TE Vwgh Erkenntnis 2003/6/24 2001/11/0174

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Veröffentlicht am 24.06.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs1 Z2;
FSG 1997 §8;
FSG-GV 1997 §2 Abs4;
FSG-GV 1997 §3 Abs1;
FSG-GV 1997 §5 Abs1 Z4 lita;
FSG-GV 1997 §5 Abs2;
FSG-GV 1997 §7 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der A in K, vertreten durch Föger, Pall & Schallhart, Rechtsanwälte in 6300 Wörgl, Josef-Speckbacher-Straße 8, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 19. April 2001, Zl. IIb2-3-7-1-469/7, betreffend Befristung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 10. Juni 1999 wurde gemäß § 24 Abs. 1 FSG die der Beschwerdeführerin erteilte Lenkberechtigung für die Klasse B wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit "im Sinne des § 7 FSG" für die Dauer von vier Monaten, gerechnet ab dem Tag der vorläufigen Abnahme des Führerscheins (19. Mai 1999) entzogen. Die Behörde nahm an, dass die Beschwerdeführerin am 19. Mai 1999 ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe, wobei der durchgeführte Alkotest mittels Alkomat eine Atemluftalkoholkonzentration von 1,13 mg pro Liter betragen habe. In der Folge kam der Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Kufstein in seinem Gutachten vom 3. September 1999, gestützt auf eine verkehrspsychologische Stellungnahme des Kuratoriums für Verkehrssicherheit vom 27. August 1999, zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführerin zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B nicht geeignet sei.

Im Gutachten eines Amtssachverständigen vom 21. Dezember 1999 wurde Folgendes ausgeführt:

"Bei Frau A kam es auf Grund einer schweren depressiven Verstimmung in Folge eines Ehekonflikts zu missbräuchlicher Verwendung von Alkohol. In weiterer Folge wurde Frau A im August d. J. im Bezirkskrankenhaus Kufstein stationär behandelt mit Gabe von Psychopharmaka. Es ist durchaus nachvollziehbar und glaubhaft, dass es auf Grund der beschriebenen Problematik und der Medikamenteneinnahme zum negativen Ergebnis beim verkehrspsychologischen Test Gutachten gekommen ist. Dies wurde auch seitens des behandelnden Arztes bestätigt. In der Zwischenzeit ist es nunmehr zu einer psychischen Stabilisierung gekommen, so dass auch keine Medikamente mehr benötigt werden. Frau A wird weiterhin von Prim. Univ. Doz. Dr. M betreut. Im aktuell vorliegenden Gutachten des Univ.-Doz. Dr. W vom 15.12.1999 wurden keinerlei Erkrankungen oder Auffälligkeiten beschrieben. Ebenso hat Frau A in den durchgeführten verkehrsspezifischen Tests gut abgeschnitten. Auch bei der eigenen Unterredung und Untersuchung am 17.12.1999 konnten keinerlei Auffälligkeiten festgestellt werden.

Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, dass Frau A zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B bedingt geeignet ist. Da ein Rückfall im problematischen Trinkverhalten in belastenden Situationen nie ganz ausschließbar ist, sollte die Lenkberechtigung auf die Dauer eines Jahres befristet erteilt werden mit anschließender amtsärztlicher Nachuntersuchung."

In einem weiters eingeholten Gutachten des Amtssachverständigen der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 20. Dezember 2000 kam dieser - ohne nähere Begründung - zu dem Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin "gemäß § 8 FSG zum Lenken eines Kraftfahrzeuges der Gruppe 1 bedingt geeignet" sei. Die Bezirkshauptmannschaft Kufstein sprach daraufhin in ihrem Bescheid vom 17. Jänner 2001 aus, dass gemäß § 24 Abs. 1 Z. 2 FSG die am 22. November 1995 für die Klasse B ausgestellte Lenkberechtigung auf die Dauer von zwei Jahren befristet werde; gemäß § 13 Abs. 2 FSG sei diese Befristung in den Führerschein einzutragen. In der Begründung führte die Erstbehörde u.a. aus, dass das amtsärztliche Gutachten vom 20. Dezember 2000 völlig unbedenklich sei und daher eine Befristung von zwei Jahren - gerechnet ab 20. Dezember 2000 - zu verfügen sei.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. April 2001 wurde der von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung keine Folge gegeben. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass das dem erstinstanzlichen Bescheid zugrunde liegende Amtssachverständigengutachten vom 20. Dezember 2000 keine Begründung erkennen lasse, weshalb die belangte Behörde eine Ergänzung des Gutachtens veranlasst habe. In der Ergänzung seines Gutachtens vom 27. März 2001, welche schlüssig und nachvollziehbar sei, habe der Amtssachverständige die vorangegangenen Untersuchungen sowie auch den Rückfall der Beschwerdeführerin berücksichtigt, zumal sie am 11. März 2000 neuerlich wegen Alkoholisierung am Steuer betreten worden sei, und habe auf einen erhöhten Blutdruck und das beginnende Nachlassen der Sehkraft der Beschwerdeführerin hingewiesen. Die Beschwerdeführerin sei jedoch "zum Zeitpunkt der letzten amtsärztlichen Untersuchung am 20.12.2000 als fahrtauglich zu betrachten gewesen". Auf Grund der Vorgeschichte mit massiver Beeinträchtigung der geistigkörperlichen Voraussetzungen im Rahmen einer tief greifenden persönlichen Krise mit Depressionen und sekundärem Alkoholmissbrauch sei die Gefahr eines neuerlichen derartigen Verhaltens in ähnlichen Belastungssituationen zu befürchten. Weiters sei die künftige Entwicklung des Bluthochdruckes sowie des Sehvermögens nicht vorhersehbar. Die von der Erstbehörde verfügte Befristung der Lenkberechtigung der Beschwerdeführerin sei daher gerechtfertigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des FSG lauten auszugsweise:

"§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein und ist von einem im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, die das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung durchführt, in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt für Allgemeinmedizin zu erstellen.

(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. ...

(3) Das ärztliche Gutachten hat abschließend auszusprechen:

'geeignet', 'bedingt geeignet', 'beschränkt geeignet' oder 'nicht geeignet'. Ist der Begutachtete nach dem ärztlichen Befund ...

2. zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nur unter der Bedingung geeignet, dass er Körperersatzstücke oder Behelfe oder dass er nur Fahrzeuge mit bestimmten Merkmalen verwendet oder dass er sich ärztlichen Kontrolluntersuchungen unterzieht, so hat das Gutachten 'bedingt geeignet' für die entsprechenden Klassen zu lauten und Befristungen, Bedingungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann; dies gilt auch für Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen amtsärztliche Nachuntersuchungen erforderlich sind; ...

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.

die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.

die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. ...

(2) Die Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann auch nur hinsichtlich bestimmter Klassen ausgesprochen werden, wenn der Grund für die Entziehung oder Einschränkung nur mit der Eigenart des Lenkens dieser bestimmten Klassen zusammenhängt. ...

...

(4) Vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8, vor der Entziehung wegen mangelnder fachlicher Befähigung ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen."

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) idF BGBl. II Nr. 138/1998 lauten (auszugsweise):

"Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

1.

die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

2.

die nötige Körpergröße besitzt,

3.

ausreichend frei von Behinderungen ist und

4.

aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische psychophysische Leistungsfähigkeit verfügt.

Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs. 1 oder 2 FSG vorzulegen. ...

Gesundheit

§ 5. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend gesund gilt eine Person, bei der keine der folgenden Krankheiten festgestellt wurde:

...

4. schwere psychische Erkrankungen gemäß § 13 sowie:

a)

Alkoholabhängigkeit oder

b)

andere Abhängigkeiten, die das sichere Beherrschen des Kraftfahrzeuges und das Einhalten der für das Lenken des Kraftfahrzeuges geltenden Vorschriften beeinträchtigen könnten,

...

(2) Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung zur Feststellung der Gesundheit gemäß Abs. 1 Z. 1 ein krankhafter Zustand ergibt, der die Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, ist gegebenenfalls eine fachärztliche Stellungnahme einzuholen; bei Erkrankungen gemäß Abs. 1 Z. 2, 3 und 4 ist eine entsprechende fachärztliche Stellungnahme einzuholen, die die kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen mitzubeurteilen hat. Bei Erkrankungen gemäß Abs. 1 Z. 4 lit. a und b ist zusätzlich eine verkehrspsychologische Stellungnahme einzuholen.

...

Alkohol, Sucht- und Arzneimittel

§ 14. (1) Personen, die von Alkohol, einem Sucht- oder Arzneimittel abhängig sind oder den Konsum dieser Mittel nicht so weit einschränken können, dass sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, darf, soweit nicht Abs. 4 anzuwenden ist, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Personen, bei denen der Verdacht einer Alkohol-, Suchtmittel- oder Arzneimittelabhängigkeit besteht, haben eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme beizubringen.

(2) Lenker von Kraftfahrzeugen, bei denen ein Alkoholgehalt des Blutes von 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Atemluft von 0,8 mg/l oder mehr festgestellt wurde, habe ihre psychologische Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch eine verkehrspsychologische Stellungnahme nachzuweisen.

(3) Personen, die ohne abhängig zu sein, in einem durch Sucht- oder Arzneimittel beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt haben, darf eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden, es sei denn, sie haben ihre Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch eine verkehrspsychologische und eine fachärztliche Stellungnahme nachgewiesen.

(4) Personen, die aus medizinischen Gründen Sucht- oder Arzneimittel erhalten, die geeignet sind, die Fahrtauglichkeit zu beeinträchtigen, darf nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme eine Lenkberechtigung erteilt oder belassen werden.

(5) Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, ist nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Bedingung ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen. ..."

Dem angefochtenen Bescheid liegt offensichtlich die Auffassung zu Grunde, es sei im Hinblick auf das (ergänzte) amtsärztliche Gutachten die gesundheitliche Eignung der Beschwerdeführerin nur eingeschränkt gegeben. Die belangte Behörde bezieht sich hierbei auf die Ergänzung des Gutachtens des Amtssachverständigen vom 27. März 2001. Dieser verweist darin zunächst auf die Vorgeschichte, insbesondere den - eingangs erwähnten - Bescheid vom 10. Juni 1999 betreffend Entziehung der Lenkberechtigung sowie die verkehrspsychologische Untersuchung vom 19. August 1999, und darauf, dass die Beschwerdeführerin am 11. März 2000 neuerlich "wegen Alkoholisierung am Steuer betreten (siehe Strafverfahren .... Bezirkshauptmannschaft Kufstein)" worden sei und führt daran anschließend aus:

"Bei der amtsärztlichen Nachuntersuchung am 20.12.00 legte Frau A über ihren Rechtsfreund das Gutachten des Univ. Prof. Dr. W vom 16.12.99 vor, welches angeblich im zit. Berufungsverfahren vom Sachverständigen der Landessanitätsdirektion zur Beurteilung verwendet worden war.

Bei der Untersuchung am 20.12.00 wurde ein leichter Bluthochdruck (besonders des diastolischen Wertes) festgestellt sowie eine leichte Verminderung der Sehschärfe mit und ohne Korrektur. Im Rahmen der Unterredung konnten keine solchen psychischen Auffälligkeiten festgestellt werden, die die neuerliche Einholung eines fachärztlichen psychiatrischen Gutachtens unbedingt erfordert hätten.

Unter Hinweis auf die sz. Begründung der Befristung im zit. Berufungsverfahren und die nur wenige Monate darauf erfolgte neuerliche Betretung wegen Alkoholisierung sowie den erhöhten Blutdruck und das beginnende Nachlassen der Sehkraft wurde ihr die Notwendigkeit einer neuerlichen Befristung mündlich dargelegt.

Die schriftliche Begründung im Gutachten unterblieb mit der Begründung, dass die oben geschilderte Vorgeschichte mit sehr persönlichen Aspekten nicht unbedingt einem weiteren Personenkreis gegenüber bekannt gemacht werden sollte.

Wäre vor Erlassung des Bescheides vom 17.1.2001 (Zl. B- 1/564/99) eine entsprechende Rückfrage über die detaillierten Gründe des neuerlichen Befristungsvorschlages erfolgt, so wäre dies selbstverständlich umgehend erfolgt.

Zusammenfassend war Frau A zum Zeitpunkt der letzten amtsärztlichen Untersuchung am 20.12.00 fahrtauglich. Aufgrund der Vorgeschichte mit massiver Beeinträchtigung der geistigkörperlichen Voraussetzungen an Fahrzeuglenker im Rahmen einer tiefgreifenden persönlichen Krise mit Depression und sekundärem Alkoholmissbrauch ist die Gefahr eines neuerlichen derartigen Verhaltens in ähnlichen Belastungssituationen zu befürchten, sodass eine Nachuntersuchung aus medizinischer Sicht erforderlich ist. Dass diese Befürchtung nicht unbegründet ist zeigt das neuerliche Strafverfahren im März 2000. Außerdem ist die weitere Entwicklung des Bluthochdrucks und des Sehvermögens nicht vorhersehbar."

In diesem Gutachten wird somit die Beschwerdeführerin als "fahrtauglich" erkannt. Der Amtssachverständige stützt sein Gutachten einerseits auf die aus der Stellungnahme des Kuratoriums für Verkehrssicherheit vom 19. August 1999 und dem darauf aufbauenden Amtssachverständigengutachten vom 3. September 1999 hervorgehende "Vorgeschichte", nach der ein neuerlicher Alkoholmissbrauch bei der Beschwerdeführerin zu befürchten sei - erklärt jedoch selbst, dass er im Rahmen seiner "Unterredung" keine "solchen" psychischen Auffälligkeiten habe feststellen können -, andererseits darauf, dass "die weitere Entwicklung des Bluthochdrucks und des Sehvermögens nicht vorhersehbar" sei.

Indem die belangte Behörde diese Beurteilung einer Befristung der Lenkberechtigung der Beschwerdeführerin zu Grunde gelegt hat, hat sie jedoch die Rechtslage verkannt. Gemäß § 2 Abs. 4 FSG-GV sind bei Erstellung des ärztlichen Gutachtens fachärztliche oder verkehrspsychologische Stellungnahmen, die älter als sechs Monate sind, nicht mit einzubeziehen. Es dürfen lediglich aktenkundige Vorbefunde herangezogen werden, um einen etwaigen Krankheitsverlauf beurteilen zu können. Die vom Amtssachverständigen herangezogene Stellungnahme des Kuratoriums für Verkehrssicherheit vom 19. August 1999 und das darauf aufbauende Amtssachverständigengutachten vom 3. September 1999 lagen zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits mehr als eineinhalb Jahre zurück. Es ist auch nicht erkennbar, dass sie zur Dartuung eines konkreten, bei der Beschwerdeführerin gegebenen Krankheitsverlaufes verwertet wurden. Sie als Grundlage der angefochtenen Entscheidung heranzuziehen und aus ihnen - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung der nunmehr angefochtenen Entscheidung bzw. für die von der Behörde verfügte Zeit der Befristung der Lenkberechtigung - den Schluss zu ziehen, bei der Beschwerdeführerin sei ein in Bezug auf das Lenken von Kraftfahrzeugen relevanter "Alkoholmissbrauch" zu befürchten, war daher verfehlt. Der bloße Hinweis des Amtssachverständigen (und der belangten Behörde) auf eine "Alkoholisierung am Steuer" am 11. März 2000 lässt hiebei für den Standpunkt der Behörde nichts gewinnen, zumal auch dieser Vorfall im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits weit über ein Jahr zurücklag.

Insoweit der Amtssachverständige andererseits sein Gutachten damit begründet, dass die "weitere Entwicklung des Bluthochdrucks und des Sehvermögens nicht vorhersehbar" seien, lässt sich dies gleichfalls nicht als Grundlage der von der belangten Behörde verfügten Befristung der Lenkberechtigung der Beschwerdeführerin heranziehen: Wie der Amtssachverständige selber ausführt, wurde bei einer (einzigen) Untersuchung der Beschwerdeführerin, und zwar am 20. Dezember 2000, ein "leichter Bluthochdruck", nämlich 140/100 bei einem Puls von 78 Schlägen pro Minute festgestellt. Zur Sehfähigkeit der Beschwerdeführerin wurde im Gutachten vom 20. Dezember 2000 angeführt:

"Visus: 0,9/0,9

Korrektur 0,8/1,0."

Dies bedeutet im Hinblick auf § 7 Abs. 2 FSG-GV eine für das Lenken von Kraftfahrzeugen - und zwar unabhängig davon, dass bei der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall ja nur die Kraftfahrzeug-Gruppe 1 in Rede steht - ausreichende Sehschärfe. Dass auf Grund konkreter Anhaltspunkte eine Verschlechterung des Blutdrucks oder der Sehschärfe der Beschwerdeführerin in einem rechtserheblichen Ausmaß zu befürchten sei, lässt sich weder dem Amtssachverständigengutachten noch sonstigen Ermittlungsergebnissen entnehmen.

Indem die belangte Behörde dies verkannte und ohne ausreichende Grundlage die Befristung der Lenkberechtigung der Beschwerdeführerin verfügte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 24. Juni 2003

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001110174.X00

Im RIS seit

24.07.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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