TE UVS Steiermark 2004/11/18 42.3-5/2004

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Veröffentlicht am 18.11.2004
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erich Kundegraber über die Berufung des G R A, vertreten durch Mag. R E, Rechtsanwältin in H, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 15. Juli 2004, GZ.: 11.1 509/2004, wie folgt entschieden: Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) wird der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

Text

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Berufungswerber aufgetragen, gemäß § 4 Abs 3 FSG eine Nachschulung für die Klasse B zu absolvieren und wurde dadurch die Probezeit bis 11. Oktober 2005 verlängert. Es wurde ihm angedroht, dass er im Falle der Nichtfolgeleistung der Anordnung binnen vier Monaten oder wenn die Mitarbeit bei der Nachschulung unterlassen wird, die Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs 3 FSG bis zur Befolgung der Anordnung entzogen würde. Zudem wurde ihm aufgetragen, gemäß § 4 Abs 3 leg cit den Führerschein binnen zwei Wochen vorzulegen. Gemäß § 4 Abs 3 FSG ist von der Behörde unverzüglich eine Nachschulung anzuordnen, wenn der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der Probezeit einen schweren Verstoß (Abs 6) oder gegen die Abs 7 verstößt, wobei die Rechtskraft der Bestrafung wegen eines schweren Verstoßes abzuwarten ist. Berufungen gegen die Anordnungen der Nachschulung haben keine aufschiebende Wirkung. Mit der Anordnung der Nachschulung verlängert sich die Probezeit jeweils um ein weiteres Jahr oder es beginnt eine neuerliche Probezeit von einem Jahr, wenn die Probezeit in der Zeit zwischen der Deliktssetzung und der Anordnung der Nachschulung abgelaufen ist; die Verlängerung oder Neubeginn der Probezeit ist von der Wohnsitzbehörde, dem Zentralen Führerscheinregister (§ 17) zu melden und in den Führerschein einzutragen. Der Besitzer des Probeführerscheines hat diesen der Wohnsitzbehörde zwecks Eintragung vorzulegen. Gemäß § 4 Abs 7 leg cit darf der Lenker während der Probezeit ein Kraftfahrzeug nur in Betrieb nehmen und lenken, wenn der Alkoholgehalt des Blutes nicht mehr als 0,1 g/l (0,1 Promille) oder der Alkoholgehalt der Atemluft nicht mehr als 0,05 mg/l beträgt. Er darf während der Fahrt - einschließlich der Fahrtunterbrechungen - keinen Alkohol zu sich nehmen. Verstöße gegen diese Bestimmung sind nur mit Anordnung einer Nachschulung (Abs 3) zu ahnden, sofern nicht auch ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) oder § 14 Abs 8 vorliegt. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht hervor, dass laut Anzeige des Gendarmeriepostens Hartberg vom 9. Juli 2004 der Berufungswerber am 3. Juli 2004, gegen 04.40 Uhr, im Gemeindegebiet von Greinbach, auf der Gemeindestraße, vor der Diskothek "E" ein Kraftfahrzeug mit einem Alkoholgehalt von 0,04 mg/l (Alkotest um 06.59 Uhr) gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verursacht hat. Im Rahmen des Berufungsvorentscheidungsverfahrens holte die belangte Behörde ein amtsärztliches Gutachten vom 11. August 2004 ein, wonach "der bei einem Mindestabbau errechnete Atemalkoholgehalt ein Wert von 0,192 mg/l ergab. Wird dieser Wert um 0,097 mg/l, die sich durch Berücksichtigung des Nachtrunkes ergeben haben, reduziert, so errechnet sich zum Unfallzeitpunkt ein Atemalkoholgehalt von mindestens 0,095 mg/l, im ungünstigsten 0,209 mg/l. Im Rahmen des Berufungsverfahrens wurde ein neuerliches medizinisches Gutachten, erstellt von Dr. G S, vom 11. November 2004 eingeholt und hat dies nachfolgenden Inhalt: Um 06.59 Uhr bzw. 07.00 wurde eine Atemalkoholkonzentration von 0,04 mg/l und 0,05 mg/l mittels Siemens Alcomat ermittelt. Basierend auf den Ausführungen von Stradal in Handbuch des Verkehrsunfalls, 5. Teil, Manz-Verlag 2003 entspricht dies einer mittleren Blutalkoholkonzentration von 0,09 Promille bzw. einer nach unten korrigierten BAK von 0,04 Promille und einer nach oben korrigierten BAK von 0,14 Promille. Allgemein kann ausgeführt werden, dass der stündliche Alkoholabbau ß60 zwischen mindestens 0,1 Promille und höchstens 0,2 Promille pro Stunde betragen kann und diese Werte auch für die Rückrechnung gutachterlich heranzuziehen sind. In der Spätphase der Alkoholeliminationskurve erfolgt der Alkoholabbau aber nicht mehr linear, sondern exponentiell ausschleichend (Penning, Rechtsmedizin, Unimed Verlag 1996 S. 265). Bei einem Blutalkoholspiegel unter 0,20 Promille kann das ß 60 deutlich kleiner als 0,10 sein. Es ist deshalb eine Rückrechnung von einem nach unten korrigierten Blutalkoholwert unter 0,20 Promille nicht zulässig (Stradal in Fucik Hartl Schlosser, Handbuch des Verkehrsunfalls 5. Teil, Manz Verlag 2003 Rz II/61). Da im gegenständlichen Fall die gemessene AAK von 0,04 mg/l deutlich unter 0,20 Promille liegt und sich somit der BW mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in der Spätphase der Alkoholeliminationskurve befunden hat, kann hier aufgrund des exponentiell ausschleichenden Verlaufes der Abbaukurve seriöserweise nicht linear auf den Vorfallszeitpunkt rückgerechnet werden, da es hier zu einer erheblichen Benachteiligung des Probanden kommen würde. Wurden zwischen 22.00 Uhr und 24.00 Uhr des Vortages 1 Glas Bier (0,3 Liter, 5 Vol%), 1 Stamperl Schnapslikör (2 cl 40 Vol%), sowie 1 Fläschchen Eristoff Ice (275 ml, 5 Vol%) getrunken, so wurden insgesamt etwa 29,4 g reiner Alkohol zugeführt. Wurden zu diesen Getränken keine Speisen konsumiert, so muss zugunsten des Probanden nur ein sehr kleines Resorptionsdefizit von etwa 5 % angenommen werden. Bei einem 75 kg schweren und 180 cm großen männlichen Erwachsenen (r = 0,70) können 28 g reiner Alkohol nach Widmark eine BAK von 0,57 Promille bedingen. Zwischen Trinkbeginn 22.00 Uhr und Fahrtzeitpunkt 04.40 Uhr sind 6 Stunden und 40 Minuten vergangen, und werden in dieser Zeit mindestens 0,67 Promille und maximal 1,33 Promille abgebaut. Entsprechen diese Trinkmengen dem tatsächlich konsumierten Alkohol, so kann zum Fahrtzeitpunkt 04.40 daher von einer Blutalkoholkonzentration von 0,0 Promille ausgegangen werden. Nach Angaben des Berufungswerbers wurde gegen 06.00 Uhr ein Nachtrunk von etwa 150 ml Sekt (durchschnittlich 11 Vol%) zugeführt. Analog obigen Berechnungsvorganges kann diese Alkoholmenge beim Berufungswerber eine Blutalkoholkonzentration von 0,26 Promille hervorrufen. Unter Zugrundelegung einer minimalen stündlichen Alkoholeliminationsrate von 0,1 Promille und einer maximalen Abbaurate von 0,2 Promille wäre zum Messzeitpunkt 7.00 Uhr, d. h. eine Stunde später eine Blutalkoholkonzentration zwischen grob 0,06 und 0,16 Promille zu erwarten, was in etwa der gemessenen Atemalkoholkonzentration entspricht. Somit können die Angaben des Berufungswerbers ärztlicherseits rechnerisch nachvollzogen werden.

Zusammenfassend kann medizinischerseits unter Bezug auf das oben Angeführte und nach Analyse des Sachverhaltes die tatsächliche Alkoholisierung des BW zum Unfallszeitpunkt mit einer für ein Strafverfahren notwendigen Genauigkeit nicht weiter aus dem Alkomatmessergebnis errechnet werden, da sich der BW mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in der exponentiell verlaufenden Spätphase der Alkoholeliminationskurve befunden hat und eine lineare Rückrechnung auf den Vorfallszeitpunkt ärztlicherseits ohne Benachteiligung des Probanden nicht möglich ist. Die Trinkmengenangaben des Berufungswerbers sind rechnerisch nachvollziehbar und lässt sich anhand dieser Angaben eine Blutalkoholkonzentration von annähernd 0,0 Promille für den Lenkzeitpunkt 04.40 Uhr errechnen. In dem logisch und nachvollziehbaren Gutachten des beigezogenen ärztlichen Sachverständigen geht klar hervor, dass eine lineare Rückrechnung auf den Vorfallszeitpunkt nicht möglich ist (siehe auch die dort genannte wissenschaftliche Literatur). Somit war davon auszugehen, dass der Berufungswerber zum Tatzeitpunkt einen unter 0,05 mg/l Atemalkoholwert aufwies, wobei noch bemerkt wird, dass die Angaben des Berufungswerbers aufgrund des medizinischen Sachverständigengutachtens nachvollziehbar sind und im Gutachten zum Tatzeitpunkt von einer Blutalkoholkonzentration von 0,0 Promille ausgegangen wird. Somit waren die Voraussetzungen des § 4 Abs 7 FSG nicht mehr gegeben. Dem Berufungsantrag, den angefochtenen Bescheid insofern abzuändern, als dieser ersatzlos behoben werde, wird daher aus obigen Gründen stattgegeben.

Schlagworte
Blutalkoholwert Atemalkoholwert Rückrechnung Alkoholabbau
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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