TE Lvwg Erkenntnis 2017/1/23 VGW-141/010/14781/2016

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.01.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.01.2017

Index

L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien
41/02 Passrecht Fremdenrecht
69/05 Fürsorgewesen

Norm

WMG §5 Abs1
WMG §5 Abs2
NAG §51 Abs1
NAG §51 Abs2
NAG §53a Abs1
FürsorgeAbk BRD 1969 Jugendwohlfahrtspflege Art 2 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Gindl über die Beschwerde des Herrn M. F. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40-Sozialzentrum für den ... Bezirk, vom 21.10.2016, Zahl: MA 40 - SH/2016/913907-001, zu Recht erkannt:

1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und dem Beschwerdeführer folgende Leistungen zuerkannt:

Zur Deckung des Lebensunterhalts und der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes:

von 01.11.2016 bis 30.11.2016 837,76 Euro

von 01.12.2016 bis 31.12.2016 837,76 Euro

von 01.01.2017 bis 31.01.2017 837,76 Euro

von 01.02.2017 bis 28.02.2017 837,76 Euro

Mietbeihilfe:

von 01.11.2016 bis 30.11.2016 103,66 Euro

von 01.12.2016 bis 31.12.2016 103,66 Euro

von 01.01.2017 bis 31.01.2017 103,66 Euro

von 01.02.2017 bis 28.02.2017 103,66 Euro

2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

B e g r ü n d u n g

Mit dem angefochtenen Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40 (belangte Behörde) vom 21.10.2016, MA 40 – SH/2016/00913907-001 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 09.09.2016 auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs gemäß § 5 Abs. 1 und Abs. 2 WMG abgewiesen. Begründend wurde nach Wiedergabe von Bestimmungen des WMG und NAG ausgeführt, dass der Beschwerdeführer EWR-Bürger sei und seit 03.07.2009 über eine aufrechte Meldung im Bundesgebiet verfüge. Eine Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes in Form einer Anmeldebescheinigung sei vorgelegt worden. Der Beschwerdeführer sei zuletzt durch Gutachten der Sigmund Freud Privatuniversität vom 02.10.2015 bis 02.10.2016 für arbeitsunfähig befunden worden. Der Beschwerdeführer sei weder erwerbstätig, noch seien Nachweise darüber erbracht worden, dass die Erwerbstätigeneigenschaft nach § 51 Abs. 2 NAG erhalten geblieben sei oder dass er das Recht auf Daueraufenthalt erworben habe. Er sei auch nicht Familienangehöriger einer gemäß § 5 Abs. 2 Ziffer 2 WMG den österreichischen StaatsbürgerInnen gleichgestellten Person. Eine fünfjährige Krankenversicherung und nachweisliche Existenzmittel aus eigener Erwerbstätigkeit könne nach Abfrage der Datensammlung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger und der bisherigen Unterstützung durch die MA 40 nicht festgestellt werden. Damit seien die Voraussetzungen für eine Gleichstellung gemäß § 5 Abs. 2 WMG nicht erfüllt.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen mit Schreiben vom 18.11.2016 fristgerecht Beschwerde. Zusammengefasst führte er im Wesentlichen aus, dass er keine Aufforderung bezüglich eines neuerlichen Gutachtens zwecks seiner Arbeitsfähigkeit von der Behörde bekommen habe. Es sei ihm zum gegenständlichen Zeitpunkt unter den gegebenen körperlichen und seelischen Umständen nicht möglich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Er sei auch nicht darüber informiert worden, dass er sich selber um eine Arbeitsfähigkeitsuntersuchung bemühen hätte müssen. Er habe keinen Unterhalt um Miete und sonstige monatliche Kosten tragen zu können und ersuche um einen positiven Bescheid.

Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 21.11.2016 die Beschwerde mit dem bezughabenden Akt vor.

Nach Beischaffung des den Beschwerdeführer betreffenden Voraktes und Auszüge aus dem AMS-Behördenportal, dem AJ-Web und dem ZMR beraumte das Gericht für den 11.01.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung an, wozu der Beschwerdeführer und die belangte Behörde ordnungsgemäß geladen wurden. Die belangte Behörde hat sich mit Eingabe vom 28.12.2016 für die Verhandlung entschuldigt und ließ diese unbesucht.

Nach Erörterung des Inhaltes der Behördenakten und Verlesung der beigeschafften Auszüge aus dem AMS-Behördenportal, dem AJ-Web und dem ZMR führte der Beschwerdeführer zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass er deutscher Staatsbürger sei und seit 03.07.2009 durchgehend mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet und aufhältig sei. Der beigeschaffte AJ-Web-Auszug sei unvollständig, weil in diesem nicht aufscheine, dass er vor ca. 3 Jahren beim Gasthaus H. für 3 ½ Tage beschäftigt gewesen sei. Ansonsten stimmen die Angaben in diesem Auszug und auch die dazu angemerkten handschriftlichen Endigungsgründe der Beschäftigungsverhältnisse. Er sei seit 2013 mit Unterbrechungen beim AMS immer wieder als arbeitssuchend oder arbeitslos gemeldet gewesen, zurzeit sei er wieder ab 03.01.2017 als arbeitslos gemeldet. Er habe beginnend ab September 2011 bis Oktober 2016 (mit einer Unterbrechung von 01.02.2012 bis 07.06.2012) Mindestsicherungsleistungen bezogen. Von 02.10.2015 bis 02.10.2016 sei er mit Gutachten der SFU als „befristet arbeitsunfähig und nicht kursfähig“ eingestuft worden. Er sei mit Hilfe des AMS und auch in Eigeninitiative auf Arbeitssuche. Die aktuelle Miete betrage seit Dezember 2016 525,00 Euro, davor habe sie 534,18 Euro betragen. Er habe kein Einkommen. Abschließend verwies der Beschwerdeführer auf das zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossene Abkommen über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege.

Hierzu hat das Gericht erwogen:

Das Gericht legt seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zu Grunde:

Der Beschwerdeführer ist deutscher Staatsbürger und seit 03.07.2009 durchgehend mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet, zuletzt in Wien, D.-gasse. Die Miete beträgt seit Dezember 2016 525 Euro, davor betrug sie 534,18 Euro. Der Beschwerdeführer war zu folgenden Zeiten erwerbstätig: Von 27.11.2010 bis 25.12.2010, Endigung des Beschäftigungsverhältnis durch Zeitablauf, von 07.04.2011 bis 19.08.2011, Endigung des Beschäftigungsverhältnisses durch einvernehmliche Auflösung, von 14.11.2011 bis 10.01.2012, Endigung des Beschäftigungsverhältnisses durch Kündigung durch den Arbeitgeber, von 01.06.2012 bis 05.06.2012. Endigung des Beschäftigungsverhältnisses durch Kündigung durch den Arbeitgeber, von 01.12.2012 bis 15.06.2013, Endigung des Beschäftigungsverhältnisses durch einvernehmliche Lösung. Von 20.01.2012 bis 03.02.2012 hat der Beschwerdeführer Krankengeld bezogen. Der Beschwerdeführer war von 02.10.2015 bis 02.10.2016 als befristet arbeitsunfähig und nicht kursfähig eingestuft. Der Beschwerdeführer war beginnend mit 2013 mit Unterbrechungen immer wieder als arbeitssuchend oder arbeitslos beim AMS gemeldet, zuletzt ist er seit 03.01.2017 laufend als arbeitslos beim AMS vorgemerkt. Der Beschwerdeführer hat von 16.09.2011 bis 31.10.2016 (mit einer Unterbrechung vom 01.02.2012 bis 07.06.2012), durchgehend Mindestsicherungsleistungen bezogen. Am 09.09.2016 stellte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag auf Mindestsicherung und Mietbeihilfe. Der Beschwerdeführer hat kein Einkommen.

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt der Behördenakten und den beigeschafften Auszügen aus dem AJ-Web (Versicherungszeiten) und dem ZMR (Meldedaten) bzw. den damit übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers in der Verhandlung am 11.01.2017 und konnte sohin als erwiesen angesehen werden.

Hierzu folgt in rechtlicher Hinsicht:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des WMG lauten auszugsweise wie folgt:

§4.

Allgemeine Anspruchsvoraussetzungen

(1) Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung hat, wer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

zum anspruchsberechtigten Personenkreis (§ 5 Abs. 1 und 2) gehört,

2.

seinen Lebensmittelpunkt in Wien hat, sich tatsächlich in Wien aufhält und seinen Lebensunterhalt in Wien bestreiten muss,

3.

die in § 3 definierten Bedarfe nicht durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, mit eigenen Mitteln oder durch Leistungen Dritter abdecken kann,

4.

einen Antrag stellt und am Verfahren und während des Bezuges von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung entsprechend mitwirkt.

(2) Ein Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs einschließlich Mietbeihilfe besteht ab einem errechneten Mindestbetrag von fünf Euro monatlich.

(3) Personen, die bereits eine für Erwerbszwecke geeignete abgeschlossene Ausbildung oder eine Schulausbildung auf Maturaniveau haben und ihre Arbeitskraft allein deshalb nicht voll einsetzen können, weil sie eine weiterführende Ausbildung absolvieren, steht ein Anspruch auf Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nicht zu.

§ 5.

Personenkreis

(1) Leistungen nach diesem Gesetz stehen grundsätzlich nur österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zu.

(2) Den österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern sind folgende Personen gleichgestellt, wenn sie sich rechtmäßig im Inland aufhalten und die Einreise nicht zum Zweck des Sozialhilfebezuges erfolgt ist:

2. Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staates oder der Schweiz, wenn sie erwerbstätig sind oder die Erwerbstätigeneigenschaft nach § 51 Abs. 2 Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG) erhalten bleibt oder sie das Recht auf Daueraufenthalt nach § 53a NAG erworben haben und deren Familienangehörige;

§ 7.

Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs

(1) Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs haben volljährige Personen bei Erfüllung der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 und 2. Der Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs kann nur gemeinsam geltend gemacht werden und steht volljährigen Personen der Bedarfsgemeinschaft solidarisch zu. Die Abdeckung des Bedarfs von zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden minderjährigen Personen erfolgt durch Zuerkennung des maßgeblichen Mindeststandards an die anspruchsberechtigten Personen der Bedarfsgemeinschaft, der sie angehören.

(2) Die Zurechnung zu einer Bedarfsgemeinschaft erfolgt nach folgenden Kriterien:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

Volljährige alleinstehende Personen und volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen in Wohngemeinschaft leben, bilden eine eigene Bedarfsgemeinschaft.

§ 8.

Mindeststandards

(1) Die Bemessung der Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs erfolgt auf Grund der Mindeststandards gemäß Abs. 2, die bei volljährigen Personen auch einen Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs im Ausmaß von 25 vH des jeweiligen Mindeststandards enthalten. Für Personen, die das Regelpensionsalter nach dem Bundesgesetz vom 9. September 1955 über die Allgemeine Sozialversicherung (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz - ASVG) erreicht haben und für volljährige, auf die Dauer von mindestens einem Jahr arbeitsunfähige Personen beträgt der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs 13,5 vH der Mindeststandards, wenn sie alleinstehend sind oder mit Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, in der Bedarfsgemeinschaft leben. Liegen bei mehr als einer Person in der Bedarfsgemeinschaft diese Voraussetzungen vor, beträgt der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs 9 vH der Mindeststandards.

(2) Die Mindeststandards betragen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

100 vH des Ausgleichszulagenrichtsatzes nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. b ASVG abzüglich des Beitrages für die Krankenversicherung

a)

für volljährige alleinstehende Personen und volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen in Wohngemeinschaft leben;

 

(4) Der Mindeststandard nach Abs. 2 Z 1 erhöht sich mit dem gleichen Prozentsatz wie der Ausgleichszulagenrichtsatz nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. b ASVG. Die Beträge der Mindeststandards werden durch Verordnung der Landesregierung kundgemacht.

§ 9.

Mietbeihilfe

(1) Ein über den Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs nach § 8 Abs. 1 hinausgehender Bedarf wird an die anspruchsberechtigten Personen als Bedarfsgemeinschaft in Form einer monatlichen Geldleistung (Mietbeihilfe) zuerkannt, wenn dieser nachweislich weder durch eigene Mittel noch durch Leistungen Dritter gedeckt werden kann. Die Mietbeihilfe gebührt ab dem auf die Antragstellung folgenden Monat.

(2) Die Mietbeihilfe ist, bei durch unbedenkliche Urkunden nachgewiesenen tatsächlich höheren Kosten der Abdeckung des Wohnbedarfs, bis zur Höhe der Bruttomiete zuzuerkennen und wird wie folgt berechnet:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

Den Ausgangswert bilden die nach Abzug sonstiger Leistungen tatsächlich verbleibenden Wohnkosten bis zu den Mietbeihilfenobergrenzen nach Abs. 3.

2.

Dieser Ausgangswert wird durch die Anzahl der in der Wohnung lebenden volljährigen Personen geteilt und mit der Anzahl der volljährigen Personen der Bedarfsgemeinschaft multipliziert.

3.

Von dem für die Bedarfsgemeinschaft ermittelten Wert wird ein Betrag in folgender Höhe vom jeweiligen Mindeststandard nach § 8 Abs. 2 abgezogen:

a)

für jede volljährige Hilfe suchende oder empfangende Person ein Betrag in der Höhe von 25 vH;

§ 10.

Anrechnung von Einkommen und sonstigen Ansprüchen bei der Bemessung der Mindestsicherung

(1) Auf den Mindeststandard ist das Einkommen der Person, für die der jeweilige Mindeststandard gilt, anzurechnen.

….

Die Verordnung der Wiener Landesregierung zum Gesetz zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien 2016 (WMG- VO 2016), LGBl. für Wien Nr. 38/2010 in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 10/2016 regelt auszugsweise Folgendes:

§1

Mindeststandards, Grundbeträge zur Deckung des Wohnbedarfs und Geringfügigkeitsgrenze

(1) Für volljährige alleinstehende Personen und volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen in Wohngemeinschaft leben, und für volljährige Personen, die ausschließlich mit Personen nach § 7 Abs. 2 Z 3 oder Z 4 WMG eine Bedarfsgemeinschaft bilden, beträgt der Mindeststandard

EUR 837,76.

Dieser enthält folgenden Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

a)

für volljährige Personen, soweit sie nicht unter lit. b fallen

EUR 209,44;

§2

1) Die Mietbeihilfenobergrenzen betragen:

1. bei 1 bis 2 Bewohnerinnen oder Bewohnern EUR 313,10;

 

Die maßgeblichen Bestimmungen des am 17.01.1966 in Bonn unterzeichneten und am 01.01.1970 in Kraft getretenen Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Fürsorge und Wohlfahrtspflege, BGBl. 258/1969 (Deutsch-Österreichisches Fürsorgeabkommen) lauten wie folgt:

Teil I

Allgemeine Bestimmungen

Artikel 1

In diesem Abkommen bedeuten die Ausdrücke

1. „Österreich"

die Republik Österreich,

„Bundesrepublik"

die Bundesrepublik Deutschland

4. „Fürsorge"

alle gesetzlich begründeten Geld-, Sach-, Be-

ratungs-, Betreuungs- und sonstigen Hilfe-

leistungen aus öffentlichen Mitteln zur

Deckung und Sicherung des Lebensbedarfes

für Personen, die keine andere Voraussetzung

als die der Hilfsbedürftigkeit zu erfüllen

haben;

6.„Rechtsvorschriften"

die Gesetze, Verordnungen und Satzungen,

welche die in den Punkten 4 und 5 um-

schriebenen Rechtsgebiete regeln und im

Hoheitsgebiet oder im jeweiligen Teil des

Hoheitsgebietes einer Vertragspartei in Kraft sind

Teil II

Gewährung von Fürsorge und

Jugendwohlfahrtspflege

Artikel 2

„(1) Staatsangehörigen der einen Vertragspartei,

die sich im Hoheitsgebiet der anderen Vertrags-

partei aufhalten, wird Fürsorge und Jugendwohl-

fahrtspflege in gleicher Weise, in gleichem Um-

fang und unter den gleichen Bedingungen wie

den Staatsangehörigen des Aufenthaltsstaates ge-

währt.

(2) Absatz 1 gilt auch für Flüchtlinge im Sinne

des Artikels 1 des Abkommens über die Rechts-

stellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, die

ein von der anderen Vertragspartei gemäß

Artikel 28 des genannten Abkommens ausge-

stelltes gültiges Reisedokument besitzen

Teil VI

Schlussbestimmungen

Artikel 13

(1) Dem Abkommen ist ein Verzeichnis der

im Zeitpunkt seiner Unterzeichnung geltenden

gesetzlichen Rechtsvorschriften als Anhang I bei-

gefügt. Treten gesetzliche Rechtsvorschriften, die

in Anhang I aufgeführt sind, außer Kraft oder

werden gesetzliche Rechtsvorschriften erlassen,

die in Anhang I aufgeführt wären, wenn sie

beim Inkrafttreten des Abkommens bereits in

Kraft gewesen wären, so hat die Vertragspartei,

um deren Rechtsvorschriften es sich handelt, dies

der anderen Vertragspartei unter Bezugnahme

auf Anhang I mitzuteilen.

(2) Änderungen und Ergänzungen der Rechts-

vorschriften einer Vertragspartei, die sich aus

zwischenstaatlichen Abkommen oder aus einer

von einer Europäischen Gemeinschaft erlassenen

Vorschrift ergeben, sind im Verhältnis zwischen

den beiden Vertragsparteien nur zu berücksichtigen,

wenn diese es vereinbaren

Artikel 16

Das diesem Abkommen beiliegende Schluss-

protokoll ist Bestandteil des Abkommens

SCHLUSSPROTOKOLL

zum Abkommen zwischen der Republik Österreich

und der Bundesrepublik Deutsch-

land über Fürsorge und Wohlfahrts-

pflege

A. Bei Unterzeichnung des Abkommens über

Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege stellen die

Bevollmächtigten der beiden Vertragsparteien

übereinstimmend folgendes fest:

1. Vergünstigungen aus diesem Abkommen sol-

len Personen nicht zugute kommen, die das

Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei

aufsuchen, um diese Vergünstigungen in An-

spruch zu nehmen. Die Regelung im Arti-

kel 10 des Abkommens bleibt unberührt.

Der Beschwerdeführer ist kein österreichischer Staatsbürger und hätte daher grundsätzlich nur dann einen Anspruch auf Leistungen der Mindestsicherung, wenn er einen Gleichstellungstatbestand nach § 5 Abs. 2 WMG erfüllt. Da der Beschwerdeführer jedoch deutscher Staatsbürger ist, ist vorweg zu prüfen, ob der Beschwerdeführer nicht schon auf Grund des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt ist.

Dass Deutsch-Österreichische Fürsorgeabkommen ist am 01.01.1970 in Kraft getreten und wurde bis dato von keiner der beiden Vertragsparteien aufgekündigt, sodass es nach wie vor in Geltung ist. Das Deutsch- Österreichische Fürsorgeabkommen wurde ohne Erfüllungsvorbehalt abgeschlossen und richtet sich unmittelbar an die Behörden (Gerichte) der unterzeichneten Staaten und ist der Norminhalt ausreichend bestimmt. Artikel 2 dieses Abkommens lässt keinen Zweifel aufkommen, dass Staatsangehörige eines Vertragsstaates, die sich im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten, u.a. Fürsorge – worunter nach der Definition in Art 1 Ziffer 4 auch Mindestsicherungsleistungen fallen - in gleicher Weise, in gleichem Umfang und unter den gleichen Bedingungen wie den Staatsangehörigen des Aufenthaltsstaates gewährt wird. Das Deutsch-Österreichische Fürsorgeabkommen ist daher unmittelbar anwendbar. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass auch der VwGH von der Anwendung des Deutsch- Österreichischen Fürsorgeabkommens ausgeht, wenn auch in einem anderen Zusammenhang (vgl. VwGH vom 17.12.1990, 90/19/0326 u.a.). Ebenso wird in der deutschen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass das Deutsch-Österreichische Fürsorgeabkommen Anwendung findet, dass sich österreichische Staatsbürger auf das Gleichbehandlungsgebot des Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommens berufen können (vgl. Beschluss des Landessozialgerichtes Mecklenburg-Vorpommern vom 07.03.2012, L 8 B 489/10, ER, Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.06.1980, Az.:BVerwG 5 C). Dem steht auch die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, nicht entgegen, weil nach Art 37 der Unionsbürgerrichtlinie Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten, die für die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallenden Personen günstiger sind, unberührt bleiben. Als eine solche günstigere Rechtsvorschrift ist das Deutsch- Österreichische Fürsorgeabkommen anzusehen, die den Rang eines innerstaatlichen Gesetzes hat.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass das Deutsch-Österreichische Fürsorgeabkommen nach wie vor in Geltung steht und von den Behörden und Gerichten anzuwenden ist.

Nach der gewöhnlichen Bedeutung des Wortlautes des Artikel 2 des Deutsch- Österreichischen Fürsorgeabkommen, dem textlichen Zusammenhang und dem Ziel und Zweck des Vertrages ergibt sich somit eindeutig, dass deutsche Staatsangehörige, die sich im österreichischen Bundesgebiet aufhalten – wobei der „gewöhnliche“ Aufenthalt genügt - in gleicher Weise und im gleichen Umfang Mindestsicherungsleistungen zu gewähren sind wie österreichischen Staatsangehörigen (vgl. zu dieser Problematik auch die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 21.01.2016, LVWG-9/214/24-2016, LVWG-9/215/24-2016 und vom 11.04.2016, 405-9/5/1/5-2016).

Es habe sich auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer zum Zweck der Inanspruchnahme von Fürsorgeleistungen in das Bundesgebiet eingereist ist, zumal der Beschwerdeführer seit 2009 durchgehen im Bundesgebiet aufhältig ist und „erst“ 2011 erstmals Fürsorgeleistungen (Mindestsicherung) in Anspruch genommen hat.

Dem Beschwerdeführer steht somit grundsätzlich ein Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zu.

Der Beschwerdeführer bezog bis zum 31.10.2016 Leistungen der Mindestsicherung und bezieht sich sohin der gegenständliche Folgeantrag vom 09.09.2016 auf Mindestsicherung und Mietbeihilfe auf einen Zeitraum ab dem 01.11.2016. Bei der Bedarfsberechnung ist vom Richtsatz für Alleinunterstütze in der Höhe von 837,76 Euro auszugehen. Da diesem Richtsatz kein Einkommen gegenübersteht, ergibt es einen monatlichen Bedarf in der Höhe von 837,76 Euro. Zur beantragten Mietbeihilfe ist auszuführen, dass die tatsächliche Miete in der Höhe von 525,00 Euro (bzw. bis November 2016 in der Höhe von 534,18 Euro) über der Mietbeihilfenobergrenze für 1-2 Bewohner (313,10 Euro) liegt und sohin bei der Berechnung der Mietbeihilfe von der Mietbeihilfenobergrenze in der Höhe von 313,10 Euro auszugehen ist. Von diesem Betrag ist der im Mindeststandart enthaltene Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs in der Höhe von 209,44 Euro abzuziehen, was eine monatliche Mietbeihilfe in der Höhe von 103,66 Euro ergibt.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinn des Artikel 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Der Wortlaut und Sinn der hier anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen sind eindeutig und lassen sich die hier aufgeworfenen Rechtsfragen klar aus den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen lösen.

Schlagworte

Mindestsicherung; ausländischer Staatsbürger; Gleichstellung; Aufenthalt, rechtmäßiger, gewöhnlicher; Sozialhilfebezug; Fürsorgeabkommen; unmittelbare Anwendbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.141.010.14781.2016

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten