Entscheidungsdatum
19.10.2017Index
L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung WienNorm
WMG §5 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Dr. Fegerl über die Beschwerde des Herrn F. B. vom 3.5.2017 gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht, Sozialzentrum ..., vom 29.3.2017, Zahl MA 40 - Sozialzentrum ... - SH/2017/01450236-001, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung am 21.9.2017 (Datum der mündlichen Verkündung des Erkenntnisses), zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Bescheid der belangten Behörde 29.3.2017, Zahl MA 40 - Sozialzentrum ... - SH/2017/01450236-001, wurde der Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden kurz: BF) vom 23.3.2017 auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs (Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs und Mietbeihilfe) gemäß § 5 Abs. 1 und Abs. 2 WMG abgewiesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Beschwerde. In dieser führt der BF im Wesentlichen aus, die belangte Behörde habe ihre Entscheidung erneut damit begründet, dass er nicht erwerbstätig sei, keine Erwerbstätigeneigenschaft gemäß § 51 Abs. 2 Z 1-3 NAG habe und auch nicht über ein Daueraufenthaltsrecht gemäß § 53a Abs. 1 NAG verfüge. Außerdem führe die belangte Behörde – entgegen der Feststellungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 26.1.2017, Zl. VGW-141/002/15583/2016 – aus, der BF falle nicht unter das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege.
Das Verwaltungsgericht Wien holte Auskünfte aus dem Zentralen Melderegister und vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger ein.
1.2. Am 21.9.2017 führte das Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, zu der der BF trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erschienen ist. Die Vertreterin der belangten Behörde erstattete ein ausführliches Vorbringen und es wurde mit ihr die Verfahrensgeschichte sowie die Anwendung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege [im Folgenden auch: Fürsorgeabkommen] im Lichte der neuesten Judikatur des VwGH (und des LVwG Salzburg) erörtert.
Die Vertreterin der belangten Behörde (BHV) brachte ergänzend vor, dass der BF bereits am 9.1.2012 erstmals einen Antrag auf Mindestsicherung gestellt habe, welcher mit Bescheid vom 23.2.2012 gemäß § 5 WMG abgewiesen worden sei. Danach sei der BF von Mitte April 2012 bis Ende Oktober 2012, also rund 6,5 Monate beschäftigt gewesen.
Die BHV führte weiter Folgendes aus:
„Am 14.11.2012 hat er einen weiteren Antrag gestellt, der jedoch mangels Verbesserung als zurückgezogen galt. Nach einem weiteren Antrag vom 15.4.2013 wurde ihm erstmals ab 15.4.2013 bis 31.3.2014 Mindestsicherung gewährt. Ein Folgeantrag des BF vom März 2014 wurde mit Bescheid vom 8.4.2014 abgewiesen (Bl. 92 MA 40-Akt). Ein neuerlicher Mindestsicherungsantrag vom 18.9.2014 wurde mit Bescheid vom 19.9.2014 abgewiesen (Bl. 110). Nachdem der BF ab 1.11.2014 wieder (geringfügig) beschäftigt war, bekam er nach Antragstellung vom 2.1.2015 mit Bescheid vom 5.1.2015 wieder Mindestsicherung zuerkannt, und zwar für Jänner 2015 bis Juni 2015. Ein Folgeantrag vom 8.6.2015 wurde gemäß § 16 WMG abgewiesen, weil er die Unterlagen über die Beendigung der geringfügigen Beschäftigung trotz Aufforderung nicht vorgelegt hatte. Die vom BF dagegen erhobene Beschwerde wurde erst jüngst entschieden (Zurückverweisungsbeschluss VGW-141/053/9681/2015) und daraufhin wurde dem BF für 1.7.2015 bis 30.6.2016 eine Leistung zuerkannt (Bescheid vom 28.6.2017).
Nach dem aufhebenden Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 26.1.2017, in dem erstmals das Deutsch-Österreichische Fürsorgeübereinkommen angewendet wurde, wurde dem BF Mindestsicherung für November 2016 bis Februar 2017 zuerkannt.
Der gegenständliche Folgeantrag wurde im Hinblick auf die neueste VwGH-Judikatur zur Anwendung des Fürsorgeübereinkommens (Ro 2015/10/0051) abgewiesen.“
In ihren Schlussausführungen brachte die BHV vor, der BF sei zunächst vom 13.4.2012 bis 31.10.2012 beschäftigt gewesen, wobei dieses Beschäftigungsverhältnis laut Aktenlage durch einvernehmliche Auflösung geendet habe (Bl. 7 MA-40 Akt). Ab 15.4.2013 habe der BF mit Unterbrechungen Mindestsicherung bezogen und sei seither nur noch von 1.11.2014 bis 30.4.2015 geringfügig beschäftigt gewesen, wobei er ab 2.1.2015 wieder im Mindestsicherungsbezug gestanden sei. Dem BF komme aktuell kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu und er habe auch kein Recht auf Daueraufenthalt nach § 53a NAG erworben. Soweit man aus Art. 8 Deutsch-Österreichisches Fürsorgeabkommen einen eigenen Tatbestand des rechtmäßigen Aufenthaltes ableiten könne, wäre zumindest ein ununterbrochener erlaubter Aufenthalt von einem Jahr nötig, wobei bei der Berechnung der Aufenthaltsdauer nach Art. 8 Abs. 1 Zeiträume des Bezuges von Sozialhilfe nicht berücksichtigt würden (so Art. 9 Abs. 3 des Abkommens). Diese Voraussetzung eines rechtmäßigen, ununterbrochenen Aufenthalts von 1 Jahr liege beim BF nicht vor, sodass er auch nach dem Fürsorgeabkommen nicht gleichgestellt sei.
2.0. Das Verwaltungsgericht hat erwogen:
2.1. Der BF ist deutscher Staatsangehöriger und seit 3.11.2011 durchgehend mit Hauptwohnsitz in Österreich (Wien) gemeldet.
Der BF war laut seinen Sozialversicherungsdaten in Österreich vom 13.4.2012 bis 30.4.2012 geringfügig und daraufhin von 1.5.2012 bis 31.10.2012 als Arbeiter beschäftigt, wobei dieses Beschäftigungsverhältnis laut Aktenlage durch einvernehmliche Auflösung geendet hat; überdies war der BF von 1.11.2014 bis 30.4.2015 geringfügig beschäftigt. Ansonsten scheinen keine Zeiten einer Erwerbstätigkeit des BF in Österreich auf. Zwischen November 2012 und März 2013 stand der BF im Arbeitslosengeldbezug, seither (15.4.2013) bezieht er mit Unterbrechungen Notstandshilfe.
Seit dem Jahr 2012 stellte der BF zahlreiche Anträge auf Mindestsicherung, welche zum Teil (gemäß § 5 mangels Gleichstellung oder § 16 wegen mangelnder Mitwirkung) abgewiesen wurden und zum anderen Teil zur Zuerkennung von Leistungen der Mindestsicherung führten; für die Zeiträume von 15.4.2013 bis 31.3.2014, von 2.1.2015 bis 30.6.2015, von 1.7.2015 bis 30.6.2016 und zuletzt von 3.11.2016 bis 28.2.2017 wurden dem BF Leistungen nach dem WMG zugesprochen.
Der Antrag des BF vom 3.11.2016 war zunächst mit Bescheid vom 10.11.2016 abgewiesen worden, aufgrund einer Beschwerde dagegen wurde dem BF nach dem aufhebenden und zurückverweisenden Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 26.1.2017, Zl. VGW-141/002/15583/2016-5, in dem erstmals das Fürsorgeabkommen angewendet wurde, Mindestsicherung von 3.11.2016 bis 28.2.2017 zuerkannt.
Den letzten Antrag stellte der BF am 23.3.2017; dieser wurde mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid der belangten Behörde vom 29.3.2017 mangels Gleichstellung des BF gemäß § 5 Abs. 1 und 2 WMG abgewiesen.
2.2. § 5 des Gesetzes zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien (Wiener Mindestsicherungsgesetz – WMG), LGBl. 38/2010, lautet auszugsweise wie folgt:
„Personenkreis
§ 5. (1) Leistungen nach diesem Gesetz stehen grundsätzlich nur österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zu.
(2) Den österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern sind folgende Personen gleichgestellt, wenn sie sich rechtmäßig im Inland aufhalten und die Einreise nicht zum Zweck des Sozialhilfebezuges erfolgt ist:
[…]
2. Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staates oder der Schweiz, wenn sie erwerbstätig sind oder die Erwerbstätigeneigenschaft nach § 51 Abs. 2 Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG) erhalten bleibt oder sie das Recht auf Daueraufenthalt nach § 53a NAG erworben haben und deren Familienangehörige;
[…]“
Die Art. 7 und 13 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (kurz: Unionsbürgerrichtlinie) regeln das Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern und deren Familienangehörigen. Die Art. 16 bis 18 dieser Richtlinie regeln das Rechts auf Daueraufenthalt (für Unionsbürger und deren drittstaatsangehörige Familienangehörigen); Art. 19 und 20 dieser Richtlinie enthalten Bestimmungen über die Dokumentation zur Bescheinigung des Daueraufenthaltes. Die Umsetzung der unionsrechtlichen Bestimmungen erfolgte im Wesentlichen in den §§ 51 bis 54a Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).
Gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 NAG sind EWR-Bürger aufgrund der Freizügigkeitsrichtlinie zum Aufenthalt für mehr als drei Monaten berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind.
Gemäß § 51 Abs. 2 NAG bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er
1. wegen einer Krankheit oder eine Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;
2. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des AMS zur Verfügung stellt;
3. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf eines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder
4. eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, … .
Gemäß § 53a Abs. 1 NAG erwerben EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52) unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung über den Daueraufenthalt auszustellen.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege, BGBl. Nr. 258/1969, lauten auszugsweise wie folgt:
„TEIL II
GEWÄHRUNG VON FÜRSORGE UND JUGENDWOHLFAHRTSPFLEGE
Artikel 2
(1) Staatsangehörigen der einen Vertragspartei, die sich im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufhalten, wird Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege in gleicher Weise, in gleichem Umfang und unter den gleichen Bedingungen wie den Staatsangehörigen des Aufenthaltsstaates gewährt.
[…]
Artikel 8
(1) Der Aufenthaltsstaat darf einem Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei nicht allein aus dem Grunde der Hilfsbedürftigkeit den weiteren Aufenthalt versagen oder ihn rückschaffen, es sei denn, daß er sich noch nicht ein Jahr ununterbrochen erlaubt in seinem Hoheitsgebiet aufhält. Sprechen Gründe der Menschlichkeit gegen eine solche Maßnahme, so hat sie ohne Rücksicht auf die Dauer der Anwesenheit im Aufenthaltsstaat zu unterbleiben.
(2) Die Vorschriften dieses Abkommens stehen in keiner Weise dem Recht zur Ausweisung aus einem anderen als dem im vorstehenden Absatz erwähnten Grunde entgegen.
Artikel 9
[…]
(3) Bei Berechnung der Aufenthaltsdauer nach Artikel 8 Absatz 1 werden Zeiträume, in denen der Lebensunterhalt ganz oder teilweise aus Mitteln der Fürsorge des Aufenthaltsstaates gewährt worden ist, nicht berücksichtigt.“
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 22.2.2017, Zl. Ro 2015/10/0051, ausgeführt, dass das Fürsorgeabkommen grundsätzlich anwendbar ist. Es könnten jedoch nur solche deutsche Staatsangehörige, die sich rechtmäßig in Österreich aufhielten, als von Art. 2 Abs. 1 des Fürsorgeabkommens erfasst angesehen werden. Die Auffassung, den Beschwerdeführern sei auf Grund des Abkommens Mindestsicherung wie Österreichern zu gewähren, setze somit voraus, dass diese zum Aufenthalt in Österreich berechtigt seien. Dass Letzteres zutreffe, sei dem angefochtenen Erkenntnis allerdings nicht zu entnehmen; vielmehr habe das Verwaltungsgericht ein "unionsrechtliches Aufenthaltsrecht" explizit verneint und – ohne die Tatbestandsvoraussetzung des rechtmäßigen Aufenthalts weiter zu erörtern – den Anspruch der mitbeteiligten Parteien auf Mindestsicherung gemäß dem Abkommen bejaht.
2.3. Die oben zitierten Ausführungen der Vertreterin der belangten Behörde in der Verhandlung sind zutreffend.
Der BF war laut seinen Sozialversicherungsdaten in Österreich vom 13.4.2012 bis 30.4.2012 geringfügig und daraufhin von 1.5.2012 bis 31.10.2012 als Arbeiter beschäftigt; weiters war der BF von 1.11.2014 bis 30.4.2015 geringfügig beschäftigt. Ansonsten scheinen keine Erwerbstätigkeitszeiten des BF in Österreich auf.
Vom 15.4.2013 bis 31.3.2014 bezog der BF (erstmals) Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe; auch für die Zeit vom 2.1.2015 bis 30.6.2015 und spätere Zeiten wurde dem BF Mindestsicherung zuerkannt.
Der BF ist österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern – trotz deutscher Staatsangehörigkeit – nicht iSd § 5 Abs. 2 Z 2 WMG gleichgestellt. Er ist nicht erwerbstätig. Die Erwerbstätigeneigenschaft ist auch nicht gemäß § 51 Abs. 2 NAG erhalten geblieben. Der BF war erstmals von 13.4.2012 bis 30.4.2012 und anschließend von 1.5.2012 bis 31.10.2012 in Österreich beschäftigt, wobei dieses Beschäftigungsverhältnis laut Aktenlage durch einvernehmliche Auflösung endete, sodass hier nicht von einer ordnungsgemäß bestätigten, unfreiwilligen Arbeitslosigkeit und dem Fortbestand der Erwerbstätigeneigenschaft und damit nicht von der andauernden Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes ausgegangen werden kann. Gleiches gilt für die weitere (geringfügige) Beschäftigung von November 2014 bis April 2015 [selbst im Falle ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit wäre die Gleichstellung nur für 6 Monate ab dem Ende des letzten – unterjährigen – Dienstverhältnisses erhalten geblieben]. Da sich der BF nicht fünf Jahre rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat, hat er auch nicht das Recht auf Daueraufenthalt gemäß § 53a NAG erworben. Der BF verfügt auch über kein sonstiges unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51 ff NAG.
Im Hinblick auf die neueste Judikatur (vgl. mit weiteren Nachweisen auch das Ersatzerkenntnis des LVwG Salzburg vom 22.8.2017, Zl. 405-9/282/1/12-2017 u.a.) zur Anwendung des Fürsorgeabkommens kann die im Erkenntnis vom 26.1.2017, GZ VGW-141/002/15583/2016-5, vertretene Ansicht der im Wesentlichen bedingungslosen Gleichstellung nicht uneingeschränkt aufrechterhalten werden. Der neuesten Judikatur des VwGH (Erkenntnisse vom 29.03.2017, Zl. Ro 2016/10/0046-4, und vom 22.2.2017, Zl. Ro 2015/10/0051) folgend, ist auch nach dem Fürsorgeabkommen ein rechtmäßiger Aufenthalt für die Gleichstellung iSd Art. 2 Abs. 1 Fürsorgeabkommen zu verlangen, wobei über das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht hinaus (also wenn kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gegeben ist) bei deutschen Staatsangehörigen ein rechtmäßiger bzw. erlaubter Aufenthalt nach Art. 8 des Fürsorgeabkommens in Betracht kommt.
Dazu müsste der BF zumindest für ein Jahr ununterbrochen rechtmäßig und ohne Sozialhilfebezug (Art. 8 iVm Art. 9 Abs. 3 Fürsorgeabkommen) in Österreich aufhältig gewesen sein.
Ab 15.4.2013 hat der BF mit Unterbrechungen Mindestsicherung bezogen und er war im Übrigen seit 2012 nur noch von 1.11.2014 bis 30.4.2015 (geringfügig) beschäftigt, wobei er ab 2.1.2015 wieder im Mindestsicherungsbezug stand (solche Zeiten der Gewährung von Mindestsicherung sind bei der Berechnung des rechtmäßigen bzw. erlaubten Aufenthaltes nicht zu berücksichtigen).
Nach dem festgestellten Sachverhalt weist der BF nur Zeiträume von rund 6,5 Monaten [13.4.- 31.10.2012] plus (nach Unterbrechung) rund 2 Monaten [1.11.2014-1.1.2015] rechtmäßigen bzw. erlaubten Aufenthaltes in Österreich ohne Sozialhilfebezug auf (die Beschäftigungszeit ab 2.1.2015 bis 30.4.2015 ist hier nicht zu berücksichtigen, weil der BF für diesen Zeitraum Mindestsicherung bezog).
Der Aufenthaltstatbestand des Art. 8 Fürsorgeabkommen wurde daher vom BF nicht verwirklicht.
2.4. Der BF ist somit österreichischen Staatbürgern weder nach den §§ 51 ff NAG iVm der Unionsbürgerrichtlinie, noch nach dem Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommen gleichgestellt, sodass der angefochtene Bescheid im Ergebnis nicht als rechtswidrig zu erkennen ist.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
3. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch liegen sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal lediglich einzelfallbezogene Fragen der Gleichstellung zu beurteilen waren, die aufgrund der neueren VwGH-Judikatur klar lösbar sind.
Schlagworte
Mindestsicherung; ausländischer Staatsbürger; Gleichstellung; rechtmäßiger Aufenthalt; Sozialhilfebezug; FürsorgeabkommenAnmerkung
VwGH v. 27.2.2019, Ra 2017/10/0207; ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.141.002.7116.2017Zuletzt aktualisiert am
25.03.2019