TE Vwgh Erkenntnis 2017/10/17 Ra 2016/15/0029

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Veröffentlicht am 17.10.2017
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Index

32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

UStG 1994 §12 Abs10;
UStG 1994 §22 Abs1 idF 1999/1/106;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamtes Spittal Villach in 9500 Villach, Meister-Friedrich-Straße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 9. Februar 2016, Zl. RV/4100324/2011, betreffend u. a. Umsatzsteuer für die Jahre 2005 bis 2008 (mitbeteiligte Partei: E F in B, vertreten durch die Dr. Pickerle Wirtschaftsprüfungsgesellschaft m.b.H in 9500 Villach, Bahnhofstraße 8), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es die Umsatzsteuer 2005 bis 2008 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte erzielt im Rahmen seines Unternehmens Umsätze aus Land- und Forstwirtschaft, der Direktvermarktung von Fleisch- und Wurstwaren und der Durchführung von Winterdiensten (Schneepflugfahrten und Streudienste). Er nahm die Umsatzsteuerpauschalierung gemäß § 22 UStG 1994 in Anspruch, wobei im Jahr 2004 auch die Umsätze aus der Direktvermarktung und aus den Winterdiensten von der Pauschalierung umfasst wurden.

2 Ab dem Jahr 2005 stufte das Finanzamt die Umsätze aus der Direktvermarktung und den Winterdiensten ab dem Jahr 2005 als nicht unter die Durchschnittssatzbesteuerung fallend ein. Die im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführten Umsätze wurden hingegen weiterhin nach Durchschnittssätzen besteuert.

3 Da die Umsätze aus der Direktvermarktung und den Winterdiensten ab dem Jahr 2005 nach den allgemeinen Vorschriften des UStG 1994 besteuert wurden, machte der Mitbeteiligte, der am 23. Juni 2004 einen Traktor und am 15. November 2004 einen Schneepflug angeschafft hatte, in den Umsatzsteuererklärungen 2005 bis 2008 (positive) Vorsteuerberichtigungen gemäß § 12 Abs. 10 UStG 1994 von je einem Fünftel der auf die Anschaffungskosten von Traktor und Schneepflug entfallenden Umsatzsteuer geltend.

4 Das Finanzamt anerkannte die in den Jahren 2005 bis 2008 geltend gemachten Vorsteuerberichtigungen nicht und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Übergang von der Besteuerung nach § 22 UStG 1994 zur Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des UStG 1994 keine Änderung der Verhältnisse iSd § 12 Abs. 10 UStG 1994 darstelle.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht einer u.a. dagegen gerichteten Beschwerde des Mitbeteiligten Folge.

6 Der Mitbeteiligte habe in den Streitjahren neben den nach Durchschnittssätzen zu besteuernden land- und forstwirtschaftlichen Umsätzen auch nach den allgemeinen Vorschriften des UStG 1994 zu besteuernde Umsätze aus der Direktvermarktung von Fleisch- und Wurstwaren und aus der Durchführung von Winterdiensten ausgeführt.

7 Vorsteuern, die zum Teil den Umsätzen im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes und zum Teil den nach allgemeinen Vorschriften des UStG 1994 besteuerten Umsätzen zuzurechnen seien, seien entsprechend der vorgesehenen Verwendung aufzuteilen. Änderten sich bei einem Gegenstand, den der Unternehmer in seinem Unternehmen als Anlagevermögen verwende oder nutze, in den auf das Jahr der erstmaligen Verwendung folgenden vier Kalenderjahren die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend gewesen seien, so sei gemäß § 12 Abs. 10 UStG 1994 für jedes Jahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges vorzunehmen.

8 Mit der Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse im Zusammenhang mit der Durchschnittssatzbesteuerung nach "§ 22 UStG 1994" habe sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 14. September 1993, 93/15/0105, auseinandergesetzt und ausgeführt, dass nach der Systematik des § 22 UStG der auf den Abs. 1 gegründete Steuersatz von 10% bzw. 12% nur Umsätzen zugedacht sei, die ein Unternehmer im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausführe. Auch die Vorsteuerpauschalierung in gleicher Höhe erstrecke sich nur auf Umsätze in diesem Rahmen. Demnach berechtigten Vorleistungen, die sowohl mit der land- und forstwirtschaftlichen Betätigung als auch mit einer anderen unternehmerischen Tätigkeit im Zusammenhang stünden, insoweit zum Vorsteuerabzug, als die Leistungen für den Bereich außerhalb des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes bestimmt seien. Ändere sich in der Folge das Nutzungsverhältnis, sei von einer Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse iSd § 12 Abs. 10 UStG 1994 auszugehen und eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges vorzunehmen.

9 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht mit der Begründung für unzulässig, dass sich die getroffene Entscheidung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. September 1993, 93/15/0105, stützt.

10 Gegen dieses Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts - soweit es die Umsatzsteuer 2005 bis 2008 betrifft - wendet sich die außerordentliche Revision des Finanzamtes, in der zur Zulässigkeit ausgeführt wird, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, der im Erkenntnis vom 22. April 2009, 2007/15/0143, ausgesprochen habe, dass der Übergang von der Besteuerung nach Durchschnittssätzen zur Besteuerung nach den allgemeinen Regeln keine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse iSd § 12 Abs. 10 UStG 1994 darstelle.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12 Die Revision ist zulässig und begründet.

13 § 22 Abs. 1 UStG 1994 in der ab 2000 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 106/1999 bestimmt, dass bei nicht buchführungspflichtigen Unternehmern, die Umsätze im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausführen, die Steuer für diese Umsätze mi 10 % (in bestimmten Fällen mit 12 %) der Bemessungsgrundlage und die diesen Umsätzen zuzurechnenden Vorsteuerbeträge in gleicher Höhe festgesetzt werden.

14 Im Rahmen der Pauschalierung nach § 22 Abs. 1 UStG 1994 kommt es daher zu keiner exakten Erfassung der Vorsteuern, sondern stets zu einer fiktiven Bemessung der Vorsteuern in Höhe der Steuerschuld für die Umsätze im Rahmen nichtbuchführungspflichtiger land- und forstwirtschaftlicher Betriebe. Im Hinblick darauf hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 22. April 2009, 2007/15/0143, zu Recht erkannt, dass der Übergang von der Besteuerung nach Durchschnittssätzen zur Besteuerung nach den allgemeinen Regeln keine steuerliche Konsequenzen auslöst. Er stellt keine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse im Sinne des § 12 Abs. 10 UStG 1994 dar, weshalb die Besteuerung der vor dem Übergang bewirkten Umsätze als abgeschlossen zu betrachten ist (idS auch Ruppe/Achatz, UStG4, § 22 Tz 48; vgl. allerdings ab der Veranlagung 2014 § 12 Abs. 12 UStG 1994 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2012, BGBl. I Nr. 112/2012).

15 Der Mitbeteiligte hat im Rahmen seines Unternehmens Umsätze aus Land- und Forstwirtschaft, der Direktvermarktung von Fleisch- und Wurstwaren und der Durchführung von Winterdiensten (Schneepflugfahrten und Streudienste) erzielt. Er nahm die Umsatzsteuerpauschalierung gemäß § 22 UStG 1994 in Anspruch, und zwar im Jahr 2004 auch für die Umsätze aus der Direktvermarktung und den Winterdiensten. Im Jahr 2005 ist in Bezug auf die Umsätze aus der Direktvermarktung und den Winterdiensten die Besteuerung nach den allgemeinen Regeln erfolgt. Ein solcher Übergang führt - wie oben dargelegt - zu keiner Vorsteuerberichtigung nach § 12 Abs. 10 UStG 1994. Bei diesem Ergebnis kann es dahingestellt bleiben, ob die Möglichkeit zur umsatzsteuerlichen Pauschalierung der Umsätze aus der Direktvermarktung und den Winterdiensten überhaupt bestanden hat.

16 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher - soweit es die Umsatzsteuer 2005 bis 2008 betrifft - als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 17. Oktober 2017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016150029.L00

Im RIS seit

21.11.2017

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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