TE OGH 2009/2/23 8ObS4/09k

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Veröffentlicht am 23.02.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras und die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Krüger und Alfred Klair als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. Wolfgang K*****, vertreten durch NM Moser Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, 9020 Klagenfurt, Pfarrplatz 5/III, wider die beklagte Partei IEF-Service GmbH, Geschäftsstelle Klagenfurt, 9020 Klagenfurt, Kumpfgasse 25, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen 73.301 EUR an Insolvenz-Ausfallgeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Oktober 2008, GZ 7 Rs 81/08y-13, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. Juni 2008, GZ 43 Cgs 23/08g-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mitte 1997 wurde die spätere Gemeinschuldnerin, eine GmbH, mit einem Stammkapital von 500.000 S gegründet. Mit 1. 12. 1998 übernahm der Kläger die Geschäftsanteile an dieser GmbH. Am 28. 12. 1998 unterfertigte der Kläger einen Treuhandvertrag, in dem er erklärte, die Geschäftsanteile nicht auf eigene Rechnung zu erwerben, sondern diese als Treuhänder für eine andere GmbH zu halten. Darin verpflichtete er sich auch, ohne Zustimmung der Treugeberin keine Verfügungshandlungen zu treffen und stellte das unwiderrufliche Anbot, seinen gesamten Geschäftsanteil der Treugeberin oder den von dieser namhaft gemachten Dritten abzutreten. Grundlage für die Tätigkeit des Klägers in der späteren Gemeinschuldner GmbH als Geschäftsführer war der Geschäftsführervertrag vom 1. 1. 1999. Nach diesem richten sich seine Vertretungs- und Geschäftsführerbefugnisse nach außen nur nach dem Gesellschaftsvertrag und den Beschlüssen der Gesellschafter. Der Kläger hatte die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zum Wohl des Unternehmens zu leiten.

Mit 29. 1. 2007 nahm die andere GmbH das Anbot des Klägers als Treuhänder auf Übernahme der gesamten Geschäftsanteile an und mit gleichem Tag wurde dem Kläger auch die Vertretungsberechtigung entzogen. Eine formelle Abberufung als Geschäftsführer erfolgte bis zur Konkurseröffnung, die bereits etwa zwei Wochen danach, und zwar am 16. 2. 2007 erfolgte, nicht. Die Gemeinschuldnerin weist eine Überschuldung von ca 9,6 Mio EUR auf.

Der Kläger beantragte bei der Beklagten Insolvenz-Ausfallgeld für laufendes Entgelt im Wesentlichen für das Jahr 2007, drei Monatsentgelte Abfertigung, Kündigungsentschädigung vom 13. 2. bis 12. 5. 2007 und Schadenersatz sowie Urlaubsersatzleistung für 85 Arbeitstage und Zinsen, in Höhe von insgesamt 127.839,36 EUR sA. Nachdem die Beklagte diesen Antrag bescheidmaßig abgewiesen hatte, begehrte er mit der vorliegenden Klage zunächst Insolvenz-Ausfallgeld in dieser Höhe. Er stützte dies zusammengefasst darauf, dass er bei seiner Bestellung 1999 zum Geschäftsführer von der späteren Gemeinschuldnerin übernommen worden sei. Er habe deren Geschäftsanteile nur treuhändig gehalten und ohne ausdrückliche Zustimmung des Treugebers keine Verfügungshandlungen vornehmen dürfen. Auch die Ausübung des Stimmrechts sei an die Weisungen des Treugebers gebunden gewesen. Er sei in einem Arbeitsverhältnis zu dieser Gesellschaft gestanden und nach dem ASVG einschließlich IESG-Zuschlag und nicht nach dem GSVG versichert gewesen. Einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft habe er nicht gehabt. Die Auflösung seines Dienstverhältnisses durch Entlassung sei rechtswidrig gewesen. Er sei als Arbeitnehmer zu qualifizieren und vom Schutz der Insolvenzrichtlinie erfasst. Durch seine Weisungsgebundenheit habe er keinen beherrschenden Einfluss ausüben können.

Letztlich schränkte der Kläger sein Begehren für die geltend gemachten Ansprüche auf 73.301 EUR netto ein, welcher Betrag beklagtenseits der Höhe nach außer Streit gestellt wurde.

Die Beklagte wendete zusammengefasst ein, dass der Kläger als Gesellschafter mit beherrschenden Einfluss vom Anspruch auf IESG ausgeschlossen sei.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass der Ausschlusstatbestand des § 1 Abs 6 Z 2 IESG betreffend Gesellschafter mit beherrschenden Einfluss verwirklicht sei. Dieser komme auch zum Tragen, wenn er auf der treuhändigen Verfügung von Geschäftsanteilen Dritter beruhe. Der Kläger sei bis etwa 14 Tage vor Konkurseröffnung Alleingesellschafter der Gemeinschuldnerin gewesen und habe den größtmöglichen Einfluss auf die Gemeinschuldnerin gehabt. Die Überschuldung von 9,6 Mio EUR indiziere auch, dass bereits beim Gesellschafterwechsel Ende Jänner diese beträchtliche Überschuldung vorgelegen sei, was einen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld auch für die Zeit ab 1. 2. 2007 ausschließe.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Es schloss sich der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts an. Es führte aus, dass der Grund für den Ausschlusstatbestand des § 1 Abs 6 Z 2 IESG darin liege, jene Personen, die keine Arbeitnehmer im vollen Sinne seien und den Eintritt der Insolvenz mitzuverantworten hätten, vom Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld auszuschließen. Dass der Kläger einen Treuhandvertrag geschlossen habe, ändere schon nach dem Wortlaut des § 1 Abs 6 Z 2 IESG nichts am Ausschluss von den Ansprüchen auf Insolvenz-Ausfallgeld. Dies widerspreche auch nicht der Insolvenz-Richtlinie, da Art 10 dieser Richtlinie die Bekämpfung von Missbräuchen zulasse. Auch dabei werde darauf abgestellt, ob der Arbeitnehmer allein oder mit engen Verwandten Inhaber eines wesentlichen Teils des Unternehmens sei und beträchtlichen Einfluss auf dessen Tätigkeit habe. Die Möglichkeit zur Ausübung eines solchen Einflusses reiche aus. Während des Zeitraums, in dem der Kläger Alleingesellschafter gewesen sei, komme daher ein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld jedenfalls nicht in Betracht. Für die Zeit danach sei zwar davon auszugehen, dass eine Fortwirkung der „Organstellung" nicht in Betracht komme, weil diese vom Anstellungsvertrag zu unterscheiden sei. Der Kläger habe sich hier auf den Geschäftsführervertrag gestützt und gar nicht behauptet, dass sich nach der Annahme des Abtretungsverbots bis zur Entlassung seine Tätigkeit noch geändert habe. Insoweit liege zumindest ein faktischer Beherrschungstatbestand weiter vor.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da zur Frage, ob der Ausschlusstatbestand des § 1 Abs 6 Z 2 IESG nach Ende dieses Einflusses fortwirken könne, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, dieses in klagestattgebendem Sinne abzuändern.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist im Wesentlichen aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

§ 1 Abs 6 Z 2 IESG schließt vom Anspruch auf Insolvenz-Entgelt (bis zur mit 1. 7. 2008 in Kraft getretenen Novelle BGBl I 2008/82: Insolvenz-Ausfallgeld) „Gesellschafter, denen ein beherrschender Einfluss auf die Gesellschaft zusteht, auch wenn dieser Einfluss ausschließlich oder teilweise auf der treuhändigen Verfügung von Gesellschaftsanteilen Dritter beruht oder durch treuhändige Weitergabe von Gesellschaftsanteilen ausgeübt wird", aus. Der Oberste Gerichtshof hat im Wesentlichen in Übereinstimmung mit der Lehre schon zur früheren, praktisch wortidenten Ausschlussbestimmung des § 1 Abs 6 Z 4 IESG ausgesprochen, dass dieser Ausschlusstatbestand auch jene Gesellschafter erfasst, die die Gesellschaftsanteile bloß treuhändig halten (RIS-Justiz RS0077381 [T9 und T11], und zwar 8 ObS 21/03a und 8 ObS 15/08a; Liebeg, Insolvenzentgeltsicherungsgesetz3 § 1 Rz 577; zum Abstellen auf die persönliche Abhängigkeit vgl Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz4, 86), hat der Treuhänder doch nach außen die volle Verfügungsbefugnis und begründet ein Treuhandvertrag typischerweise nicht die persönliche Abhängigkeit eines Dienstnehmers im Sinne des § 1151 ABGB (hiezu allgemein RIS-Justiz RS0021332 mzwN). Ein Widerspruch der österreichischen Regelungen mit der Richtlinie, der hier dazu führen müsste, dass die Ausschlussbestimmung unangewendet bleibt, ist schon deshalb nicht ersichtlich, da die Richtlinie ja nur Arbeitnehmern im Sinne des Arbeitsvertragsrechts einen Anspruch auf Insolvenz-Entgelt sichern will (vgl dazu schon Art 1 Abs 1 und Art 2 Abs 2 der Insolvenzrichtlinie 80/987/EWG; ebenso Schrammel/Winkler, Arbeits- und Sozialrecht der Europäischen Gemeinschaft, 113; Egger, Das Arbeits- und Sozialrecht der EU und die österreichische Rechtsordnung2, 398; Liebeg aaO § 1 Rz 2 mzwN; RIS-Justiz RS0076462 mwN; 8 ObS 27/07i). Hier kann daher - ausgehend davon, dass der Kläger nach den Feststellungen Alleingesellschafter war und das Unternehmen eigenverantwortlich zu führen hatte - auch allein durch die festgestellten Einschränkungen aus dem Treuhandvertrag keine einem Arbeitsverhältnis entsprechende Unterworfenheit unter die funktionelle Autorität eines Dienstgebers im Sinne einer organisatorischen Gebundenheit hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle angenommen werden (vgl allgemein RIS-Justiz RS0021332 mzwN).

Was die Zeit zwischen dem Verlust der Position als Alleingesellschafter und Abberufung als Geschäftsführer und der Entlassung bzw Konkurseröffnung von ca zwei Wochen anlangt, mangelt es auch insoweit an einem Nachweis, dass tatsächlich ein Arbeitsverhältnis begründet worden wäre; beruhte doch nach den maßgeblichen Feststellungen die Tätigkeit des Klägers weiterhin ausschließlich auf dem vormaligen Geschäftsführervertrag aus dem Jahre 1999. Dass danach aber eine Tätigkeit als Angestellter entfaltet worden wäre, wurde - anders als in dem zu 8 ObS 27/07i entschiedenen Fall - weder vorgebracht noch festgestellt. Es bedarf daher auch keiner Erörterung, ob nicht die Rechtsprechung zum Fortwirken des Ausschlusses von Organmitgliedern, die für Zeiträume nach dem Inkrafttreten der IESG-Novelle 2005 im Hinblick auf den nunmehr fehlenden Ausschlusstatbestand nicht mehr fortgeschrieben wurde (8 ObS 27/07i), im Bereich des hier - ja weiter aufrechten - Ausschlusstatbestands der „beherrschenden Beteiligung" zu berücksichtigen ist.

Insgesamt vermag der Kläger damit das Vorliegen der Voraussetzungen für den Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld nicht nachzuweisen.

Die Vorinstanzen haben daher zutreffend seine Klage abgewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 ASGG.

Textnummer

E90119

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:008OBS00004.09K.0223.000

Im RIS seit

25.03.2009

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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