TE OGH 2010/12/21 10ObS144/10i

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.12.2010
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Michael Kerschbaumer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Pils, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Invaliditätspension, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Mai 2010, GZ 11 Rs 66/10w-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. Jänner 2010, GZ 10 Cgs 83/08s-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der am 20. Mai 1984 geborene Kläger hat innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag (1. 9. 2007) 14 Beitragsmonate der Pflichtversicherung als Umschüler im Rahmen des AMFG erworben, dies in den Zeiträumen November 2002 (1 Monat), Dezember 2002 bis August 2003 (9 Monate), September 2003 (1 Monat) und Oktober 2003 bis Dezember 2003 (3 Monate). Im Rahmen der Tätigkeit beim Maschinenring U***** als Landschaftspfleger von Juli bis August 2001 bzw als landwirtschaftlicher Betriebshelfer vom 15. 3. bis 29. 3. 2003, im Zeitraum vom 1. 7. bis 31. 8. 2001 sowie vom 1. 3. bis 31. 3. 2002 war der Kläger nicht in der Pensionsversicherung nach dem BSVG pflichtversichert. Nicht festgestellt wurde, ob der Kläger nach Ende seiner Schulzeit im Rahmen einer Tätigkeit von ca einem Monat bei einem EDV-Dienstleistungsunternehmen in Linz einer die Pflichtversicherung begründenden Tätigkeit nachgegangen ist.

Der Kläger ist seit Antragstellung (9. 8. 2007; Stichtag 1. 9. 2007) am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr einsetzbar. Zur massiven Verschlechterung der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörung ist es erst seit Mitte 2007 gekommen. Der Kläger war im November 2002 befähigt, einfachste Tätigkeiten (zumindest halbtagsbeschäftigt) am allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Sein Zustandsbild wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit weiter verschlechtern. Es besteht aber die Möglichkeit einer aus medizinischer Sicht zumutbaren Implantation einer Baclofenpumpe, wodurch eine Besserung des Leistungskalküls nicht ausgeschlossen werden kann.

Das Erstgericht sprach dem Kläger die Invaliditätspension für den Zeitraum vom 1. 9. 2007 bis 31. 12. 2010 zu. Als entscheidend sah es an, dass die im November 2002 noch vorgelegene Arbeitsfähigkeit aufgrund einer massiven Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers ab ca Mitte 2007 unter die Hälfte derjenigen einer körperlich und geistig gesunden Vergleichsperson herabgesunken sei, sodass der Kläger seit dem Stichtag nicht mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar sei.

Als maßgeblicher Zeitpunkt des Eintritts in das Erwerbsleben sei der Zeitpunkt des erstmaligen Eintritts in die Pflichtversicherung anzusehen. Der Kläger habe insgesamt 14 Beitragsmonate der Pflichtversicherung nach dem ASVG erworben, und zwar aufgrund seiner Teilnahme an Schulungsmaßnahmen des AMS im Rahmen des AMFG in der Zeit vom 25. 11. 2002 bis 31. 8. 2003 sowie vom 22. 9. 2003 bis 31. 12. 2003. Der Eintritt des Versicherungsfalls der Invalidität setze eine Verschlechterung der physischen oder psychischen Leistungsfähigkeit des Versicherten seit dem Zeitpunkt des erstmaligen Eintritts in die Pflichtversicherung voraus. Dies treffe beim Kläger zu, weil er zum Zeitpunkt des Beginns der Umschulungsmaßnahme, welche eine Pflichtversicherung nach sich gezogen habe, noch arbeitsfähig gewesen sei und diese Arbeitsfähigkeit erst in der Folge ab etwa Mitte 2007 nicht mehr bestanden habe. Zwar habe der bloße Erwerb von Versicherungszeiten nicht zwingend das Vorliegen einer Arbeitsfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts zur Voraussetzung. Auch wenn man berücksichtige, dass eine Tätigkeit im Rahmen einer Umschulungsmaßnahme des AMS iSd AMFG keine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt darstelle, sage dies alleine noch nichts über das Bestehen oder Nichtbestehen der Arbeitsfähigkeit des Versicherten aus. Da sich im Verfahren jedoch ergeben habe, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Eintritts in die Pflichtversicherung noch arbeitsfähig gewesen sei, sei dem Klagebegehren stattzugeben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es sah die (auf den Inhalt der Schulungsmaßnahmen gerichtete) Tatsachenrüge als rechtlich nicht relevant an und legte seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde, dass der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung allgemein zur Voraussetzung habe, dass eine zuvor bestandene Arbeitsfähigkeit, die zumindest die Hälfte der eines körperlich und geistig gesunden Versicherten erreicht haben müsse, durch nachfolgende Entwicklungen beeinträchtigt worden sei. Deshalb sei der körperliche und geistige Zustand des Versicherten bei Eintritt in das Erwerbsleben jenem bei der Antragstellung gegenüberzustellen. Die Arbeitsfähigkeit des Versicherten müsse bei Eintritt in das Versicherungsverhältnis nur - wenn auch geringfügig - über der Hälfte derjenigen einer körperlich und geistig gesunden Vergleichsperson gelegen und dann unter diese Grenze herabgesunken sein. Als maßgebender Zeitpunkt des Eintritts in das Erwerbsleben sei dabei der Zeitpunkt des erstmaligen Eintritts in die Pflichtversicherung anzusehen.

Der Kläger erfülle die maßgeblichen Voraussetzungen für den Versicherungsfall der Invalidität. Zum Zeitpunkt seines Eintritts in die Pflichtversicherung im November 2002 (durch die genannten Umschulungsmaßnahmen) sei er noch befähigt gewesen, einfachste Tätigkeiten (zumindest halbtags) am allgemeinen Arbeitsmarkt (und daher auch unter den üblichen Bedingungen) auszuüben. Erst in der Folge sei es Mitte 2007 zur massiven Verschlechterung der vorliegenden Gesundheitsstörung gekommen.

Würde man nicht diese Ansicht vertreten, käme es zu einer nicht wünschenswerten Differenzierung der Qualität von Beitragszeiten. § 255 Abs 7 ASVG komme seinem Wortlaut nach nämlich nur für Versicherte in Betracht, die bereits bei erstmaliger Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung außerstande gewesen seien, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen, dann allerdings doch (in der Folge) die erforderliche Anzahl von Beitragsmonaten erworben hätten.

Die in der Berufungsbeantwortung gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens (wegen Unterbleibens der Einvernahme der Zeugin M*****, dass ein der vollen Pflichtversicherung unterliegendes Arbeitsverhältnis des Klägers zu dem EDV-Dienstleistungsunternehmen rund einen Monat lang bestanden habe), bedürfe aufgrund des Verfahrensergebnisses keiner weiteren Erörterung.

Die Revision sei zulässig, da die sich hier stellende Frage des (ausschließlichen) Erwerbs von Beitragsmonaten der Pflichtversicherung aufgrund einer Umschulung bei für eine Tätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt noch ausreichender Leistungsfähigkeit des Versicherten bisher nicht Gegenstand höchstgerichtlicher Rechtsprechung gewesen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsabweisenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist auch im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.

Die Revisionsausführungen lassen sich dahin zusammenfassen, dass aus dem bloßen Umstand des Vorliegens eines Beitragsmonats der Pflichtversicherung nicht eo ipso zu folgern sei, dass bereits ein Eintritt in das Erwerbsleben vorliege und dadurch der Versicherungsschutz nach § 255 Abs 3 ASVG eröffnet werde. Bereits der Wortlaut dieser Bestimmung stelle eindeutig auf die tatsächliche Ausübung eines Berufs ab, mit dem auch ein Einkommen („Entgelt“) erzielt werde. Der Kläger habe jedoch im Rahmen seiner Schulungs- und Umschulungsmaßnahmen mangels Rechtsanspruchs auf eine finanzielle Gegenleistung kein Erwerbseinkommen iSd § 91 Abs 1 Z 1 ASVG erzielt. In der Gesamtschau ergebe sich, dass der Versicherte zum Zeitpunkt des Erwerbs von Beitragsmonaten nach dem AMFG zwar eine Erwerbstätigkeit ausüben hätte können, tatsächlich eine solche jedoch nicht ausgeübt habe, sodass im Ergebnis ein Eintritt ins Erwerbsleben noch nicht erfolgt sei.

Dazu wurde erwogen:

1. Die Versicherungsfälle der geminderten Arbeitsfähigkeit haben zur Voraussetzung, dass eine zuvor bestandene Arbeitsfähigkeit, die zumindest die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten erreicht haben muss, durch nachfolgende Entwicklungen beeinträchtigt wurde (10 ObS 44/87 = SSV-NF 1/33; RIS-Justiz RS0084829). Zur Prüfung dieser Frage ist es erforderlich, den körperlichen und geistigen Zustand des Versicherten bei Aufnahme der Berufstätigkeit und Eintritt in das Versicherungsverhältnis jenem bei Antragstellung gegenüberzustellen (10 ObS 90/97a = SSV-NF 11/47; 10 ObS 25/01a = SSV-NF 15/32 = RIS-Justiz RS0084829 [T14]). Ein bereits vor Beginn der Erwerbstätigkeit eingetretener und damit in das Versicherungsverhältnis mitgebrachter, im Wesentlichen unveränderter körperlicher oder geistiger Zustand kann daher bei Leistungen aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit nicht zum Eintritt des Versicherungsfalls führen (10 ObS 62/87 = SSV-NF 1/67 = RIS-Justiz RS0084829 [T1]).

2. Auf die Frage, welcher Zeitpunkt für die Aufnahme der Erwerbstätigkeit bzw den Eintritt in das Versicherungsverhältnis maßgeblich ist, ist der Oberste Gerichtshof in mehreren Entscheidungen eingegangen.

2.1. In der Entscheidung 10 ObS 90/97a (= SSV-NF 11/47) wurde eine Ferialtätigkeit von acht Tagen als Eintritt in das Erwerbsleben gewertet. In der Entscheidung 10 ObS 279/97w (= SSV-NF 11/117 = RIS-Justiz RS0084829 [T10]) wurde bei einem Lehrling auf den Beginn der Lehrzeit abgestellt. Der Entscheidung 10 ObS 59/05g (= SSV-NF 19/49 = RIS-Justiz RS0084829 [T22]) lag zugrunde, dass der Kläger im Sommer 1996 eine zweitägige Ferialarbeit aufgenommen hatte. Der Oberste Gerichtshof hob unter Bedachtnahme auf § 255 Abs 7 ASVG idF 2. SVÄG 2003, BGBl I 2003/145, die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Prüfung auf, ob durch diese Beschäftigung des Klägers eine Pflichtversicherung begründet wurde; § 255 Abs 7 ASVG stelle nämlich für die Frage des Eintritts in das Berufs- bzw Erwerbsleben auf die erstmalige Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung ab.

2.2. In der Entscheidung 10 ObS 64/09y (= SSV-NF 23/43 = DRdA 2010/32, 340 [Enzlberger]) hat der Oberste Gerichtshof unter offenbarer Verkürzung der Ausführungen in der vorgenannten Entscheidung 10 ObS 59/05g lediglich darauf hingewiesen, dass als maßgebender Zeitpunkt des Eintritts in das Erwerbsleben der Zeitpunkt des erstmaligen Eintritts in die Pflichtversicherung anzusehen sei. Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Frage, ob es zum Eintritt in das Erwerbsleben komme, wenn ausschließlich Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Umschulung nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz erworben worden seien, ließ der Oberste Gerichtshof ausdrücklich offen, weil der Kläger weder zum Zeitpunkt des Beginns der „Pflichtversicherung im Rahmen des AMFG“ noch später in der Lage war, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den üblichen Bedingungen einer Erwerbstätigkeit nachzugehen; der bloße Erwerb von Versicherungszeiten habe noch nicht zwingend das Vorliegen einer Arbeitsfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts zur Voraussetzung (10 ObS 114/01i = SSV-NF 15/62 = RIS-Justiz RS0084829 [T15]).

2.3. Die angeführten Entscheidungen lassen sich dahin zusammenfassen, dass der Oberste Gerichtshof für die Beurteilung des maßgeblichen Vergleichszeitpunkts am Beginn der Erwerbskarriere - entgegen der Ansicht der Vorinstanzen - nicht allein auf die Begründung einer Pflichtversicherung (etwa auch im Rahmen von „Schulungsmaßnahmen“ nach dem AMFG) abstellt, sondern beide Elemente - Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und Eintritt in die Pflichtversicherung - kombiniert.

2.4. Auch Enzlberger (DRdA 2010, 342 f) hat in der Besprechung der Entscheidung 10 ObS 64/09y (= SSV-NF  23/43 = DRdA 2010/32, 340) darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber den eigenen Pensionsanspruch bei originärer Invalidität nach § 255 Abs 7 ASVG nicht geschaffen hätte, wenn ohnehin der bloße Erwerb von Beitragsmonaten schon das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit begründen würde. Es sei evident, dass ein bloßer Erwerb von Beitragszeiten (noch) keine Arbeitsfähigkeit begründe. Umso weniger sei eine Arbeitsfähigkeit anzunehmen, wenn Beitragsmonate nur deshalb erworben worden seien, weil ein Versicherter eine Umschulung nach dem AMFG absolviere.

3. Zwar liegen in concreto keine exakten Feststellungen darüber vor, welche Tätigkeiten der Kläger im Rahmen der festgestellten Schulungsmaßnahmen verrichtet hat. Auch aus dem Arbeitsmarktförderungsgesetz in der ab 1. 11. 2002 geltenden Fassung ergeben sich keine Hinweise, welche Maßnahmen für den Kläger in Betracht gekommen sind. Es ist aber nach dem Akteninhalt und nach den Ausführungen des Erstgerichts im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung davon auszugehen, dass es sich um diverse Kurse handelt, mit denen die Arbeitssuche des Klägers gefördert werden sollte (siehe Blg ./2 - 7).

Auf dieser Grundlage können die 14 Beitragsmonate der Pflichtversicherung, die der Kläger als Umschüler im Rahmen des AMFG ab November 2002 erworben hat, nicht dazu führen, dass bereits von einem die Pflichtversicherung begründenden Eintritt in das Erwerbsleben auszugehen ist.

4. Der Kläger hat sich im erstinstanzlichen Verfahren darauf berufen, dass er nach Ende seiner Schulzeit bei einem EDV-Dienstleistungsunternehmen einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung nachgegangen ist. Das Erstgericht hat diesbezüglich zwar eine „Negativfeststellung“ getroffen, aber im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ausgeführt, dass die angebotene Einvernahme der Mutter des Klägers zu diesem Thema nicht erforderlich sei, weil sowieso von einem Pensionsanspruch des Klägers auszugehen sei. Der Kläger hat in der Berufungsbeantwortung die Nichteinvernahme ausdrücklich gerügt; das Berufungsgericht hat allerdings - ausgehend von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht - ebenfalls die Einvernahme der Zeugin für nicht notwendig erachtet.

Hat der Kläger jedoch tatsächlich eine die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem ASVG begründende Erwerbstätigkeit bei dem genannten Unternehmen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts (10 ObS 114/01i = SSV-NF 15/62 = RIS-Justiz RS0084829 [T15]) aufgenommen, wäre der entsprechende Zeitpunkt als maßgeblicher Vergleichszeitpunkt für die Veränderung der Arbeitsfähigkeit heranzuziehen. Gegebenenfalls ist für diesen Zeitpunkt das Maß der Arbeitsfähigkeit des Klägers festzustellen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger die objektive Beweislast (vgl 10 ObS 90/97a = SSV-NF 11/47) dafür trägt, dass zum Zeitpunkt seines Eintritts in das Erwerbsleben seine Arbeitsfähigkeit zumindest die Hälfte der eines gesunden Versicherten erreichte.

Festzuhalten ist schließlich, dass in Bezug auf die Frage, ob eine die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung begründende Erwerbstätigkeit aufgenommen wurde, kein Fall der Unterbrechung nach § 74 Abs 1 ASGG vorliegt.

5. In diesem Sinn ist im fortgesetzten Verfahren der offene Beweisantrag des Klägers zu erledigen, um beurteilen zu können, ob der Kläger mit Aufnahme der Tätigkeit in einem EDV-Dienstleistungsunternehmen (unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts) in ein die Pflichtversicherung begründendes Erwerbsverhältnis eingetreten ist.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher aufzuheben; dem Erstgericht ist die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Schlagworte

Sozialrecht

Textnummer

E96098

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:010OBS00144.10I.1221.000

Im RIS seit

28.01.2011

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten