TE Vwgh Erkenntnis 2003/10/10 99/18/0414

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Veröffentlicht am 10.10.2003
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
MRK Art3;
MRK Art8 Abs2;
StGB §232;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des N, (geboren  1967), in Linz, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 4. November 1999, Zl. St. 73/98, betreffend 1. Erlassung eines befristeten Aufenthaltverbotes (Spruchpunkt I.) und

2. Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 (Spruchpunkt II.), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Spruchpunktes II. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion des Bundeslandes Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 4. November 1999 wurde unter Spruchpunkt I. gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 i.V.m. §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Unter Spruchpunkt II. des genannten Bescheides wurde gemäß § 75 Abs. 1 FrG festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 57 Abs. 1 und Abs. 2 FrG bedroht sei.

Der Beschwerdeführer sei vom Landesgericht Linz am 23. September 1996 rechtskräftig zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, davon 18 Monate bedingt auf drei Jahre, (nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten) wegen des Verbrechens der Geldfälschung nach § 232 Abs. 2 StGB verurteilt worden.

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 21. Jänner 1998 habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass er im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltsbewilligung wäre. Von 1989 bis 1990 wäre er bei der Firma Stock, von 1990 bis 1994 bei der Firma Optyl, und ab 1994 bei der Firma Blaha beschäftigt gewesen. Nach einer Haftentlassung könnte er wieder bei der Firma Blaha zu arbeiten beginnen. Er wäre seit Dezember 1991 verheiratet und hätte einen vierjährigen Sohn. In Jugoslawien würde er wegen eines Gerichtsdeliktes weder von der Polizei noch vom Gericht gesucht, er hätte dort keinerlei Probleme, auch keine politischen.

In seiner Berufung vom 10. März 1998 gegen den erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass er lediglich einmal gerichtlich verurteilt worden wäre. Er hätte maßgeblich an der Aufklärung durch Kooperation mit den Sicherheitsbehörden mitgewirkt. Bezüglich eines dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verwaltungsstrafverfahrens habe er ausgeführt, dass aus rechtskräftigen Strafverfügungen kein Rückschluss auf die tatsächliche Begehung von Verwaltungsübertretungen gezogen werden könnte, weil bei "geringwertigen Geldstrafen" Rechtsmittel auch dann nicht zu erwarten wären, wenn die vorgeworfene Übertretung nicht oder nicht vom Bescheidadressaten begangen worden wäre, zumal die Kosten der Rechtsvertretung den Strafbetrag in der Regel bei weitem übersteigen würden. Weiters habe er auf Art. 8 EMRK verwiesen und ausgeführt, dass er und seine Familie bereits einen großen Bekanntenkreis in Österreich hätten. Betont habe er ferner, dass er Schulden in der Höhe S 400.000,- hätte. In seinem Heimatland hätte er keinerlei Erwerbsmöglichkeiten, weshalb eine Rückzahlung nur bei einem Verbleib in Österreich möglich wäre.

Gleichzeitig mit seiner Berufungsschrift habe der Beschwerdeführer einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Jugoslawien gestellt und diesen im Wesentlichen damit begründet, dass er Angehöriger der Volksgruppe "Kosovo-Albaner" wäre. Schon aus diesem Grund wäre er in seiner ehemaligen Heimat Jugoslawien von der Gefahr bedroht, unmenschlicher Behandlung unterworfen zu werden. Zudem wären sein Leben und seine Freiheit aus Gründen seiner Zugehörigkeit zur genannten ethnischen Gruppe bedroht. Gerade in den letzten Wochen wäre allgemein bekannt geworden, dass seitens der staatlichen Gewalt im ehemaligen Jugoslawien massive und planmäßig durchgeführte Verfolgungen der Volksgruppe der Kosovo-Albaner durchgeführt würden, welche nicht mehr in Freiheitsentziehungen, sondern auch in Folterungen und Deportationen mit ungewissem Ausgang münden würden. Das Vorgehen seitens der Staatsgewalt in Jugoslawien wäre lediglich in ethnischen Überlegungen begründet und würde eine Bedrohung des Beschwerdeführers gemäß § 57 Abs. 1 und Abs. 2 FrG bewirken. Auch würde der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr umgehend zum Militärdienst eingezogen, was angesichts seiner ethnischen Zugehörigkeit eine unmittelbare Gefahr für sein Leben bewirken würde, weil erfahrungsgemäß Angehörige seiner Volksgruppe bewusst für "lebens- oder gesundheitsgefährdende Aktionen" eingesetzt würden. Er müsste weiters damit rechnen, als Soldat in militärische Aktionen gegen Angehörige der eigenen Volksgruppe eingesetzt zu werden, was gleichfalls in psychischer wie physischer Hinsicht einer unmenschlichen Behandlung gleichkommen würde.

In seiner Berufung vom 15. April 1998 gegen den negativen Feststellungsbescheid vom 30. März 1998 habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass die Erstbehörde selbst davon ausgegangen wäre, dass seitens der staatlichen Gewalt in der Bundesrepublik Jugoslawien im Kosovo "massive Polizeieinsätze gegen bestimmte Orte" durchgeführt worden wären, wobei es auch zu Übergriffen gegen die Bevölkerung gekommen wäre. Damit hätte die Erstbehörde das Vorliegen einer Bedrohungssituation bestätigt. Auch wäre zu erheben gewesen, ob sich die Bedrohungssituation lediglich auf das Gebiet des Kosovo beziehen würde oder auch auf das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Jugoslawien.

Zu Spruchpunkt I. habe die belangte Behörde folgendes erwogen: In Anbetracht seiner gerichtlichen Verurteilung durch das Landesgericht Linz sei zweifelsohne der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG als erfüllt zu betrachten. Er halte sich seit dem Jahr 1988 in Österreich auf und sei hier großteils einer Erwerbstätigkeit nachgegangen, seine Ehefrau und sein Kind lebten ebenfalls beim Beschwerdeführer in Österreich. Daraus sei ersichtlich, dass durch das vorliegende Aufenthaltsverbot nicht nur "(in nicht unbedeutender Form)" in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen werde, sondern ihm auch eine der Dauer dieses Aufenthaltes entsprechende Integration zuzubilligen sei; "dies sicherlich in erster Linie in beruflicher Hinsicht". Der zweifellos vorhandenen Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei jedoch entgegenzuhalten, dass er wegen des Verbrechens der Geldfälschung zu einer relativ hohen teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Schon aus dieser hohen Strafe sei zu ersehen, dass auch das Gericht den Unwert seines strafbaren Verhaltens "enorm hoch" eingeschätzt habe. Geld spiele in einem Gemeinwesen "(und hier wiederum speziell im Wirtschaftsleben)" eines Landes eine zentrale und bedeutende Rolle, zumal Geld ein "sehr wesentlicher Faktor für sämtliche Wirtschaftsabläufe nicht nur in diesem Land" darstelle. Durch Geld als Wertmesser und Recheneinheit würden "alle Güter vergleichbar und addierbar". Das Vergehen der Geldfälschung beeinflusse nicht nur das Währungs- und Wirtschaftssystem eines Landes, sondern habe auch "eklatanten Einfluss" auf die Stabilität eines gesetzlichen Zahlungsmittels. Nicht zuletzt würden auch natürliche Personen durch die unbewusste Annahme von Falschgeld in ihrem Vermögen geschädigt. Dies sei auch deshalb von Bedeutung, weil man sich in einem geordneten Wirtschaftsleben auf ein gesetzliches Zahlungsmittel verlassen können müsse, zumal kraft Gesetzes jedermann Geld als Gegenwert für eine Leistung akzeptieren müsse. "Aus oben angeführten Tatsachen" sei nicht nur die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 leg. cit. gerechtfertigt. Zudem sei "das Gesamtfehlverhalten" des Beschwerdeführers "doch schwerwiegenderer Art", weshalb nicht nur mit einer "bloß niederschriftlichen Ermahnung" das Auslangen habe gefunden werden können, sondern von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG habe Gebrauch gemacht werden müssen. Insbesondere auf Grund obiger Ausführungen sei "das Verbrechen der Geldfälschung enorm hoch zu gewichten". Auch aus der Vielzahl der Verwaltungsstrafen des Beschwerdeführers sei zu ersehen, dass er immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt gekommen und nicht bereit sei, sich an die Rechtsordnung Österreichs zu halten.

Da - unter Abwägung aller oben angeführten Tatsachen - im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen, als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, sei das Aufenthaltsverbot auch zulässig im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG. Daran vermöge ein Hinweis auf seine Kreditschulden nichts zu ändern, zumal er der Rückzahlungsverpflichtung auch vom Ausland aus nachkommen müsse. Dass dies "mit Schwierigkeiten" verbunden sei, müsse in Kauf genommen werden.

Die Dauer des von der Erstbehörde verhängten Aufenthaltsverbots sei nicht als rechtswidrig zu erkennen, zumal nach Ablauf dieser Zeit erwartet werden könne, dass sich der Beschwerdeführer wieder an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten werde.

Zu Spruchpunkt II. habe die belangte Behörde Folgendes erwogen: Die Erstbehörde habe in der Begründung ihres Bescheides vom 30. März 1998 die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Die belangte Behörde schließe sich den Ausführungen der Erstbehörde vollinhaltlich an und erhebe diese zum Inhalt des angefochtenen Bescheides. Die nicht näher konkretisierte Behauptung, bei einer Rückkehr in den Heimatstaat werde er mit einer unmenschlichen Strafe oder Behandlung oder der Todesstrafe (bzw. mit allgemeiner Verfolgung) rechnen müssen, reiche nicht aus, um glaubhaft zu machen, dass dem Beschwerdeführer aktuell, also im Fall seiner Abschiebung in sein Heimatland konkret die im § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG genannten Gefahren drohen würden. Aus bloßen Vermutungen (mögen sie auch auf andere Personen betreffende Vorfälle Bezug nehmen) könne keine Gefährdung/Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG abgeleitet werden.

Bezüglich der Ableistung des Militärdienstes habe bereits die Erstbehörde in treffender Weise bemerkt, dass es "das Recht jedes Staates der Welt" sei, seine männlichen und militärfähigen Staatsbürger zum Militärdienst einzuberufen, "wobei auch in Staaten westlicher Prägung wie Österreich die Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion unter strenger Strafdrohung" stehe. Die Einberufung zum Militärdienst (bzw. die strafrechtliche Verantwortung wegen Desertion und Refraktion) stelle grundsätzlich weder Folter noch unmenschliche Strafe oder ebensolche Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK dar. Eine Strafdrohung, die zur Sicherung des Staatswesens durch Abwehr von dieses bedrohenden Gefahren diene, habe keine Zielrichtung derart, dass sie einen Wehrdienstverweigerer als Träger einer bestimmten politischen Ansicht treffen wollte. Die Gefahr der Bestrafung im Fall der Rückkehr in seinen Heimatstaat wegen seinerzeitiger Verweigerung des Militärdienstes sei demnach mangels entsprechender Zielrichtung der Strafdrohung nicht als Bedrohung seiner Freiheit aus Gründen seiner politischen Ansichten im Sinn des § 57 Abs. 2 FrG zu werten. Die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst (Desertion) könne nur dann asylrechtlich und in weiterer Folge auch fremdenrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen eine drohende allfällige Bestrafung wegen der Dienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre, bzw. wenn der Beschwerdeführer einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Gleichfalls, wenn er während der Ableistung des Militärdienstes aus den im § 57 Abs. 2 FrG angeführten Gründen gegenüber Personen anderer Volksgruppen schlechter gestellt wäre. Genau dies treffe jedoch auf den Beschwerdeführer nicht zu bzw. sei von ihm nicht behauptet worden. Zusammenfassend sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer selbst in der niederschriftlichen Einvernahme vom 21. Jänner 1998 freiwillig und in sehr klarer und deutlicher Form zum Ausdruck gebracht habe, dass er in Jugoslawien keinerlei Probleme, auch keine politischen, haben würde. Schon daraus sei zu ersehen, dass er dort keiner Verfolgung/Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG ausgesetzt sei. Bereits die Erstbehörde habe darauf hingewiesen, dass sich das Vorgehen der jugoslawischen Ordnungskräfte lediglich auf das Gebiet des Kosovo beschränke. Im Fall des Beschwerdeführers bestehe, sollte er im Kosovo tatsächlich einer Bedrohungssituation ausgesetzt sein, zumindest eine "innerstaatliche Fluchtalternative".

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sieht jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

A. Zum Spruchpunkt I. (Verhängung des Aufenthaltsverbots):

1. Im Hinblick auf die oben I.1. genannte unbestrittene rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens der Geldfälschung kann die Ansicht der belangte Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Ferner ist im Beschwerdefall in Anbetracht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der mit Geldfälschung im Zusammenhang stehenden Kriminalität die im § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2003, Zl. 2003/18/0046, mwH). Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe an der gegenständigen Straftat lediglich eine geringfügige und untergeordnete Beteiligung zu verantworten gehabt und auch maßgeblich an der Aufklärung des Sachverhalts "durch Kooperation mit den Sicherheitsbehörden und den Gerichten" mitgewirkt, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern, war doch die belangte Behörde auf Grund der Rechtskraft dieser Verurteilung daran gebunden, dass der Beschwerdeführer die der Verurteilung zu Grunde liegende Tat rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (vgl. zum Umfang der Bindung eines rechtskräftigen Schuldspruchs das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 2000/18/0133, mwH). Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, dass seitens des Gerichts "in Relation zur gesetzlichen Höchststrafe "nur ein geringes Strafausmaß wider (ihn) ausgesprochen" worden sei, was einen geringen persönlichen Schuldvorwurf bestätige, ist ihm entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde eine Beurteilung ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes unabhängig von den Erwägungen des Gerichts bei der Strafbemessung vorzunehmen hatte (vgl. etwa das Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zlen. 99/18/0015, 0033). Bei diesem Ergebnis ist es nicht erforderlich, auf die dem Beschwerdeführer vorgeworfene (im angefochtenen Bescheid allerdings nicht näher spezifizierte) "Vielzahl von Verwaltungsstrafen" näher einzugehen.

2.1. Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid im Grund des § 37 FrG. Er lebe seit 1988 in Österreich. Seine Integration sei in jeder Hinsicht gelungen. Er habe sowohl am Arbeitsmarkt Fuß gefasst, als auch seinen sozialen und kulturellen Mittelpunkt in Österreich gefunden und begründet. Er bestreite seinen Lebensunterhalt aus eigenem und falle dem österreichischen Staat finanziell nicht zur Last. Seit dem 18. Dezember 1991 sei er mit einer rumänischen Staatsbürgerin verheiratet und Vater eines am 14. Dezember 1993 geborenen ehelichen Kindes. Er sei derzeit in einem regulären Dienstverhältnis bei der "VOEST-Alpine, Fa. IFAS", und habe seit "1998" (gemeint wohl: seit 1988) bis auf wenige Ausnahmen eine Erwerbstätigkeit ausgeübt. Die belangte Behörde gehe auf sein Vorbringen, wonach er seinen Lebensmittelpunkt in Österreich habe, hier verheiratet sei und auch das gemeinsame eheliche Kind in Österreich lebe, nicht näher ein. Die Behörde nehme es offensichtlich in Kauf, dass - ohne hierfür eine Begründung zu geben - eine Familie zerrissen werde und sein Sohn seines Vaters "beraubt" werde. Auch die Familienangehörigen des Beschwerdeführers hätten ihren Lebensmittelpunkt in Österreich. Seine Ehefrau stehe kurz vor der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, dies gelte auch für seinen Sohn. Der Beschwerdeführer verbringe sämtliche Freizeit gemeinsam mit seiner Familie, insbesondere mit seinem Sohn. Eine Trennung von der Familie würde die Beziehungen zu seinen Familienmitgliedern voraussichtlich restlos zerstören. Seiner Ehefrau sei es als rumänische Staatsangehörige de facto nicht möglich, dem Beschwerdeführer nach Jugoslawien - Provinz Kosovo - zu folgen. Minderheiten, auch Rumänen, seien im Kosovo derzeit nicht erwünscht. Gleiches gelte für den Beschwerdeführer, sofern seine Ehefrau eine Rückkehr nach Rumänien erwägen würde. Für seine Einreise dorthin würde der Beschwerdeführer ein Visum benötigen und hätte "mit selbigen Problemen wie in Österreich" bezüglich seines Aufenthaltes zu kämpfen. Die belangte Behörde habe ihre nach § 37 FrG getroffene Beurteilung auch nicht ausreichend begründet.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. In Anbetracht des besagten inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers, der im angefochtenen Bescheid genannten familiären Bindungen sowie seiner Berufstätigkeit hat die belangte Behörde zutreffend die Auffassung vertreten, dass mit dem vorliegenden Aufenthaltsverbot ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden ist. Sie hat aber - unter Bedachtnahme auf diese persönlichen Interessen - auch zutreffend den Standpunkt vertreten, dass das Aufenthaltsverbot aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen der Verhinderung von (weiteren) strafbaren Handlungen durch den Beschwerdeführer, des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung sowie des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer im Grund des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten ist. Vor diesem Hintergrund erweist sich auch das Ergebnis der von der belangte Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Wenngleich die für den Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich sprechenden persönlichen Interessen beachtlich sind, kommt ihnen doch kein größeres Gewicht zu als dem durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers nachhaltig gefährdeten öffentlichen Interesse. Die aus seinem Aufenthalt in Österreich resultierende Integration ist in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch sein gravierendes Fehlverhalten maßgeblich beeinträchtigt. Da nach seinem Vorbringen seiner Ehefrau und seinem Sohn die österreichische Staatsbürgerschaft noch nicht verliehen wurde, vermag der Beschwerdeführer mit seinem Hinweis, dass seine Ehefrau und sein Sohn kurz vor der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft stünden, das Gewicht seiner familiären Interessen nicht maßgeblich zu verstärken. Ferner wird mit dem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer in ein bestimmtes Land - etwa in sein Heimatland oder das Heimatland seiner Ehefrau - auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde, weshalb sich sein Vorbringen, dass weder er sich in das Heimatland seiner Frau noch seine Frau sich in sein Heimatland begeben könnten, als nicht zielführend erweist. Auf dem Boden des Gesagten erweist sich auch die Rüge, der angefochtene Bescheid sei bezüglich der Beurteilung nach § 37 FrG nicht ausreichend begründet, als nicht zielführend.

3. Nach dem Beschwerdeinhalt im Zusammenhang mit dem vorliegenden Verwaltungsakt sind auch keine besonderen Umstände erkennbar, die die belangte Behörde dazu hätten veranlassen müssen, von dem ihr nach § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen.

B. Zum Spruchpunkt II. (Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 FrG):

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch im Verfahren gemäß § 75 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 10. April 2003, Zl. 99/18/0423, mwH.)

2. Der Beschwerdeführer wendet gegen die unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides getroffene Entscheidung ein, dass sich seit seiner letzten Einvernahme vor der belangte Behörde und seit seiner letzten Stellungnahme die Lage im Kosovo wesentlich geändert habe. Zwar würde im Kosovo nunmehr durch die "K-FOR Truppen" auf eine Beilegung der Streitigkeiten und kriegerischen Auseinandersetzungen insbesondere zwischen den Volksgruppen der Albaner und der Serben Sorge getragen, die tagtäglichen Zeitungs- und Fernsehberichte würden aber nachweislich und eindrucksvoll dokumentieren, dass im Kosovo keineswegs sichergestellt sei, dass dort keine Verfolgung seiner Person zu erwarten wäre. Insbesondere bestünde die Gefahr, dass seitens der jugoslawischen Armee und paramilitärischer Verbände erneut Vorstöße in den Kosovo unternommen würden, trotz Präsenz der "K-FOR Truppen". Die Lage dort sei äußerst gespannt, nicht zuletzt auf Grund der ständigen und immer wiederkehrenden Übergriffe seitens albanischer Kosovaren gegen die im Kosovo lebenden Serben. Ferner habe der Beschwerdeführer der belangten Behörde den ihm aus der serbischen Sprache übersetzten Steckbrief des Kreisgerichts in Kosovska Mitrovica, datiert mit 10. September 1997, vorgelegt, aus welchem hervorgehe, dass es seitens des "Sekretariats für Innere Angelegenheiten der Bundesrepublik Jugoslawien" auf Grund des revolutionären Verbrechens verdächtigt und beschuldigt würde und strafgerichtlich durch "die Justiz des Milosevic-Regimes" gesucht würde.

3. Sofern der Beschwerdeführer die im Kosovo gegebene allgemeine Situation ins Treffen führt, ist er zwar darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtssprechung zum AsylG - die, da § 57 Abs. 2 FrG mit der nach diesem Gesetz vorzunehmenden Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft inhaltsgleich ist, auch vorliegend einschlägig ist - die Auffassung vertritt, dass es nach dem 20. Juni 1999 "als nachhaltig unwahrscheinlich" anzusehen sei, dass jedem Angehörigen der albanischen Volksgruppe im Kosovo lediglich wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Volksgruppe Verfolgung durch die Bundesrepublik Jugoslawien drohe (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 2000, Zl. 99/01/0359). Der Beschwerdeführer hat aber nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde mit Schreiben vom 21. April 1998 die Übersetzung eines schon mit seiner Berufung vom 15. April 1998 - somit nach der im angefochtenen Bescheid genannten Einvernahme am 21. Jänner 1998 - vorgelegten Steckbriefs übermittelt, aus dem hervorgeht, dass eine Person mit Namen und Geburtsdatum des Beschwerdeführers auf Grund einer Strafanzeige des Sekretariats für Innere Angelegenheiten Kosovska Mitrovica aus 1988 wegen des Verdachtes der Begehung der Straftat einer kontrarevolutionären Gefährdung des Gesellschaftssystems gem. Art. 114 des Strafgesetzes der SFRJ und aus 1996 wegen des Verdachtes der Begehung der Straftat der Bildung einer Vereinigung zur feindlichen Betätigung gemäß Art. 136 Abs. 2 iVm der Straftat gemäß Art. 116 Abs. 2 des Strafgesetzes der Bundesrepublik Jugoslawien" gesucht werde, und die genannte Person "nach dem Auffinden ... dem Kreisgericht Kosovska Mitrovica vorzuführen" sei (vgl. Blatt 158 und 113 der vorgelegten Verwaltungsakten). Der Beschwerdeführer hat die von ihm behauptete Bedrohungssituation in seiner Berufung auch auf diesen Steckbrief gestützt und diesen zur Bescheinigung hiefür vorgelegt. Mit dieser seinem Inhalt nach nicht von vornherein zur Bescheinigung einer für den Beschwerdeführer gegebenen aktuellen Bedrohung bzw. Gefährdung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG ungeeigneten Unterlage hat sich die Behörde überhaupt nicht auseinander gesetzt. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde, wenn sie sich mit dem genannten Steckbrief befasst hätte, zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigen Ergebnis gelangt wäre, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet (vgl. § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG).

C. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid bezüglich seines Spruchpunktes II. gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 leg. cit. als unbegründet abzuweisen.

D. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff , insbesondere § 50 VwGG iVm § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 10. Oktober 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999180414.X00

Im RIS seit

06.11.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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