TE UVS Niederösterreich 2008/01/29 Senat-FR-08-1016

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Veröffentlicht am 29.01.2008
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Spruch

Der Beschwerde wird gemäß §67c Abs3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 ? AVG iVm §83 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 ? FPG stattgegeben.

 

Gemäß §83 Abs4 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen derzeit nicht vorliegen.

 

Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat dem Beschwerdeführer gemäß §79a AVG iVm der UVS Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 334/2003, den Schriftsatzaufwand in Höhe von ? 661,80 zuzüglich der mit Zustellung dieser Entscheidung gemäß §11 Abs1 Z1 des Gebührengesetzes 1957 iVm GebG-ValV 2007 fällig werdenden Gebühr in der Höhe von ? 13,20, insgesamt ? 675,-- innerhalb von zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich folgender Sachverhalt:

 

Der Beschwerdeführer, ein Tschetschene reiste nach eigenen Angaben am 10.12.2007 in das Bundesgebiet illegal ein und stellte am 11.12.2007 in Traiskirchen einen Asylantrag.

 

Anlässlich der Erstbefragung gab er an, dass er am 09.09.2007 von Grosny mit einem Zug nach Weißrussland gefahren sei, in Terespol einen Asylantrag gestellt habe, sich danach bei Bekannten privat in Warschau aufgehalten habe und am 08.12.2007 auf der Ladefläche eines LKWs versteckt nach Österreich weitergefahren sei. In Österreich habe er einen Bruder, den er seit fünf Jahren nicht mehr gesehen habe und zwei Tanten. Über den Stand des Asylverfahrens in Polen könne er keine Auskunft geben, er sei nicht ins Flüchtlingslager gegangen und auch nicht einvernommen worden.

 

Im Rahmen seiner Einvernahme anlässlich der Verhängung der Schubhaft gemäß §76 Abs2 FPG am 11.12.2007 führte er weiter aus, dass er für die Schleppung ? 400,-- bezahlt habe, sein Auslandsreisepass in Polen verblieben sei und er seine Identität mit der Kopie seines Inlandsreisepasses beweisen könne. Wohnen könne er bei seinem Bruder, wo dieser wohne wisse er allerdings nicht.

 

Mit Bescheid vom 11.12.2007 ordnete die Bezirkshauptmannschaft X die Anhaltung gemäß §76 Abs2 Z4 FPG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß §10 Asylgesetz und der Abschiebung an.

 

Seit 11.12.2007 befindet sich der Beschwerdeführer in Schubhaft, die im PAZ Hernals vollzogen wird.

 

Am 21.12.2007 wurde dem Beschwerdeführer zur Zahl 0711.516-EAST-Ost mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da Dublin-Konsultationen mit Polen seit 19.12.2007 geführt würden.

 

Mit Bescheid vom 10.01.2008 wurde der Asylantrag gemäß §5 Asylgesetz zurückgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 23.01.2008 Berufung.

 

Am 22.01.2008 erhob A**** M***** vertreten durch M****** G***** Beschwerde gegen die Schubhaftverhängung und die Anhaltung in Schubhaft mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Anhaltung von Anfang an festzustellen, in eventu festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft nicht vorliegen sowie die Verfahrenskosten zu Handen des Vertreters zu ersetzen.

 

In der Begründung wird im Wesentlichen festgehalten, dass sein Bruder A*** M***** als anerkannter Flüchtling in 8*** G*******, H***** S***** 28 wohne, er anlässlich seiner Einvernahme aus freien Stücken angegeben habe, dass er nach Polen gereist und dort einen Asylantrag gestellt habe, er habe nichts verschleiert, sich von Anfang an kooperativ gezeigt, sodass kein Grund für die Anhaltung in Schubhaft bestünde.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich hat erwogen:

 

Gemäß §76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß §10 Asylgesetz 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare ? wenn auch nicht rechtskräftige ? Ausweisung (§10 Asylgesetz 2005) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§60) verhängt worden ist oder

4. aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Gemäß §76 Abs3 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß §57 AVG zu erlassen, es sei denn der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Die Voraussetzungen des §76 Abs2 Z4 FPG für die Anordnung der Schubhaft lagen insoweit vor, als aus dem Akt zu entnehmen ist, dass hinsichtlich seiner Person ein Eurodac-Treffer aus Polen vorliegt und daher die Annahme, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird, berechtigt ist.

 

Abgesehen davon sind nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Gründe, aus denen über einen Asylwerber gemäß §76 Abs2 FPG die Schubhaft angeordnet werden kann, im Lichte des Gebotes der Verhältnismäßigkeit auszulegen. Dabei ist eine verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Hieraus folgt eine Verpflichtung der die Schubhaft anordnenden Behörde nachvollziehbar darzulegen, inwiefern die Anordnung der Schubhaft erforderlich ist, um den Sicherungszweck zu erreichen.

 

Der Beschwerdeführer hat das Asylverfahren in Polen bei seiner Ersteinvernahme nicht verschwiegen. Seine Identität wies er durch die Kopie des Inlandsreisepasses nach.

 

Er selbst gab anlässlich der Befragungen an, dass er seit fünf Jahren keinen Kontakt zum Bruder habe, und auch die genaue Adresse nicht wisse. Die Behauptung in der Beschwerde, dass er eine enge Beziehung zu seinem Bruder habe, ist aufgrund dieser Angaben widerlegt.

 

Voraussetzung für die Anordnung der Schubhaft ist, dass im Entscheidungszeitpunkt mit Recht angenommen werden kann, der Fremde werde sich dem behördlichen Zugriff entziehen oder diesen zumindest wesentlich erschweren (VwGH vom 08.09.05, 2005/21/01/0100).

 

Die fehlende Ausreisewilligkeit für sich allein kann die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht rechtfertigen (VwGH vom 08.09.05, 2005/21/0301).

 

Die Schubhaft darf auch dann, wenn sie auf einen Tatbestand des §76 Abs2 FPG gestützt werden soll, nur ultima ratio sein (VwGH vom 30.08.07, 2007/21/0043).

 

Auch wenn im vorliegenden Fall eine familiäre Bindung im Bundesgebiet nicht besteht, so ist trotzdem nicht zu erkennen, aus welchen besonderen Gründen die Annahme, dass der Beschwerdeführer sich zum gegebenen Zeitpunkt dem Verfahren entziehen sollte, gerechtfertigt ist. Als Asylwerber hat er während des Asylverfahrens Anspruch auf die Grundversorgung, da er mittellos ist, kann davon ausgegangen werden, dass er diese Unterstützung im Moment nicht aufgibt. Im Asylverfahren wurde bereits gegen den erstinstanzlichen Bescheid Berufung eingebracht, sodass das Interesse des Beschwerdeführers am Asylverfahren evident ist und daher derzeit keine besonderen Gründe zu erkennen sind, dass spezifische Voraussetzungen für die erhöhte Annahme bestünden, dass er sich dem weiteren Verfahren entziehen könnte.

 

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß §83 Abs2 Z1 FPG unterbleiben, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist.

 

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogenen Gesetzesstellen.

Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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