TE OGH 2010/4/20 5Ob237/09b

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Veröffentlicht am 20.04.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache nach dem MRG der Antragsteller 1. Wolfgang S***** und 2. Friederike S*****, beide vertreten durch Nusterer & Mayer, Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wider den Antragsgegner Dkfm. Günter K*****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in St. Pölten, unter Beiziehung der weiteren Hauptmieter der Liegenschaft *****, darunter Elisabeth K*****, Schweden, wegen § 37 Abs 1 Z 9 und 12 MRG iVm §§ 17 und 21 MRG, aus Anlass des Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 4. Mai 2009, GZ 7 R 173/08h-40, womit infolge Rekurses des (Erst-)Antragsgegners der Sachbeschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 3. Juli 2008, GZ 9 Msch 13/05b-34, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Gegenstand des Verfahrens bilden die Anträge auf Feststellung des Verteilungsschlüssels nach § 17 MRG, der Höhe der monatlichen Pauschalrate für das Jahr 2000 nach § 21 Abs 3 MRG und deren Überschreitung durch die Vorschreibung sowie ob die in der Betriebskostenabrechnung 1999 verzeichneten Betriebskosten als dem MRG entsprechende Bewirtschaftungskosten anzusehen sind, samt Prüfung der Jahresabrechnung.

Sowohl alle Streitigkeiten über den Verteilungsschlüssel als auch die Feststellung der Höhe einzelner Betriebskostenposten oder der Qualifikation als solche erfordern nach § 37 Abs 3 Z 2 MRG im Fall der Antragstellung durch einen Hauptmieter die Beiziehung der übrigen Hauptmieter (RIS-Justiz RS0069855; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht22 § 37 MRG Rz 68 mwN). Darauf hat das Erstgericht zwar Bedacht genommen, indem es die Bekanntgabe weiterer Hauptmieter verlangte (ON 16 und 29) und an die (zuletzt: ON 31) genannte Elisabeth K***** (in Hinkunft: Hauptmieterin), wohnhaft in Schweden, Zustellungen vornahm (ON 32, 34 [Sachbeschluss des Erstgerichts], 37, 38, 41 [Sachbeschluss des Rekursgerichts ON 40] und 44). Allerdings wurden diese Zustellungen - ungeachtet der nach § 37 Abs 3 Z 4 MRG unabhängig von der Anzahl der anderen Hauptmieter des Hauses gebotenen Möglichkeit des Hausanschlags (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht22 § 37 MRG Rz 41; M. Mohr in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 37 MRG Rz 101) - an den Antragsgegner persönlich vorgenommen, der (über Ersuchen des Erstgerichts, einen Zustellbevollmächtigten für die Hauptmieterin namhaft zu machen [ON 21], daraufhin) mitteilte, „dass die in G***** aufhältige [Hauptmieterin] dem Antragsgegner ihre Zustimmung dazu mitgeteilt hat, den Antragsgegner als Zustellbevollmächtigten namhaft zu machen (ON 22).“ Irgendein urkundlicher Nachweis über die Zustimmung der Hauptmieterin dazu (wie zum Beispiel eine Zustellvollmacht für den Antragsgegner) findet sich im Akt allerdings ebenso wenig wie eine unmittelbare Zustellung an diese.

Das Rekursgericht hat seinen Abänderungsbeschluss (§ 63 Abs 3 AußStrG) ON 46 weder der Hauptmieterin noch dem Antragsgegner persönlich zugestellt. Es ist daher nach der Aktenlage gar nicht sichergestellt, dass sie vom Verfahren überhaupt Kenntnis hat.

2. Die allein aufgrund einer Erklärung des Antragsgegners vorgenommenen Zustellungen ausschließlich an ihn für die Hauptmieterin erweisen sich daher als unwirksam. Zu prüfen ist somit, ob dieser Mangel sanierbar ist.

3.1. Inhaltlich behauptet der Antragsgegner, über eine Zustellvollmacht der Hauptmieterin zu verfügen, ohne diese freilich bisher vorgelegt zu haben.

Nach § 6 Abs 4 AußStrG iVm § 37 Abs 3 MRG sind im Übrigen die Bestimmungen der ZPO über Bevollmächtigte sinngemäß anzuwenden, daher die §§ 26 bis 39 ZPO. § 37 Abs 1 ZPO verlangt die Berücksichtigung des Mangels der Vollmacht in jeder Lage des Rechtsstreits von Amts wegen, also auch im Rechtsmittelverfahren (RIS-Justiz RS0035627 [T2]). Es spricht nichts dagegen, diese Regel auch auf eine fehlende Zustellvollmacht anzuwenden. Auch bei diesem Vollmachtsmangel ist es aus prozessökonomischen Gründen geboten (vgl auch § 5 AußStrG), dem Einschreiter fristgebunden Gelegenheit zur Sanierung durch den Vertretenen auch noch im Rechtsmittelverfahren zu geben (vgl Zib in Fasching/Konecny² § 38 ZPO Rz 37 f).

3.2. Das Erstgericht wird daher (vorerst) den Antragsgegner unter angemessener Fristsetzung aufzufordern haben, die behauptete, jedoch nicht erwiesene Zustellvollmacht der Hauptmieterin vorzulegen (oder in anderer geeigneter Weise deren Zustimmung zur Vornahme von Zustellungen in diesem Verfahren an ihre Person zu Handen des Antragsgegners nachzuweisen); jede Sanierung hat auch die Genehmigung der bisher erfolgten Zustellungen zu umfassen.

Nur sofern sodann von wirksamen Zustellungen an die Hauptmieterin durch das Erstgericht ausgegangen werden kann, wird des Weiteren zunächst vom Rekursgericht (§ 63 Abs 5 AußStrG) die von ihm unterlassene Zustellung seines Abänderungsbeschlusses ON 46 an die Hauptmieterin nachzuholen und der Akt nach Einlangen einer allfälligen Revisionsrekursbeantwortung oder des Ablaufs der Frist dafür (§ 68 Abs 1 AußStrG) neuerlich dem Obersten Gerichtshof vorzulegen sein.

3.3. Sollte dieser Sanierungsversuch allerdings scheitern, so ist davon auszugehen, dass der Hauptmieterin das ihr gemäß § 37 Abs 3 Z 2 MRG zukommende rechtliche Gehör entzogen wurde, was iSd § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG einen Revisionsrekursgrund darstellt, der - analog § 55 Abs 3 AußStrG - auch von Amts wegen wahrzunehmen ist (RIS-Justiz RS0119971 [T3]). Nach § 58 Abs 1 Z 1 und Abs 3 iVm § 71 Abs 4 AußStrG ist auch bei diesem (im Zivilprozess einen Nichtigkeitsgrund bildenden) schweren Verfahrensmangel vor der Entscheidung auf Aufhebung und Zurückverweisung der Außerstreitsache an eine Vorinstanz zu prüfen, ob nicht eine Bestätigung „selbst auf Grund der Angaben im [Revisions-]Rekursverfahren“ oder eine Abänderung ohne weitere Erhebungen möglich ist. Zu diesem Zweck ist es erforderlich, den bisher nicht gehörten Parteien Gelegenheit zu geben, sich am Revisionsrekursverfahren zu beteiligen und ihre materiellen und/oder prozessualen Rechte geltend zu machen oder auch nicht (RIS-Justiz RS0123128; 3 Ob 192/07t). Zu berücksichtigen ist dabei auch die Bestimmung des § 58 Abs 2 AußStrG, wonach - beinahe wortgleich zum früher anzuwendenden § 477 Abs 2 ZPO (5 Ob 70/89 = SZ 62/209) - eine nachträgliche Genehmigung der Verfahrensführung insbesondere dann vorliegt, wenn der gesetzliche Vertreter, ohne den Mangel der Vertretung geltend zu machen, durch Erhebung des Rekurses oder Erstattung der Rekursbeantwortung in das Rekursverfahren eingetreten ist.

3.4. Diese neue, durch das AußStrG 2005 geschaffene Rechtslage steht der Aufrechterhaltung der bisherigen Judikatur des erkennenden Senats, die die in der Nichtbeteiligung eines Hauptmieters gelegene Verletzung des Parteiengehörs dann als saniert ansieht, wenn er nach Zustellung der Sachentscheidung kein zulässiges Rechtsmittel erhebt (5 Ob 53/90 = WoBl 1990/84 [zust Würth]; 5 Ob 23/01w = wobl 2001/207 = MietSlg 53.436), oder wenn alle übergangenen Hauptmieter ausdrücklich den Stand des Verfahrens genehmigen und erklären, sich durch den Ausschluss von einem Vorbringen in erster Instanz nicht beschwert zu halten (5 Ob 70/89 = WoBl 1990/83 [Call]), nicht entgegen. Schließlich ist mit Rücksicht auf § 58 Abs 2 AußStrG davon auszugehen, dass auch eine Beteiligung am Rechtsmittelverfahren ohne Geltendmachung der Gehörverletzung deren Heilung bedeutet (vgl Würth/Zingher/Kovanyi Miet- und Wohnrecht22 § 37 MRG Rz 58; M. Mohr in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 37 MRG Rz 92).

4. Demnach hat das Erstgericht die Zustellung sowohl der vorliegenden Entscheidung als auch des Sachbeschlusses des Rekursgerichts ON 40 und des Revisionsrekurses, ebenso aber auch des Abänderungsbeschlusses ON 46 samt entsprechender Rechtsmittelbelehrung an die Hauptmieterin zu veranlassen. Die Akten werden nach Ablauf der Revisionsrekursbeantwortungsfrist (bzw Einlangen der Beantwortung), sollte aber ein Rechtsmittel nicht erhoben werden, bereits nach Ablauf der Revisionsrekursfrist wieder dem Obersten Gerichtshof vorzulegen sein.

Schlagworte

8 außerstreitige Wohnrechtssachen,Außerstreitiges Wohnrecht,Zivilverfahrensrecht

Textnummer

E95960

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0050OB00237.09B.0420.000

Im RIS seit

28.01.2011

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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