TE Vfgh Beschluss 2009/1/29 G169/08

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Veröffentlicht am 29.01.2009
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Index

24 Strafrecht
24/01 Strafgesetzbuch

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
StGB §21 Abs2, §47
StVG §158 ff, §164
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Leitsatz

Abweisung eines Verfahrenshilfeantrags zur Einbringung einesIndividualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen desStrafgesetzbuches und des Strafvollzugsgesetzes betreffendUnterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher alsaussichtslos

Spruch

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit selbst verfasster Eingabe vom 6. November 2008 beantragt der nach seinem Vorbringen gemäß §21 Abs2 Strafgesetzbuch in der Justizanstalt Stein an der Donau im Maßnahmenvollzug angehaltene Einschreiter der Sache nach die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Individualantrages gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG.

Er strebt die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des "Maßnahmeparagraphen 21,2 StGB und der davon abgeleiteten Paragraphen im Strafvollzugsgesetz" (unter ausdrücklicher Anführung des §164 Abs2 StVG) an. Die Bestimmung des §21 Abs2 StGB führe in ihrer praktischen Umsetzung zu lebenslangem Freiheitsentzug, der "nach gnädiger Stimmung von Gutachter und Vollzugsrichter beendet" werde. Es sei verfassungswidrig, dass ein Gericht eine zeitlich unbegrenzte Unterbringung im Maßnahmenvollzug verfügen könne, weil "ähnlich dem

§22 StGB ... Grenzen eingezogen werden" müssten; zumindest sollte

nach Verbüßung der Freiheitsstrafe eine Unterbringung nach dem (gegenüber dem StGB wesentlich strengere Auflagen für Gericht und Therapeuten normierenden) Unterbringungsgesetz bzw. eine Begnadigung durch den Bundespräsidenten möglich sein. Die unterschiedliche Behandlung von Untergebrachten nach dem Unterbringungsgesetz einerseits und von "bereits jenseits der Strafzeit befindliche[n]" Untergebrachten im Maßnahmenvollzug andererseits sei mit Blick auf die bei beiden Gruppen von Eingewiesenen bestehende Gefährlichkeit gleichheitswidrig.

Ferner sei es "nicht rechtens", dass für die vom Einschreiter während des Maßnahmenvollzuges geleistete Arbeit keine Pensionsversicherungsbeiträge eingezahlt würden.

Weiters beabsichtigt der Einschreiter die Anfechtung jener gesetzlichen Regelung (der Sache nach die Vorschrift des §47 StGB), der zufolge für Untergebrachte nach §21 Abs2 StGB nur eine bedingte Entlassung in Betracht komme.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat seit den Beschlüssen VfSlg. 8009/1977 und 8058/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 und Art140 Abs1 (jeweils letzter Satz) B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 und Art140 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 16.332/2001).

Die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß §21 Abs2 StGB setzt unter anderem die Verurteilung wegen einer Tat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, und damit ein - nach dem Vorbringen des Einschreiters hier auch durchgeführtes - gerichtliches Strafverfahren voraus. In diesem Verfahren hatte der Einschreiter die Möglichkeit, seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §21 Abs2 StGB bei Gericht vorzutragen, das im Fall von Bedenken seinerseits einen Antrag auf Gesetzesprüfung beim Verfassungsgerichtshof einbringen hätte können bzw. (als Rechtsmittelgericht) müssen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes stellt eine solche Möglichkeit der Rechtsverfolgung vor Gerichten einen zumutbaren Weg im Sinne des Art140 Abs1 B-VG dar (vgl. zB VfSlg. 15.418/1999).

Soweit der Einschreiter mit dem intendierten Individualantrag die Anfechtung von (mit Ausnahme des §164 Abs2 StVG) nicht näher bezeichneten Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes (der Sache nach die Bekämpfung der §§158 ff. StVG) sowie der - ebenfalls nicht ausdrücklich genannten - Regelung des §47 StGB (betreffend die Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme) anstrebt, steht (bzw. stand) ihm ebenfalls ein zumutbarer Weg offen, eine allfällige Verfassungswidrigkeit geltend zu machen (vgl. zB VfGH 24.8.1999, G102/99; 25.6.2008, G46/08): Es ist (bzw. war) ihm nämlich unbenommen, im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens durch Herbeiführung einer Entscheidung des Vollzugs- oder des Beschwerdegerichts (§§16 und 162 StVG) seine Bedenken gegen bestimmte Regelungen des StVG sowie gegen §47 StGB mit der Anregung auf Einbringung eines Gesetzesprüfungsantrages zu unterbreiten. Die solcherart befassten Gerichte wären (wie bereits dargelegt), sofern sie die Bedenken des Einschreiters teilen (bzw. geteilt hätten), befugt bzw. verpflichtet (gewesen), einen Antrag auf Aufhebung der Bestimmungen beim Verfassungsgerichtshof zu stellen.

Ferner steht (bzw. stand) dem Einschreiter hinsichtlich solcher Regelungen, deren Vollziehung in die Kompetenz der Vollzugsbehörden fällt, die Möglichkeit offen, einen Bescheid zu erwirken (s. §§119 ff. StVG), den er (nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges) letztlich beim Verfassungsgerichtshof nach Art144 B-VG bekämpfen kann (vgl. zB VfSlg. 12.975/1992 mwN).

Gleiches gilt im Hinblick auf die vorgebrachten Bedenken des Einschreiters betreffend das Fehlen einer Pensionsvorsorge:

Diesbezüglich bleibt ihm eine Antragstellung nach den einschlägigen sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen und in weiterer Folge die Bekämpfung eines hierüber zu erlassenden Bescheides unbenommen (VfGH 17.11.1998, B2020/98 ua.).

Somit steht aber dem Antragsteller in jedem hier in Betracht kommenden Fall ein im vorerwähnten Sinne zumutbarer Weg offen, die Frage der Rechtmäßigkeit der angesprochenen Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheint somit insgesamt als offenbar aussichtslos, zumal bei der gegebenen Lage die Zurückweisung eines allenfalls erhobenen Individualantrages zu gewärtigen wäre.

Der - nicht auf das Vorliegen sämtlicher Formalerfordernisse hin geprüfte - Antrag war sohin zur Gänze mangels Vorliegens der Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) abzuweisen.

3. Dies konnte gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Individualantrag, Strafrecht,Strafvollzug

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2009:G169.2008

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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