TE Lvwg Erkenntnis 2017/12/21 LVwG-AV-950/001-2017

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Veröffentlicht am 21.12.2017
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Entscheidungsdatum

21.12.2017

Norm

BAO §236

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn LD, vertreten durch Pallas Rechtsanwälte Partnerschaft, ***, ***, vom 29. Juli 2017 gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde *** vom 28. Juni 2017, Zl. 900-5-51/4/2-2015-B-GR-2017/1, mit welchem die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Abgabenbescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 16. Februar 2017, Zl. 900-5-51/4/2-2015-STR-2017/1, betreffend Nachsicht von fälligen Abgabenschuldigkeiten als unbegründet abgewiesen worden war, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

2.   Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.       Sachverhalt:

1.1. Vorverfahren:

1.1.1.

Vom Bezirksgericht *** wurde mit Versteigerungsedikt und Aufforderung zur Anmeldung, Zl. ***, in einer Exekutionssache u. a. die Versteigerung der Grundstücke Nr. *** und ***, EZ *** Grundbuch *** (Liegenschaft mit der topographische Adresse ***, ***) für 17. April 2014 öffentlich bekannt gegeben. In dem dazu erstellten Gutachten gelangt der vom Gericht beauftragte Sachverständige dabei zu einem Schätzwert von € 32.560,00. In der Rubrik „Bezeichnung der Liegenschaft“ finden sich neben der generellen Beschreibung des Wohngebäudes auf der Liegenschaft unter anderem auch Hinweise auf Rückstände bei der Stadtgemeinde *** über € 11.840,12. Diese Rückstände bei der Stadtgemeinde *** seien vom Schätzwert abzuziehen.

1.1.2.

Mit Schreiben vom 17. März 2014 meldete die Stadtgemeinde *** ihre offenen Forderungen an schloss diesem Schreiben eine detaillierte Auflistung der Rückstände an. In dieser waren alle zum damaligen Zeitpunkt aushaftende Forderungen an Grundsteuer, Wasserbezugsgebühr, Kanaleinmündungsabgabe, Kanalbenützungsgebühr sowie Abfallwirtschaftsgebühren einschließlich Mahngebühren ausgewiesen.

1.1.3.

Nach dem Meistbotsverteilungsbeschluss des BG *** vom 11. November 2014 wurde der Stadtgemeinde *** zu den angemeldeten offenen Abgabenschuldigkeiten nur eine Forderungsbefriedigung über die im bevorzugten Rang zu befriedigende Grundsteuer in der Höhe von € 36,90 zugesprochen. Der Erwerbspreis der gegenständlichen Liegenschaft betrug € 16.280,-.

1.1.4.

Der Erwerber im Versteigerungsverfahren der Liegenschaft EZ ***, Grundbuch ***, Herr LD (in der Folge: Beschwerdeführer) wurde mit Schreiben (Rückstandsausweis) der Stadtgemeinde *** vom 6. Februar 2015 über die bestehenden offenen Abgabenforderungen mit dinglicher Wirkung benachrichtigt. Dieser Rückstandsausweis enthält eine Vollstreckbarkeitsbestätigung. Einwendungen gegen diesen Rückstandsausweis wurden vom Beschwerdeführer nicht erhoben.

1.1.5.

Mit Schreiben vom 9. April 2015, Rechnungsnummer: VS: 0 865 529 - E2955 KG *** GST ***, wurde dem Beschwerdeführer die offenen, aushaftenden Abgabenschuldigkeiten mittels Lastschriftanzeige bekannt gegeben.

1.2. Nachsichtsverfahren:

1.2.1.

Mit Schreiben vom 13. Mai 2015 ersuchte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers um Nachsicht wegen sachlicher und persönlicher Unbilligkeit und begründete diese umfangreich.

1.2.2.

Mit Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 16. Februar 2017, Zl. 900-5-51/4/2-2015-STR-2017/1, wurde dieser Antrag abgewiesen und begründend im Wesentlichen ausgeführt, dass weder eine persönliche noch eine sachliche Unbilligkeit vorläge, sodass die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Nachsicht gemäß § 236 Abs. 1 BAO nicht erfüllt wären.

1.2.3.

Mit Schreiben (Email) vom 3. April 2017 erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig durch seine ausgewiesene Vertretung das Rechtsmittel der Berufung und führte im Wesentlichen aus, dass die im Versteigerungsverfahren erworbene Liegenschaft sowie das Gebäude praktisch unbenutzbar, insbesondere nicht bewohnbar seien. In Kenntnis des tatsächlichen Zustandes der Liegenschaft und vor allem des Gebäudes im Inneren hätte niemand das Objekt ersteigert.

1.2.4.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde *** vom 28. Juni 2017, Zl. 900-5-51/4/2-2015-B-GR-2017/1, wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen und - nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der maßgeblichen Rechtsvorschriften - ausgeführt, dass im Versteigerungsedikt auf die offenen Forderungen der Stadtgemeinde *** in der Höhe von € 11.840,12 hingewiesen worden sei. Gleichzeitig hätten diese Forderungen den Schätzwert entsprechend reduziert. In Ansehung dieser klaren inhaltlichen Ausweisungen im zugrunde liegenden Versteigerungsedikt des BG *** vom 25. Februar 2014 über die bei der Liegenschaft ***, ***, bestehenden Abgabenrückstände zugunsten der Stadtgemeinde *** sowie der vorliegenden dinglichen Wirkung, wonach die Außenstände mit Ausnahme der Abgabe für Hunde und Rückstände bei der Musikschule vom Ersteher zu übernehmen seien, könne zu dem gegebenen Sachverhalt eine sachliche Unbilligkeit nicht erkannt werden, zumal lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliege und der vorgebrachte Berücksichtigungsgrund als vermeintliche Unbilligkeit für die davon betroffenen aus dem Gesetz selbst erfolge. Zur persönlichen Unbilligkeit wird dargelegt, dass eine Existenzgefährdung gerade durch die Einhebung der Abgabe verursacht oder entscheidend (auch) mitverursacht sein müsse. Die persönliche Unbilligkeit sei aber nicht gegeben, wenn auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts ändere. Der Beschwerdeführer habe ein Nettoeinkommen von € 937,95. Des Weiteren bekomme er noch monatlich einen Kinderzuschuss für ein Kind im Betrag von € 29,07 sowie ein Pflegegeld der Pflegestufe 2 im Ausmaß von € 290,00, welches nur einer Pfändbarkeit in Kongruenz zwischen Leistung und gepfändeter Forderung unterliegt (§ 290 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 EO). Laut der vom Bundesministerium für Justiz mit Stand 1. Jänner 2017 bekannt gegebenen Existenzminimumbeträge wiesen diese für das Jahr 2017 nachstehende Betragshöhen aus:

Nettolohn monatlich in €          Allgemeiner Grundbetrag          Erhöhung nach

                                                                                 § 291a Abs. 2 Z 2 EO

         bis     899,99        889,00        1.066,80

920,00  bis      939,99        898,30        1.077,96

Bei dem bestehenden Nettoeinkommen des Berufungswerbers in der Höhe von € 937,95 und unter Berücksichtigung der hinzukommenden Erhöhung des monatlich unpfändbaren Freibetrages wegen einer Unterhaltspflicht für das Kind ID nach den Bestimmungen des § 291a Abs. 1 EO (allgemeiner Grundbetrag) in Verbindung mit Abs. 2 Z 2. leg.cit. (20 % Erhöhungsbetrag für jede Person, der der Verpflichtete gesetzlichen Unterhalt gewährt) ergebe sich, dass das monatliche Gesamtnettoeinkommen des Berufungswerbers den geltenden unpfändbaren Freibetrag nicht übersteige und sohin die Einbringlichkeit der offenen Abgabenschuldigkeiten nach den aktuellen Einkommens- und Verpflichtungsverhältnissen derzeit nicht gegeben sei. Eine Unbilligkeit in dieser Hinsicht liege aber nicht vor, weil es infolge der momentanen Uneinbringlichkeit der Abgabenschulden durch Unterschreitung des monatlichen unpfändbaren Freibetrages zu keiner Auswirkung der Abgabeneinhebung auf die Einkommens- und Vermögenslage des Antragstellers kommen könne. Auch sei kein Wohnsitz bis dato an der Liegenschaft begründet worden. Warum gerade durch die Einhebung der offenen Abgabenschuldigkeiten dem Berufungswerber jene Geldmittel entzogen werden würden, die dieser für die Entsorgung und den Transport der dort lagernden Abfälle benötige, um das Gebäude wieder benutzbar zu machen, werde weder im Nachsichtsansuchen noch in der Berufung näher dargebracht oder konkretisiert. Auch hätten bei einer entsprechenden Wahrnehmung von gebotenen und zumutbaren Sorgfaltspflichten des Beschwerdeführers bei der Ersteigerung der Liegenschaft die anfallenden Aufwendungen und Investitionen für eine Herstellung der Objektbenützbarkeit zur Wohnungsaufnahme neben den noch zu leistenden offenen Abgabenschuldigkeiten mit dinglicher Wirkung beim Erwerbspreis wirtschaftlich mitberücksichtigt werden müssen. Die Gewährung einer Nachsicht brächte somit auch keinen Sanierungseffekt.

1.3. Beschwerdevorbringen:

Mit Schreiben vom 29. Juli 2017 brachte der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde *** an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ein und begründete diese im Wesentlichen wie die Berufungsschrift vom 3. April 2017. Ergänzend wird dargelegt, dass der Beschwerdeführer in der elterlichen Dienstwohnung wohne, die er nach Beendigung des Hausbesorger-Dienstverhältnisses seiner Eltern verlassen müsse. Die Wohnkosten würden von seinen Eltern bezahlt. Der Beschwerdeführer sei gesundheitlich schwer beeinträchtigt. Er beziehe von der PVA monatlich eine

Berufsunfähigkeitspension von € 459,40 und eine Ausgleichszulage von € 530,52

abzüglich Krankenversicherungsbeitrag von € 51,97, zusammen daher € 937,95

monatlich. Dazu komme ein Kinderzuschuss für ein Kind von € 29,07 monatlich und Pflegegeld der Pflegestufe 2 von € 290,00 monatlich, wobei beides jedoch nicht zum Einkommen zähle. Vor der Versteigerung habe der Beschwerdeführer die Liegenschaft und das Haus nur von außen besichtigen können. Infolge der im Inneren vorhandenen enormen Mengen an Abfall und Gerümpel seien Liegenschaft und Gebäude praktisch unbenutzbar und nicht bewohnbar. Auch habe der Beschwerdeführer in der Geschäftsabteilung des Bezirksgerichtes *** die Auskunft erhalten, dass die Liegenschaft nach Abschluss der Versteigerung schuldenfrei sein werde. Erst aufgrund des Schreibens der Stadtgemeinde *** vom 6. Februar 2015 habe er von den hohen, auf der von ihm ersteigerten Liegenschaft haftenden Abgabenschulden, erfahren.

1.4. Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich:

1.4.1.

Mit Schreiben vom 31. Juli 2017 legte die Stadtgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Plänen, Gutachten sowie Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Stadtrates) vor.

1.4.2. Lokalaugenschein und mündliche Verhandlung:

Vom erkennenden Gericht wurde für den 26. September 2017 eine mündliche Verhandlung anberaumt. Im Rahmen dieser mündlichen Verhandlung wurde grundsätzlich dargelegt, dass der im Nachsichtsansuchen angeführte Betrag in der Höhe von € 9.038,28 seine Grundlage in einer entsprechenden Vorschreibung der Stadtgemeinde *** habe. Von Seiten des Vertreters der belangten Behörde wurde festgehalten, dass eine Vollstreckungsmaßnahme bezüglich dieses Betrages gegenüber dem Beschwerdeführer bis dato noch nicht eingeleitet worden sei. Hinsichtlich der im Rückstandsausweis genannten offenen Abgabenforderungen würden die jeweils den bescheidmäßigen Vorschreibungen an die Alt-Eigentümer erfolgten Zustellungen nachgewiesen werden. Vom Beschwerdeführer würden die laufenden Zahlungen für die relevanten laufenden Abgaben bedient. Der Beschwerdeführer gab an, dass er die Liegenschaft seinerzeit im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens zu einem Preis von € 16.280,00 erworben habe. Er habe dabei die Auskunft bekommen, dass bei einem Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren die Liegenschaft lastenfrei erworben werde. Den Kaufpreis von € 16.280,00 habe er mit Geld seiner Eltern und eigenen Ersparnissen bedient. Zu diesem Zeitpunkt sei er noch berufstätig gewesen. In Pension sei er später gegangen. Vorgelegt wird der Behindertenpass des Beschwerdeführers, der am 22. Jänner 2014 ausgestellt worden ist. Aus diesem ist ein 70%iger Grad der Behinderung ersichtlich. Vor der Versteigerung habe er das Haus nur von außen gesehen, da beim Besichtigungstermin, den das Gericht angeordnet hatte, niemand anwesend war. Die monatlichen Einkünfte wurden mit € 970,00 angegeben (exklusive Pflegegeld Stufe 2). Nach Abzug der monatlichen Ausgaben von € 382,26 würde dem Beschwerdeführer ein Betrag von € 588,25 pro Monat verbleiben. Davon wären noch € 217 pro Quartal abzuziehen, welche der Stadtgemeinde *** überwiesen würden. Sonstiges Vermögen sei nicht vorhanden. Von Seiten des Beschwerdeführers wurden Fotos vorgelegt, die er nach dem erstmaligen Betreten der Liegenschaft bzw. 2017 angefertigt habe. Aus diesen ginge hervor, dass die Liegenschaft unbewohnbar sei und zu den vom Voreigentümer „regelrecht zugemüllt“ worden sei. Weiters habe der Voreigentümer Zwischendecken beseitigt. Es sei daher zu befürchten, dass das gegenständliche Objekt nur mehr abgerissen werden könne, sodass mit Entsorgungskosten zu rechnen sei, die das Meistbot übersteigen würden. Die diesbezüglichen Fotos wurden zum Akt genommen. Von Seiten der belangten Behörde wird darauf verwiesen, dass der Schätzpreis bei rund € 44.000,00 gelegen sei, von diesem Betrag wären € 12.000,00 abgezogen worden, sodass ein Betrag von rund € 32.000,00 übergeblieben sei.

1.4.3.

Mit Schreiben (Email) vom 29. September 2017 legte die belangte Behörde die im Rahmen der mündlichen Verhandlung angekündigten Zustellnachweise vor:

?    Bescheid vom 18. Oktober 1967, AZ: 85/67, (Regenwasserkanal Kanalanschlussverpflichtung), Übernahmebestätigung vom Oktober 1967 (Voreigentümer JK u. LK, Nachfolgeeigentümer LB)

?    Abgabenbescheid vom 18. Oktober 1967, AZ: 85/67, (Regenwasserkanal Kanaleinmündungsabgabe), Übernahmebestätigung vom 6. Dezember 1967 (Voreigentümer JK u. LK, Nachfolgeeigentümer LB)

?    Abgabenbescheid vom 18. Mai 1977, AZ: 713-1-B/1749-1977, (Regenwasserkanal Kanalbenützungsgebühr), Zustellnachweis (RSb) vom 26. Mai 1977 (Voreigentümerin LK, Nachfolgeeigentümer LB)

?    Abgabenbescheid v0m 13. März 1985, AZ: 8110-2-B/1749-1985, (Regenwasserkanal Kanalbenützungsgebühr – Neufestsetzung), Zustellnachweis (RSb) vom 21. März 1985 (Voreigentümerin LK, Nachfolgeeigentümer LB)

?    Abgabenbescheid vom 2. Jänner 1989, AZ: 8111-1-V/10-179, (Regenwasserkanal Kanalbenützungsgebühr – Neufestsetzung), Zustellnachweis (RSb) vom 4. Jänner 1989 (Voreigentümerin LK, Nachfolgeeigentümer LB)

?    Abgabenbescheid vom 12. Juni 2002, AZ: 8510-1/10-179-VZ, (Schmutzwasserkanal Kanaleinmündungsabgabe – Vorauszahlung 70 %), Übernahmebestätigung vom 18. Juni 2002

?    Bescheid vom 13. Oktober 2003, AZ: 8510-0/10-79, (Schmutzwasserkanal Kanalanschlussverpflichtung), Zustellnachweis (Rsb) vom 28. Oktober2003

?    Abgabenbescheid vom 26. September 2005, AZ: 8511-1/10-179, (Schmutzwasserkanal Kanalbenützungsgebühr), mit Übernahmebestätigung vom 3. Oktober 2005

?    Abgabenbescheid vom 14. Juli 2006, AZ: 8110-2/10-179, (Schmutzwasserkanal Kanaleinmündungsabgabe – Restzahlung 30 %), Übernahmebestätigung vom 21. Juli 2006

?    Abgabenbescheid vom 7. Juni 2010, AZ: 8110-3/10-179, (Schmutzwasserkanal Kanalergänzungsabgabe), Zustellnachweis (RSb) vom 15. Juni 2010

?    Abgabenbescheid vom 7. Juni 2010, AZ: 8511-2/10-179, (Schmutzwasserkanal Kanalbenützungsgebühr – Neufestsetzung), Zustellnachweis (RSb) vom 15. Juni 2010

?    Abgabenbescheid vom 19. Oktober 1976, AZ: 680-1/159-1976, (Vorschreibung Wasseranschlussgebühr), Zustellnachweis (RSb) vom 27. Oktober 1976 (Voreigentümerin LK, Nachfolgeeigentümer LB)

?    Abgabenbescheid vom 13. März 1985, AZ: 8100-2/159-1985, (Vorschreibung Wasserergänzungsgebühr), Zustellnachweis (RSb) vom 21. März 1985 (Voreigentümerin LK, Nachfolgeeigentümer LB)

?    Abgabenbescheid vom 22. Dezember 1994, AZ: 8100-3/10-179, (Vorschreibung Wasserergänzungsabgabe), Zustellnachweis (RSb) vom 30. Dezember 1994

?    Zuteilungsbescheid vom 16. November 1993, AZ: 955, (Restmüll), Zustellnachweis (RSb) vom 29. November 1993

?    Zuteilungsbescheid vom 23.Oktober 1996, AZ: 8130B-Z/10-179, (Biomüll), Zustellnachweis (RSb) vom 25. Oktober1996

?    Abgabenbescheid vom 22. November 1996, AZ: 8130B-A/10-179, (Abfallwirtschaftsgebühr Biomüll), Zustellnachweis (RSb) vom 26. November 1996

?    Zuteilungsbescheid vom 19. Juli 2004, AZ: 8130-Z/10-179, (Volumenvergrößerung Restmüll), Zustellnachweis (RSb) vom 22. Juli 2004

?    Abgabenbescheid vom 3. September 2004, AZ: 8130-A/10-179, (Abfallwirtschaftsgebühr und -abgabe Restmüll), Zustellnachweis (RSb) vom 9. September 2004

1.5. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der Stadtgemeinde *** und durch Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26. September 2017.

1.6. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer hat die verfahrensgegenständliche Liegenschaft mit den Grundstücken Nr. *** und *** EZ *** Grundbuch ***, im Zuge eines Zwangsversteigerungsverfahrens zu einem Betrag von € 16.280,- erworben. Der vom BG *** beauftragte Sachverständige hatte für die Liegenschaft einen Schätzwert von € 32.560,00 ermittelt. In der Rubrik „Bezeichnung der Liegenschaft“ finden sich neben der generellen Beschreibung des Wohngebäudes auf der Liegenschaft unter anderem auch Hinweise auf Rückstände bei der Stadtgemeinde *** über € 11.840,12. Diese Rückstände bei der Stadtgemeinde *** wurden vom Sachverständigen bei der Ermittlung des genannten Schätzwerts bereits abgezogen.

Der Beschwerdeführer hat ein Nettoeinkommen von € 937,95. Des Weiteren erhält er monatlich einen Kinderzuschuss für ein Kind im Betrag von € 29,07 sowie ein Pflegegeld der Pflegestufe 2 im Ausmaß von € 290,00.

2.       Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG):

130. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

(2) Durch Bundes- oder Landesgesetz können sonstige Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über

1. Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Verwaltungsbehörde in Vollziehung der Gesetze oder

2. Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens oder

3. Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten

vorgesehen werden. In den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die nicht unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden, sowie in den Angelegenheiten der Art. 11, 12, 14 Abs. 2 und 3 und 14a Abs. 3 und 4 dürfen Bundesgesetze gemäß Z 1 nur mit Zustimmung der Länder kundgemacht werden.

(3) Außer in Verwaltungsstrafsachen und in den zur Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Bundes für Finanzen gehörenden Rechtssachen liegt Rechtswidrigkeit nicht vor, soweit das Gesetz der Verwaltungsbehörde Ermessen einräumt und sie dieses im Sinne des Gesetzes geübt hat.

2.2. Bundesabgabenordnung:

§ 1. ( 1) Die Bestimmungen der BAO gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 235. (1) Fällige Abgabenschuldigkeiten können von Amts wegen durch Abschreibung gelöscht werden, wenn alle Möglichkeiten der Einbringung erfolglos versucht worden oder Einbringungsmaßnahmen offenkundig aussichtslos sind und auf Grund der Sachlage nicht angenommen werden kann, daß sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Erfolg führen werden.

(2) Durch die verfügte Abschreibung erlischt der Abgabenanspruch.

(3) Wird die Abschreibung einer Abgabe widerrufen (§ 294), so lebt der Abgabenanspruch wieder auf. Für die Zahlung, die auf Grund des Widerrufes zu leisten ist, ist eine Frist von einem Monat zu setzen.

§ 236. (1) Fällige Abgabenschuldigkeiten können auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

(2) Abs. 1 findet auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.

(3) Die Bestimmungen des § 235 Abs. 2 und 3 gelten auch für die Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten.

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

2.3. Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, BGBl. II Nr. 435/2005 idgF BGBl. II Nr. 449/2013:

§ 1. Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein.

§ 2. Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung

1.   die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde;

2.   mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.

2.4. NÖ Gemeindeordnung idF LGBl. 1000-23:

Gemeinderat

§ 35. Dem Gemeinderat sind, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt wird, folgende Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zur selbständigen Erledigung vorbehalten:

22.      folgende Angelegenheiten der Vermögenswirtschaft:

…        

d) die Löschung fälliger, uneinbringlicher Abgabenschuldigkeiten, die Nachsicht fälliger Abgabenschuldigkeiten wegen Unbilligkeit sowie die gänzliche oder teilweise Abschreibung zweifelhafter oder uneinbringlicher sonstiger Forderungen öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher Natur über einem Wert von 0,5 % der Einnahmen des ordentlichen Haushaltes, ausgenommen bei Konkurs- und Ausgleichsverfahren,

Gemeindevorstand (Stadtrat)

§ 36. (1) Dem Gemeindevorstand (Stadtrat) obliegen alle in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallenden Angelegenheiten, soweit durch Gesetz nicht anderes bestimmt wird.

(2) Dem Gemeindevorstand sind insbesondere vorbehalten:

1.   die Gewährung von Zahlungserleichterungen für privatrechtliche Forderungen und für Abgabenschuldigkeiten; die Löschung fälliger, uneinbringlicher Abgabenschuldigkeiten, die Nachsicht fälliger Abgabenschuldigkeiten wegen Unbilligkeit und die gänzliche oder teilweise Abschreibung zweifelhafter oder uneinbringlicher Forderungen öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher Natur bis zu einem Wert von 0,5 % der Einnahmen des ordentlichen Haushaltes, ausgenommen bei Konkurs- und Ausgleichsverfahren;

Instanzenzug

§ 60. (1) Der Instanzenzug in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches geht

         1.       gegen Bescheide des Bürgermeisters (des Gemeindeamtes gemäß § 42 Abs. 3) an den Gemeindevorstand (Stadtrat),

         2.       gegen erstinstanzliche Bescheide des Stadtrates (Stadtrates) an den Gemeinderat

Gegen Berufungsbescheide des Stadtrates (Stadtrates) nach Z. 1 ist eine weitere Berufung unzulässig.

2.5. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985:

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:

         1.       Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;

         2.       Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;

         3.       Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.

(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden.

(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

3.       Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

3.1.1.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die in den im Instanzenzug bekämpften Bescheiden von den Abgabenbehörden der mitbeteiligten Stadtgemeinde zugrunde gelegten offenen Forderungen/Abgabenschuldigkeiten außer Streit stehen.

Das Beschwerdevorbringen lässt sich vielmehr darauf reduzieren, dass nach Ansicht des Beschwerdeführers ihm die fällig geworden Abgabenschuldigkeiten nachzusehen wären.

3.1.2. Zur „sachlichen“ Unbilligkeit:

Gemäß § 236 BAO und der dazu ergangenen Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBI. II 435/2005 idF BGBI. II 449/2013, kann eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung persönlicher oder sachlicher Natur sein. (vgl. VwGH vom 24. Februar 1998, Zl. 97/13/0237). Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anomalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt (vgl. VwGH vom 26. Mai 2014, Zl. 2013/17/0498). Sie liegt insbesondere dann nicht vor, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen ist (vgl. VwGH vom 23. Juni 2003, Zl. 99/17/0029, und die in Ritz, BAO 5 Aufl., § 236 Tz 13 zitierte hg. Judikatur). Eine "sachliche" Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus "persönlichen" Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ereignis eintritt (vgl. VwGH vom 7. Februar 1989, Zl. 88/14/0040).

Jedenfalls muss es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen (vgl. VwGH vom 11. November 2004, Zl. 2004/16/0077). Im vorliegenden Fall stützt der Beschwerdeführer sich auf die ihm (angeblich) mündlich erteilte Zusage eines Gerichtsbediensteten, dass die Liegenschaft lastenfrei sei. Dem ist entgegen zu halten, dass der vom BG Mistelbach beauftragte Sachverständige - klar und unmissverständlich - bei seiner Ermittlung des Schätzwertes dokumentiert hat, dass die aushaftenden Forderungen der mitbeteiligten Gemeinde berücksichtigt worden sind.

Es kam somit weder zu einem "ungewöhnlichen Entstehen" der Gebührenschuld noch liegt ein außergewöhnlicher Geschehensablauf vor. Eine tatbestandsmäßige Unbilligkeit im Einzelfall ist damit nicht gegeben, weil lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage festzustellen ist, die alle von dem betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen (i.e. Erwerber in Zwangsversteigerungen) in gleicher Weise trifft. Vor diesem Hintergrund ist der bekämpfte Bescheid nicht zu beanstanden.

3.1.3.

Die Bewilligung der Nachsicht im Ermessen der Abgabenbehörde, wenn die Nachsichtvoraussetzungen, insbesondere das Tatbestandsmerkmal der Unbilligkeit, gegeben sind (vgl. VwGH vom 30. September 2004, Zl. 2004/16/0151). Gemäß Art 130 Abs. 3 B-VG liegt Rechtswidrigkeit nicht vor, soweit das Gesetz der Verwaltungsbehörde Ermessen einräumt und sie dieses im Sinne des Gesetzes geübt hat, sodass diesbezüglich auch das erkennende Gericht im Prüfumfang limitiert ist (vgl. Ritz, BAO 5 Aufl., § 279 Tz 41). Bei Ermessensentscheidungen beschränkt sich die Überprüfung somit darauf, ob vom eingeräumten Ermessen innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen Gebrauch gemacht wurde (vgl. VwGH vom 28. Oktober 2009, Zl. 2008/15/0054).

Dagegen liegt die Feststellung, ob das gesetzliche Merkmal der Unbilligkeit der Einhebung gegeben ist, im Bereich der gesetzlichen Gebundenheit. Erst nach der Feststellung, dass der Sachverhalt dem unbestimmten Gesetzesbegriff "Einhebung nach der Lage des Falles unbillig" entspricht, betritt die Behörde den Bereich des Ermessens und hat nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden. Liegt nach begründeter Auffassung der Behörde also Unbilligkeit nicht vor, so fehlt die gesetzlich vorgesehene Bedingung für die Nachsicht und das darauf gerichtete Ansuchen ist abzuweisen (vgl. VwGH vom 30. September 2004, Zl. 2004/16/0151, sowie Stoll, BAO-Kommentar, 2426).

3.1.4

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre. Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in dieser Bestimmung vorgesehene Ermessensentscheidung. Verneint die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum. Eine "persönliche" Unbilligkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers gefährdet. Die Abgabenbehörde hat daher im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nur die vom Nachsichtswerber geltend gemachten Gründe zu prüfen (vgl. VwGH vom 25. November 2002, Zl. 97/14/0031). Dabei sind nicht die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld maßgebend, sondern jene zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen (vgl. VwGH vom 24. Mai 2012, 2009/16/0039, und vom 19. Juni 2013, Zl. 2010/16/0219).

Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht aus "persönlichen" Gründen nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgaben mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Liegenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme (vgl. VwGH vom 25. Oktober 2006, Zl. 2004/15/0150 und vom 29. April 2010, 2006/15/0278). Ist die Abgabenschuld tatsächlich nicht einbringlich, ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine persönliche Unbilligkeit (Existenzgefährdung durch eine drohende Abgabeneinhebung) im Sinne des § 236 BAO gegeben (vgl. VwGH vom 17. November 2010, Zl. 2007/13/0135).

3.1.5.

Nach der ständigen Rechtsprechung ist eine persönliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung (jedenfalls) dann nicht gegeben ist, wenn die finanzielle Situation eines Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht keinen Sanierungseffekt hätte (vgl. VwGH vom 18. Oktober 2006, Zl. 2003/13/0058).

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der Grundstücken Nr. *** und *** EZ *** Grundbuch ***, die zumindest einen gewissen Vermögenswert darstellen. Der Beschwerdeführer hat weiters Sorgepflichten gegenüber einem Kind. Die laufenden Abgaben werden vom Beschwerdeführer regelmäßig bedient. Er erscheint somit angesichts der von ihm bekannt gegebenen Einkünften gerade noch in der Lage zu sein, den Lebensunterhalt seiner Angehörigen ausreichend zu sichern, sodass eine Unbilligkeit nach den persönlichen Verhältnissen nicht vorliegt (vgl. VwGH vom 30. April 1999, 99/16/0086).

3.1.6.

Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang aber, dass es vom Beschwerdeführer beabsichtig war, die erworbene Liegenschaft zu Wohnzwecken zu nutzen. Allerdings gesteht der Beschwerdeführer selbst zu, dass diese Nutzung infolge der „Vermüllung“ der Liegenschaft und seiner angespannten finanziellen Situation auf absehbare Zeit nicht möglich ist. Daraus folgt aber, dass die finanzielle Situation des Beschwerdeführers, der gerade in der Lage ist, seine Sorgepflicht und laufende Abgabenschulden zu bedienen, im Hinblick auf die erworbene Liegenschaft aber so schlecht zu bewerten ist, dass selbst bei Gewährung der beantragten Nachsicht kein Sanierungseffekt eintreten würde. Dies deshalb, da der Beschwerdeführer auch bei Wegfall dieser Verbindlichkeiten keine weiteren finanziellen Mittel generieren könnte. Es darf ja nicht übersehen werden, dass ja immer noch die Liegenschaft vom Unrat (angesichts des angeschlagenen Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers durch Externe) beseitig werden müsste. Erst danach könnte überhaupt mit der eigentlichen (wiederum kostenintensiven) Sanierung begonnen werden.

Wenn die Abgabenbehörden der mitbeteiligten Stadtgemeinde daher zum Ergebnis gelangt sind, dass keine Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO vorliegt, ist dem vom erkennenden Gericht nicht entgegenzutreten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2.    Zu Spruchpunkt 2 - Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht und eine gesicherte und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, die unter Punkt 3.1. auch wiedergegeben wird.

Schlagworte

Finanzrecht; Abgabenschuld; Nachsicht; Unbilligkeit;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2017:LVwG.AV.950.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

19.03.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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