TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/17 W207 2146132-2

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Veröffentlicht am 17.11.2017
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Entscheidungsdatum

17.11.2017

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §46 Abs1
FPG §46 Abs2a
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W207 2146132-2/3E

W207 2146132-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, vom 10.11.2017, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.10.2017, Zl. 1074631208/170180235 – BMI-BFA-STM-RD, betreffend Ladungsbescheid zum Zweck der Identitätsprüfung bei der zuständigen ausländischen Behörde gemäß §§ 19 AVG und 46 Abs. 2a FPG, zu Recht erkannt:

A)

I.

Der Beschwerde wird gemäß § 46 Abs. 1 iVm § 46 Abs. 2a FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

II.

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang der einstweiligen Befreiung von der Eingabegebühr zur Einbringung einer Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2017, Zl. 1074631208150720561, wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Afghanistan, auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage und wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.02.2017, GZ. W220 2146132-1/2E, wurde die gegen diesen Bescheid vom 09.01.2017 erhobene Beschwerde gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF. als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.02.2017 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, dies verbunden mit einem Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 31.03.2017, E 847/2017-4, wurde dem Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gemäß § 85 Abs. 2 und 4 VfGG Folge gegeben. Das Beschwerdeverfahren ist gegenwärtig noch beim Verfassungsgerichtshof anhängig.

Mit Ladungsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.10.2017, Zl. 1074631208/170180235 – BMI-BFA-STM-RD, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 19 AVG und 46 Abs. 2a FPG aufgefordert, sich zum zum Zweck der Identitätsprüfung als Beteiligter am 15.11.2017 um 14:00 Uhr unter einer näher konkretisierten Adresse bei der Konsularabteilung der Botschaft der islamischen Republik Afghanistan zu kommen und mitzuwirken. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.

Gegen diesen Bescheid vom 23.10.2017 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, mit Schriftsatz vom 10.11.2017 eine mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbundene umfangreiche Beschwerde, in der unter anderem ausgeführt wurde, die Zulässigkeit einer Abschiebung setze gemäß § 46 Abs 1 FPG voraus, dass eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar sei. § 46 Abs 2 FPG ermächtige zu einer Handlung, die der Realisierung einer Abschiebung dienen solle. Demnach sei Voraussetzung für eine Handlung nach § 46 Abs 2 FPG, dass im Zeitpunkt deren Vornahme eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bestehe. Der Beschwerdeführer habe gegen die gegen ihn erlassene Rückkehrentscheidung fristgerecht Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Da sich der Beschwerdeführer nach wie vor im offenen Asylverfahren befinde, stehe es außer Frage, dass diese Bestimmung für ihn keine Anwendung finden könne. Diese Bestimmung könne nur für Asylwerber gelten, deren Verfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen worden sei. Das Verfahren des Beschwerdeführers sei ist aktuell beim Verfassungsgerichtshof zu E 847/2017-4 anhängig. Die gegen den Beschwerdeführer erlassene Rückkehrentscheidung sei nicht in Rechtskraft erwachsen und ist somit auch nicht durchsetzbar.

Der Beschwerdeführer stellte im Rahmen seiner eingebrachten Beschwerde auch einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang der einstweiligen Befreiung von den Gerichtsgebühren zur Einbringung einer Beschwerde.

Die Beschwerde vom 10.11.2017 wurde dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.11.2017 zur Entscheidung vorgelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.02.2017, GZ. W220 2146132-1/2E, wurde die gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2017, Zl. 1074631208150720561, erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF. als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.02.2017 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, dies verbunden mit einem Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 31.03.2017, E 847/2017-4, wurde dem Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gemäß § 85 Abs. 2 und 4 VfGG Folge gegeben. Das Beschwerdeverfahren ist gegenwärtig noch beim Verfassungsgerichtshof anhängig.

Mit Ladungsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.10.2017, Zl. 1074631208/170180235 – BMI-BFA-STM-RD, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 19 AVG und 46 Abs. 2a FPG aufgefordert, zum Zweck der Identitätsprüfung als Beteiligter zu einem näher genannten Termin unter einer näher konkretisierten Adresse bei der Konsularabteilung der Botschaft der islamischen Republik Afghanistan zu kommen und mitzuwirken.

Festgestellt wird, dass die gegen den Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.02.2017 ergangene Rückkehrentscheidung gegenwärtig nicht durchsetzbar ist.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.02.2017, mit dem gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde, zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 31.03.2017 und zur nach wie vor gegebenen Anhängigkeit des Beschwerdeverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof sowie zum Ladungsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.10.2017 basieren auf dem Akteninhalt und sind unbestritten.

Die Feststellung, dass die gegen den Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.02.2017 ergangene Rückkehrentscheidung gegenwärtig nicht durchsetzbar ist, gründet sich auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 31.03.2017, E 847/2017-4, mit dem dem Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gemäß § 85 Abs. 2 und 4 VfGG Folge gegeben wurde, im Zusammenhang mit dem Umstand, dass das diesbezügliche Beschwerdeverfahren noch beim Verfassungsgerichtshof anhängig ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A, Spruchpunkt I.:

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgebliche Bestimmung des § 46 Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:

"Abschiebung und Duldung

Abschiebung

§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat – vorbehaltlich des Abs. 2a – bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.

(2b) Die Verpflichtung gemäß Abs. 2 oder 2a Satz 2 kann dem Fremden mit Bescheid auferlegt werden. Für die Auferlegung der Verpflichtung gemäß Abs. 2a Satz 2 gilt § 19 Abs. 2 bis 4 iVm § 56 AVG sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Ladung die Auferlegung der Verpflichtung tritt; ein solcher Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung bei der zuständigen ausländischen Behörde verbunden werden (§ 19 AVG). § 3 Abs. 3 BFA-VG gilt.

(3) Das Bundesamt hat alle zur Durchführung der Abschiebung erforderlichen Veranlassungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (insbesondere Abs. 2 und 4) ehestmöglich zu treffen, insbesondere hat es allfällige Gebühren und Aufwandersatzleistungen an ausländische Behörden im Zusammenhang mit der Abschiebung zu entrichten und sich vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Fremden zu vergewissern, dass dieser einem Mitglied seiner Familie, einem offiziellen Vormund oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung im Zielstaat übergeben werden kann. Amtshandlungen betreffend Fremde, deren faktischer Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, sind prioritär zu führen.

(4) Liegen bei Angehörigen (§ 72 StGB) die Voraussetzungen für die Abschiebung gleichzeitig vor, so hat das Bundesamt bei der Erteilung des Auftrages zur Abschiebung Maßnahmen anzuordnen, die im Rahmen der Durchführung sicherstellen, dass die Auswirkung auf das Familienleben dieser Fremden so gering wie möglich bleibt.

(5) Die Abschiebung ist im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen, sofern dadurch die Abschiebung nicht unzulässig oder unmöglich gemacht wird. Diese Eintragung ist auf Antrag des Betroffenen zu streichen, sofern deren Rechtswidrigkeit durch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt worden ist.

(6) Abschiebungen sind systematisch zu überwachen. Nähere Bestimmungen über die Durchführung der Überwachung hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen."

Die Bestimmungen des § 46 Abs. 2 und 2a Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 145/2017 sind am 01.11.2017 in Kraft getreten. Das Bundesverwaltungsgericht hat mangels gegenteiliger gesetzlicher Anordnung die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung geltende Rechtslage anzuwenden.

Die Anwendung des die Abschiebung eines Fremden regelnden § 46 FPG setzt – neben anderen Fällen, die gegenständlich nicht in Betracht kommen – ausdrücklich das Vorliegen einer gegen einen Fremden durchsetzbaren Rückkehrentscheidung voraus. Dies ergibt sich aus § 46 Abs. 1 FPG ("Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung . durchsetzbar ist, .."), auch deutet § 46 Abs. 2 FPG idF BGBl. I Nr. 145/2017 ("Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, ..") darauf hin.

Die in § 46 Abs. 2a FPG normierte "jederzeitige" Ermächtigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen, kann sich im Zusammenhang dieses Regelungskomplexes daher nur auf den Fall des Vorliegens einer gegen den Fremden durchsetzbaren Rückkehrentscheidung beziehen, zumal eine Abschiebung nur im Falle des Vorliegens einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung zulässig ist; erst ab Vorliegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl daher jederzeit ermächtigt, die entsprechenden Amtshandlungen iSd § 46 Abs. 2a oder 2b FPG zu setzen. Die Bestimmung des § 46 FPG entspricht in inhaltlicher Hinsicht im Wesentlichen auch der Bestimmung des § 97 Abs. 1 FPG, die die Ausstellung eines Reisedokumentes für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen im Fall, dass eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung besteht, regelt, d.h., dass eine Ausstellung eines solchen Dokumentes ebenfalls erst ab Vorliegen einer durchsetzbare Rückkehrentscheidung zulässig ist

Im gegenständlichen Fall liegt aber ein Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 31.03.2017, E 847/2017-4, vor, mit dem dem Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gemäß § 85 Abs. 2 und 4 VfGG Folge gegeben wurde; das diesbezügliche Beschwerdeverfahren ist gegenwärtig noch beim Verfassungsgerichtshof anhängig. Gegen den Beschwerdeführer liegt daher zum Entscheidungszeitpunkt keine durchsetzbare Rückkehrentscheidung im Sinne des § 46 FPG vor.

Die Voraussetzungen für die Erlassung des Ladungsbescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.10.2017, Zl. 1074631208/170180235 – BMI-BFA-STM-RD, mit dem der Beschwerdeführer gemäß §§ 19 AVG und 46 Abs. 2a FPG aufgefordert wurde, zum Zweck der Identitätsprüfung als Beteiligter zu einem näher genannten Termin unter einer näher konkretisierten Adresse bei der Konsularabteilung der Botschaft der islamischen Republik Afghanistan zu kommen und mitzuwirken, sind daher – jedenfalls bis zu einer allfälligen Ablehnung der Behandlung oder Abweisung der Verfassungsgerichtshofbeschwerde - nicht gegeben.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben. Bei diesem Verfahrensergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf den in der Beschwerde gestellten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 1 iVm Abs 4 VwGVG entfallen, da im vorliegenden Fall ausschließlich eine Rechtsfrage zu beurteilen war, zumal von beiden Parteien des Verfahrens die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt wurde; vielmehr wurde von der belangten Behörde auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausdrücklich verzichtet. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil A, Spruchpunkt II. (Abweisung des Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang der einstweiligen Befreiung von der Eingabegebühr zur Einbringung einer Beschwerde):

Der Beschwerdeführer stellte im Rahmen seiner bereits eingebrachten Beschwerde auch einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang der einstweiligen Befreiung von den Gerichtsgebühren zur Einbringung einer Beschwerde. Im Rahmen der Antragstellung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei völlig vermögenslos und beziehe auch kein regelmäßiges Einkommen. Der Betrag auf seinem Konto betrage lediglich € 65,00--. Er sei daher nicht dazu in der Lage, die Kosten für die Führung dieses Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdeführer legte ein Vermögensbekenntnis vor, aus dem sich ergibt, dass er sich in Grundversorgung befindet und somit durch die Inanspruchnahme der Leistungen aus der Grundversorgung der notwendige Unterhalt gewährleistet ist. Der Beschwerdeführer hat keine Unterhaltspflichten.

Aus dem beigebrachten Vermögensbekenntnis sowie aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten GVS-Auszug vom 15.11.2017 ergibt sich, dass der Antragsteller neben der Inanspruchnahme von Leistungen wie Unterbringung, Krankernversicherung und Verpflegung ein monatliches Taschengeld in der Höhe von € 40 bezogen hat und nunmehr laut eigenen Angaben im beigebrachten Vermögensbekenntnis monatlich € 150,00-- als unselbständig Erwerbstätiger bei der Caritas bezieht.

Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Gemäß § 8a Abs. 2 VwGVG sind, soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen.

Die Bewilligung der Verfahrenshilfe setzt gemäß § 63 Abs. 1 ZPO unter anderem voraus, dass die antragstellende Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhaltes zu bestreiten; als notwendiger Unterhalt ist derjenige Unterhalt anzusehen, den die Partei für sich oder ihre Familie, für deren Unterhalt sie zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung benötigt (vgl. zB VfGH 22. 3. 2002, B 254/02; 2. 4. 2004, B 397/04).

Diese Voraussetzung für die Bewilligung der Verfahrenshilfe liegt unter Berücksichtigung einer zu entrichtenden Eingabegebühr in Höhe von € 30,00-- bei den gegebenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Antragstellers unter Bedachtnahme auf die Inanspruchnahme von Leistungen aus der Grundversorgung, die den notwendigen Unterhalt sichert, sowie einem monatlichen Bezug von €

150,00 -- und einem Betrag auf dem Konto von € 65,00 nicht vor.

Da daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass bei Entrichtung der Eingabegebühr von € 30,00-- der notwendige Unterhalt des Beschwerdeführers gefährdet wäre, ist der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist daher gemäß § 8a Abs. 1 und 2 VwGVG abzuweisen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, da es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt, ob die "jederzeitige" Ermächtigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Amtshandlungen iSd § 46 Abs. 2a oder 2b FPG idF BGBl. I Nr. 145/2017 zu setzen, auch in Bezug auf Fremde gilt, gegen die keine durchsetzbare Rückkehrentscheidung iSd § 46 Abs. 1 FPG besteht.

Schlagworte

Anhängigkeit, aufschiebende Wirkung, Behebung der Entscheidung,
ersatzlose Behebung, Identitätsfeststellung, Ladungsbescheid,
Revision zulässig, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W207.2146132.2.00

Zuletzt aktualisiert am

12.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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