Entscheidungsdatum
21.02.2018Index
41/02 Passrecht FremdenrechtNorm
NAG §64 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter MMag. Dr. Böhm-Gratzl über die Beschwerde der H. S., geb. am ...1988, irakische Staatsangehörige, wohnhaft in …, Wien, vom 15.12.2017 gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, vom 15.11.2017, Zl. MA35-9/3171216-01, mit welchem der Antrag der Beschwerdeführerin vom 9.6.2017 (einlangend) auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Studierende“ gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich – NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. I Nr. 145/2017 abgewiesen wurde,
zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, und wird der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass in der Rechtsgrundlage seines Spruches die Wortfolge „lit. a und“ zu entfallen und die letzte Zeile richtigerweise wie folgt zu lauten hat: „§ 75 Abs. 6 UG 2002, BGBl. I Nr. 120, idF BGBl. I Nr. 131/2015“.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, vom 15.11.2017 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, einer am ...1988 geborenen Staatsangehörigen der Republik Irak, vom 9.6.2017 (einlangend) auf Verlängerung ihres Aufenthaltstitels für den Zweck „Studierende“ gemäß § 64 Abs. 1 und 3 NAG – auszugsweise – mit folgender Begründung abgewiesen:
„Laut Aktenlage und den bisherigen Ermittlungen wird festgehalten, dass Sie bislang nur ein einziges Modul besucht und zwar vom 12.-16. Oktober 2015.
Auch haben sie bislang nur 2 Zahlungen an die Universität getätigt:
09.04.2015 500,00 € (1 .Rate)
14.08.2015 4.000,00 €
Sie sind derzeit nicht inskribiert und sind damit auch keine Studentin der ... University. Auf Ihren Wunsch hin (wegen der Schwangerschaft) wollten Sie Ihr Studium mit dem Folgekurs, O., wieder aufnehmen. Dazu fehlen laut der Universität zufolge allerdings auch die dazugehörigen Zahlungen.
In Ihrer schriftlichen Stellungnahme geben Sie bekannt, dass Sie mit dem Studium wegen der Schwangerschaft und der Geburt eines Kindes pausieren. Während der Karenzzeit bleiben Sie mit dem Baby zuhause.
Das ergibt daher zusammenfassend, dass Sie keine Studierende iSd § 64 Abs. 1 NAG mehr sind.
Darüber hinaus verfügen Sie im vorangegangen Studienjahr über keinen ausreichende Studienerfolg gemäß iSd § 64 Abs. 3 NAG. Somit sind Sie besonderen Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels Studierende nicht gegeben.
Aufgrund obiger Erwägungen gelangte die erkennende Behörde zu der Ansicht, dass in Ihrem Fall wegen Nichterfüllung der besonderen Voraussetzungen eine weitere Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ‘Studierende‚ nicht vorliegt.
[…]
Das Studienjahr beginnt nach der Bestimmung des § 52 UG am 1. Oktober und endet am 30. September des folgenden Jahres. Für eine Ausweitung über den genannten Zeitraum hinaus besteht somit kein Raum (vgl. z.B. VwGH 19.2.2014, 2013/22/0177).
Hiezu ist auszuführen, dass gemäß § 64 Abs. 3 zweiter Satz NAG eine Aufenthaltsbewilligung für Studierende trotz Fehlens eines Studienerfolgsnachweises verlängert werden kann, wenn Gründe vorliegen, die der Einflussphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind.
Selbst das führt aber keineswegs dazu, dass das Fehlen eines ausreichenden Studienerfolges in solchen Fällen unter keinen Umständen eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen darstellen kann. Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass eben diese Bestimmung auch einem Fremden, dass er oder sie - aus welchem Grund auch immer - nicht in der Lage ist, einen ausreichenden Studienerfolg zu erbringen vorliegen, die Möglichkeit verschaffen wollte, sich weiterhin zum ausschließlichen Zweck des Studiums in Österreich aufzuhalten.
Eine Schwangerschaft und Geburt eines Kindes sind daher keine Gründe für das Fehlen des Studienerfolges zu sehen, die der Einflusssphäre der Beschwerdeführerin entzogen gewesen wären. Es kann in diesem Zusammenhang aber im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch weder von Unabwendbarkeit noch Unvorhergesehenheit im Sinn des § 64 Abs. 3 NAG gesprochen werden.
Im Hinblick auf Ihr Vorbringen - soweit dieses Vorbringen das Studienjahr 2016/2017 betrifft - auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach psychischen Belastungen aufgrund von familiären Problemen bzw. daraus resultierende Konzentrationsschwierigkeiten nicht unter den Tatbestand des § 64 Abs. 3 NAG fallen (vgl. z.B.VwGH 6.7.2010, 2010/22/0090).
[…]
Der nicht nachgewiesen und nicht vorhandene Studienerfolg liegt allein in Ihrem Verantwortungsbereich.
Zusammenfassend steht daher laut Aktenlage fest, dass Ihr Antrag vom 09.06.2017, mangels an Erfüllung der besonderen Voraussetzungen gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 3 NAG iVm. § 8 Z 7 lit. a und lit.b NAG-DV iVm. § 75 Abs. 6 des Universitätsgesetzes, BGBl. I Nr. 120/2002 idgF, nicht positiv entschieden werden kann.
Aus diesen Gründen war daher Ihr Antrag abzuweisen.“
(Unkorrigiertes Originalzitat)
Hiegegen richtet sich die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde vom 15.12.2017, in welcher – im Wesentlichen – wie folgt vorgebracht wurde:
„Zunächst verweise ich auf den bereits vorgelegten Lehrplan, wonach das von mir inskribierte Studium derart aufgebaut ist, dass die Lehrveranstaltungen in Blocks abgehalten werden. Es ist daher nicht weiter ungewöhnlich, sondern geradezu vorgesehen, dass das von mir besuchte Modul im Zeitraum 12. bis 16. Oktober 2015 besucht wurde. Daraus ist jedoch nicht zu schließen, dass ich in der verbleibenden Zeit keine Studienleistung erbracht habe, sondern ist diese Zeit mit einer intensiven Auseinandersetzung mit dem im Modul erlernten Programm verbunden.
Bezüglich der Kurse für den Zeitraum Juni 2015 wird darauf hingewiesen, dass ich diese nur aus dem Grund nicht besuchen konnte, weil mir mein Einreisevisum für die Entgegennahme des Aufenthaltstitels erst am 3. Juli 2015 erteilt wurde. Es war mir daher auch hier aus Gründen, die meiner Verfügung entzogen sind, nicht möglich, an dem Kurs teilzunehmen.
Die von mir an die Universität geleisteten Zahlungen sind jene, die mir für meine Kurse vorgeschrieben wurden. Das gesamte Studienprogramm (bis zum Abschluss) kostet € 28.000,00, jedoch fällt dieser Betrag nur nach und nach an. Aufgrund meiner schwangerschaftsbedingten Unterbrechung erhielt ich hier einen Aufschub hinsichtlich der Kurse sowie natürlich auch hinsichtlich der Zahlungen. Die nunmehr vorgelegte Bestätigung der Universität impliziert ja ohnehin auch, dass sämtliche fälligen Zahlungen an die Universität geleistet wurden, anderenfalls ich eine solche Inskriptionsbestätigung nicht erhalten hätte.
Zu den Gründen für meine fehlenden Studienerfolge im Jahr 2016 möchte ich festhalten, dass ich sehr wohl aufgrund meiner Schwangerschaft daran gehindert war, Kurse erfolgreich zu besuchen. Aufgrund der üblichen Schwangerschaftssymptome wie Übelkeit, Trägheit usw, konnte ich weder die für die Kursbesuche notwendigen Vorbereitungen treffen (inhaltliche Vorbereitung, vorlernen etc), noch die Kurse selbst besuchen. Es liegt daher sehr wohl ein unabwendbarer Grund vor, der zum Fehlen meines Studienerfolges beigetragen hat. Es ist einer schwangeren Frau, auch bei einem normalen Verlauf der Schwangerschaft, jedenfalls nicht zuzumuten, intensive, geblockte Lehrveranstaltungen zu besuchen und sich entsprechend auf diese vorzubereiten, diese nachzubearbeiten und täglich mehrere Stunden mit dem Lernen der bearbeiteten Materie zu verbringen. Schon ein normaler Schwangerschaftsverlauf ist mit erheblichen physischen Unannehmlichkeiten verbunden, die gerade intensive und anspruchsvolle geistige Tätigkeiten nahezu unmöglich machen. Es kann jedoch wiederum nicht von mir verlangt werden für die Dauer meines Aufenthalts in Österreich keine Kinder zu kriegen, da dies ein Eingriff in meine Grundrechte nach der EMRK (Artikel 8 EMRK) wäre. Das vorübergehende Unterbleiben meines Studienerfolges ist daher ausschließlich auf einen unabwendbaren Grund im Zusammenhang mit meiner Schwangerschaft zurückzuführen, der meiner Einflusssphäre entzogen ist, weshalb das vorübergehende Unterbleiben meines Studienerfolges im Studienjahr meiner Schwangerschaft gerechtfertigt ist.
Als Beweis lege ich eine Bestätigung meiner Universität vor, dass mein Studium derzeit unterbrochen ist, ich jedoch sehr wohl auf der Uni inskribiert bin (Schreiben der Universität vom 20.06.2017).
Aus den oben genannten Gründen liegt ein gesetzlicher Grund vor, welcher der Behörde die Erteilung eines Aufenthaltstitels trotz Fehlens des Studienerfolges ermöglicht. Aufgrund des Erfüllens der anderen Erteilungsvoraussetzungen und des gerechtfertigten Unterbleibens meines Studienerfolges ist meine Beschwerde berechtigt und der beantragte Aufenthaltstitel sohin zu gewähren.“
(Unkorrigiertes Originalzitat)
Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem erkennenden Gericht (einlangend am 2.1.2018) vor.
Das Verwaltungsgericht Wien nahm sodann Einsicht in öffentliche Register (Zentrales Melderegister, Versicherungsdatenbank, Zentrales Fremdenregister, Strafregister der Republik Österreich, Adressauskunft).
Mit Schreiben vom 10.1.2018, nachweislich zugestellt durch postalische Hinterlegung am 15.1.2018, wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, binnen zwei Wochen ab Zustellung, einen Nachweis aller im Studienjahr 2016/2017 positiv absolvierten universitären Prüfungen oder Lehrveranstaltungen vorzulegen bzw., falls keine Prüfungen oder Lehrveranstaltungen im gesetzlich geforderten Ausmaß absolviert wurden, die Gründe hiefür anzugeben.
Dieser Aufforderung wurde bis zuletzt nicht nachgekommen.
Das Verwaltungsgericht Wien nimmt den folgenden – entscheidungserheblichen – Sachverhalt als erwiesen an:
Die Beschwerdeführerin ist eine am ...1988 geborene Staatsangehörige der Republik Irak und im Besitz eines bis zum 3.3.2025 gültigen irakischen Reisepasses. Sie hatte zuletzt einen Aufenthaltstitel für den Zweck „Studierende“ mit Gültigkeit bis zum 10.6.2017 inne und brachte am 9.6.2017 einen Antrag auf Verlängerung dieses Titels persönlich bei der belangten Behörde ein. Dieser Verlängerungsantrag wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin inskribierte im Juni 2015 als Studentin des postgradualen internationalen Universitätslehrgangs „O. – MSc“ an der „... University“ in K. und war im Studienjahr 2016/2017 für diesen Studiengang zugelassen.
Im Studienjahr 2016/2017 hat die Beschwerdeführerin keine universitären Prüfungen oder Lehrveranstaltungen positiv absolviert. Begründend führte sie dazu aus, sie habe zunächst aufgrund ihrer Schwangerschaft, die unter üblichen Umständen verlaufen sei, und nach der Geburt ihres Kindes aufgrund der Pflege desselben das Studium nicht fortgesetzt. Der Sohn der Beschwerdeführerin wurde am 30.8.2017 geboren. Im Behördenverfahren machte die Beschwerdeführerin weiters eine Erkrankung an der Schilddrüse im Sommersemester 2016 geltend.
Zur Beweiswürdigung:
Die obigen Feststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten verwaltungsbehördlichen sowie des verwaltungsgerichtlichen Aktes, an dessen Vollständigkeit, Echtheit und Richtigkeit das erkennende Gericht keinen Grund zu zweifeln hat. Die Beschwerdeführerin gesteht im Beschwerdeschriftsatz den fehlenden Studienerfolg im Studienjahr 2016/2017 selbst ein und hat auch bis zuletzt – trotz nachweislich zugegangener Aufforderung – keine Nachweise über positiv absolvierte Lehrveranstaltungen oder Prüfungen im hier relevanten Zeitraum beigebracht. Auf die diesbezügliche – nicht zuletzt in § 29 Abs. 1 NAG normierte – Mitwirkungspflicht der Verfahrenspartei sei hingewiesen (vgl. hiezu etwa VwGH 6.3.2008, 2007/09/0233; 28.2.2014, 2012/03/0100). Diese Feststellungen entsprechen auch einer – im Behördenverfahren eingeholten – Auskunft der „... University“ vom 20.10.2017, wonach die Beschwerdeführerin nach Besuch eines ersten Moduls im Oktober 2015 keine weiteren Module ihres Studiengangs besucht oder abgeschlossen habe. Die Bewertung der für die Nichterbringung des Studienerfolges vorgebrachten – aus Sicht des erkennenden Richters glaubhaften – Begründung bleibt der rechtlichen Erwägung überlassen. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt ist sohin nicht weiter strittig.
Das Verwaltungsgericht Wien hat hiezu erwogen:
Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs – jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. etwa VwGH 8.9.2015, Ra 2015/18/0134; 12.9.2016, Ro 2016/04/0014).
Der Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes richtet sich nach § 27 VwGVG. In diesem Rahmen ist das Verwaltungsgericht auch befugt, Rechtswidrigkeitsgründe aufzugreifen, die im Beschwerdeschriftsatz nicht vorgebracht wurden (vgl. etwa VwGH 26.3.2015, Ra 2014/07/0077).
Das erkennende Gericht hat auf Grund der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erkenntnisses zu entscheiden (vgl. VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076), sodass Änderungen des entscheidungserheblichen Sachverhaltes im Stadium des Beschwerdeverfahrens beachtlich und vom Amts wegen aufzugreifen sind.
Der hier maßgebliche § 64 des Bundesgesetzes über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich – NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, lautet in seiner geltenden Fassung BGBl. I Nr. 145/2017 – auszugsweise – wie folgt:
„Studierende
§ 64. (1) Drittstaatsangehörigen kann eine Aufenthaltsbewilligung für Studierende ausgestellt werden, wenn sie
1. die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
2. ein ordentliches oder außerordentliches Studium an einer Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität, Pädagogischen Hochschule, anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule oder einen anerkannten privaten Studiengang oder anerkannten privaten Hochschullehrgang absolvieren und im Fall eines Universitätslehrganges dieser nicht ausschließlich der Vermittlung einer Sprache dient.
Eine Haftungserklärung ist zulässig.
(2) [...]
(3) Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung eines ordentlichen oder außerordentlichen Studiums, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen Zweck nur zulässig, wenn dieser nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften einen Studienerfolgsnachweis der Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität, Pädagogischen Hochschule oder anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule erbringt. Gleiches gilt beim Besuch eines anerkannten privaten Studienganges oder anerkannten privaten Hochschullehrganges. Liegen Gründe vor, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, kann trotz Fehlens des Studienerfolges eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden.
(4), (5) [...]“
Der entscheidungserhebliche § 8 der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG DV, BGBl. II Nr. 451/2005, lautet in seiner geltenden Fassung BGBl. II Nr. 231/2017 – auszugsweise – wie folgt:
„Weitere Urkunden und Nachweise für Aufenthaltsbewilligungen
§ 8. Zusätzlich zu den in § 7 genannten Urkunden und Nachweisen sind dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung folgende weitere Urkunden und Nachweise anzuschließen:
1. – 6. […]
7. für eine Aufenthaltsbewilligung ‚Studierender‘:
a) Aufnahmebestätigung der Universität, der Fachhochschule, der akkreditierten Privatuniversität, der Pädagogischen Hochschule, der anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule, des anerkannten privaten Studienganges oder des anerkannten privaten Hochschullehrganges;
b) im Fall eines Verlängerungsantrages ein schriftlicher Nachweis der Universität, der Fachhochschule, der akkreditierten Privatuniversität, der Pädagogischen Hochschule, der anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule, des anerkannten privaten Studienganges oder des anerkannten privaten Hochschullehrganges über den Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr, insbesondere ein Studienerfolgsnachweis gemäß § 75 Abs. 6 des Universitätsgesetzes 2002 (UG), BGBl. I Nr. 120 idF BGBl. I Nr. 131/2015 sowie ein aktuelles Studienblatt und eine Studienbestätigung gemäß § 62 Abs. 4 UG;
c) [...]
8. […]“
Der entscheidungserhebliche § 75 des Universitätsgesetzes 2002 – UG, BGBl. I Nr. 120, lautet in seiner verwiesenen Fassung BGBl. I Nr. 131/2015 – auszugsweise – wie folgt:
„Zeugnisse
§ 75. (1) – (5) […]
(6) Die Universität hat einer oder einem ausländischen Studierenden ab dem zweiten Studienjahr auf Antrag der oder des Studierenden einen Studienerfolgsnachweis auszustellen, sofern sie oder er im vorausgegangenen Studienjahr positiv beurteilte Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungspunkten (8 Semesterstunden) abgelegt hat.“
Im gegenständlichen Fall wurde die Verlängerung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Studierende“ gemäß § 64 Abs. 1 NAG beantragt, sodass zu prüfen ist, ob die Erteilungsvoraussetzung des Abs. 3 par. cit., nämlich die Erbringung eines Studienerfolgsnachweises, in concreto vorliegt.
Ausgehend vom Ablauf des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels am 10.6.2017 war für den Nachweis eines Studienerfolges gemäß § 64 Abs. 1 und 3 NAG iVm § 8 Z 7 lit. b NAG DV und § 75 Abs. 6 UG idF BGBl. I Nr. 131/2015 zunächst das abgeschlossene Studienjahr 2015/2016 maßgeblich. Da jedoch während des anhängigen Verlängerungsverfahrens ein weiteres Studienjahr vollendet wurde, kann nun das zuletzt abgeschlossene Studienjahr 2016/2017 zur Beurteilung des Studienerfolges der Beschwerdeführerin herangezogen werden (vgl. etwa VwGH 18.10.2012, 2011/23/0441, 5.5.2015, Ra 2014/22/0157).
Für den demnach relevanten Zeitraum von 1.10.2016 bis inkl. 30.9.2017 (vgl. zB VwGH 26.2.2013, 2010/22/0127, 5.5.2015, Ra 2014/22/0157) hat die Beschwerdeführerin keinerlei Nachweis über von ihr positiv absolvierte universitäre Lehrveranstaltungen bzw. Prüfungen vorgelegt und demnach – unstrittig – keinen Studienerfolgsnachweis im Sinne des § 64 Abs. 3 NAG im gesetzlich gebotenen Umfang erbracht.
Gemäß Abs. 3 letzter Satz par. cit. kann eine Aufenthaltsbewilligung trotz Fehlens des Studienerfolges verlängert werden, wenn Gründe vorliegen, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind.
Die Beschwerdeführerin hat hiezu im Beschwerdeverfahren vorgebracht, sie habe aufgrund der Schwangerschaft und der anschließenden Pflege ihres Kindes keinen Studienerfolg erbringen können.
Hiezu ist festzuhalten, dass insbesondere im Fall einer unter gewöhnlichen Umständen verlaufenden Schwangerschaft nicht von einem unabwendbaren, unvorhersehbaren oder der Einflusssphäre der Beschwerdeführerin entzogenen Ereignis im Sinne des § 64 Abs. 3 letzter Satz NAG auszugehen ist. Dies entspricht schon der allgemeinen Lebenserfahrung, zumal es auch im Berufsleben – mit dem ein Studentenleben diesbezüglich durchaus vergleichbar scheint – erst in den letzten acht Wochen vor einer Entbindung sowie in den ersten acht Wochen nach einer Entbindung zu einem gesetzlichen Beschäftigungsverbot kommt (vgl. dazu die §§ 3 und 5 des Mutterschutzgesetzes 1979 – MSchG, BGBl. Nr. 221 [WV], idF BGBl. Nr. 577/1980).
Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, während ihrer Schwangerschaft den üblichen Schwangerschaftssymptomen ausgesetzt gewesen zu sein, weshalb – vor allem im Hinblick darauf, dass ihr Kind erst am 30.8.2017 und damit erst gegen Ende des hier relevanten Studienjahres 2016/2017 geboren wurde – nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Schwangerschaft sie gänzlich an der Erbringung eines Studienerfolges im gesamten Studienjahr 2016/2017 gehindert habe. Selbst unter Berücksichtigung der gesetzlichen Schutzfrist des MSchG von acht Wochen vor Entbindung eines Kindes hätte die Beschwerdeführerin zumindest vom 1.10.2016 bis zum 5.7.2017 ausreichend Gelegenheit gehabt, Prüfungen abzuschließen und Lehrveranstaltungen zu absolvieren. Auch die Zeiten der Pflege ihres Kindes betreffen lediglich die letzten viereinhalb Wochen des Studienjahres 2016/2017 und stellen daher ebenso wenig berücksichtigungswürdige Hindernisse im Sinne des § 64 Abs. 3 letzter Satz NAG dar.
Ein von der Beschwerdeführerin durch die abweisende Entscheidung der belangten Behörde relevierter unverhältnismäßiger Eingriff in ihr Recht auf Privat- und Familienleben nach Art. 8 EMRK kann unter diesen Umständen nicht angenommen werden.
Der Vollständigkeit halber sei ausgeführt, dass die im verwaltungsbehördlichen Verfahren vorgebrachte Erkrankung der Beschwerdeführerin an der Schilddrüse, welche laut Angaben der Beschwerdeführerin bereits im Sommersemester 2016 aufgetreten sei, schon mangels zeitlichem Konnex zum verfahrensgegenständlich relevanten Studienjahr 2016/2017 hier keine Berücksichtigung finden kann. Darüber hinaus wurde im gesamten Verfahrensverlauf kein Nachweis dieser Erkrankung vorgelegt.
Es liegen demnach im konkreten Fall insgesamt keine Gründe im Sinne des § 64 Abs. 3 letzter Satz NAG vor.
Bei Fehlen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung, wie hier eines Studienerfolgsnachweises gemäß § 64 Abs. 3 NAG, ist eine Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK weder gesetzlich vorgesehen noch geboten (vgl. VwGH 22.9.2009, 2009/22/0169).
Die belangte Behörde hat den verfahrenseinleitenden Antrag sohin – im Ergebnis – zu Recht abgewiesen.
Es kann demnach dahinstehen, ob die Beschwerdeführerin nach wie vor an der „... University“ inskribiert ist und war der Spruch des angefochtenen Bescheides sohin wie oben ersichtlich zu korrigieren. Weiters war im Lichte des in § 8 Z 7 lit. b NAG DV enthaltenen statischen Verweises auf § 75 Abs. 6 UG idF BGBl. I Nr. 131/2015 eine weitere Korrektur des Spruches vorzunehmen.
Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtsache nicht erwarten lässt, und dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Das Absehen von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung ist aber jedenfalls nur dann zulässig, wenn Art. 6 EMRK die Durchführung einer solchen nicht gebietet. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kann von der Durchführung der Verhandlung nur abgesehen werden, wenn die Beschwerde ausschließlich rechtliche oder hochtechnische Fragen betrifft, keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellung unbestritten ist (vgl. etwa VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0051).
Diese Voraussetzungen liegen im konkreten Fall vor.
So blieb der entscheidungserhebliche Sachverhalt letztlich unbestritten und wurde der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren auch Gelegenheit gegeben, ergänzende Beweise bzw. Nachweise beizubringen, wovon sie jedoch keinen Gebrauch gemacht hat. Schließlich waren im Ergebnis anhand der vorliegenden Beweise bloß Rechtsfragen ohne besondere Komplexität zu klären, nämlich ob der gesetzlich geforderte Studienerfolg hier gegeben ist und ob in eventu – ausgehend vom glaubhaften Beschwerdevorbringen – Gründe im Sinne des § 64 Abs. 3 letzter Satz NAG vorliegen. Daher stehen weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC dem Entfall der mündlichen Verhandlung entgegen (vgl. zB EGMR 5.9.2002, Appl. Nr. 42.057/98, Speil [ÖJZ 2003, 117]; siehe hiezu auch VwGH 19.4.2016, Ro 2015/22/0004). Zudem wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt.
Zum Revisionsausspruch:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (obzitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal auch die Gesetzeslage eindeutig ist (vgl. etwa VwGH 28.5.2014, Ro 2014/07/0053; 3.7.2015, Ra 2015/03/0041). Zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen (vgl. VwGH 24.3.2014, Ro 2014/01/0011; 28.4.2015, Ra 2014/19/0177).
Schlagworte
Besondere Erteilungsvoraussetzung, Studienerfolgsnachweis, unabwendbarer Grund, unvorhersehbarer Grund, berücksichtigungswürdige HindernisseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.151.016.73.2018Zuletzt aktualisiert am
14.03.2018