TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/15 W170 2199585-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.11.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
FPG §51
FPG §52
FPG §52 Abs1
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
VwGVG §24 Abs2
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W170 2199585-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.05.2018, Zl. 830818807 - 180101316, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, und § 10 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 i.V.m. § 52 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, stattgegeben und die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018 nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 16.11.2013, Zl. 1361181/FrB/13, wurde gegen den syrischen Staatsangehörigen XXXX gemäß § 52 Abs. 1 FPG eine Rückkehrentscheidung sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 leg. cit. ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen, wogegen dieser durch seine damalige Rechtsvertretung, den MigrantInnenverein St. Marx und RA Dr. Lennart BINDER, am 02.12.2013 Berufung erhob.

Auf dahingehende Nachfrage durch den dafür zuständigen Unabhängigen Verwaltungssenat Wien konkretisierte XXXX mit Schriftsatz vom 19.12.2013 durch seine damalige Rechtsvertretung seine Berufung vom 02.12.2013 dahingehend, dass diese auch einen Antrag gemäß § 51 Abs. 2 FPG auf Feststellung dahingehend beinhalte, dass seine Abschiebung nach Syrien unzulässig sei. Er würde zur Kenntnis nehmen, dass dieser Antrag als Antrag auf internationalen Schutz verstanden werde, über den das [damalige] Bundesasylamt zur Entscheidung berufen wäre.

1.2. Über den Antrag auf internationalen Schutz des XXXX vom 19.12.2013 wurde nach Aktenlage bislang nicht entschieden, insbesondere wurde er seitens der belangten Behörde keiner erkennbaren Behandlung zugeführt.

1.3. Mit den angefochtenen Spruchpunkten des im Spruch dieses Erkenntnisses genannten Bescheides wurde XXXX ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf acht Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen. Mit dem dritten, nicht angefochtenen, Spruchpunkt wurde die Abschiebung des XXXX nach Syrien gemäß § 9 Abs. 2 AsylG iVm § 52 Abs. 9 FPG vorübergehend für unzulässig erklärt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus der unbedenklichen Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018 (in Folge: VwGVG), hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018 (in Folge: B-VG), in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

2. Gemäß § 51 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: FPG), ist während eines Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbots - worüber der Fremde zu verständigen ist - auf Antrag des Fremden festzustellen, ob die Abschiebung in einen von ihm bezeichneten Staat gemäß § 50 unzulässig ist. Bezieht sich dieser Antrag auf den Herkunftsstaat des Fremden, gilt dieser Antrag als Antrag auf internationalen Schutz. Diesfalls ist gemäß den Bestimmungen des AsylG vorzugehen.

Im gegenständlichen Fall liegt ein solcher Antrag des Beschwerdeführers vom 19.12.2013 vor, über den bislang nicht abgesprochen wurde.

3. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162; VwGH 15.03.2018, Ra 2017/21/0138; zuletzt VwGH 25.09.2018, Ra 2018/21/0107-10) ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht zulässig, bevor über den Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde. In einem solchen Fall ist ein anhängiges Rückkehrentscheidungsverfahren einzustellen, und eine bereits erlassene erstinstanzliche, mit Beschwerde bekämpfte Rückkehrentscheidung vom Verwaltungsgericht ersatzlos zu beheben (VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162).

Gemäß der seit dem 01.11.2017 geltenden Fassung des § 52 Abs. 9 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Diese Norm ist - wie bisher - sowohl vom Bundesamt im behördlichen Verfahren als auch vom Verwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren anzuwenden. Vor diesem - insoweit grundsätzlich weiterhin gültigen - rechtlichen Hintergrund ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (allenfalls auch samt darauf aufbauendem Einreiseverbot) nicht zulässig, bevor über einen anhängigen Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde. Auch dann, wenn ein Rückkehrentscheidungsverfahren - unabhängig vom Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz - bereits anhängig ist, darf die Rückkehrentscheidung (unbeschadet eines allenfalls weiterbestehenden unrechtmäßigen Aufenthalts des Fremden) grundsätzlich nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergehen. Die Feststellung, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, würde aber - jedenfalls in Bezug auf den Herkunftsstaat - bedeuten, das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz, in dem diese Frage erst zu klären ist, in unzulässiger Weise vorwegzunehmen. (VwGH 15.03.2018, Ra 2017/21/0138)

Eine ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheids ist eine Entscheidung in der Sache selbst (vgl. VwGH 25.03.2015, Ro 2015/12/0003).

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen, ohne bislang über seinen Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen zu haben. Aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt geht zwar eindeutig hervor, dass der Beschwerdeführer einen gemäß § 51 Abs. 1 FPG als solchen geltenden Antrag gestellt hat, jedoch ist keine erstinstanzliche Entscheidung über diesen Antrag aktenkundig. Es ist daher davon auszugehen, dass der Antrag bislang keinerlei Erledigung zugeführt wurde, welches die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren nachzuholen haben wird.

Im Lichte der oben genannten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat das Bundesverwaltungsgericht mangels Erledigung des Antrags auf internationalen Schutz vor Ausspruch der Rückkehrentscheidung ebendiese sowie die damit untrennbar verbundenen, ebenfalls bekämpften, Spruchpunkte ersatzlos zu beheben, da das Bundesamt über den gegenständlichen Abspruch vor Erledigung des Antrags auf internationalen Schutz nicht zuständig war.

Insgesamt ist daher spruchgemäß zu entscheiden, das Bundesamt darf aber - je nach Ergebnis des Asylverfahrens - dieses gegebenenfalls wieder mit einer Rückkehrentscheidung bzw. einem Einreiseverbot verbinden. Allerdings ist es - bei gleicher Rechts- und Tatsachenlage - an den rechtskräftigen Spruchpunkt III. des verfahrensgegenständlichen Bescheides gebunden.

4. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Dies ist gegenständlich hinsichtlich der angefochtenen Spruchpunkte I. und II. der Fall.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die relevante Rechtsprechung unter

A) zitiert und beachtet, es ist daher weder zu sehen, dass die

gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, es an einer solchen Rechtsprechung fehlt oder die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als uneinheitlich zu beurteilen ist. Daher ist die Revision unzulässig.

Schlagworte

Abschiebung, Behebung der Entscheidung, Bundesasylamt,
Einreiseverbot, ersatzlose Behebung, Rückkehrentscheidung,
unzuständige Behörde, Unzuständigkeit, Verfahrenseinstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W170.2199585.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten