TE Vwgh Erkenntnis 1999/7/1 95/21/0807

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Veröffentlicht am 01.07.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §6;
AVG §71 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des K O, (geboren am 4. Juni 1960), in Graz, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 9. Mai 1995, Zl. Fr 1258/1994, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen den Aufenthaltsverbots-Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 14. September 1994 und Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen diesen Aufenthaltsverbots-Bescheid, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Spruchpunktes 2. (Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 14. September 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Ghana, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen. Gegen diesen Bescheid, der vom Beschwerdeführer am 20. September 1994 übernommen worden war, erhob dieser die am 7. Oktober 1994 zur Post gegebene, an die Bundespolizeidirektion Graz gerichtete Berufung, die der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) von der erstinstanzlichen Behörde zur Entscheidung vorgelegt wurde. Über (schriftlichen) Vorhalt der belangten Behörde (zugestellt am 15. März 1995), dass die Berufung verspätet eingebracht worden sei, stellte der Beschwerdeführer mit dem am 29. März 1995 zur Post gegebenen Schriftsatz den Antrag, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Aufenthaltsverbots-Bescheid) zu bewilligen. Begründend führte er aus, dass seine Ehegattin, obwohl er sie ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass der Aufenthaltsverbots-Bescheid bereits am 20. September 1994 an ihn zugestellt worden sei, seinem Rechtsvertreter den Bescheid mit der unrichtigen Mitteilung übergeben habe, dass die Bescheidzustellung am 23. September 1994 erfolgt wäre. Aufgrund der besonderen Umstände habe sich die Ehegattin des Beschwerdeführers in einem verständlicherweise erregten Zustand befunden und die Hinweise ihres Ehegatten wahrscheinlich falsch aufgenommen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 9. Mai 1995 (zugestellt am 29. Mai 1995) hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 14. September 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurückgewiesen und seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 71 AVG abgewiesen.

Nach Wiedergabe des Vorbringens des Beschwerdeführers in seinem Wiedereinsetzungsantrag führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers verpflichtet gewesen wäre, durch eine am 23. September 1994 oder in den folgenden Tagen der offenen Rechtsmittelfrist vorzunehmende Akteneinsicht bei der erstinstanzlichen Behörde bzw. bei der Poststelle der Justizanstalt Graz-Jakomini den genauen Tag der Bescheidzustellung festzustellen. Wenn er sich auf die Angaben der Ehegattin des Beschwerdeführers als dessen Botin hinsichtlich des Zustelldatums verlassen habe, ohne zusätzlich die für die Klärung des exakten Zustelldatums notwendige Akteneinsicht vorzunehmen, so gehe das Risiko eines nicht exakt verifizierten Zustelldatums eindeutig zu Lasten des Parteienvertreters bzw. des Beschwerdeführers, zumal jener aufgrund seiner Berufserfahrung davon habe ausgehen müssen, dass bei der Überbringung von Bescheiden ohne Hinweis auf einen schriftlichen Zustellnachweis durch Boten, die noch dazu juristisch nicht vorgebildet seien, unrichtige Mitteilungen nahezu vorprogrammiert seien. Außerdem hätte der Parteienvertreter ohne längeres Zuwarten vorsorglich ein Rechtsmittel ergreifen können, um die Rechtsmittelfrist zu wahren. Darüberhinaus wäre es auch dem Beschwerdeführer zumutbar gewesen, durch telefonische Kontaktaufnahme mit seinem Rechtsvertreter das genaue Zustelldatum mit diesem abzuklären oder das genaue Zustelldatum auf dem Bescheid vor Überbringung durch die Botin handschriftlich zu vermerken. Im Hinblick darauf könne in der unrichtigen mündlichen Übermittlung des Zustelldatums durch die Botin an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers kein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis gesehen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorauszuschicken ist, dass aufgrund der Beschwerdeausführungen ungeachtet der den gesamten Spruch erfassenden Anfechtungserklärung und des dementsprechenden Aufhebungsantrages davon auszugehen ist, dass sich die Beschwerde ausschließlich gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages (Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides) richtet. Demgemäß hat sich der Verwaltungsgerichtshof auch nur mit diesem Teil des Bescheides zu befassen (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 245, wiedergegebene hg. Judikatur; ebenso etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1997, Zl. 97/18/0144).

2. Gemäß § 71 Abs. 4 AVG ist zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat. Nach § 63 Abs. 5 AVG in der bis zum 30. Juni 1995 geltenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 471/1995 ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 24. Juni 1994, Slg. Nr. 13.816, die Wortfolge "oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat" im ersten Satz des § 63 Abs. 5 AVG in der genannten Fassung als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des 30. Juni 1995 in Kraft tritt (vgl. die Kundmachung BGBl. Nr. 686/1994). Auf den Beschwerdefall ist daher § 63 Abs. 5 AVG in der angeführten Fassung anzuwenden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. November 1994, Zl. 94/09/0220).

3. Der Beschwerdeführer hat seine Berufung gegen den Aufenthaltsverbots-Bescheid bei der Behörde, die diesen Bescheid in erster Instanz erlassen hatte - unbestrittenermaßen allerdings verspätet - eingebracht. Damit wurde das Wahlrecht für die Einbringung der Berufung im Sinn des § 63 Abs. 5 AVG ausgeübt und die Zuständigkeit zur Entscheidung über den (in der Folge gestellten) Wiedereinsetzungsantrag nach § 71 Abs. 4 AVG festgelegt. Zuständig zur Entscheidung über diesen Antrag war demnach die Behörde, bei der die Berufung eingebracht wurde, im vorliegenden Fall somit die erstinstanzliche Behörde und nicht die belangte als jene Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hatte (vgl. etwa das vorzitierte Erkenntnis, Zl. 94/09/0220, und das hg. Erkenntnis vom 3. September 1996, Zl. 96/04/0071, mwN).

4. Da die belangte Behörde dies verkannte und über den bei ihr eingebrachten Wiedereinsetzungsantrag meritorisch entschied, anstatt damit nach der Vorschrift des § 6 AVG zu verfahren, belastete sie den angefochtenen Bescheid insoweit mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde. Diese Rechtswidrigkeit war im Rahmen des Beschwerdepunktes von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 1997, Zl. 94/07/0114). Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die angesprochene Umsatzsteuer war nicht zuzuerkennen, weil eine gesonderte Vergütung von Umsatzsteuer neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwandersatz im Gesetz nicht vorgesehen ist. Wien, am 1. Juli 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1995210807.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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