichen Bauverhandlung durch die erstinstanzliche Baubehörde mit persönlicher Verständigung der als Parteien in Betracht kommenden Nachbarn gemäß § 41 Abs 1 AVG – im vorliegenden Sachverhalt wurden die Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG als Nachbarn jeweils persönlich geladen - hat dies gemäß § 42 Abs 1 AVG zur Folge, dass diese Personen ihre Stellung als Parteien verlieren, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen, die ihre subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte berühren, erheben.

Aus dem beschränkten Mitspracherecht des Nachbarn folgt, dass die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde im Baubewilligungsverfahren bei der Berufung eines Nachbarn auf jene Fragen beschränkt ist, hinsichtlich derer dieser ein Mitspracherecht besitzt. Die Berufungsbehörde ist dabei nicht berechtigt, aus Anlass der Berufung eines Nachbarn andere Fragen als Rechtsverletzungen des Nachbarn aufzugreifen (vgl. zB VwGH 31.1.2012, 2012/05/0104, und 26.4.2002, 2000/06/0205). Da die Sachentscheidung des Verwaltungsgerichts an die Stelle des angefochtenen Bescheids tritt (vgl. VwGH 4.8.2015, Ra 2015/06/0039) besteht diese eingeschränkte Prüfungsbefugnis auf rechtzeitig geltend gemachte subjektiv-öffentliche Nachbarrechte auch für das Verwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren und bringt mit sich, dass das Verwaltungsgericht infolge einer Beschwerde des Nachbarn keine Aspekte aufgreifen darf, zu denen der Nachbar kein Mitspracherecht (mehr) hat. Das Verwaltungsgericht ist daher in solchen Fällen nicht berechtigt, den bekämpften Bescheid deshalb aufzuheben (oder abzuändern), weil er seiner Ansicht nach bestimmten, ausschließlich von der Behörde wahrzunehmenden (im öffentlichen Interesse liegenden) Vorschriften widerspricht (vgl. VwGH vom 18.3.2013, 2010/05/0063).

Eine Einwendung im Rechtssinn gemäß § 42 Abs 1 AVG liegt nur dann vor, wenn das Vorbringen wenigstens die Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes durch das den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens bildende Vorhaben erkennen lässt. Dies bedeutet, dass aus dem Vorbringen des Nachbarn zu erkennen sein muss, in welchem vom Gesetz geschützten Recht er sich durch die beabsichtigte Bauführung verletzt erachtet. Wird keine solche Einwendung erhoben, verliert der Nachbar seine Parteistellung im Baubewilligungsverfahren (vgl. VwGH 26.6.2014, 2011/06/0040 mwN).

Subjektiv-öffentliche Rechte der Nachbarn begründen jene Bestimmungen der bau- und raumordnungsrechtlichen Vorschriften, die nicht ausschließlich dem Schutz des öffentlichen Interesses, sondern auch dem Schutz der besonderen (gesetzlich anerkannten) Interessen der Nachbarn dienen. Hiezu gehören neben den in § 9 Abs 1 Z 6 BauPolG demonstrativ aufgezählten Bestimmungen über die Höhe und Lage der Bauten im Bauplatz (§ 25 BGG) insbesondere auch einzelne dem Nachbarschutz dienende Bestimmungen des BauTG (s. § 62 BauTG 1976), des ROG 2009, einzelne Festlegungen des Flächenwidmungsplanes (wenn ein Immissionsschutz in der Widmungsregelung vorgesehen ist), sowie einzelne auch dem Nachbarschutz dienende Festlegungen im Bebauungsplan bzw in der Bauplatzerklärung (siehe dazu näher Giese, Salzburger Baurecht, Seiten 324 ff mit Judikaturnachweisen).

Die Erst-und Zweitbeschwerdeführer bringen in ihrem Beschwerdevorbringen im Wesentlichen vor, dass die Nachbarabstände zu ihren Grundstücken aufgrund eines falsch dargestellten Urgeländes unrichtig berechnet und sie dadurch in ihrem subjektiv-öffentlichen Nachbarrecht auf Einhaltung der gesetzlichen Mindestnachbarabstände verletzt worden seien.

Die in ihrer schriftlichen Eingabe an die erstinstanzliche Baubehörde vom 21.12.2015 vorgebrachten rechtzeitigen Einwendungen richten sich gegen die Festlegung der maßgeblichen Traufen- und Firsthöhen, welche nach ihrer Ansicht aufgrund eines falsch dargestellten Urgeländes unzutreffend seien. Dieses Vorbringen der zu diesem Zeitpunkt noch unvertretenen Erst- und Zweitbeschwerdeführer lässt gerade noch die Behauptung der Verletzung ihres subjektiv-öffentlichen Nachbarrechtes auf Einhaltung der Mindestnachbarabstände erkennen, sodass das Verwaltungsgericht diesbezüglich von einer zulässigen Einwendung und nicht von Präklusion, wie von der mitbeteiligten Partei vorgebracht, ausgeht.

Einwendungen hinsichtlich der Einhaltung der Mindestnachbarabstände können von den Nachbarn aber nicht in jedweder Hinsicht geltend gemacht werden, dienen doch nur jene Festlegungen (auch) den Interessen des jeweiligen Nachbarn, welche die Verhältnisse an der Grundgrenze zu diesem Nachbarn betreffen. Nur in diesem örtlichen Zusammenhang sind nachbarliche Einwendungen hinsichtlich der Einhaltung des Abstandes zur Grundgrenze zulässig (VwGH 30.4.1992, 92/06/0011).

Die Erst-und Zweitbeschwerdeführer können mit ihrem Vorbringen der falschen Darstellung des Urgeländes und daraus folgend der falschen Berechnung der Mindestnachbarabstände im Ergebnis nicht durchdringen:

Sowohl die belangte Behörde als auch die Baubehörde erster Instanz haben bei der Bestimmung der für die Abstandsberechnung maßgeblichen Traufenhöhen das im rechtsgültigen Bebauungsplan mit Höhenschichtlinien festgestellte "Urgelände" zu Grunde gelegt. Nach der vorliegenden Aktenlage (zum Bebauungsplan) wurde das im rechtsgültigen Bebauungsplan ausgewiesene "Urgelände" am 23.5.1995 durch einen Geometer aufgenommen.

Nach der auch vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführer zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist das im rechtsgültigen Bebauungsplan durch die Höhenpunkte ausgewiesene Gelände als "Urgelände" für die Beurteilung maßgeblich und nicht ein allenfalls früherer (oder auch späterer) Geländeverlauf (VwGH 27.2.2015, 2012/06/0183 mwN).

Dieser im rechtsgültigen Bebauungsplan durch Höhenschichtlinien ausgewiesene Geländeverlauf wurde im gegenständlichen Einreichprojekt der mitbeteiligten Partei berücksichtigt und für die maßgeblichen Höhenfeststellungen und Abstandsberechnungen herangezogen. Diese Vorgangsweise entspricht unbeschadet des sich heute anders darstellenden Geländeverlaufs der Rechtslage.

Eine Unterschreitung der gesetzlichen Mindestnachbarabstände durch das vorliegende Bauvorhaben der mitbeteiligten Partei zu den Nachbargrundstücken der Erst-und Zweitbeschwerdeführer bei Zugrundelegung des im rechtsgültigen Bebauungsplan ausgewiesenen Urgeländes für die Abstandsberechnung wird auch von den Erst-und Zweitbeschwerdeführern nicht konkret behauptet. Sie liegt nach dem vom beigezogenen hochbautechnischen Amtssachverständigen als plausibel befundenen Einreichplan nicht vor.

In Bezug auf die ebenfalls von ihnen monierte Nichteinhaltung der im Bebauungsplan festgelegten Geschoßanzahl haben die Erst-und Zweitbeschwerdeführer kein zusätzliches Mitspracherecht, da im Bebauungsplan auch die Gebäudehöhen festgelegt sind und sie bereits ein Mitspracherecht auf Einhaltung von Abstandsvorschriften und Gebäudehöhen besitzen. (vgl. VwGH 12.7.2102, 2012/06/0056; 27.1.2009, 2008/06/0187). Im Übrigen haben sie nicht dargelegt, inwiefern sie durch die Ausübung der im rechtsgültigen Bebauungsplan (absolut) festgelegten Traufenhöhe, die nach den Sachverhaltsfeststellungen mit dem gegenständlichen Bauvorhaben eingehalten wird, in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten betroffen sind.

Das Einwendungsvorbringen der Erst-und Zweitbeschwerdeführer wurde daher von der belangten Behörde zu Recht abgewiesen.

Im Ergebnis ist die Beschwerde allerdings im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen der Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer, wonach durch das gegenständliche Bauvorhaben der mitbeteiligten Partei die im Bebauungsplan festgelegten Baufluchtlinien nicht eingehalten werden, berechtigt:

Die Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer haben in ihren rechtzeitigen schriftlichen Einwendungen vom 21.12.2015 jeweils ausdrücklich eingewendet, dass durch die vorliegende Planung die im Bebauungsplan vorgegebenen Baufluchtlinien nicht eingehalten werden. Die von der mitbeteiligten Partei vorgebrachte Präklusion der Beschwerdeführer im Hinblick auf diese Einwendung liegt somit nicht vor.

Nach den Sachverhaltsfestellungen verläuft zwischen den näher angeführten Nachbargrundstücken der Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer und dem Bauplatz der mitbeteiligten Partei die Verkehrsfläche 703/2 (Wegparzelle), zu der im rechtsgültigen Bebauungsplan eine Baufluchtlinie mit Abstand zur Straßenfluchtlinie von 5 m (im Bereich der Grundstücke 703/21 und 703/22) und 7,50 m (im Bereich der Grundstücke 703/23 und 703/24) festgelegt ist. Diese Baufluchtlinie wird durch das gegenständliche Bauvorhaben durch die jeweils im Erdgeschoß und im Obergeschoß hervortretenden Balkone und Vordächer auch nach dem von der mitbeteiligten Partei in der Beschwerdeverhandlung am 2.11.2016 modifizierten Projekt (Austauschplan vom Oktober 2016) im Haus A um 1,5 m und im Haus B um 1,2 m überragt.

Projektsmodifikationen bzw. Projektsänderungen sind auch im Beschwerdeverfahren zulässig, solange das Projekt dadurch kein anderes ("aliud") wird (VwGH vom 29.4.2015, 2013/05/0004 mwN).

Da die Projektsmodifikation der mitbeteiligten Partei vom 2.11.2016 nur Aspekte der Gestaltung (straßenseitige Balkone) betrifft, das Bauvorhaben in seinem Verwendungszweck und wesentlichen Ausmaßen und Abständen unverändert bleibt, geht das Verwaltungsgericht entgegen der in der Beschwerdeverhandlung geäußerten Ansicht der Beschwerdeführer von einer zulässigen Antragsänderung der mitbeteiligten Partei im Sinne des § 13 Abs 8 AVG aus.

Nach dem gemäß § 56 Abs 3 BauTG 2015 im vorliegenden Sachverhalt (die Einleitung des gegenständlichen baurechtlichen Verfahrens erfolgte vor dem 1.7.2016) noch anzuwendenden § 8 Abs 1 lit b BauTG 1976 dürfen Balkone, Erker u. dgl. höchstens 1,50 m über die Baulinie oder Baufluchtlinie sowie in den Mindestabstand von den Grenzen des Bau vortreten, dies jedoch nur in einer solchen Anzahl und in einem solchen Ausmaß, dass sie nicht selbst den Eindruck einer Front des Baues erwecken, in Verkehrsflächen überdies nur dann, wenn diese mehr als 12 m breit sind.

Es handelt sich dabei um eine Ausnahmebestimmung, die im Allgemeinen restriktiv auszulegen ist (vgl. VwGH 10.4.2012, 2012/06/0021). Um die Privilegierung des § 8 Abs 1 lit b BauTG 1976 in Anspruch nehmen zu können, dürfen diese hervortretenden Bauteile im Verhältnis zur Gebäudefront nur untergeordnet in Erscheinung treten. So können zB zwei Dachgauben, welche 41 % der Gesamtlänge einer Gebäudefront ausmachen, in ihrer durch ihre Nähe bewirkten gesamten Erscheinung, nicht als "untergeordnete Bauteile" angesehen werden (VwGH 20.6.2002, 2000/06/0181). Eine Privilegierung von hervortretenden Bauteilen kommt jedenfalls nicht in Betracht, wenn sie den Eindruck einer neuen geschlossenen Gebäudefront erwecken, wie z.B. durch eine geschlossene Aneinanderreihung von Gebäudevorsprüngen und Balkons oder durch die Schließung eines umlaufenden Balkons, wodurch ein sich horizontal über die gesamte Breite der Fassade erstreckender, bis zum Dach reichender Vorsprung in Stockwerkshöhe entsteht (VwGH 9.9.2008, 2007/06/0050).

Nach dem vorliegenden in der Beschwerdeverhandlung am 2.11.2016 modifizierten Einreichprojekt der mitbeteiligten Partei, erstrecken sich die die Baufluchtlinie überragenden Balkone jeweils über zwei Stockwerke (mit zusätzlichem Vordach im Obergeschoß). Sie nehmen jeweils 78 % der gesamten Gebäudelängen der Baukörper ein.

Die mitbeteiligte Partei beruft sich im Wesentlichen darauf, dass die errechneten Ansichtsflächen der Balkonbrüstungen und Vordachansichten nur jeweils einen Anteil von ca. 30 % der gesamten Fassadenfläche je Baukörper bilden und die hervortretenden Balkone daher ihrer Ansicht nach nicht frontbildend seien.

Dieser Ansicht wird vom Verwaltungsgericht schon aufgrund der gebotenen restriktiven Auslegung des § 8 Abs 1 lit b BauTG 1976 nicht gefolgt, da es - wie oben ausgeführt - auf das tatsächliche Erscheinungsbild der hervortretenden Bauteile ankommt. Der beigezogene hochbautechnische Amtssachverständige führte dazu aus, dass die Balkone auch in der Austauschplanung vom Oktober 2016 aufgrund ihrer Gestaltung und ihres Ausmaßes den Eindruck einer Gebäudefront erwecken, wobei die Balkonbrüstungen vor allem bei der schräg seitlich gesehenen Perspektive fast zu einer Einheit verschmelzen. Die Ausführungen des Sachverständigen, denen die mitbeteiligte Partei fachlich nicht entgegengetreten ist, sind schlüssig und insb. in Anbetracht der vorgelegten perspektivischen Darstellung (siehe Fotomontage Seite 5, Bild 2) nachvollziehbar. Unter Berücksichtigung der bereits angeführten höchstgerichtlichen Judikatur (vgl. auch VwGH 30.9.2015, Ro 2014/06/0024; 30.3.2004, 2003/06/0059; 20.6.2002, 2000/06/0181) geht das Verwaltungsgericht daher davon aus, dass gegenständlich kein Ausnahmegrund für das Hervortreten der Balkone über die Baufluchtlinie gegeben ist. Das gegenständliche Bauvorhaben der mitbeteiligten Partei steht somit im Widerspruch zum rechtsgültigen Bebauungsplan. Dies stellt gemäß § 9 Abs 1 Z 2 BauPolG einen Versagungsgrund für die Baubewilligung dar.

Da nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zum Salzburger Baurecht zuletzt VwGH 27.2.2015, 2012/06/0219 mwN) den der Baufluchtlinie gegenüberliegenden Grundstücksnachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der Baufluchtlinie zukommt (aM Giese, Kommentar zum Salzburger Baurecht, Rz 17 zu § 8 BauTG und BBl 2015, 133), ist die rechtzeitig erhobene Einwendung der Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer, dass die Baufluchtlinie nicht eingehalten werde, berechtigt. Hinsichtlich der Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer liegt somit auch ein Versagungsgrund gemäß § 9 Abs 1 Z 6 BauPolG vor, der vom Verwaltungsgericht im gegenständlichen Beschwerdeverfahren aufzugreifen ist.

Der Beschwerde der Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer war somit stattzugeben, der Baubewilligungsbescheid zu beheben und die von der mitbeteiligten Partei beantragte baubehördliche Bewilligung wegen Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte zu versagen.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (siehe insb. 2012/06/0021, 2007/06/0050, 2000/06/0181 zur Privilegierung hervortretender Bauteile; 2012/06/0219 mwN zum Bestehen eines subjektiv-öffentlichen Nachbarrechtes auf Einhaltung der Baufluchtlinie). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

subjektiv-öffentliches Nachbarrecht auf Einhaltung der Baufluchtlinie, hervortretende Bauteile, zulässige Projektsergänzung im Beschwerdeverfahren

Anmerkung

ao Revision erhoben, VwGH vom 30.1.2019, Ra 2017/06/0002-3, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGSA:2016:405.3.95.1.10.2016

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Salzburg LVwg Salzburg, https://www.salzburg.gv.at/lvwg
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