RS UVS Oberösterreich 1991/05/17 VwSen-400017/5/Gf/Kf

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Veröffentlicht am 17.05.1991
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Verweis auf VfGH vom 11.6.199, B 947 und 1006/89; VfSlg. 8266/1978; 8718/1979 Rechtssatz

Schubhaftbeschwerde: Voraussetzung Schubhaftbescheid. Zuständigkeitsabgrenzung zwischen dem Unabhängigen Verwaltungssenat und der Sicherheitsdirektion. Asylantrag hindert nur die Vollstreckbarkeit eines Aufenthaltsverbotes, nicht die Erlassung und Vollstreckung eines Schubhaftbescheides.  Hinreichend, wenn sich der Zweck der Schubhaft zwar nicht aus dem Spruch, aber i.V.m. der Begründung des Bescheides ergibt. Verletzung des Rechtes auf persönliche Freiheit, wenn im auf Grund § 57 Abs.1 AVG erlassenen Schubhaftbescheid weder das Tatbestandsmerkmal der Gefahr in Verzug noch der Umstand begründet ist, weshalb sich der polizeilich gemeldete Beschwerdeführer - der stets an der angegebenen Adresse für die Behörde tatsächlich erreichbar war - der Abschiebung zu entziehen versuchen wird. Scheinanwendung des Gesetzes. Verpflichtung der Behörde zur Enthaftung.  Kostenersatz für Barauslagen des UVS. Zurückweisung des Antrages auf Aufhebung des Schubhaftbescheides.

Eine Festnahme, die dazu dient, einen Fremden in Schubhaft zu

nehmen und anzuhalten, darf nach der Rechtsprechung des

Verfassungsgerichtshofes nur erfolgen, wenn diese zuvor durch

Bescheid verfügt worden ist (vgl.z.B. VfSlg 8038/1977 und VfGH vom

11. Juni 1990, B 947 u. 1006/89). Die Beschwerde gegen eine derart

verfügte Festnahme und Anhaltung begründet sohin die Zuständigkeit

des unabhängigen Verwaltungssenates nach Art. 129a Abs.1 Z.3 B-VG

iVm. § 67a  Abs.1 Z.1 AVG und § 5a FrPG (und nicht nach Art.  129a

Abs.1 Z.2 B-VG iVm. § 67a Abs.1 Z.2 AVG). Festzuhalten ist jedoch,

daß durch die FrPG-Novelle 1991 die Anordnung des § 11 Abs.2 (und

3) FrPG jedenfalls formell unangetastet geblieben ist:  Es hat

daher nach wie vor die Sicherheitsdirektion - und nicht der

unabhängige Verwaltungssenat - über Berufungen gegen Bescheide, mit

denen eine Schubhaft verhängt wird, zu entscheiden. Andererseits

ist den unabhängigen Verwaltungssenaten von Verfassungs wegen gemäß

Art.129 B-VG - und zwar in erster Linie - die Kontrolle der

Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aufgetragen.  Soll diese Funktion

der unabhängigen Verwaltungssenate einerseits auch tatsächlich zum

Tragen kommen, andererseits aber auch - dem Willen des Gesetzgebers

entsprechend - der Sicherheitsdirektion die Berufungsentscheidung

über Schubhaftbescheide vorbehalten bleiben, so kann eine

sinnvolle, der Intention des § 5a FrPG im Zusammenhalt mit Art. 6

des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen

Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988, Rechnung tragende und zur Wahrung des

verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor

dem gesetzlichen Richter gleichzeitig notwendige

Kompetenzabgrenzung zwischen diesen beiden Organen nur darin

gefunden werden, daß der Verwaltungssenat die Rechtmäßigkeit der

Festnahme bzw. der Anhaltung auch unter (allerdings bloß

grundsätzlicher) Bindung an den Schubhaftbescheid zu beurteilen

hat: Eine "Überprüfung" des Bescheides kommt dem Verwaltungssenat

nur dann und insoweit zu, als dieser Bescheid an einem schweren und

offenkundigen, sohin in die Verfassungssphäre reichenden

inhaltlichen Mangel leidet ("Willkür", "Denkunmöglichkeit" bzw.

"Gesetzlosigkeit" i.S.d. ständigen Rechtsprechung des VfGH; vgl. zB. VfSlg.8266/1978 und 8718/1979, jeweils m.w.N.) und daher aus diesem Grund den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt. Die Wahrnehmung einfachgesetzlicher Rechtswidrigkeiten des Schubhaftbescheides obliegt demgegenüber nach wie vor der Sicherheitsdirektion als Berufungsbehörde.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Schubhaftbescheides vom 29.4.1991, Zl. Sich-0702/5850, war sohin als unzulässig zurückzuweisen, weil dem Verwaltungssenat demnach von vornherein die Zuständigkeit für die Behandlung eines solchen Begehrens fehlt.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, daß die Verhängung der Schubhaft im Hinblick auf sein laufendes Asylverfahren der Anordnung des § 5 Abs.2 Asylgesetz, BGBl. Nr. 126/1968, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 190/1990 (im folgenden: AsylG), widerspricht, so erweist sich dieser Vorwurf als unzutreffend. Gemäß § 5 Abs.2 Asylgesetz ist nämlich nicht die Erlassung und Vollstreckung eines Schubhaftbescheides, sondern nur die Vollstreckbarkeit eines Aufenthaltsverbotes, also die Abschiebung selbst so lange gehindert, bis entweder rechtskräftig festgestellt ist, daß der Asylwerber nicht als Flüchtling i.S.d.  AsylG anzusehen ist, oder der Asylwerber bereits in einem anderen Staat Anerkennung nach der Flüchtlingskonvention oder anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden hat (vgl. § 5 Abs.3 AsylG).  Abgesehen vom Verbot der Durchführung der Abschiebung unterliegt daher aber auch ein Asylwerber im vollen Umfang den Bestimmungen des FrPG (vgl. i. d.S. VfGH vom 11.6.1990, B 947 u. 1006/1989). Daher erweist sich auch - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - die während des Asylverfahrens über ihn zum Zweck der Sicherung der Abschiebung verhängte und aufrechterhaltene Schubhaft schon dem Grunde nach als nicht mit den gesetzlichen Vorschriften im Widerspruch stehend, es sei denn, es würden die Fristen des § 5 Abs.2 FrPG verletzt. Davon kann aber im vorliegenden Fall, wo die Schubhaft erst zweieinhalb Wochen andauert, keine Rede sein.

Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall den von ihr am 29.4.1991 erlassenen und dem Beschwerdeführer am 30.4.1991 zugestellten Schubhaftbescheid damit begründet, daß die von § 10a FrPG geforderten Voraussetzungen für die Ausweisung des Beschwerdeführers deshalb vorliegen würden, weil dieser rechtswidrig in das Bundesgebiet eingereist ist. Deshalb könne mit Grund angenommen werden, daß sich der Beschwerdeführer seiner Abschiebung zu entziehen suchen werde. Aus diesem Grund sei auch wegen Gefahr in Verzug ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers über diesen die vorläufige Verwahrung zu verhängen gewesen.  Wie schon oben dargetan wurde, kommt dem unabhängigen Verwaltungssenat, der in Fremdenpolizeisachen gemäß Art.6 Abs.1 zweiter Satz des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988, i.V.m. § 5a Abs.6 Z.2 FrPG binnen einer Woche über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung zu entscheiden hat, im Hinblick auf § 11 Abs.2 FrPG eine inhaltliche Kontrolle des Schubhaftbescheides nur dahingehend, ob dieser Bescheid etwa mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Fehler behaftet ist, zu. Diese Prüfung führt im vorliegenden Fall zu folgendem Ergebnis:  Wenngleich der belangten Behörde einerseits zugutezuhalten ist, daß im abgekürzten Verfahren nach § 57 Abs.1 AVG (insbesondere im Falle der zweiten Alternative) bloß vergleichsweise geringere Anforderungen an die Begründungspflicht des Bescheides i.S.d.  § 58 Abs.2 i.V.m. § 60 AVG gestellt werden können - in diesem Sinne ist darauf hinzuweisen, daß auch schon nach allgemeinen Anforderungen die Begründung nicht in allen Einzelheiten, sondern bloß insgesamt schlüssig und stichhältig zu sein braucht, sodaß die Ansicht der belangten Behörde im vorliegenden Fall zutrifft, daß sich die fälschlich in den Spruch einbezogene alternative Begründung für die Verhängung der Schubhaft im Ergebnis durch die Klarstellung im dritten Absatz des als "Begründung" bezeichneten Teiles des Bescheides zweifelsfrei als nur zum Zweck der Vorbereitung der Ausweisung vorgenommen erweist -, so ist auf der anderen Seite nach allgemeiner Auffassung dennoch unbestritten, daß auch Mandatbescheide prinzipiell (vgl. z.B. K.Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd.I, Wien 1987, 500

u. 509), insbesondere aber auch hinsichtlich des Umstandes, warum die Behörde im konkreten Einzelfall diese besondere Art des Verfahrens angewendet hat (ebd., 500), zu begründen sind.  Beides fehlt allerdings im vorliegenden Bescheid.  § 5 FrPG ermöglicht es der Behörde, die Schubhaft u.a. zur Vorbereitung einer Ausweisung dann zu verhängen, wenn dies entweder im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit notwendig erscheint oder deshalb, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern. Die belangte Behörde stützt nun die Verhängung der Schubhaft einzig und allein auf die Tatsache, daß sich der Beschwerdeführer erst vier Wochen nach seiner - illegalen - Einreise polizeilich angemeldet hat. Auf die zusätzlich zu beantwortende Frage, inwiefern diese, den Tatbestand des § 10a FrPG erfüllende Verwaltungsübertretung durch den Beschwerdeführer zugleich auch öffentliche Sicherheitsinteressen in einem solchen Maß gefährdet, daß dessen Verwahrung in Schubhaft erforderlich ist, wird jedoch im Bescheid mit keinem Wort eingegangen. Auch in der Gegenschrift der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat haben sich keine in diese Richtung weisenden Anhaltspunkte ergeben. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer seit 28.3.1991 polizeilich gemeldet ist, die behördlichen Schriftstücke - wie z.B. der Schubhaftbescheid - (auch) an diesen Wohnsitz adressiert waren und der Beschwerdeführer zuletzt auch noch dort festgenommen wurde, läßt im Gegenteil gerade nicht schon per se darauf schließen, daß sich der Beschwerdeführer der Abschiebung zu entziehen versuchen wird.  In gleicher Weise fehlt auch eine Begründung für das Vorliegen des Tatbestandselementes der "Gefahr im Verzug" als Voraussetzung der Anwendung des § 57 Abs.1 AVG.  Im Ergebnis stützt sich somit der in seiner "Begründung" bloß den Gesetzeswortlaut wiedergebende Schubhaftbescheid der belangten Behörde tatsächlich nur zum Schein auf das Gesetz, in Wahrheit erweist er sich hingegen mangels echter inhaltlicher Begründung als gesetzlos; der Schubhaftbescheid leidet sohin an einem in die Verfassungssphäre reichenden Fehler, und kann demnach keine taugliche Rechtsgrundlage für den angeordneten Freiheitsentzug bilden.  Unter Bedachtnahme auf die obigen Ausführungen ergibt sich daraus in der Folge, daß die Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft durch die belangte Behörde rechtswidrig ist und den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt. Dies hatte der unabhängige Verwaltungssenat festzustellen.  Die belangte Behörde war daher gemäß Art.6 Abs.1 erster Satz des Bundesverfassungsgesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988, und Art.5 Abs.4 MRK i. V.m.  § 5a Abs.6 letzter Satz FrPG und § 67 c Abs.3 AVG zur Aufhebung der Schubhaft und zur Freilassung des Beschwerdeführers zu verpflichten.

Da dem unabhängigen Verwaltungssenat im Zuge der Durchführung der mündlichen Verhandlung Barauslagen für den Dolmetscher in Höhe von ÖS 674,40 erwachsen sind, war der Bund, für den die belangte Behörde im vorliegenden Fall funktionell tätig geworden ist, gemäß § 76 Abs.2 AVG zum Kostenersatz zu verpflichten.  Eine darüber hinausgehende Kostenentscheidung war mangels entsprechender Anträge nicht zu treffen.

Schlagworte
Schubhaftbescheid; Bindung des UVS; Denkunmöglichkeit; Scheinanwendung; Asylantrag; Berufung gegen Schubhaftbescheid - Zurückweisung; Gefahr im Verzug; Mandatsbescheid; Barauslagenersatz; Dolmetscherkosten.
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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