TE Vwgh Erkenntnis 2001/2/23 99/02/0057

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Veröffentlicht am 23.02.2001
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E05205000;
E3R E07204010;
E3R E07204020;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

31985R3820 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr;
31985R3821 Kontrollgerät im Strassenverkehr Art15 Abs7;
31985R3821 Kontrollgerät im Strassenverkehr Art3 Abs1;
EURallg;
KFG 1967 §102 Abs1;
VStG §44a Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll sowie Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des G in S, vertreten durch Mag. Werner Landl & Mag. Martin Edelmann, Rechtsanwaltspartnerschaft in Vöcklabruck, Stadtplatz 36, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 25. Jänner 1999, Zl. VwSen 105375/2/Sch/Rd, betreffend Übertretungen der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt I., soweit mit ihm die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen der in Spruchpunkt 4) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 19. März 1998, Zl. VerkR96-5184-1996-SR/HA, angeführten Übertretung des Kraftfahrgesetz 1967 bestätigt wurde, und in seinem Spruchpunkt II., soweit mit ihm dem Beschwerdeführer Kosten des Berufungsverfahrens von mehr als S 600,-- auferlegt wurden, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. Jänner 1999 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe - wie anlässlich einer am 23. Oktober 1996 um 15.13 Uhr auf einem näher bezeichneten Bereich der Bundesstraße B 145 durchgeführten Verkehrskontrolle festgestellt worden sei - als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten LKWs mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3.500 kg

1.) am 18. Oktober 1996 nach einer Lenkzeit von 4,5 Stunden, nach der er keine Ruhezeit genommen habe, keine Unterbrechung von mindestens 45 Minuten eingelegt;

2.) am 22. Oktober 1996 nach einer Lenkzeit von 4,5 Stunden, nach der er keine Ruhezeit genommen habe, keine Unterbrechung von mindestens 45 Minuten eingelegt;

3.) am 23. Oktober 1996 nach einer Lenkzeit von 4,5 Stunden, nach der er keine Ruhezeit genommen habe, keine Unterbrechung von mindestens 45 Minuten eingelegt;

4.) die Schaublätter der laufenden Woche sowie das Schaublatt für den letzten Tag der vorangegangenen Woche, an dem er gefahren sei nicht mitgeführt, sondern lediglich Kopien der Schaublätter für den 22., 21. und 18. Oktober 1996.

Der Beschwerdeführer habe dadurch Übertretungen zu 1.) bis

3.) je gemäß Art. 7 Abs. 1 EGVO 3820/85 und zu 4.) gemäß § 102 Abs. 1 Kraftfahrgesetz 1967 begangen. Es seien daher gemäß § 134 Abs. 1 Kraftfahrgesetz 1967 Geldstrafen zu 1.) bis 3.) in der Höhe von je S 1.000,--, zu 4.) von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe insgesamt 84 Stunden) zu verhängen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, dass die vom Beschwerdeführer gerügte Heranziehung der von ihm mitgeführten (bloßen) Kopien der Schaublätter als Beweismittel für die ihm vorgeworfenen Nichteinhaltung von Fahrtunterbrechungen des Lenkens nach dem Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel gerechtfertigt gewesen sei. Die Pflicht, Schaublätter im Original mitzuführen, ergebe sich aus dem Wortlaut des § 102 Abs. 1 Kraftfahrgesetz 1967.

Gemäß Artikel 7 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (VO (EWG) Nr. 3820/85) ist nach einer Lenkzeit von 4 1/2 Stunden eine Unterbrechung von mindestens 45 Minuten einzulegen, sofern der Fahrer keine Ruhezeit nimmt.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass aus den von ihm bei der Verkehrskontrolle vom 23. Oktober 1996 mitgeführten Kopien der Schaublätter des in dem von ihm gelenkten LKWs eingebauten Kontrollgerätes die ihm vorgeworfenen Unterlassungen des Einlegens von Unterbrechungen des Lenkens nach einer jeweiligen Fahrzeit von 4,5 Stunden ersichtlich sind. Er wendet sich aber dagegen, dass einerseits diese Unterlassungen auf Grund der Schaublattkopien als erwiesen angenommen worden seien, während andererseits die Behörde das Mitführen dieser Kopien als nicht ausreichend für die Erfüllung der sich aus § 102 Abs. 1 Kraftfahrgesetz 1967 ergebenden Verpflichtung zum Mitführen der entsprechenden Schaublätter angesehen habe.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde - wie sie zutreffend erkannt hat - befugt war, gemäß dem in § 46 AVG verankerten Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel, der auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2000, Zl. 98/02/0191, mit weiteren Nachweisen), die ihr vorgelegten Schaublattkopien in freier Beweiswürdigung zu beurteilen und diese Beurteilung dem angefochtenen Bescheid zugrunde zu legen. Dass die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung unschlüssig wäre, den Denkgesetzen oder dem menschlichen Erfahrungsgut widerspräche oder in einem mangelhaften Verfahren zustande gekommen wäre - nur insoweit unterliegt die Beweiswürdigung der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes -, trifft nicht zu. Abgesehen davon hat der Beschwerdeführer selbst den Kopien offenbar Beweiswert zugemessen, weil er diese an Stelle der Originalschaublätter mitgeführt und bei der Verkehrskontrolle vorgewiesen hat. Der Beschwerdeführer hat auch nicht behauptet, dass diese Kopien nicht als Nachweis für sein - graphisch dargestelltes - Lenkverhalten angesehen werden könnten. Die belangte Behörde ist somit zu Recht vom Vorliegen der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten, im Unterlassen der Einlegung von dem Artikel 7 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3820/85 entsprechenden Lenkpausen zu erblickenden Verwaltungsübertretungen ausgegangen. Insoweit erweist sich daher die Beschwerde als unbegründet.

Gemäß § 44a Z 2. VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt wurde, zu enthalten.

Gemäß Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr (VO (EWG) 3821/85) gilt als Kontrollgerät im Sinne dieser Verordnung ein Kontrollgerät, das hinsichtlich Bauart, Einbau, Benutzung und Prüfung den Vorschriften dieser Verordnung einschließlich der Anhänge I und II entspricht.

Gemäß Artikel 2 sind für diese Verordnung die Definitionen des Artikels 1 der VO (EWG) Nr. 3820/85 anwendbar.

Gemäß Artikel 3 Abs. 1 VO (EWG) 3821/85 muss das Kontrollgerät bei Fahrzeugen eingebaut und benutzt werden, die der Personen- oder Güterbeförderung im Straßenverkehr dienen und in einem Mitgliedstaat zugelassen sind; ausgenommen sind die in Artikel 4 und in Artikel 14 Absatz 1 der VO (EWG) Nr. 3820/85 genannten Fahrzeuge.

Gemäß Artikel 13 Verordnung (EWG) 3821/85 sorgen der Unternehmer und die Fahrer für das ordnungsgemäße Funktionieren und die richtige Verwendung des Geräts.

Gemäß Artikel 14 Abs. 1 letzter Satz dieser Verordnung händigt der Unternehmer den Fahrern nur solche Schaublätter aus, die einem amtlich genehmigten Muster entsprechen und die sich für das in das Fahrzeug eingebaute Gerät eignen.

Gemäß Artikel 15 Abs. 7 dieser Verordnung muss der Fahrer den zuständigen Kontrollbeamten auf Verlangen jederzeit das Schaublatt für die laufende Woche sowie in jedem Fall das Schaublatt für den letzten Tag der vorangegangenen Woche, an dem er gefahren ist, vorlegen können.

Gemäß § 102 Abs. 1 dritter Satz Kraftfahrgesetz 1967 haben Lenker von Lastkraftwagen und Sattelzugfahrzeugen mit einem Eigengewicht von mehr als 3500 kg oder von Omnibussen dafür zu sorgen, dass der Wegstreckenmesser und der Fahrtschreiber auf Fahrten in Betrieb sind und dass im Fahrtschreiber ein der Verordnung gemäß Abs. 13 entsprechendes, ordnungsgemäß ausgefülltes Schaublatt eingelegt ist; es darf pro Person und pro Einsatzzeit im Sinne des § 16 Arbeitszeitgesetz, BGBl. Nr. 461/1969, in der Fassung BGBl. Nr. 473/1992, nur ein Schaublatt im Fahrtschreiber eingelegt sein, in das der Name des Lenkers einzutragen ist; die Schaublätter der laufenden Woche sowie in jedem Fall das Schaublatt für den letzten Tag der vorangegangenen Woche, an dem er gefahren ist, sind mitzuführen; die Lenker haben auf Verlangen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht diesen das Schaublatt des Fahrtschreibers oder des Kontrollgerätes gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr sowie die mitgeführten Schaublätter auszuhändigen.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass das vom Beschwerdeführer gelenkte Fahrzeug dem Artikel 3 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 3821/85 unterlag. Für das Vorliegen eines der in Artikel 4 und Art. 14 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 3820/85 angeführten Ausnahmefälle liegen keine Anhaltspunkte vor. Es finden somit die Bestimmungen der VO (EWG) Nr. 3821/85 - unmittelbar - Anwendung; § 102 Abs. 1 dritter Satz Kraftfahrgesetz 1967 wird insoweit in seiner Geltung verdrängt (vgl. zu dieser normativen Wirkung einer unmittelbar anwendbaren, denselben Gegenstand wie eine österreichische Rechtsvorschrift regelnden Norm des Gemeinschaftsrechts Thun-Hohenstein/Cede, Europarecht2, 89) (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 98/03/0356, mit weiteren Nachweisen).

Daraus folgt, dass als Verwaltungsvorschrift, deren Verletzung auf Grund des Nichtmitführens bzw. Nichtvorzeigens von Schaublättern dem Beschwerdeführer zur Last gelegt werden konnte, nicht § 102 Abs. 1 dritter Satz Kraftfahrgesetz 1967, sondern ausschließlich Artikel 15 Abs. 7 VO (EWG) Nr. 3821/85 in Frage kam. Im Hinblick darauf, dass der Beschuldigte ein subjektives Recht auf richtige und vollständige Zitierung der verletzten Verwaltungsvorschrift im Spruch des Straferkenntnisses hat (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, S 828 zitierte Judikatur), hat die belangte Behörde - zufolge Bestätigung der im Straferkenntnis der Behörde erster Instanz zu Unrecht erfolgten Anführung des § 102 Abs. 1 Kraftfahrgesetz 1967 als verletzte Verwaltungsvorschrift - den angefochtenen Bescheid insoweit mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

Rein informativ ist allerdings festzuhalten, dass entgegen der Rechtsansicht des Beschwerdeführers den Verpflichtungen zum Mitführen und Aushändigen der angeführten Schaublätter nicht auch dadurch entsprochen wäre, wenn lediglich Kopien der Originalschaublätter mitgeführt bzw. ausgehändigt würden. Vielmehr kann der Sinn des Fahrtenschreibers bzw. Kontrollgerätes gemäß der Verordnung (EWG) 3821/85, nämlich des jederzeitigen Nachweises eines den Vorschriften der VO (EWG) Nr. 3820/85 entsprechenden Lenkverhaltens, im Hinblick auf die bei der Herstellung von Kopien gegebene Möglichkeit, diese auch nicht originalgetreu herzustellen, nur dadurch erfüllt werden, dass die entsprechenden Schaublätter im Original mitgeführt bzw. ausgehändigt werden. Davon, dass eine Bestrafung des Beschwerdeführers wegen der Nichtmitführens der Originalschaublätter nur dann in Frage gekommen wäre, wenn die belangte Behörde der Auffassung gewesen wäre, die Kopien der Schaublätter stimmten mit den Originalen nicht überein, könnte somit keine Rede sein.

Angesichts der hinsichtlich des Mitführens von Schaublättern als rechtswidrig erkannten Bestrafung des Beschwerdeführers erweist sich zufolge § 65 VStG auch die Auferlegung von Kosten des Berufungsverfahrens insoweit als inhaltlich rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid war sohin in dem im Spruch angeführten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Im Übrigen war die sich als unbegründet erweisende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. Februar 2001

Schlagworte

Allgemein Berufungsbescheid Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1 Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2 Gemeinschaftsrecht Verordnung unmittelbare Anwendung EURallg5/1 Mängel im Spruch Nichtangabe der verletzten Verwaltungsvorschrift Mängel im Spruch unvollständige Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift Verwaltungsvorschrift Mängel im Spruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999020057.X00

Im RIS seit

06.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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