TE UVS Wien 1997/04/15 03/M/21/1617/96

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Veröffentlicht am 15.04.1997
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Hollinger über die Berufung des Herrn Christian H gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 01.08.1996, Zahl MA 67-RV-88883/6/0, wegen Übertretung des § 24 Abs 1 lit a Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß der Tatort: "Wien, R-gasse" zu lauten hat.

Der Berufungswerber hat daher gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von Schilling 170,--, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen.

Text

Begründung:

Das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 1.8.1996, Zl MA 67-RV-88883/6/0, hat folgenden Spruch:

"Sie haben am 27.03.1996 um 12.19 Uhr in Wien, R-gasse als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen W-32 folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Abstellen des Fahrzeuges im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" ("Behindertenzone"), ohne daß am Fahrzeug ein Ausweis gemäß § 29b Abs 4 StVO 1960 angebracht war.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 24 Abs 1 lit a Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO). Gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO wird gegen Sie eine Geldstrafe in der Höhe von S 850,--, im Falle der Uneinbringlichkeit 22 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) zu zahlen:

S 85,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher S 935,--."

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerechte Berufung des Beschuldigten, in welcher dieser im wesentlichen vorbringt, daß von der Magistratsabteilung 67, Parkraumüberwachung, die Auskunft stamme, daß ein § 29b-Ausweis durch eine Verlustanzeige rechtskräftig ersetzbar sei. Es sei nicht richtig, daß ein Ausweis gemäß § 29b StVO nicht durch eine Verlustanzeige, bezogen auf selbige Urkunde, mit gleicher Wirkung ersetzbar sei. Richtig sei vielmehr daß, sollte ein Ausweis dieser Art verloren gehen, eine Verlustanzeige bis zum Zeitpunkt der Neuausstellung eines solchen Ausweises die gleiche Gültigkeit erfahre.

Unbestritten ist, daß der Berufungswerber das im Spruch des Straferkenntnisses genannte Kfz zur Tatzeit am Tatort in einer Behindertenzone abgestellt hat. Der Berufungswerber hat jedoch keinen Ausweis gemäß § 29b StVO gut sichtbar hinter der Windschutzscheibe angebracht, sondern hinterlegte dort eine Bestätigung vom 10.11.1995 über den Verlust des Behindertenausweises, ausgestellt von der MA 46, Nr A-32. Da der Berufungswerber die erfolgte Abstellung seines Fahrzeuges in der Behindertenzone nicht in Frage stellt, sondern lediglich die rechtliche Beurteilung durch die Erstbehörde rügt, indem er behauptet, er wäre durch diese Verlustbestätigung berechtigt gewesen, sein Fahrzeug am Tatort abzustellen, war die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien entbehrlich.

In rechtlicher Hinsicht wird erwogen:

Gemäß § 24 Abs 1 lit a StVO ist das Halten und Parken im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" nach Maßgabe der Bestimmungen des § 52 Ziffer 13b verboten.

Im gegenständlichen Fall handelte es sich um eine Halteverbotszone mit der Zusatztafel "Behindertenzone".

Am Tatort befand sich demnach eine Zusatztafel gemäß § 54 Abs 4 lit h StVO.

Eine solche Zusatztafel unter dem Zeichen "Halten und Parken verboten" zeigt an, daß das Halte- und Parkverbot nicht für Fahrzeuge gilt, die nach den Bestimmungen des § 29b Abs 3 StVO gekennzeichnet sind.

§ 29b Abs 3 und 4 StVO haben folgenden Wortlaut:

Abs 3:

Beim Halten gemäß Abs 1 hat der Inhaber eines Ausweises nach Abs 4 oder 5 diesen den Straßenaufsichtsorganen auf Verlangen vorzuweisen. Beim Parken gemäß Abs 2 sowie beim Halten oder Parken auf den nach § 43 Abs 1 lit d freigehaltenen Straßenstellen hat der Ausweisinhaber den Ausweis bei mehrspurigen Kraftfahrzeugen hinter der Windschutzscheibe und durch diese gut erkennbar, bei anderen Fahrzeugen an einer sonst geeigneten Stelle gut wahrnehmbar anzubringen.

Abs 4:

Die Behörde hat Personen, die dauernd stark gehbehindert sind, auf deren Ansuchen einen Ausweis über diesen Umstand auszufolgen. Sofern die gehbehinderte Person selbst ein Kraftfahrzeug lenkt, ist auf dem Ausweis das kraftfahrrechtliche Kennzeichen des betreffenden Fahrzeuges gut sichtbar anzubringen, sonst ein Vermerk, daß von der gehbehinderten Person selbst kein Fahrzeug gelenkt wird. Inhalt und Form des Ausweises hat der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr durch Verordnung zu bestimmen.

Der Berufungswerber wendet ein, Inhaber eines Ausweises gemäß § 29b StVO zu sein, er habe diesen jedoch verloren, die oben angeführte Verlustbestätigung vom 10.11.1995 sei jedenfalls deutlich sichtbar im Auto gelegen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien bemerkt dazu, daß diese Verlustbestätigung den Berufungswerber nicht berechtigte, sein Kfz in der Behindertenzone abzustellen. Weder der Straßenverkehrsordnung noch dem Kraftfahrzeuggesetz noch anderen gesetzlichen Bestimmungen kann die Auffassung des Berufungswerbers entnommen werden, die Verlustanzeige würde den Ausweis gemäß § 29b StVO ersetzen.

Vielmehr normiert § 102 Abs 5 KFG für den Verlust, daß im Falle der Anzeige des Verlustes eines oder mehrerer der in den lit a bis g angeführten Dokumente die Behörde oder die nächste Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes, bei der der Besitzer des in Verlust geratenen Dokumentes dies beantragt, diesem eine Bestätigung über die Verlustanzeige auszustellen hat. Die Bestätigung über die Verlustanzeige ersetzt die in den lit b bis e angeführten Dokumente (das sind ua lit b: Zulassungsschein, lit c:

Probefahrtschein, lit d: Überstellungsfahrtschein, lit e: Bescheid über kraftfahrrechtliche Bewilligungen, die zur Verwendung des Fahrzeuges auf Straßen mit öffentlichem Verkehr erforderlich sind - § 101 Abs 5, § 104 Abs 5 lit d, Abs 7 und 9) bis zur Ausstellung des neuen Dokumentes, jedoch nicht länger als eine Woche, die in der lit a angeführten Dokumente (ds der Führerschein oder Heeresführerschein, beim Lenken von Motorfahrrädern, der Mopedausweis oder ein amtlicher Lichtbildausweis) vier Wochen, gerechnet vom Tage des Verlustes.

Selbst wenn man diese gesetzliche Bestimmung analog heranziehen würde, dann hätte die Bestätigung über den Verlust des Behindertenausweises gemäß § 29b StVO, welcher am 8.11.1995 erfolgte, zur Tatzeit am 27.3.1996 auf jeden Fall ihre Gültigkeit als Ersatz des verlorenen Dokumentes verloren. Der objektive Tatbestand ist daher als gegeben anzusehen.

Zur subjektiven Tatseite ist lediglich auf die Bestimmung des § 5 Abs 1 VStG zu verweisen, wonach bei Delikten der vorliegenden Art ohne weiteres Fahrlässigkeit anzunehmen ist, wenn der Beschuldigte nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Übertretung der Vorschrift kein Verschulden trifft. Es ist daher Aufgabe des Beschuldigten initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen oder durch Beibringung von Beweismitteln bzw die Stellung von entsprechenden Beweisanträgen zu erfolgen.

Mit seinem Vorbringen ist es dem Berufungswerber aber nicht gelungen, mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen, da schon auf Seite 2 der Verlustbestätigung der Berufungswerber aufmerksam gemacht wurde, daß diese Bestätigung spätestens vier Wochen nach dem Tag des Verlustes, dies bei Verlust des Führerscheines, ihre Gültigkeit als Ersatz des verlorenen Dokumentes verliert. Dem Berufungswerber wurde zugleich empfohlen, rechtzeitig die Ausstellung einer Zweitausfertigung zu beantragen.

Mit seinem Vorbringen konnte der Berufungswerber weiters nicht dartun, daß er sich unverzüglich um eine Neuausstellung bzw um ein Duplikat des Behindertenausweises gekümmert hat. Der vom Beschuldigten mit der Berufung übermittelte Antrag vom 6.5.1996 betrifft nämlich nicht die Neuausstellung des in Verlust geratenen Ausweises sondern die "Änderung des Behindertenausweises gemäß § 29b StVO A/BH-702/84". Aus dem Text des Antrages geht weiters hervor, daß der Berufungswerber zwei Wochen zuvor vorgesprochen hat, um eine Änderung des Fahrzeuges bzw des Behindertenausweises vornehmen zu lassen. Der Antrag lautet weiters darauf, daß der Berufungswerber auf Grund der im Antrag geschilderten Situation ersucht, seinen Behindertenausweis gemäß § 29b StVO mit der geänderten Fahrzeugnummer neu auszustellen. Es ist also offenkundig, daß der Berufungswerber sich nicht um ein Duplikat des verloren gegangenen Ausweises bemüht hat, sondern über fünf Monate zuwartete und dann erst die Änderung und Neuausstellung des Ausweises gemäß § 29b StVO beantragte.

Wenn der Berufungswerber mit seinem Vorbringen einen Rechtsirrtum geltend macht, dann ist er zunächst auf § 5 Abs 2 VStG zu verweisen, wonach Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann entschuldigt, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu in ständiger Rechtsprechung erkannt, daß eine Unkenntnis oder eine irrige Auslegung von Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung bei Kraftfahrzeuglenkern nicht als unverschuldet angesehen werden kann.

Zwar vermag die Rechtsauskunft eines Behördenorganes auf die Beurteilung der Schuldfrage dahingehend Einfluß auszuüben, daß der Auskunftsempfänger hinsichtlich der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens in einem schuldausschließenden Irrtum geführt wird, doch muß die unrichtige Auskunft von einem Organ der zuständigen Behörde erteilt worden sein, um Straflosigkeit nach § 5 Abs 2 VStG bewirken zu können.

Nun ist aber einerseits das Vorbringen des Berufungswerbers, die Auskunft, daß der § 29b-Ausweis durch eine Verlustanzeige rechtskräftig ersetzbar sei, stamme von der Magistratsabteilung 67, Parkraumüberwachung, zu ungenau, um es auf seinen Wahrheitsgehalt überprüfen zu können (dazu wären nähere Angaben erforderlich gewesen, wer und in welchem Zusammenhang diese Auskunft erteilt haben soll), andererseits hätten dem Berufungswerber auf Grund von anderen ihn betreffenden Anzeigen Zweifel an der Richtigkeit dieser Auskunft kommen müssen und wäre der Berufungswerber daher gehalten gewesen, bei der zuständigen Behörde, nämlich bei der Behörde, die die Ausweise gemäß § 29b StVO ausstellt, das ist hier die Magistratsabteilung 46, anzufragen. Dies hat der Berufungswerber jedoch offenkundig unterlassen, weshalb ihm der Schuldausschließungsgrund des unverschuldeten Rechtsirrtumes nicht zugutekommt und daher auch vom Vorliegen der subjektiven Tatseite auszugehen ist. Die Abänderung im Spruch diente einer genaueren Tatortumschreibung

Zur Strafbemessung ist folgendes auszuführen:

Die Tat schädigte in nicht unerheblichem Maße das Interesse an der Vermeidung von Verkehrsbeeinträchtigungen und das Interesse an einer ordnungsgemäßen Parkraumbewirtschaftung. Der Unrechtsgehalt der Tat war daher selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen nicht geringfügig.

Das Verschulden des Berufungswerbers kann nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen war, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.

Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kommt dem Berufungswerber nicht mehr zugute. Vier zum Tatzeitpunkt rechtskräftige, auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafen wurden schon zu Recht von der Behörde erster Instanz als erschwerend gewertet.

Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und auf den bis zu S 10.000,-- reichenden gesetzlichen Strafsatz ist die verhängte Geldstrafe - auch unter Berücksichtigung von ungünstigen Einkommensverhältnissen und dem Bestehen von gesetzlichen Sorgepflichten - nicht nur durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, zumal im Verfahren keine besonderen Milderungsgründe hervorgetreten sind, sondern nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien aus spezialpräventiven Gründen in gegebener Höhe durchaus angebracht und kam daher eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafe nicht in Betracht.

Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs 1 und 2 VStG.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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