Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Mag Lammer über die Berufung des Herrn Alfred M, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 21. Bezirk, vom 15.9.1997, Zl MBA 21 - S 8903/97, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach § 367 Z 22 und 25 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) iVm § 29 Z 1 und § 30 Z 2 der Verordnung über die Lagerung von Druckgaspackungen in gewerblichen Betriebsanlagen, BGBl Nr 666/1995, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung vom 4.12.1998, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
Gemäß § 65 VStG wird dem Berufungswerber daher ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens nicht auferlegt.
Begründung:
Das angefochtene Straferkenntnis enthält folgende Tatanlastung:
"Sie haben es als gewerberechtlicher Geschäftsführer (§§ 39 und 370 Abs 2 GewO 1994) der B-GesmbH mit Sitz in N zu verantworten, daß diese in der Zeit von 25.04.1997 bis 27.06.1997 in der Betriebsanlage in Wien, F-straße ca 180 Druckgaspackungen (im Sinne des 1. Abschnittes der Verordnung über die Lagerung von Druckgaspackungen in gewerblichen Betriebsanlagen, BGBl Nr 666/1995), somit in einer Menge die über den voraussichtlichen Tagesbedarf hinausgeht, in Regalen zusammen mit anderen Waren brennbarer Art, nämlich kartonverpackte Produkte gelagert und zum Verkauf bereitgehalten hat, obwohl diese Regale nicht den Bestimmungen der §§ 29 Z1 und 30 Z2 leg cit entsprochen haben, da die Regale als einschalige Blechfachregale, ohne wärmedämmender Ausbildung ausgeführt waren somit 1) die Regale weder aus nicht brennbaren oder schwer brennbaren Baustoffen hergestellt waren und
2) die Fächer, in denen Druckgaspackungen aufgestellt waren, an der Seite ihrer Entnehmeöffnung nicht mit Blenden ausgestattet waren, die ein Übergreifen der Flammen vom unteren Fach auf die Druckgaspackungen im darüberliegenden Fach verhindern."
Der Berufungswerber habe dadurch § 367 Z 22 und 25 GewO 1994 iVm ad 1) § 29 Z 1 und ad 2) § 30 Z 2 der Verordnung über die Lagerung von Druckgaspackungen in gewerblichen Betriebsanlagen, BGBl Nr 666/1995, verletzt, weswegen über ihn gemäß § 367 Einleitungssatz GewO 1994 eine Geldstrafe von S 9.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit 10 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt und ihm ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von S 900,-- auferlegt wurde.
Dagegen richtet sich die vorliegende Berufung, in der der Berufungswerber inhaltliche Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Tatsächlich sei im angefochtenen Straferkenntnis der dem Berufungswerber zur Last gelegte Sachverhalt nicht ausreichend konkretisiert und werde dieser auch bestritten.
Weiters wird eingewendet, dass das Verschulden des Berufungswerbers selbst dann, wenn der ihm zur Last gelegte Sachverhalt zutreffen würde, gering wäre, da der Beschuldigte stets alles in seiner Macht stehende unternommen habe, Verwaltungsübertretungen hintanzuhalten. Er habe insbesondere die ihm unterstehenden Mitarbeiter entsprechend geschult und laufend (zumeist täglich) kontrolliert. Dass es dennoch bisweilen zu Unzulänglichkeiten kommen könne, liege in der auch vom Beschuldigten nicht beseitigbaren Unvollkommenheit seiner Mitarbeiter. Darüber hinaus entspreche die über den Beschuldigten verhängte Strafe - selbst wenn der Sachverhalt vorliegen würde und strafbar wäre - nicht den Strafzumessungsregeln des VStG und sei daher rechtswidrig. Der Berufungswerber habe keine einschlägigen Vorstrafen und hätten die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen keine nachteiligen Folgen nach sich gezogen. Er habe ein durchschnittliches monatliches Einkommen von S 23.000,-- und kein Vermögen. Angesichts eines allfälligen geringen Verschuldens wäre gemäß § 21 VStG von einer Strafe abzusehen. Äußerst hilfsweise werde gerügt, dass die Strafzumessungsregeln des VStG nicht befolgt und die Strafe zu hoch bemessen worden sei. Das angefochtene Straferkenntnis erweise sich aus all den angeführten Gründen als rechtswidrig. Am 4.12.1998 fand vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in der die Berufungsvertreterin ergänzend vorbrachte, dass eine Konkretisierung der Druckgaspackungen nicht erfolgt und darüber nicht angelastet worden sei, dass die Lagerungen in einem Verkaufsraum mit Selbstbedienung erfolgt seien. Auch sei nicht angelastet worden, dass über jenem Fach, in dem die Druckgaspackungen gelagert gewesen seien, auch Druckgaspackungen bereitgehalten worden seien, sodass die Notwendigkeit von Blenden an der Entnahmeöffnung gegeben gewesen sei.
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich folgendes:
Gemäß § 367 Z 22 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit Geldstrafe bis zu S 30.000,-- zu bestrafen ist, wer Bestimmungen von gemäß § 69 Abs 1 oder 2 erlassenen Verordnungen oder die gemäß § 69 Abs 4 erlassenen Aufträge eines Bescheides nicht einhält. Gemäß § 367 Z 25 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit Geldstrafe bis zu S 30.000,-- zu bestrafen ist, wer Gebote oder Verbote von gemäß § 82 Abs 1 oder § 82a Abs 1 erlassenen Verordnungen nicht befolgt oder die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 und 359b in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält. Die §§ 29 und 30 der Verordnung über die Lagerung von Druckgaspackungen in gewerblichen Betriebsanlagen 1995, für die sowohl die Verordnungsermächtigung des § 69 Abs 1 als auch des § 82 Abs 1 GewO 1994 herangezogen wurden, lauten:
"§ 29. Werden in Verkaufsräumen mit Selbstbedienung durch Kunden DP 1 in Mengen zum Verkauf bereitgehalten, die über den voraussichtlichen Tagesbedarf hinausgehen (§ 26 Abs 2), so müssen die Regale für die DP 1 wie folgt hergestellt und aufgestellt sein:
1. Die Regale müssen aus nicht brennbaren oder schwer brennbaren Baustoffen, zB Holzverbundplatten, hergestellt sein;
2. in Regalen dürfen jeweils außer DP 1 nur unverpackte nicht brennbare Waren gelagert werden;
3. im Umkreis von 2 m dürfen keine leicht entzündbaren Stoffe und Waren vorrätig gehalten werden; der Sicherheitsabstand von 2 m darf an drei Seiten des Regals (Hinterwand sowie die beiden Seitenwände) durch Wände aus wärmedämmenden Materialien ersetzt sein."
"§ 30. Werden in Verkaufsräumen mit Selbstbedienung in einem Regal DP 1 zusammen mit anderen Waren brennbarer Art gelagert, so müssen diese Regale dem § 29 entsprechen und außerdem noch wie folgt gestaltet und verwendet sein:
1. Fächer, in denen DP 1 aufgestellt sind, müssen so wärmedämmend ausgebildet sein, dass sie den Durchgang von Brandhitze von unten her unterbinden.
2. Fächer, in denen DP 1 aufgestellt sind, müssen an der Seite ihrer Entnahmeöffnung mit Blenden ausgestattet sein, die ein Übergreifen von Flammen vom unteren Fach auf DP 1 im darüberliegenden Fach verhindern.
3. Eine gemeinsame Lagerung von DP 1 und anderen Waren in einem Regalfach ist unzulässig."
Dem angefochtenen Straferkenntnis liegen die Erhebungsberichte der MA-36 A vom 18.3.1997 und 1.7.1997 zugrunde, wonach am 18.3.1997 ca 180 DP 1 im Verkaufsraum zum Verkauf bereit gehalten worden und am 27.6.1997 ca 200 Stück DP 1 für Kunden zur freien Entnahme aufgestellt gewesen seien, wobei die vorgefundenen DP 1, bei welchen es sich zumeist um Produkte wie Föhn- und Rasierschäume und Deosprays gehandelt habe, zusammen mit anderen Waren brennbarer Art (zB kartonverpackten Produkten) auf einschaligen Blechfachregalen, die nicht wärmedämmend ausgebildet gewesen seien, gelagert gewesen seien.
Der im vorliegenden Fall herangezogene § 30 der Verordnung über die Lagerung von Druckgaspackungen in gewerblichen Betriebsanlagen 1995 findet lediglich Anwendung, wenn "in Verkaufsräumen mit Selbstbedienung" DP 1 in einem Regal zusammen mit anderen Waren brennbarer Art gelagert werden. Nur in diesem Fall müssen die Regale den §§ 29 Z 1 bis 3 und 30 Z 1 bis 3 leg cit entsprechend hergestellt, aufgestellt, gestaltet und verwendet sein. Dass "DP 1 in Mengen zum Verkauf bereitgehalten werden, die über den voraussichtlichen Tagesbedarf hinausgehen (§ 26 Abs 2 leg cit)" ist jedoch - abgesehen davon, dass in den die gegenständliche Betriebsanlage betreffenden Betriebsanlagengenehmigungsbescheiden eine Festlegung des voraussichtlichen Tagesbedarfes hinsichtlich der Bereithaltung von DP 1 im Verkaufsraum entgegen der diesbezüglichen Tatanlastung nicht erfolgt ist - keine Voraussetzung für eine unmittelbare Anwendung des § 30 leg cit. Da das Tatbild des § 367 Z 22 und 25 GewO 1994 iVm § 30 der Verordnung über die Lagerung von Druckgaspackungen in gewerblichen Betriebsanlagen 1995 eben nur dann erfüllt ist, wenn DP 1 zusammen mit anderen Waren brennbarer Art in einem Regal "in Verkaufsräumen mit Selbstbedienung" gelagert werden, wäre im Spruch nicht bloß die Lagerung und Bereithaltung zum Verkauf von (darüber hinaus auch nicht näher bezeichneten) DP 1 zusammen mit anderen Waren brennbarer Art anzuführen gewesen, sondern wäre es zudem erforderlich gewesen, anzulasten, dass die gegenständliche Lagerung - entsprechend den diesbezüglichen, im Erhebungsbericht vom 1.7.1997 enthaltenen Angaben - in einem Verkaufsraum mit Selbstbedienung erfolgt ist.
Da der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses mangels solcher Angaben nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG entspricht und diesbezüglich innerhalb der Verfolungsverjährungsfrist keine geeignete Verfolgungshandlung gesetzt worden ist, war das angefochtene Straferkenntnis bereits aus diesem Grund zu beheben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen.