Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Heimaufenthaltssache des Josef F*****, vertreten durch die Bewohnervertreterin Mag. Nicole H*****, p.A. *****, diese vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in Wien, über den Revisionsrekurs der Bewohnervertreterin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 25. Juni 2009, GZ 21 R 210/09t-24, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 6. Mai 2009, GZ 5 HA 1/09y-17, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Patient hatte seit einem Schlaganfall im Jahr 2003 ein chronisches hirnorganisches Psychosyndrom. Aufgrund dieses Schlaganfalls war der Patient zu Hause zurückgezogener. In seiner gewohnten Umgebung fand er sich allerdings gut zurecht. Er lenkte auch in seinem Heimatort noch einen PKW und hatte dabei auf gewohnten Fahrstrecken keinerlei Probleme. Probleme bereiteten dem Patienten allerdings aufgrund des Schlaganfalls samt hirnorganischem Psychosyndrom, wenn er sich neuen Situationen oder Orten stellen sollte. Dabei benötigte der Patient schon vor seinem Krankenhausaufenthalt die Hilfe seiner Gattin, wie zB bei Behördengängen, Bankbesuchen etc. Darüber hinaus waren allerdings zu Hause keine besonderen Betreuungsmaßnahmen oder Hilfestellungen für den Patienten notwendig.
Am 27. 10. 2008 wurde der Patient im Landeskrankenhaus Salzburg wegen der operativen Entfernung eines Nierentumors stationär aufgenommen. Die Operation wurde am 28. 10. 2008 durchgeführt. Bis 31. 10. 2008 bedurfte der Patient keinerlei besonderer - durch das hirnorganische Psychosyndrom bedingter - Betreuungs- oder Pflegemaßnahmen. Am 31. 10. 2008 veränderte sich allerdings der Zustand des Patienten. Es trat für ihn eine akute psychiatrische Situation mit völlig Desorientiertheit und auch aggressivem Verhalten auf. Diese Zustände sind Symptome eines postoperativen akuten Durchgangssyndroms bzw Delirs. Der Patient war in diesem Zustand im Landeskrankenhaus Salzburg nicht mehr führbar. Deshalb wurde er vom 31. 10. 2008 bis 3. 11. 2008 im geschlossenen Bereich an der I. Psychiatrie der Christian-Doppler-Klinik betreut und behandelt. Die Situation konnte sich für den Patienten trotz Einleitung einer entsprechenden fachgerechten medikamentösen Therapie an der I. Psychiatrie nicht verbessern. Es kam auch zum akuten Nierenversagen beim Patienten, das auch als Ursache für das Eintreten des postoperativen Delirs im Sinne eines Durchgangssyndroms zu sehen ist. Aufgrund der akut zu behandelnden Nierenproblematik wurde der Patient am 3. 11. 2008 wiederum an eine Intensivstation an das Landeskrankenhaus zurücktransferiert. Von dort wurde er am 6. 11. 2008 an der Universitätsklinik für Innere Medizin I am Landeskrankenhaus übernommen. Die Symptome des akuten Durchgangssyndroms waren beim Patienten noch vorliegend. Es bestand noch eine vollständige Desorientierung. Der Patient war im Zeitraum vom 6. 11. 2008 bis 11. 11. 2008 hinsichtlich medizinischer Behandlung oder Freiheitsbeschränkungen nicht einsichts- und urteilsfähig.
Am 6. 11. 2008 wurden beim Patienten Bettgitter beidseits vom Arzt angeordnet, die am 6. 11. 2008 auch angebracht wurden, da der Patient sehr unruhig war. Am 7. 11. 2008 war der Patient jedenfalls nicht mehr durch ein Bettgitter beschränkt.
Im Zeitraum vom 6. 11. 2008 bis einschließlich 11. 11. 2008 wurden dem Patienten zu verschiedenen Zeitpunkten Haldol (ein Medikament, das zur Behandlung eines psychotischen Zustands eingesetzt wird), Gewacalm und Dominal (jeweils sedierende Medikamente) verabreicht.
Die Anbringung der beiden Seitenteile sowie die Gabe der Medikamente waren zur Behandlung und Betreuung des akuten Durchgangssyndroms des Patienten erforderlich und nicht durch das hirnorganische chronische Psychosyndrom des Patienten bedingt.
Beim chronischen hirnorganischen Psychosyndrom und dem akuten Durchgangssyndrom handelt es sich um zwei verschiedene psychiatrische Erkrankungen des Patienten.
Die Gabe der Medikamente und die Anbringung von Seitenteilen wurden nicht an die Bewohnervertreterin gemeldet.
Am 12. 11. 2008 wurde der Patient aus der Universitätsklinik für Innere Medizin I am Landeskrankenhaus Salzburg nach Hause entlassen. Das akute Durchgangssyndrom hatte sich beim Patienten weitestgehend zurückgebildet, der psychische Zustand war wie vor dem Spitalsaufenthalt.
Die Bewohnervertreterin (§ 8 HeimAufG) beantragte, die Freiheitsbeschränkung am Patienten durch die beschriebene Anbringung der Bettseitenteile und durch die Gabe der genannten Medikamente für unzulässig zu erklären. Der vorliegende Sachverhalt sei unter das HeimAufG zu subsumieren.
Der Abteilungsvorstand bestritt hingegen die Anwendbarkeit des HeimAufG.
Die Vorinstanzen wiesen den Antrag der Bewohnervertreterin ab, weil das HeimAufG nicht anwendbar sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 Satz 4 AußStrG).
Das Rekursgericht hat den Revisionsrekurs zugelassen, weil zur Frage des Anwendungsbereichs des HeimAufG in Krankenanstalten, insbesondere zur Auslegung des in § 2 Abs 1 zweiter Satz HeimAufG umschriebenen Personenkreises, oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Der Entscheidung 3 Ob 246/06g sei ein anderer Sachverhalt zugrundegelegen.
Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts liegt mit der zitierten Entscheidung hinreichend einschlägige oberstgerichtliche Rechtsprechung vor, von der das Rekursgericht nicht abgewichen ist:
Das HeimAufG ist gemäß dessen § 2 Abs 1 Satz 2 in Krankenanstalten nur auf Personen anzuwenden, die dort wegen ihrer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung der ständigen Pflege oder Betreuung bedürfen.
Nach der Entscheidung 3 Ob 246/06g (= RIS-Justiz RS0121803) sollen nur solche Personen in Krankenanstalten von der Geltung (und dem Schutz) des HeimAufG ausgenommen werden, die durch die bzw im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlung pflege- oder betreuungsbedürftig werden. Dann und nur dann liegt ein anderer Fall vor, als wenn diese Bedürftigkeit unabhängig von der konkret im Krankenhaus behandelten körperlichen Beeinträchtigung (sei es Unfall oder Krankheit) bereits besteht.
Die zusammengefasste Ansicht der Vorinstanzen, der Patient habe im Landeskrankenhaus wegen seiner schon zuvor (seit 2003) bestehenden psychischen Krankheit (chronisches organisches Psychosyndrom) nicht der ständigen Pflege oder Betreuung bedurft, das postoperative Durchgangssyndrom sei im Zusammenhang mit der medizinischen (Nieren-)Behandlung aufgetreten, weshalb das HeimAufG nicht anwendbar sei, hält sich angesichts des festgestellten Sachverhalts im Rahmen der zitierten Ausführungen der Entscheidung 3 Ob 246/06g.
Auch im Revisionsrekurs wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt:
1. Zutreffend geht die Rechtsmittelwerberin selbst davon aus, dass das UbG auf die gegenständlichen Maßnahmen nicht anwendbar ist: Das UbG gilt nach dessen § 2 für Krankenanstalten und Abteilungen für Psychiatrie, in denen Personen in einem geschlossenen Bereich angehalten oder sonst Beschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen werden. Ohne Anhaltung einer Person in einer Krankenanstalt oder Abteilung für Psychiatrie iSd § 2 UbG kommt die Anwendung des UbG schon von vornherein nicht in Betracht (10 ObS 183/97b).
Inwiefern in diesem Licht eine dem UbG unterliegende, aber bereits abgeschlossene Unterbringung Auswirkungen auf die nachfolgende Anwendbarkeit des HeimAufG haben sollte, ist nicht ersichtlich. Die jeweilige Anwendbarkeit des HeimAufG ist vielmehr allein anhand der dort normierten Voraussetzungen zu beurteilen, hier also nach § 2 Abs 1 Satz 2 HeimAufG. Da diese Rechtslage klar und eindeutig ist, liegt trotz Fehlens einer oberstgerichtlichen Rechtsprechung keine erhebliche Rechtsfrage vor (RIS-Justiz RS0042656).
2. Dass die Zustände, die zu den von der Revisionsrekurswerberin beanstandeten Maßnahmen geführt haben, überdurchschnittlich lang angedauert haben, steht nicht fest. Überdies wäre selbst bei Bejahung einer psychischen Krankheit iSd § 2 Abs 1 Satz 2 HeimAufG hinsichtlich des postoperativen Durchgangssyndroms die Rechtsansicht der Vorinstanzen vertretbar, es habe keine ständige Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit bestanden.
3. Für die Beantwortung der Frage, ob hier das HeimAufG anzuwenden ist und daher eine Meldepflicht nach diesem Gesetz bestand, ist es irrelevant, welche freiheitsbeschränkenden Maßnahmen durch den Behandlungsvertrag abgedeckt werden.
Textnummer
E93153European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0020OB00162.09A.1218.000Im RIS seit
17.01.2010Zuletzt aktualisiert am
15.09.2010