TE UVS Wien 1996/08/02 03/M/03/857/95

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Veröffentlicht am 02.08.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Wilfert über die Berufung des Herrn Dr Norbert N, vertreten durch RA, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 8.11.1995, Zl MA 67-RV - 067206/5/1, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Gemäß § 65 VStG hat der Berufungswerber keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Begründung:

1. Das angefochtene Straferkenntnis hat folgenden Spruch:

"Sie haben am 15.12.1994 um 17.38 Uhr in Wien, R-Platz ggü ONr 4 als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen W-N folgende

Verwaltungsübertretung begangen:

Abstellen des Fahrzeuges mit allen Rädern auf dem Gehsteig, welcher hierdurch vorschriftswidrig benützt wurde.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 8 Abs 4 StVO 1960, BGBl Nr 159/1960 idgF

Gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO 1960 wird gegen Sie eine Geldstrafe in der Höhe von S 800,--, im Falle der Uneinbringlichkeit 19 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

S 80,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher S 880,--."

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die Berufung vom 29.11.1995, in welcher der Berufungswerber unzureichende Begründung des Bescheides, unzureichendes Ermittlungsverfahren und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend macht.

2. In der Angelegenheit fand am 2.8.1996 eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien statt.

In dieser Verhandlung wurde der Berufungswerber als Partei sowie seine Ehegattin, Frau Dr N, zeugenschaftlich einvernommen.

3. Die Berufung ist begründet.

Gemäß § 8 Abs 4 StVO ist die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art und die Benützung von Radfahrstreifen, Radwegen und Geh- und Radwegen mit Fahrzeugen, die keine Fahrräder sind, insbesondere mit Motorfahrrädern verboten.

Der Berufungswerber bringt im wesentlichen vor, er habe an seinem Wohnort in Klosterneuburg einen Telefonanruf von einem Patienten erhalten und sei zu einer ärztlichen Hilfeleistung wegen eines lebensbedrohlichen asthmatischen Anfalles gerufen worden. Er habe daraufhin den Angehörigen des Patienten die Anweisung gegeben, mittels eines Taxis in die Ordination in Wien, O-ring, zu fahren. Dies deshalb, weil die Fahrzeit bis zur Hilfeleistung dadurch zeitlich halbiert worden sei. Anderenfalls hätte er zum Wohnort des Patienten eine durchschnittliche einstündige Anfahrtszeit in Kauf nehmen müssen. Im Fall eines lebensbedrohlichen asthmatischen Anfalles hätte eine andere Vorgangsweise eine nicht vertretbare zeitliche Verzögerung bedingt. Ebenso wenig wäre ein anderer Aufstellungsort des KFZ in Betracht gekommen.

Gemäß § 24 Abs 5 StVO dürfen Ärzte, die zur selbständigen Berufsausübung berechtigt sind, bei einer Fahrt zur Leistung ärztlicher Hilfe das von ihnen selbst gelenkte Fahrzeug für die Dauer der Hilfeleistung auf einer Straßenstelle, auf der das Halten oder Parken verboten ist, abstellen, wenn in unmittelbarer Nähe des Aufenthaltes des Kranken oder Verletzten kein Platz frei ist, auf dem gehalten oder geparkt werden darf und durch das Aufstellen des Fahrzeuges die Sicherheit des Verkehrs nicht beeinträchtigt wird. Während einer solchen Aufstellung ist das Fahrzeug mit einer Tafel, welches die Aufschrift "Arzt im Dienst" und das Amtssiegel der Ärztekammer, welcher der Arzt angehört, tragen muß, zu kennzeichnen. Außer in diesem Falle ist eine solche Kennzeichnung von Fahrzeugen verboten.

Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Berufungswerber den Namen und die Anschrift des von ihm behandelten Patienten bekanntgegeben. Laut Aktenvermerk vom 6.11.1995 teilte dieser der erstinstanzlichen Behörde telefonisch mit, daß er im Dezember einen Asthmaanfall gehabt habe und sich mit dem Arzt in der Ordination getroffen habe.

Der Berufungswerber gab in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien an, er habe sich im Haus seiner Frau in Klosterneuburg aufgehalten. An diesem Nachmittag sei er zu Hause gewesen. Als der Anruf des Patienten gekommen sei, habe er sich, um die Fahrzeit zu halbieren in der Ordination verabredet. Dort habe er auch alle Hilfsmittel. Er sei zur selbständigen Berufsausübung berechtigt, habe aber keine fixen Ordinationszeiten mehr, da er lediglich Stammpatienten weiter betreue. Er führe die Ordination nicht regelmäßig, sondern mache einige Wochen im Voraus Termine mit Patienten aus und bestelle sie in die Ordination. Im vorliegenden Fall sei das nicht so gewesen, sondern sei er praktisch zu einem Patienten gerufen worden und habe sich lediglich aus Zweckmäßigkeitsgründen in den Ordinationsräumen getroffen, dies allerdings ohne daß er an diesem Tag Ordination gehabt hätte, da es sich um einen Notfall gehandelt habe.

Er habe das Fahrzeug auf der Nebenfahrbahn des O-ringes abgestellt. Es sei dort eine Baustelle gewesen und sei der Gehsteig abgeplankt gewesen. Ein Bauarbeiter, dem er mitgeteilt habe, daß ein dringender Notfall vorliege, habe daraufhin die Planken entfernt und habe er das Fahrzeug dort abgestellt und die Tafel "Arzt im Dienst" angebracht.

Die Ehegattin des Berufungswerbers, Fr Dr N, gab an, ihr Mann sei am verfahrensgegenständlichen Nachmittag zu Hause gewesen und habe keine Ordination gehabt. Er habe ihr mitgeteilt, daß er einen Anruf von einem Patienten erhalten habe und deshalb dringend in die Ordination fahren müsse. Sie seien dann gemeinsam hingefahren und habe ihr Mann keinen Parkplatz gefunden. Der Bereich O-ring ab Haus Nr 17 sei eine Baustelle gewesen. Der Gehsteig sei abgeplankt gewesen und habe ein Arbeiter die Planke entfernt damit ihr Mann das Fahrzeug abstellen konnte. Sie selbst habe gesehen, wie das Arzt im Dienst-Schild angebracht wurde. Sie sei dann in der Ordination gewesen und habe auch den Patienten gesehen. Nach der Behandlung seien sie wieder nach Hause gefahren.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien fand nun keinen Anlaß, an den Angaben des Berufungswerbers sowie der Zeugin, die im unmittelbaren Eindruck korrekt und persönlich glaubwürdig wirkten und zudem mit den Angaben des Patienten im erstinstanzlichen Verfahren übereinstimmten, zu zweifeln, daß der Berufungswerber, welcher ein zur selbständigen Berufsausübung berechtigter Arzt ist, das Fahrzeug im Zuge einer Fahrt zur Leistung ärztlicher Hilfe auf dem Gehsteig abgestellt hat, da er in unmittelbarer Nähe der Ordinationsräume, in welchen der Kranke auf ihn wartete, kein Platz frei war, auf dem gehalten oder geparkt werden durfte und er während der Aufstellung das Fahrzeug mit der Tafel, welche die Aufschrift "Arzt im Dienst" getragen hat, gekennzeichnet hat. Es sind auch keine Umstände hervorgekommen, wonach durch die Aufstellung des Fahrzeuges die Sicherheit des Verkehrs beeinträchtigt gewesen wäre.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien verkennt nun nicht, daß die Begünstigungen für den "Arzt im Dienst" grundsätzlich nicht für die Fahrt zur Ordination gilt doch ist der vorliegende Fall, in welcher der Arzt sich außerhalb der Ordinationszeiten aus Zweckmäßigkeitsgründen und zur Vermeidung unnötiger Verzögerungen sich zu einem, bei der Ordination wartenden Patienten begibt, um ihn auf Grund eines akuten Asthmaanfalles zu behandeln, von dem Ausnahmetatbestand des § 24 Abs 5 StVO umfaßt. Es ist auf Grund der vorliegenden Beweisergebnisse davon auszugehen, daß es sich bei dieser Fahrt zur Leistung ärztlicher Hilfe um einen konkreten Fall der ärztlichen Hilfeleistung gehandelt hat (vgl VwGH vom 21.12.1990, Zl 89/17/0124), daß es sich um eine dringende Leistung ärztlicher Hilfe gehandelt hat, setzt § 24 Abs 5 StVO nicht voraus (VwGH vom 19.3.1990, Zl 89/18/0134).

Bei einer zusammenfassenden Würdigung der vorliegenden Beweisergebnisse ist daher als erwiesen anzusehen, daß der Berufungswerber gemäß § 24 Abs 5 StVO berechtigt war, das von ihm gelenkte Fahrzeug auf dem Gehsteig abzustellen. Bei diesem Ergebnis bedarf es keiner näheren Erörterung des Umstandes, daß sowohl der Berufungswerber als auch die Zeugin übereinstimmend angegeben haben, daß das Fahrzeug, nicht, wie im erstinstanzlichen Straferkenntnis festgestellt, am R-Platz gegenüber 4, sondern auf der Richtung O-ring gelegenen Seite des R-Platzes abgestellt gewesen ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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