TE UVS Steiermark 2002/02/25 30.15-83/2001

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Veröffentlicht am 25.02.2002
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Renate Merl über die Berufung des Arbeitsinspektorates Graz vom 23.11.2001 gegen den Einstellungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Liezen, Politische Expositur Bad Aussee, vom 9.11.2001, GZ.: 15.1 2000/873, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird die Berufung abgewiesen.

Text

Mit Bescheid vom 9.11.2001, GZ.: 15.1 2000/873, stellte die belangte Behörde das Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich der Übertretung der §§ 34 Abs 1 Z 2 AM-VO 2000, BGBl. II Nr. 164 idgF, sowie § 68 Abs 4 und § 17 Abs 4 BauV 1994, BGBl. Nr. 140 idgF (dies entspricht den Punkten 1.), 2.) und 5.) der Anzeige des AI vom 30.10.2000, GZ.: 1218/426-12/00) ein. Hinsichtlich der verbleibenden Punkte 3.) und 4.) der gegenständlichen Anzeige wurde das Verfahren in erster Instanz fortgesetzt. Die belangte Behörde begründete ihre Verfahrenseinstellung damit, dass wegen der gleichen Übertretungen gegen den Beschuldigten beim BG ein Strafverfahren durchgeführt wurde, welches mit Diversion gemäß § 90c Abs 5 StPO endete. Es liege somit Gerichtszuständigkeit vor, weshalb das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich der obgenannten drei Punkte einzustellen sei.

Die mitbeteiligte Partei begründete ihre dagegen eingebrachte Berufung damit, dass § 130 ASchG keine Subsidiaritätsklausel zu Gunsten einer Gerichtszuständigkeit enthalte und somit nicht ex lege gegen das Doppelbestrafungsverbot des Artikel 7 ZPMRK verstoße. Es sei vielmehr im Sinne der einschlägigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs und Verwaltungsgerichtshofs in jedem Einzelfall zu prüfen, ob wirklich das selbe Verhalten Gegenstand des gerichtlichen Strafverfahrens und des anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens war. Im Anlassfall sei die Staatsanwaltschaft durch Diversion von der Verfolgung zurückgetreten und seien die gegenständlichen Übertretungen somit jedenfalls als Verwaltungsübertretung ahndbar. Hinsichtlich der Punkte 1.) und 2.) ist aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes unter Verwertung der im Parallelverfahren GZ.: UVS 30.15-27/2001 betreffend H S beigeschafften Stellungnahme des ZAI vom 13.6.2001 sowie dem beigeschafften Akt des BG von nachstehender Sach- und Rechtslage auszugehen: Zu Punkt 1.) (Übertretung des § 34 AM-VO):

Mit Schreiben vom 30.10.2000 wurde vom Arbeitsinspektorat unter Tatbestand 1 zur Anzeige gebracht, dass die Alu-Anlegeleitern der Konsolleitergerüste, welche rechts und links des Hauseinganges (hofseitig) aufgestellt waren, nicht gegen Abgleiten gesichert waren. Angezogen wurde als übertretene Verwaltungsvorschrift die Bestimmung des § 74 Abs 1 BauV, BGBl. Nr. 340/1994, wonach Leitern so aufgestellt sein müssen, dass sie gegen Abgleiten gesichert sind. Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 2.1.2001 änderte der Strafreferent der belangten Behörde sowohl die übertretene Verwaltungsvorschrift (zum Tatzeitpunkt war bereits die Bestimmung des § 34 ArbeitsmittelVO in Kraft), als auch den Tatvorwurf wie folgt: Sie haben als persönlich haftender Gesellschafter und somit als zur Vertretung nach

außen Berufener und gemäß § 9 VStG

verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der Firma S & L OEG

nicht dafür Sorge getragen, dass den Bestimmungen der Arbeitsmittelverordnung entsprochen wurde. Wie anlässlich einer

vom zuständigen

Arbeitsinspektionsorgan Ing. H durchgeführten

Unfallserhebung festgestellt wurde,

waren die Sprossen der Alu-Anliegeleiter der Konsolleitergerüste, welche rechts und

links des Hauseinganges (hofseitig) aufgestellt waren, nicht

trittsicher.

Dadurch wurden folgende Rechtsvorschriften

verletzt:

§ 34 Abs 1 Ziff. 2 Arbeitsmittelverordnung. Dieser Tatvorwurf wurde auch in das angefochtene Straferkenntnis übernommen. Im Zuge des Verfahrens hat sich herausgestellt, dass der Arbeitsinspektor anlässlich der Unfallserhebung beanstandet hat, dass die als Aufstiegshilfe dienenden Anlegeleitern nicht gegen Abgleiten (dh Wegrutschen) gesichert waren. Dies wurde vom Strafreferenten der belangten Behörde offenbar missverstanden, indem er den Tatvorwurf dahingehend änderte, dass die Sprossen dieser Anlegeleitern nicht trittsicher (dh brüchig, rutschig, vereist, etc.) waren. Die ursprünglich angezeigte Übertretung, dass nämlich die Anlegeleitern mangels Befestigung nicht gegen Wegrutschen gesichert waren, ist dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist niemals vorgehalten worden und ist eine Korrektur des Tatvorwurfes im Berufungsverfahren nicht mehr möglich, da es sich um zwei völlig unterschiedliche Tatbilder handelt, deren Auswechslung nach Ablauf der Frist für die Verfolgungsverjährung nicht mehr möglich ist. Hinzu kommt, dass das Verfahren ergeben hat, dass der somit versehentlich zum Inhalt des ersten Spruchpunktes gewordene Tatvorwurf, dass die Sprossen der Anliegeleiter nicht trittsicher waren, zu Unrecht erhoben wurde, da die Sprossen der Anliegeleitern nach Aussage des anzeigenden Arbeitsinspektors am Kontrolltag trittsicher waren. Zusammenfassend folgt daraus, dass das Verfahren in diesem Punkt einzustellen war, da der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Übertretung des § 34 Abs 1 Z 2 ArbeitsmittelVO nicht begangen hat. Da die belangte Behörde somit hinsichtlich dieses Punktes das gegen den Beschuldigten eingeleitete Strafverfahren zu Recht eingestellt hat, war die dagegen eingebrachte Berufung des AI abzuweisen. Zu Punkt 2.) (Übertretung des § 68 Abs 4 BauV):

Hinsichtlich des vom Beschuldigten vorgebrachten Einwandes, er habe sich, was den Abstand der Gerüstkonsolen anbelangt, ohnedies im Sinne von § 17 Abs 4 BauarbeiterschutzVO an die sicherheitstechnischen Anforderungen des Herstellers (Vertreibers) gehalten wurde im Berufungsverfahren eine Stellungnahme des ZAI eingeholt. In seiner Stellungnahme vom 13.6.2001 führt das ZAI aus, dass es sich bei der gegenständlichen WAKÜ-Arbeitsbühne weder um ein Konsolgerüst im Sinne des § 68 BauarbeiterschutzVO, noch um ein Gerüst sonstiger Bauart, sondern lediglich um eine an Leitern zu befestigende Plattform handelt. Da der Einsatz dieser Arbeitsbühne durch die BauV nicht geregelt wird, ist § 17 Abs 4 BauV anzuwenden, festgelegt wird, dass die vom Hersteller (Erzeuger oder Vertreiber) vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen einzuhalten sind. Da laut sicherheitstechnischer Anforderung des Herstellers bzw Vertreibers ein Konsolabstand von bis zu 4 m zulässig ist und dieser Konsolabstand bei der Aufstellung nicht überschritten wurde, wurde die "Arbeitsbühne" im Sinne von § 17 Abs 4 BauarbeiterschutzVO und der dazu ergangenen Stellungnahme des ZAI ohnedies korrekt aufgestellt. Insbesondere liegt der von der belangten Behörde angezogene Verstoß gegen § 68 Abs 4 BauarbeiterschutzVO nicht vor, da diese Bestimmung auf die gegenständliche Arbeitsbühne gar nicht anzuwenden ist. Da der Beschuldigte somit die ihm hinsichtlich dieses Punktes angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, hat die belangte Behörde das Verfahren zu Recht eingestellt, weshalb die dagegen eingebrachte Berufung des AI abzuweisen war. Zu Punkt 5.) (Übertretung des § 17 Abs 4 BauV): Unter Tatbestand 5 der Anzeige des AI vom 30.10.2000 wurde dem Beschuldigten zur Last gelegt, dass die im Tatbestand 1 genannten Gerüstkonsolen (Marke: WAKÜ) nicht nach den vom Erzeuger/Vertreiber vorgeschriebenen sicherheitstechnischen Anforderungen in Verwendung waren bzw aufgestellt waren, da vom Erzeuger/Vertreiber die Gerüstkonsolen nur bis zu einer Aufbauhöhe von max. 7 m aufgestellt werden dürfen. Im gegenständlichen Fall betrug die Aufbauhöhe (Terrain - Gerüstboden) 8,2 m. Wegen dieser Übertretung des § 17 Abs 4 BauV, wonach die vom Hersteller (Erzeuger oder Vertreiber) vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen einzuhalten sind, wurde die Verhängung einer Strafe von S 20.000,-- (? 1.453,46) beantragt. Hiebei wurde die Tatsache, dass beim Einsturz des Gerüstes zwei Arbeitnehmer zum Teil schwere Verletzungen erlitten, als erschwerend gewertet. Da beim Zusammenbruch der WAKÜ-Arbeitsbühne die zu diesem Zeitpunkt gerade auf der Arbeitsbühne befindlichen Arbeitnehmer M G und I P verletzt wurden, stellte die Staatsanwaltschaft vertreten durch Bezirksanwalt E P am 28.12.2000 beim BG einen Bestrafungsantrag wegen des Verdachtes des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 StGB. In diesem Bestrafungsantrag wird die Tathandlung wie folgt umschrieben: C L wird vorgeworfen, er habe als Verantwortlicher für die Errichtung des Konsolgerüstes wesentliche

Arbeitnehmerschutzbestimmungen nicht beachtet,

sodass das Baugerüst in sich zusammenbrach und die am Gerüst stehenden Personen M G und I P ca. 8 m abstürzten. Daraufhin leitete das BG ein Verfahren ein und schaffte diverse Unterlagen (Gendarmerieanzeige, Verletzungsanzeige, diverse Niederschriften) bei. Mit Schreiben vom 6.11.2000 wurde der Gendarmerieposten von der Staatsanwaltschaft um die Durchführung weiterer Erhebungen dahingehend ersucht, wer für die Errichtung des gegenständlichen Leitergerüstes verantwortlich war. Im Zuge dieser Erhebungen stellte sich C L, nicht zuletzt aufgrund seiner eigenen Aussage vom 13.11.2000 als Verantwortlicher heraus. Am 7.3.2001 fand vor dem BG die Hauptverhandlung statt. Dem im Gerichtsakt enthaltenen Protokoll ist lediglich zu entnehmen, dass nach dem Vortrag der Anklage durch den Bezirksanwalt der Beschuldigte dahingehend verständigt wurde, dass das Gericht im gegenständlichen Fall die Anwendung der Diversion beabsichtige, wobei eine Geldbuße in Höhe von S 10.000,-- und Pauschalgebühren in Höhe von S 1.000,--, insgesamt daher S 11.000,-- beabsichtigt seien und der Beschuldigte sich mit der Anwendung der Diversion einverstanden erklärte. Die entsprechenden Beträge wurden auch bereits bezahlt. Die einschlägigen, im Folgenden auszugsweise wiedergegebenen Bestimmungen der StPO haben folgenden Wortlaut: § 90 (1) Findet der Staatsanwalt nach Prüfung der Anzeige oder der Akten der - nötigenfalls auf seine Veranlassung zu ergänzenden - Vorerhebungen genügende

Gründe, wider eine bestimmte Person das Strafverfahren zu veranlassen, so bringt

er entweder den Antrag

auf Einleitung der Voruntersuchung (§ 91) oder die Anklageschrift ein. Im entgegengesetzten Falle legt er die an

ihn gelangte Anzeige

mit kurzer Aufzeichnung der ihn dazu

bestimmenden Erwägungen zurück und

übersendet dem Untersuchungsrichter die Akten der Vorerhebungen mit der Bemerkung, dass er keinen Grund zur weiteren Verfolgung finde.

Der

Untersuchungsrichter hat in diesem Falle die Vorerhebungen

einzustellen und den

etwa verhafteten Beschuldigten sofort auf

freien Fuß zu setzen. § 90a (1) Der Staatsanwalt hat nach diesem Hauptstück vorzugehen und von der Verfolgung einer strafbaren

Handlung zurückzutreten, wenn auf Grund hinreichend

geklärten

Sachverhalts feststeht, dass ein Zurücklegen der Anzeige nach § 90 nicht

in Betracht kommt, eine Bestrafung jedoch im Hinblick auf

1.

die Zahlung eines Geldbetrages (§ 90c) oder

2.

die Erbringung gemeinnütziger Leistungen (§ 90d) oder

 3. die Bestimmung einer Probezeit, allenfalls in Verbindung mit Bewährungshilfe und

der

 4. Erfüllung von Pflichten (§ 90f)

oder

einen außergerichtlichen Tatausgleich (§ 90g)

nicht

geboten erscheint, um den Verdächtigen von strafbaren Handlung

abzuhalten

oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. § 90b (1) Das Gericht hat die für den Staatsanwalt geltenden Bestimmungen dieses Hauptstückes

sinngemäß anzuwenden und nach Einleitung der Voruntersuchung oder Erhebung der Anklage das Verfahren wegen einer von Amts wegen zu

verfolgenden strafbaren Handlungen unter den für den Staatsanwalt geltenden

Voraussetzungen bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss

einzustellen. Im vorliegenden

Fall folgt aus dem beigeschafften Gerichtsakt zunächst, dass im Falle des Herrn C L die Diversion gemäß § 90b StPO auf Vorschlag des Gerichtes und nicht der Staatsanwaltschaft angewendet wurde, da der Bezirksanwalt einen Bestrafungsantrag gestellt hatte und die Diversionsmaßnahme in der Hauptverhandlung vom Richter vorgeschlagen wurde (siehe auch Hauptverhandlungsprotokoll: "Das Gericht beabsichtigt die Anwendung der Diversion"). Bei der Diversion handelt es sich um eine mit BGBl. I Nr. 55/99 neu geschaffene Variante des außergerichtlichen Tatausgleichs, welche den Erläuternden Bemerkungen zufolge (RV 1581 Blg NR XX GP) vor allem bei Delikten mit geringerem Unrechtsgehalt - als Hauptanwendungsfall wird der "Ladendiebstahl" genannt -, zur Anwendung kommen soll. Den Erläuterungen zufolge, sind alle Diversionsvarianten zunächst dadurch begrenzt, dass dem Verdächtigen keine schwere Schuld zur Last fallen darf und überdies keine Bedenken gegen die Anwendung diversioneller Maßnahmen aus Gründen der General- oder Spezialprävention bestehen dürfen. Weiters vorausgesetzt wird, dass der Sachverhalt hinreichend geklärt ist und somit im Fall des Unterbleibens einer diversionellen Erledigung in der Regel Anklage zu erheben sein wird. Ziel der Diversion ist eine Entkriminalisierung, da mit der Bezahlung der "Geldbuße" die formelle Verurteilung und eine Eintragung ins Strafregister unterbleibt. Aus § 90a Abs 1 StPO folgt weiters, dass die Anwendung der Diversion nur dann in Betracht kommt, wenn aufgrund hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, dass ein Zurücklegen der Anzeige nach § 90 nicht in Betracht kommt. Dies bedeutet, dass der Staatsanwalt oder gemäß § 90b leg cit der Richter von der Diversion nur dann Gebrauch machen darf, wenn er nach Prüfung der Anzeige und allfälliger Vorerhebungen genügende Gründe findet, wider eine bestimmte Person das Strafverfahren zu veranlassen und somit aufgrund des hinreichend geklärten Sachverhalts zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Beschuldigte tatbildmäßig und schuldhaft im Sinne der Anklage gehandelt hat. Daraus folgt, dass es sich bei der Diversion jedenfalls um eine Maßnahme handelt, welche zum Unterschied von der Zurücklegung der Anzeige gemäß § 90 StPO in einem bereits anhängigen Strafverfahren gesetzt wurde, welches, hätte der Beschuldigte die Geldbuße nicht angenommen, mit einer Bestrafung geendet hätte (vgl. P in M/S Hg, Diversion, Ein anderer Umgang mit Straftaten, Wien 1999, wonach Geldbußen nicht von Unschuldigen bezahlt werden sollen, sondern von jenen, die in der Einsicht ihrer Schuld eine Bestrafung verhindern wollen). Zusammenfassend folgt daraus, dass C L wegen des Verdachtes des Vergehens nach § 88 Abs 1 und 4 StGB im Sinne des Artikel 4 7. ZPMRK jedenfalls schon einmal "vor Gericht gestanden" ist. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf die neue Judikatur des EGMR, Verfahren F gegen Österreich (Beschwerde Nr. 37950/97) in welchem der Gerichtshof ausgesprochen hat, dass Artikel 4 7. ZPMRK sich nicht auf das Recht beschränkt, nicht zwei Mal bestraft zu werden, sondern auch das Recht betrifft, nicht zwei Mal vor Gericht gestellt zu werden. Allerdings ist auch in jenen Fällen, in welchen ein zweimaliges vor Gericht stehen zu bejahen ist, zu prüfen, ob die strafbare Handlung, welche Gegenstand des Gerichtsverfahrens war und die gegenständliche Verwaltungsübertretung die gleichen wesentlichen Tatbestandsmerkmale aufweisen oder nicht. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf die Grundsatzentscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 7.10.1998, wonach die fehlende Subsidiaritätsklausel in Artikel 130 ASchG nicht gegen das Doppelverwertungsverbot verstößt, jedoch in jedem Einzelfall geprüft werden muss, ob wirklich das selbe Verhalten Gegenstand des gerichtlichen Strafverfahrens war. In dem zitierten Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung aufgrund des Artikel 4 des 7. ZPMRK erst dann unzulässig wird, wenn sie bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war; dies ist der Fall, wenn der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodass ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfasst. Wendet man nun diese Prüfkriterien auf den Bestrafungsantrag des Bezirksanwalts vom 28.12.2000 an, so zeigt sich, dass tatsächlich die selbe Tat Gegenstand des Gerichtsverfahrens war. Auch im Gerichtsverfahren wurde nämlich C L vorgeworfen, er habe als Firmenverantwortlicher bei der Errichtung des Konsolgerüstes wesentliche Arbeitnehmerschutzbestimmungen nicht beachtet, sodass das Baugerüst in sich zusammenbrach und die am Gerüst stehenden Personen ca. 8 m abstürzten. Das Gericht ging bei dieser Tatumschreibung somit offensichtlich davon aus, dass die Missachtung wesentlicher Arbeitnehmerschutzvorschriften kausal für den Zusammenbruch der Arbeitsbühne war und der Beschuldigte durch genau dieses Verhalten das Delikt der fahrlässigen Körperverletzung verwirklicht hat. Diese Tatumschreibung umfasst im Ergebnis in etwas allgemeinerer Form auch den Tatvorwurf des § 17 Abs 4 BauV, wonach die Gerüstkonsolen unzulässigerweise in 8 m Höhe, statt in max. 7 m Höhe eingehängt waren. Dass der Strafantrag des Bezirksanwaltes die Bestimmung des § 17 Abs 2 BauV nicht wörtlich nennt, schadet hiebei nicht, da es im gegebenen Zusammenhang nur auf die Umschreibung des Tatverhaltens, nicht jedoch auf dessen rechtliche Subsumtion ankommt. Zusammenfassend folgt daraus, dass das Körperverletzungsdelikt, wie es durch den Strafantrag des Bezirksanwaltes umschrieben wurde, im Sinne der zitierten VfGH-Entscheidung bereits den vollen Unrechts- und Schuldgehalt des in Rede stehenden Straftatbestandes des § 130 ASchG enthält und somit kein zusätzliches Strafbedürfnis aufgrund desselben Tatverhaltens besteht. Dass die vom Beschuldigten bezahlte Geldbuße nur 50 % des Strafantrages des Arbeitsinspektorates umfasst, vermag daran nichts zu ändern, da das Verwaltungsstrafrecht keine Zusatzstrafe kennt und Geldbußen bei Anwendung diversioneller Maßnahmen ohnedies so zu bemessen sind, dass sie in etwa jener Summe entsprechen, die dem Verdächtigen im Falle einer Verurteilung zu einer (unbedingten) Geldstrafe zur Last fallen würde (P in M/S, 100). Die belangte Behörde hat somit zu Recht das Verfahren auch hinsichtlich dieses Punktes eingestellt, weshalb die Berufung des AI gegen den Einstellungsbescheid abzuweisen war. - 6 - __

Schlagworte
Gerüste Doppelverfolgung Doppelbestrafung Diversion Geldbuße Tatidentität
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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