TE Vfgh Erkenntnis 2007/11/29 B1627/06

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Veröffentlicht am 29.11.2007
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art83 Abs2
ABGB §934
AVG §38
Oö GVG 1994 §1 Abs2, §10 Abs2 Z3, §15

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durchdie Abweisung eines Antrags auf Fortsetzung eines bis zurrechtskräftigen Beendigung eines gerichtlichen Verfahrens betreffenddie Aufhebung eines Kaufvertrages wegen Verkürzung über die Hälftedes wahren Wertes ausgesetzten grundverkehrsbehördlichenGenehmigungsverfahrens

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Antrag der Beschwerdeführer auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Kosten werden der beteiligten Partei nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kaufvertrag vom 24. Juni 2005 erwarben die Beschwerdeführer eine aus mehreren land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken samt darauf befindlichem Haus bestehende Liegenschaft im Gesamtausmaß von 319.266 m² von der beteiligten Partei um einen Kaufpreis in Höhe von € 1.070.000,-. Mit Bescheid der Bezirksgrundverkehrskommission Vöcklabruck vom 11. August 2005 wurde diesem Rechtserwerb die grundverkehrsbehördliche Genehmigung gemäß §4 des Oberösterreichischen Grundverkehrsgesetzes 1994, LGBl. 88/1994 idF LGBl. 85/2002, (im Folgenden: OÖ GVG) erteilt.

1.1. Gegen diesen Bescheid erhob die beteiligte Partei (Verkäufer) Berufung an die Landesgrundverkehrskommission beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung (im Folgenden: LGVK).

1.2. Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2005 brachte die beteiligte Partei zudem beim Landesgericht Wels Klage auf Aufhebung des in Rede stehenden Kaufvertrages wegen Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes (§934 ABGB) ein.

1.3. Daraufhin setzte die LGVK mit Bescheid vom 10. Oktober 2005 das Berufungsverfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des beim Landesgericht Wels anhängigen Verfahrens gemäß §38 AVG aus.

1.4. Dem in der Folge eingebrachten Antrag der Beschwerdeführer auf Fortsetzung des Verfahrens gab die LGVK mit Bescheid vom 13. Juli 2006 keine Folge. Begründend wurde ausgeführt, dass das Berufungsverfahren ausgesetzt worden sei, weil das Vorliegen eines gültigen Rechtstitels nach den §§1 Abs2, 10 Abs2 Z3, 15 OÖ GVG (idF LGBl. 59/2006) Voraussetzung für die Durchführung eines grundverkehrsbehördlichen Genehmigungsverfahrens sei. Da an der Gültigkeit des Kaufvertrages nach dem Vorbringen des Verkäufers ernsthafte Zweifel bestünden und dieser auch Klage auf Aufhebung des Kaufvertrages beim Landesgericht Wels eingebracht habe, seien die Voraussetzungen für die Aussetzung des Berufungsverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Zivilgerichts gegeben. Der Bescheid über die Aussetzung des Verfahrens sei in Rechtskraft erwachsen. Die Frage des Bestehens eines gültigen Rechtstitels könnte die Behörde zwar grundsätzlich auch als Vorfrage nach §38 AVG eigenständig beurteilen; da aber die Entscheidung des Gerichtes in Bezug auf die Vorfragenbeurteilung von jener der LGVK abweichen könne, sei die Verfahrensaussetzung sinnvoll, um im Genehmigungsverfahren auf einer gesicherten Grundlage aufbauen zu können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unverletzlichkeit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu für den Fall der Abweisung oder Ablehnung die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

Im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter erachten sich die Beschwerdeführer verletzt, weil die belangte Behörde zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert habe: Die Einbringung der zivilrechtlichen Klage habe keine aufschiebende Wirkung und ändere nichts an der Rechtswirksamkeit des Kaufvertrages. Die belangte Behörde habe nur über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Genehmigung des Rechtsgeschäftes abzusprechen und zivilrechtliche Fragen dabei außer Betracht zu lassen. Auch stelle die Anfechtung des Rechtsgeschäftes keinen Grund für die Unterbrechung des Verwaltungsverfahrens dar.

Die Beschwerdeführer behaupten weiters, durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt zu sein, weil die belangte Behörde durch ihre Vorgehensweise "den Rechtsanspruch der Beschwerdeführer auf Verbücherung des Kaufvertrages" verhindert habe. Um das Eigentum erwerben zu können, sei die Verbücherung des Kaufvertrages dringend geboten, va. deshalb, weil der Rangordnungsbeschluss abgelaufen sei.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde und die Abweisung des Eventualantrages auf Abtretung beantragt.

4. Die beteiligte Partei erstattete eine Äußerung, in der sie für die Abweisung der Beschwerde eintritt und den Ersatz der angesprochenen Kosten begehrt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die Beschwerdeführer behaupten, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein, weil die belangte Behörde zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert habe.

1.1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

1.2. Entgegen der Auffassung der Beschwerde hat die belangte Behörde den Beschwerdeführern eine Sachentscheidung nicht verweigert:

Durch die Abweisung des Antrags auf Fortsetzung des grundverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahrens ist die zuvor - auf Grundlage des §38 AVG (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser Regelung vgl. mwN VfSlg. 12.840/1991) - erfolgte bescheidmäßige Aussetzung des grundverkehrsbehördlichen Genehmigungsverfahrens aufrecht erhalten worden. Damit wurde eine Sachentscheidung jedoch nicht verweigert, sondern bloß (weiterhin) vorbehalten (vgl. erneut VfSlg. 12.840/1991).

Die Beschwerde macht der Sache nach Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides (insbesondere Bedenken gegen das Vorliegen der Voraussetzungen für die Aussetzung des Ermittlungsverfahrens) geltend. Dabei handelt es sich aber um keine Frage des gesetzlichen Richters (vgl. zB VfSlg. 9751/1983, 11.102/1986, 12.840/1991).

Dass die Grundverkehrsbehörde zur Entscheidung sachlich zuständig war, stellen auch die Beschwerdeführer nicht in Frage.

Die Beschwerdeführer sind sohin durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

2. Die Beschwerdeführer machen zudem eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums geltend.

Da dem angefochtenen Bescheid ausschließlich verfahrensrechtliche Wirkung beizumessen ist, können die Beschwerdeführer - ausgehend von der Unbedenklichkeit der angewendeten Normen - nur in einem formellen Recht, nicht aber in einem materiellen Recht, über das (noch) gar nicht entschieden wurde, verletzt sein (vgl. zB VfSlg. 12.110/1989, 13.211/1992, 13.414/1993). Eine Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums kommt somit nicht in Betracht.

3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 15.538/1999, 17.446/2005 und 17.878/2006).

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführer in dem - von ihnen nicht geltend gemachten - verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (etwa durch eine willkürliche Gesetzesanwendung - vgl. VfSlg. 12.840/1991) verletzt wurden.

Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften ist es damit auch ausgeschlossen, dass die Beschwerdeführer durch den (verfahrensrechtlichen) Bescheid in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden wären.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

4. Die von den Beschwerdeführern für den Fall der Abweisung oder Ablehnung ihrer Beschwerde beantragte Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof kommt nicht in Betracht. Die LGVK ist gemäß §§25 Abs2 und Abs3 und 26 Abs2 OÖ GVG als Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG eingerichtet. Die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Gesetz nur gegen Bescheide der LGVK, die Rechtserwerbe an Baugrundstücken betreffen, vorgesehen. Der Antrag war daher abzuweisen.

5. Der beteiligten Partei waren die begehrten Kosten nicht zuzusprechen, zumal die (unverlangt erstattete) Äußerung nichts zur Rechtsfindung beigetragen hat.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Rechtsgeschäft, laesio enormis, Zivilrecht,Verwaltungsverfahren, Ermittlungsverfahren, Vorfrage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:B1627.2006

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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