RS Vfgh 2017/9/26 G39/2017

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Veröffentlicht am 26.09.2017
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Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
GewO 1994 §2 Abs1 Z25
KStG 1988 §1 Abs3 Z2, §5 Z12 litb, litc
BAO §34 ff
ParteienG 2012 §1, §2 Z3
EU-AbgÄG 2016

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit der Begünstigung von Veranstaltungen politischer Parteien durch Ausnahme von der Gewerbeordnung; kein Verstoß der steuerrechtlichen und gewerberechtlichen Privilegierung politischer Parteien, ihrer Untergliederungen und der ihnen nahestehenden Organisationen ähnlich gemeinnützigen Vereinigungen gegen den Gleichheitsgrundsatz angesichts des im öffentlichen Interesse gelegenen Zieles der Förderung politischer Parteien wegen ihrer Bedeutung für die demokratische Willensbildung; keine Gleichheitswidrigkeit der zeitlichen Begrenzung der Begünstigung für eine gastgewerbliche Tätigkeit nach Stunden; kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot; Abweisung des - zulässigen - Parteiantrags eines Vereins

Rechtssatz

Zulässigkeit des Hauptantrags auf Aufhebung der Wortfolge "sowie juristische Personen, die gemäß §1 Abs3 Z2 und §5 Z12 litb und c des Körperschaftsteuergesetzes 1988 wie Körperschaften des öffentlichen Rechts zu behandeln sind" in §2 Abs1 Z25 GewO 1994.

Vor dem Hintergrund des Umstandes, dass das Handelsgericht Wien die Abweisung der Klage (des nunmehr antragstellenden Vereins) darauf gestützt hat, dass die Ausnahmebestimmung des §2 Abs1 Z25 GewO 1994 auf die im Anlassverfahren beklagte Partei anzuwenden sei, bestehen keine Zweifel an der Präjudizialität der angefochtenen Wortfolge.

Vor dem Hintergrund der dargelegten Bedenken kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass im Fall des Zutreffens der Bedenken die Aufhebung der gesamten angefochtenen Wortfolge erforderlich sein könnte. Es ist daher nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages zu klären, ob allenfalls die Aufhebung nur eines Teils der mit dem Hauptantrag angefochtenen Wortfolge ausreicht, um die behauptete Verfassungswidrigkeit vollständig zu beseitigen.

Da der Hauptantrag zulässig ist, ist auf die Eventualanträge nicht mehr weiter einzugehen.

Mit der Novellierung des §2 Abs1 Z25 GewO 1994 durch BGBl I 82/2016 wurden die Verweisungen auf §1 Abs3 Z2 und §5 Z12 litb und litc KStG 1988 in das Gesetz aufgenommen. Ziel der Änderung des §5 Z12 KStG 1988 (durch das EU-AbgÄG 2016, BGBl I 77/2016) war es ausweislich der Materialien, die steuerliche Behandlung geselliger und gesellschaftlicher Veranstaltungen von politischen Parteien an die steuerliche Behandlung vergleichbarer Veranstaltungen von gemeinnützigen Vereinen anzunähern. Durch die Verweisung in §2 Abs1 Z25 GewO 1994 fallen derartige Veranstaltungen politischer Parteien, welche die Voraussetzungen des Körperschaftsteuergesetzes und der Bundesabgabenordnung erfüllen und daher einem "kleinen Vereinsfest" vergleichbar sind, auch dann unter den Ausnahmetatbestand des §2 Abs1 Z25 GewO 1994, wenn die durch die Veranstaltung erzielten Erträge nicht für gemeinnützige Zwecke im Sinne von §34 ff BAO, sondern zur materiellen Förderung von Zwecken im Sinne des §1 Abs2 ParteienG der veranstaltenden politischen Partei bzw der ihr nahestehenden Organisation verwendet werden. Die dieser Erstreckung des Anwendungsbereichs der Ausnahme auf politische Parteien, ihre Gliederungen und die ihnen nahestehenden Organisationen zugrunde liegende Wertung besteht darin, dass auch Aktivitäten politischer Parteien (im weiteren Sinn) von Verfassungs wegen unterstützenswerte Ziele bilden. Diese Annahme wird durch die Verfassungsbestimmung des §1 Abs1 ParteienG zum Ausdruck gebracht.

Der Gesetzgeber verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn er politische Parteien, ihre Untergliederungen und die ihnen nahestehenden Organisationen im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Verankerung ihrer Funktion im demokratischen Prozess sowohl steuerrechtlich als auch gewerberechtlich ähnlich wie gemeinnützige Vereinigungen und vergleichbare Körperschaften behandelt. Mit der Regelung, dass Veranstaltungen politischer Parteien sowie ihrer Untergliederungen und politischen Parteien nahestehender Organisationen nicht nur dann von der Gewerbeordnung ausgenommen sind, wenn sie auf gemeinnützige Zwecke im Sinne von §34 ff BAO gerichtet sind, sondern auch auf andere Zwecke, verfolgt der Gesetzgeber ein im öffentlichen Interesse gelegenes Ziel, nämlich politische Parteien wegen ihrer Bedeutung für die demokratische Willensbildung zu fördern.

Dem Gesetzgeber ist nicht entgegenzutreten, wenn er davon ausgeht, dass auch Aktivitäten politischer Parteien aus demokratiepolitischer Sicht unterstützenswerte Zwecke darstellen, und eine begrenzte materielle Förderung dieser Zwecke insofern vorsieht, als die Mittel beispielsweise für die Wahlwerbung oder für Informationen über die politischen Tätigkeiten dieser Partei verwendet werden, gleichzeitig aber - um Wettbewerbsverzerrungen vorzubeugen - als zusätzliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung für die Ausnahme von der Gewerbeordnung vorsieht, dass die Umsätze aus diesen Veranstaltungen insgesamt nicht mehr als € 15.000,-- im Kalenderjahr betragen.

Es begegnet daher im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz keinen Bedenken, wenn der Gesetzgeber angesichts des §1 ParteienG Veranstaltungen politischer Parteien an solche von ideellen Vereinen annähert, ihre gewerberechtliche Einordnung aber von verschiedenen Voraussetzungen abhängig macht.

Der VfGH verkennt nicht, dass politische Parteien (und ihnen nahestehende Organisationen) mit der Durchführung bestimmter Veranstaltungen in Konkurrenz zu Gastgewerbebetrieben treten können. Diese zeitlich begrenzte Konkurrenz ermöglicht es politischen Parteien, gleich gemeinnützigen Vereinen Einnahmen zu erzielen, die ihrerseits zur Erreichung des verfassungsrechtlich in §1 ParteienG festgelegten Zwecks politischer Parteien herangezogen werden können. Angesichts dessen wirken allfällige temporäre wirtschaftliche, nicht in die Rechtssphäre reichende Nachteile von Gewerbebetrieben nicht so schwer, dass sich die Ausnahmeregelung auch in der nunmehr mit einer Stundenanzahl (72 Stunden im Kalenderjahr) begrenzten Form als verfassungswidrig erwiese.

Dem Gesetzgeber ist nicht entgegenzutreten, wenn er einen Übergang von einer (vormaligen) Begrenzung nach Tagen zu einer Begrenzung nach Stunden anordnet. Mag mit der Berechnung nur jener Stunden, in denen auch tatsächlich gastgewerbliche Tätigkeiten ausgeübt werden, auch eine Ausweitung der Zeiten unter Wahrung der Ausnahme angeordnet werden, so wird - auch unter Berücksichtigung der Erstreckung der Begünstigungen auf nahestehende Organisationen ("Vorfeldorganisationen") und Gliederungen mit eigener Rechtspersönlichkeit von politischen Parteien - damit nicht ein Maß erreicht, das die Regelung unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes als verfassungswidrig erscheinen ließe.

Kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot.

Weder die Verweisungen in den Bestimmungen des §2 Abs1 Z25 GewO 1994 und §5 Z12 KStG 1988 noch die in den verwiesenen Vorschriften enthaltenen Rechtsbegriffe sind in einem Maße unbestimmt, dass sie Bedenken ob ihrer Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot für Gesetze begegnen würden.

Auch die weitere Verweisung von §5 Z12 KStG 1988 auf §2 Z3 ParteienG und auf §1 ParteienG ist keineswegs unklar.

Der VfGH vermag nicht zu erkennen, dass der Begriff der "Gliederung" in §5 Z12 litb KStG 1988 zu unbestimmt wäre, findet er doch auch in der Legaldefinition des §2 Z3 ParteienG Verwendung und wird dort weiter auf §5 Abs1 ParteienG verwiesen, in dem eine nähere Umschreibung verschiedener (auch territorialer) Gliederungen einer politischen Partei enthalten ist.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Gewerberecht, Gastgewerbe, Partei politische, Geltungsbereich Anwendbarkeit, Ausnahmeregelung - Regel, Abgaben, Körperschaftsteuer, Steuerbefreiungen, Rechtsstaatsprinzip, Legalitätsprinzip, Determinierungsgebot, VfGH / Parteiantrag, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:G39.2017

Zuletzt aktualisiert am

20.03.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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