TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/10 W254 2207891-2

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Veröffentlicht am 10.12.2018
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Entscheidungsdatum

10.12.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W254 2207891-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Somalia, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 9.11.2018, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer stellte am 21.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

Mit Bescheid vom Mit Bescheid vom 18.09.2018 wies die belangte Behörde diesen Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt (V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise verfügt (Spruchpunkt VI.). Im Spruchpunkt VII. wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 30.10.2017 verloren hat.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 16.10.2018 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Das diesbezügliche Verfahren ist derzeit zur Zl. XXXX beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 09.11.2018 hat die belangte Behörde betreffend den Beschwerdeführer folgendes ausgesprochen:

"Gemäß § 68 Abs. 2 AVG wird der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.09.2018, Zl. XXXX , von Amts wegen abgeändert. Spruchpunkt VI hat zu lauten: Gemäß § 55Absatz 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise, Die Spruchpunkte VIII und IX werden wie folgt ergänzt: VIII. Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wird gegen Sie ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreisverbot erlassen. IX. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über ihren Antrag auf internationalen Schutz wird gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt."

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass dem Beschwerdeführer mit dem Bescheid vom 16.10.2018 keine Rechte eingeräumt oder festgestellt wurden. Daher sei § 68 Abs. 2 AVG grundsätzlich anwendbar. Der Bescheid wurde im Ermessen der Behörde abgeändert, weil der Beschwerdeführer rechtskräftig zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt wurde und sich nun in Haft befindet. Aufgrund der häufig vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes sei zweifelsfrei ersichtlich, dass ein hohes Gefahrenpotential vorhanden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Anträge gestellt wurden den angefochtenen Abänderungsbescheid zu beheben und in eventu das neu ausgesprochene Einreiseverbot aufzuheben bzw. die Befristung des Einreiseverbots angemessen herabzusetzen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Der oben wiedergegebene Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten den Beschwerdeführer betreffenden Verwaltungs- und Gerichtsakten.

2. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A:

Stattgabe der Beschwerde und ersatzlose Behebung des Bescheides:

Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides:

§ 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. 51/1991 idgF lautet auszugsweise:

"§ 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

[...]"

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Ziel und Zweck der Regelung des § 68 AVG ist, die Bestandskraft von Bescheiden zu schützen (Kopp, ZfV 1977, 390), oder anders ausgedrückt, eine Aufhebung oder Abänderung des Bescheides durch die Verwaltungsbehörde, insbesondere der im Spruch des Bescheides getroffenen normativen Anordnung, außerhalb des Rechtsmittelverfahrens nur unter bestimmten, vom Gesetz eng begrenzten Voraussetzungen zuzulassen. Die Anwendbarkeit des § 68 AVG setzt nach hA gemäß seinem Abs 1 weiterhin, daran hat die AVG-Nov BGBl I 2013/33 nichts geändert, das Vorliegen eines "der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides" voraus. Dies hat sich mit der Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit dahingehend geändert, dass nun unter formeller Rechtskraft die Unanfechtbarkeit des Bescheides nicht nur mit ordentlichen Rechtsmitteln iSd AVG, sondern auch mit Beschwerde (Vorlageantrag gem § 15 VwGVG) an das VwG zu verstehen ist (Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5 Rz 558; Leeb, Änderung 132 f; Palmstorfer/Reitshammer, ZÖR 2014, 362; Raschauer, Auswirkungen 240 f; Stolzlechner in Stolzlechner/Wendl/Bergthaler, Betriebsanlage4 Rz 359; Unterpertinger, ÖJZ 2013, 998 ff; vgl auch Kolonovits/Muzak/Stöger10 Rz 453/1, die zwischen formeller Rechtskraft im engeren Sinn [Unanfechtbarkeit mit verwaltungsinternen ordentlichen Rechtsmitteln] und im weiteren Sinn [Unanfechtbarkeit mit Beschwerde an ein VwG] unterscheiden). § 68 AVG stellt nicht auf die formelle Rechtskraft von Bescheiden ab, sondern macht seine Anwendbarkeit ausschließlich davon abhängig, dass der Bescheid der Berufung (gemeint sind alle im AVG geregelten ordentlichen Rechtsmittel) nicht oder nicht mehr unterliegt. Die Anhängigkeit einer zulässigen Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht steht einer Anwendung des § 68 Abs. 2 AVG nicht entgegen (vgl. VwGH vom 16.11.2015, Zl. Ra 2015/12/0029; vgl. auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 8, 9).

Dies bedeutet, dass Bescheide, die nur noch mit Beschwerde an das VwG bekämpft werden können und gegen die ein im AVG vorgesehenes ordentliches Rechtsmittel iSd § 68 Abs 1 AVG nicht mehr zur Verfügung steht, gem § 68 AVG von Amts wegen aufgehoben oder abgeändert werden können. Die Möglichkeit sowie die Anhängigkeit einer zulässigen Beschwerde beim VwG stehen der Anwendung des § 68 AVG grundsätzlich nicht entgegen.

Dem Wortlaut nach käme eine amtswegige Aufhebung oder Abänderung von der Berufung nicht (mehr) unterliegenden Bescheiden nach § 68 Abs 2 AVG nur für rein belastende Bescheide, eben solche, "aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist", in Betracht. Der VwGH vertritt allerdings in ständiger Rechtsprechung über den Wortlaut des § 68 Abs 2 AVG hinausgehend die Auffassung, dass es letztendlich nicht darauf ankommt, ob der abzuändernde Bescheid selbst begünstigende oder belastende Wirkung hat. Ausschlaggebend für die Anwendbarkeit des § 68 Abs 2 AVG ist der Effekt der Aufhebung oder Abänderung. Wirkt sie zugunsten der Partei(en), ist sie in verfahrensrechtlicher Hinsicht nach § 68 Abs 2 AVG stets zulässig, gleichgültig, ob der Partei aus dem Bescheid ein Recht erwachsen ist oder nicht (vgl VfGH 21. 2. 2014, B 1512/2011). Belastende Abänderungen von der Berufung nicht (mehr) unterliegenden Bescheiden können nicht auf § 68 Abs 2 AVG gestützt werden (vgl VwGH 27. 5. 2014, 2011/10/0197), auch dann nicht, wenn es sich um Bescheide handelt, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist (vgl VwSlg 1293 A/1950; 17. 5.2001, 2001/07/0034; ferner Antoniolli/Koja 581; Hengstschläger, Die Verwaltung 1979, 347 f; Kolonovits/Muzak/Stöger10 Rz 654; Raschauer, Rechtskraftdurchbrechungen 289; Thienel/Schulev-Steindl5 302). Der VwGH beruft sich bei seiner den Wortlaut des § 68 Abs 2 AVG ergänzenden bzw. berichtigenden Interpretation auf den "Sinn der Vorschrift" im "Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen dieser Gesetzesstelle" (VwSlg 4187 A/1956) sowie auf das dem Gleichheitssatz innewohnende Sachlichkeitsgebot (VwSlg 9875 A/1979) (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 68 Rz 81).

Im Ergebnis vertritt der VwGH den Standpunkt, dass es unmaßgeblich ist, ob es sich um einen begünstigenden oder belastenden Bescheid handelt, die Behörde aber von der ihr in § 68 Abs 2 AVG eingeräumten Möglichkeit nur dann Gebrauch machen darf, wenn damit keine Verschlechterung der Rechtsstellung einer Partei verbunden ist, weshalb eine Vorgangsweise, durch welche die Rechtslage - nicht sonstige Umstände - ungünstiger als durch den ursprünglichen, aufgehobenen oder abgeänderten Bescheid gestaltet wird, nicht auf § 68 Abs 2 AVG gestützt werden kann (VwSlg 1293 A/1950; VwGH 20. 3. 1996, 95/21/0369; 24. 2. 2005, 2004/11/0215).

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 9.11.2018 den ursprünglich ergangenen Bescheid vom 18.09.2018 zweifellos zum Nachteil einer Partei abgeändert, indem zusätzlich ein Einreiseverbot verhängt wurde und einer Beschwerde gegen die Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Durch den Bescheid ist daher unzweifelhaft eine Verschlechterung der Rechtsstellung des Beschwerdeführers verbunden.

Der auf § 68 Abs. 2 AVG gestützte beschwerdegegenständliche Bescheid ist bereits aus diesem Grund rechtswidrig und daher aufzuheben.

Hat die Unterbehörde von Amts wegen einen Bescheid erlassen, der nicht hätte ergehen dürfen, weil in der betreffenden Angelegenheit die Erlassung eines Bescheides nicht vorgesehen ist oder weil die rechtlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind, hat die Berufungsbehörde den zu Unrecht ergangenen Bescheid ersatzlos zu beheben (Hengstschläger/Leeb, AVG² § 66 Rz 105, mwH).

Vor dem Hintergrund, dass der gegenständlich angefochtene Bescheid bereits auf Grund der Aktenlage aufzuheben war, konnte gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht entfallen.

Auch konnte aufgrund der gegenständlich erfolgten Sachentscheidung binnen der durch § 18 Abs. 5 BFA-VG normierten Frist ein gesonderter Abspruch über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abänderung eines Bescheides, Einreiseverbot, Unrechtsgehalt,
Verschlechterung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W254.2207891.2.00

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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