TE Vfgh Erkenntnis 2000/6/29 G175/99 ua

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Veröffentlicht am 29.06.2000
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Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art1
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art20 Abs1
B-VG Art20 Abs2
B-VG Art129 ff
B-VG Art133 Z4
RegionalradioG §13
Richtlinie 90/387/EWG

Leitsatz

Feststellung der Verfassungswidrigkeit des RegionalradioG hinsichtlich der Einrichtung der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde (nunmehr: Privatrundfunkbehörde) als Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag; Überschreitung der - wegen des Charakters der Republik Österreich als rechtsstaatlicher Demokratie mit parlamentarischem Regierungssystem - bedingten und beschränkten Ermächtigung des Gesetzgebers zur Einrichtung einer kollegialen Verwaltungsbehörde mit richterlichem Einschlag angesichts des Fehlens einer besonderen Rechtfertigung für eine derartige Maßnahme; Verfassungswidrigkeit auch des Ausschlusses der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gegen Bescheide der Privatrundfunkbehörde infolge Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip

Spruch

I. §13 des Bundesgesetzes, mit dem Regelungen über regionalen und lokalen Hörfunk erlassen werden (Regionalradiogesetz - RRG), BGBl. 1993/506 sowohl idF BGBl. I 1997/41 als auch idF BGBl. I 1999/2, war verfassungswidrig.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Feststellung im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II. Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind eine Reihe von Beschwerdeverfahren (B108/98, B113-115/98, B124-130/98, B132-141/98, B144-155/98, B157/98, B162-164/98, B171-175/98, B191/98, B193-204/98, B206/98, B219/98, B220/98, B235-241/98) gegen Bescheide der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde anhängig, mit denen jeweils einem Bewerber um eine Zulassung zur Veranstaltung von lokalen oder regionalen Hörfunkprogrammen eine Sendelizenz erteilt und anderen Bewerbern eine solche versagt wurde.

Weiters sind beim Verfassungsgerichtshof Beschwerdeverfahren (B2504-2509/97, B2602/97, B2702-2716/97 und B712/98) gegen Bescheide der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde und der Privatrundfunkbehörde (seit der am 1. Jänner 1999 in Kraft getretenen Novelle zum Regionalradiogesetz BGBl. I 1999/2 heißt die Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde Privatrundfunkbehörde) anhängig, mit denen Anträge auf Erteilung von Sendelizenzen zur Veranstaltung von lokalen, regionalen oder bundesweiten Radioprogrammen abgewiesen wurden.

Weiters sind beim Verfassungsgerichtshof zwei Beschwerdeverfahren (B1441/98, B231/99) gegen Bescheide der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde bzw. der Privatrundfunkbehörde anhängig, mit denen Anträge, Bescheide über die Erteilung von Sendelizenzen zuzustellen, abgewiesen wurden.

Außerdem sind beim Verfassungsgerichtshof zwei Beschwerdeverfahren (B1260/98, B369/99) gegen Bescheide der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde bzw. der Privatrundfunkbehörde anhängig, mit denen Anträge nach dem Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz abgewiesen wurden.

2. Bei Behandlung der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §13 Regionalradiogesetz - RRG, BGBl. 1993/506 (im folgenden: RRG) sowohl idF BGBl. I 1997/41 als auch idF BGBl. I 1999/2, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 16. Oktober 1999 beschlossen, Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der genannten Bestimmung einzuleiten.

3.a. §13 RRG, BGBl. 1993/506 idF BGBl. I 1997/41, lautet:

"Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde

§13. (1) Als Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde wird beim Bundeskanzleramt eine Kollegialbehörde mit zwölf Mitgliedern eingerichtet, die aus den gemäß Abs4 bestellten Mitgliedern sowie dem richterlichen Mitglied besteht. Die Mitglieder haben sachkundig zu sein, wobei sie eine mindest fünfjährige Erfahrung im Medien- oder Verwaltungsbereich aufweisen müssen.

(2) Die Mitglieder der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde sind gemäß Art20 Abs2 B-VG bei der Ausübung ihrer Funktion an keine Weisungen und Aufträge gebunden.

(3) Die Mitglieder der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde gemäß Abs4 und das richterliche Mitglied ernennt der Bundespräsident auf Vorschlag der Bundesregierung. Ihre Amtsperiode dauert fünf Jahre.

(4) Die Bundesregierung ist bei Erstellung ihrer Vorschläge an Besetzungsvorschläge gebunden, und zwar

1.

für sechs Mitglieder an Vorschläge der im Hauptausschuß des Nationalrates vertretenen politischen Parteien, wobei die Verteilung der Anzahl der Mitglieder auf die politischen Parteien nach deren Stärkeverhältnis im Nationalrat auf Grund des Systems von d'Hondt zu ermitteln ist und jede im Hauptausschuß des Nationalrates vertretene Partei durch mindestens ein Mitglied vertreten sein muß,

2.

für drei Mitglieder an einen einstimmig gefaßten Vorschlag der Landeshauptmännerkonferenz,

3.

für ein Mitglied an einen Vorschlag des Österreichischen Gemeindebundes,

4.

für ein Mitglied an einen Vorschlag des Österreichischen Städtebundes und

5.

bei der Erteilung der Zulassung gemäß §17 wird jeweils ein Vertreter des Landes als beratendes Mitglied hinzugezogen, in dessen Gebiet sich der der beantragten Sendelizenz zugeordnete Sendestandort befindet. Im Falle von Versorgungsgebieten für lokalen Hörfunk im Grenzgebiet zweier oder mehrerer Bundesländer muß dies ein Vertreter jenes Landes sein, in welchem die Verbreitung überwiegend stattfindet.

(5) Des weiteren ist entsprechend der Bestimmung der Abs3 und 4 für jedes Mitglied ein Ersatzmitglied zu bestellen.

(6) Wenn die zur Erstattung von Vorschlägen für die Ernennung von Mitgliedern gemäß Abs4 berechtigten Organe von diesem Recht keinen Gebrauch machen und keine Vorschläge erstatten, so bleiben bei einer Feststellung der Beschlußfähigkeit der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde die deswegen nicht bestellten Mitglieder außer Betracht.

(7) Der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde dürfen nicht angehören:

1.

Personen, die nicht zum Nationalrat wählbar sind;

2.

Personen, die in einem Arbeitsverhältnis zum Österreichischen Rundfunk stehen oder in einem Organ des Österreichischen Rundfunks tätig sind oder in einem Arbeits- oder Gesellschaftsverhältnis zu einem Hörfunkveranstalter oder zu einem Kabel-Rundfunkveranstalter im Sinne des Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetzes, BGBl. I Nr. 42/1997, stehen;

3.

Mitglieder der Bundesregierung oder einer Landesregierung, Staatssekretäre, Volksanwälte sowie der Präsident des Rechnungshofes;

4.

Personen, die bereits zweimal in unmittelbarer Aufeinanderfolge Mitglieder der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde waren;

5.

Mitglieder der Kommission zur Wahrung des Regionalradiogesetzes;

6.

Mitglieder des Hörfunkbeirates.

(8) Hat ein Mitglied der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde drei aufeinanderfolgenden Einladungen zu einer Sitzung ohne genügende Entschuldigung keine Folge geleistet, oder tritt bei einem Mitglied ein Ausschlußgrund gemäß Abs7 nachträglich ein, so hat dies nach seiner Anhörung die Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde durch Beschluß festzustellen. Diese Feststellung hat den Verlust der Mitgliedschaft zur Folge.

(9) Scheidet ein Mitglied oder Ersatzmitglied der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde vorzeitig aus, so ist an seiner Stelle für den noch verbleibenden Rest der Amtsdauer ein neues Mitglied bzw. Ersatzmitglied unter Bedachtnahme auf Abs4 zu bestellen.

(10) Die Mitglieder der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde haben Anspruch auf Ersatz der angemessenen Reisekosten und Barauslagen sowie auf ein Sitzungsgeld, das von der Bundesregierung durch Verordnung unter Bedachtnahme auf die Bedeutung und den Umfang der von der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde zu besorgenden Aufgaben festzusetzen ist.

(11) Die Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde entscheidet in oberster Instanz. Ihre Entscheidungen unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg."

3.b. Mit der Novelle BGBl. I 1999/2 ist die Ziffer 5 in §13 Abs4 RRG entfallen und weiters die Ziffer 2 des §13 Abs7 RRG geändert worden.

§13 Abs7 Ziffer 2 RRG idF BGBl. I 1999/2 lautet:

"2. Personen, die in einem Arbeitsverhältnis zum Österreichischen Rundfunk stehen oder in einem Organ des Österreichischen Rundfunks tätig sind oder in einem Arbeits- oder Gesellschaftsverhältnis zu einem Hörfunkveranstalter im Sinne dieses Bundesgesetzes oder zu einem Rundfunkveranstalter im Sinne des Privatrundfunkgesetzes, BGBl. I Nr. 42/1997, stehen;"

Weiters wurde mit der genannten Novelle die Bezeichnung Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde durch die Bezeichnung Privatrundfunkbehörde ersetzt.

3.c. Mit der Novelle BGBl. I 1999/160 wurde dem §13 Abs11 RRG ein dritter Satz angefügt, nämlich:

"Gegen die Entscheidung der Privatrundfunkbehörde ist die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes zulässig."

4. Der Verfassungsgerichtshof ging von der Zulässigkeit der Beschwerden sowie davon aus, daß sich die angefochtenen Bescheide - unter anderem - auf §13 RRG stützen. Die Hauptzahl der Bescheide (außer jene, die den zu B231/99 und B369/99 protokollierten Beschwerden zugrunde liegen) stützt sich auf das RRG, BGBl. 1993/506 idF BGBl. I 1997/41. Mit den beiden letztgenannten Beschwerden wurden Bescheide bekämpft, die erst nach dem 1. Jänner 1999 erlassen wurden; diese Bescheide stützen sich auf das RRG, BGBl. 1993/506 idF BGBl. I 1999/2. Der Verfassungsgerichtshof nahm weiters vorläufig an, daß die in Prüfung genommene Bestimmung eine untrennbare Einheit bildet und daß auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen.

5. Seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung genommenen Bestimmung des §13 RRG formulierte der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluß vom 16. Oktober 1999 wie folgt:

"a) Gemäß §2b RRG dienen die in den Anlagen zur RRG-Novelle BGBl. I 1997/41 geregelten Frequenzen der Grundversorgung mit Regional- und Lokalradio. Gemäß §2 Abs2 RRG idF BGBl. I 1997/41 hatte der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des RRG durch Verordnung (Frequenznutzungsplan) die drahtlosen terrestrischen Übertragungskapazitäten für Hörfunk nach Frequenz und Standort dem Österreichischen Rundfunk, den bereits im Rahmen der Grundversorgung (§2b RRG) erteilten und den übrigen Sendelizenzen für regionalen und lokalen Hörfunk nach den Grundsätzen des §2 Abs1 in Verbindung mit §2c zuzuordnen. Die Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb von Sendeanlagen zur Veranstaltung von Hörfunk war durch die zuständige Fernmeldebehörde erst nach der Zulassung (Lizenzvergabe) zu erteilen (§2f RRG). Die Rechtsaufsicht über die Hörfunkveranstalter im Sinne des RRG obliegt gemäß §21 RRG der Kommission zur Wahrung des Regionalradiogesetzes, die beim Bundeskanzleramt errichtet ist und über behauptete Verletzungen von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu entscheiden hat (§21 Abs1 RRG). Gemäß §22b RRG unterliegen die Entscheidungen dieser Kommission nicht der Aufhebung und Abänderung im Verwaltungsweg, die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ist nicht ausdrücklich für zulässig erklärt (auch nicht durch die Novelle zum RRG BGBl. I 1999/160).

Die beim Bundeskanzleramt eingerichtete Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde (nunmehr: Privatrundfunkbehörde) ist die oberste und einzige Instanz für das Zulassungsverfahren betreffend die Veranstaltung von regionalen und lokalen Hörfunkprogrammen im Ultrakurzwellen (UKW)-Bereich durch andere Veranstalter als den Österreichischen Rundfunk (ORF). Sie ist (§13 RRG) durch das Gesetz als weisungsfreie Verwaltungsbehörde mit richterlichem Einschlag im Sinne des Art133 Z4 B-VG gestaltet. Nach dieser Verfassungsbestimmung kommt eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen Bescheide der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde (nunmehr: Privatrundfunkbehörde) nur dann in Betracht, wenn diese ausdrücklich für zulässig erklärt ist. Bis zu der am 1. August 1999 in Kraft getretenen Novelle zum RRG, BGBl. I 1999/160, hatte der Gesetzgeber eine Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes nicht für zulässig erklärt; die Bescheide der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde (nunmehr: Privatrundfunkbehörde) unterlagen sohin bis zu diesem Zeitpunkt nicht der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof. Die in den gegenständlichen Beschwerdeverfahren angefochtenen Bescheide sind sohin nicht beim Verwaltungsgerichtshof bekämpfbar.

b) Bereits im Erkenntnis VfSlg. 11500/1987 hat der Verfassungsgerichtshof dargelegt, daß die in der Bundesverfassung als Möglichkeit vorgesehene Einrichtung von Kollegialbehörden im Sinne des Art133 Z4 B-VG eine Ausnahme nicht nur von der Leitungsbefugnis der obersten Organe (Art20 Abs1 B-VG), sondern auch vom System der nachprüfenden Kontrolle der Verwaltung des Bundes und der Länder durch den Verwaltungsgerichtshof darstellt. Der Verfassungsgerichtshof hat es als verfassungsrechtlich ausgeschlossen angesehen, diese Kontrolle in wesentlichen Teilen durch die Einrichtung solcher Kollegialorgane zu ersetzen.

In dem die Telekom-Control-Kommission betreffenden Erkenntnis vom 24. Februar 1999, B1625/98-32, hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, daß die Zahl solcher Kollegialbehörden im Bereich des Bundes neuerdings deutlich zunimmt, ebenso aber auch das Gewicht der von ihnen zu besorgenden Angelegenheiten. Dies werfe insbesondere dort staatsrechtliche Probleme auf, wo die Aufgabe der (unmittelbaren) Verwaltungsführung mit der Funktion der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zusammenfällt.

c) Der Verfassungsgerichtshof hat in dem zuletzt zitierten Erkenntnis die Einrichtung der Telekom-Control-Kommission angesichts des ihr zugewiesenen Sachbereiches als für noch zulässig erachtet, einerseits deshalb, weil es sich bei den Regulierungsaufgaben im Bereich der Telekommunikation um einen weitgehend neuen Verwaltungsbereich handelt, dessen Bewältigung nicht nur juristischen und wirtschaftlichen, sondern in hohem Maß auch technischen Sachverstand erfordert, anderseits, weil regelmäßig die Entscheidung über civil rights in jenem Sinn zu treffen ist, den der EGMR diesem Begriff des Art6 EMRK beimißt. Darüber hinaus hat der Verfassungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis ausgesprochen, daß es gemäß Art5a Abs3 der unmittelbar wirksamen Richtlinie 90/387/EWG ein wirksames (aufsteigendes) Rechtsmittel an eine unabhängige Stelle geben muß und daher der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts dahingehend durchzuschlagen hat, daß für den Anwendungsbereich der zitierten Richtlinie Art133 Z4 B-VG verdrängt wird und somit auch gegen Entscheidungen der Telekom-Control-Kommission als Regulierungsbehörde eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig ist.

Der Verfassungsgerichtshof erachtete sohin im zitierten Erkenntnis die Einrichtung der Telekom-Control-Kommission als Behörde im Sinne des Art133 Z4 B-VG gerade deshalb als verfassungsrechtlich nicht bedenklich, weil einerseits besondere Gründe für die Einrichtung einer weisungsfreien Kollegialbehörde sprachen und anderseits diese Kollegialbehörde der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof unterlag und dadurch das vom Verfassungsgerichtshof als problematisch angesehene Zusammentreffen der Aufgabe der Verwaltungsführung mit der Aufgabe der Verwaltungskontrolle eben nicht gegeben war. Dennoch sah sich der Verfassungsgerichtshof bereits in diesem Erkenntnis veranlaßt, darauf aufmerksam zu machen, daß nach dem damaligen Stand seiner Überlegungen Ausmaß und Gewicht der von Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag zu besorgenden Aufgaben sich der Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen inzwischen so weit genähert hätten, daß die Einrichtung solcher Behörden, welche die Besorgung wesentlicher Staatsaufgaben in größerem Umfang aus der (insbesondere parlamentarischen) Verantwortlichkeit der zur Leitung der Verwaltung berufenen Organe entlasse und der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof entziehe, nach beiden Richtungen einer besonderen Rechtfertigung bedürfte.

d) Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ergibt sich im vorliegenden Fall eine Konstellation, die unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten bedenklich scheint: Der demokratische Rechtsstaat ist nämlich nicht nur durch die Bindung der Vollziehung an die Gesetze gekennzeichnet, sondern jedenfalls auch durch die Gewährleistung dieser Bindung; bildet doch diese Gewährleistung der Bindung der Verwaltung an die Gesetze ein wesentliches Element der Rechtsstaatlichkeit. Eine Bindung verwaltungsbehördlichen Handelns an die Gesetze ohne Kontrolle der Gesetzmäßigkeit dieses Handelns entspricht dagegen nicht dem Anspruch des verfassungsgesetzlich eingerichteten demokratischen Rechtsstaates.

In Anbetracht der entscheidenden Bedeutung, die der Kontrolle der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns im demokratischen Rechtsstaat zukommt, erachtet es der Verfassungsgerichtshof als bedenklich, wenn der Gesetzgeber eine einzige Behörde in einziger und letzter Instanz sowohl mit Aufgaben der Verwaltungsführung als auch mit Aufgaben der Verwaltungskontrolle betraut, weil dies mit dem von der Verfassung gebotenen allgemein geltenden System der Unterordnung der Verwaltungsbehörden unter die obersten Organe der Verwaltung in Widerspruch stehen könnte. Auch hegt der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß die Anzahl der vom Gesetzgeber nunmehr geschaffenen Kollegialbehörden im Sinne des Art133 Z4 B-VG im Hinblick auf das Gewicht und den Umfang der von diesen Behörden zu besorgenden Angelegenheiten in Anbetracht der fehlenden nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof ein Ausmaß erreicht haben könnte, das den Verwaltungsgerichtshof in seiner vom Verfassungsgesetzgeber zugewiesenen Funktion bedeutungslos machen und sohin gegen den Grundsatz des demokratischen Rechtsstaates - nämlich eine umfassende nachprüfende Kontrolle der gesamten staatlichen Verwaltung durch den Verwaltungsgerichtshof zu gewährleisten - verstoßen könnte.

Dadurch, daß der Gesetzgeber Aufgaben der Verwaltungsführung und Funktionen der Verwaltungskontrolle in einer einzigen Behörde zusammenfaßt, schließt er eine umfassende Kontrolle dieser Verwaltungstätigkeit in einem wohl nicht mehr zu rechtfertigenden Ausmaß aus. Die Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof, der die Behörden im Sinne des Art133 Z4 B-VG jedenfalls unterliegen, ist nämlich gegenüber Akten der Verwaltung in einem Maße eingeschränkt, daß sie eine rechtsstaatlich hinreichende Kontrolle für sich allein nicht zu verbürgen vermag; muß doch aus rechtsstaatlicher Sicht die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art18 B-VG) und nicht allein deren Grundrechtsmäßigkeit gewährleistet werden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher das Bedenken, ob eine solche Regelung mit dem Rechtsstaatsprinzip, dem - wie aus Art129 B-VG deutlich hervorgeht - die Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung immanent ist, vereinbar ist.

e) Im Gesetzesprüfungsverfahren wird darauf Bedacht zu nehmen sein (siehe oben unter Punkt II.3.a. zweiter Absatz), daß die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung idF BGBl. 1997/41 und BGBl. I 1999/2 durch die am 1. August 1999 in Kraft getretene Novelle, BGBl. I Nr. 160/1999, ergänzt wurde."

6. Die Bundesregierung brachte in ihrer Äußerung zu den vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes über das Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen nichts vor, bestritt jedoch die vom Verfassungsgerichtshof aufgeworfenen Bedenken und stellte den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle feststellen, daß §13 RRG, BGBl. 1993/506 idF BGBl. I 1997/41 und BGBl. I 1999/2, nicht verfassungswidrig war. Sie begründete diesen Antrag wie folgt:

"1. Die Bundesregierung entnimmt dem Prüfungsbeschluss folgende - miteinander bis zu einem gewissen Grad verflochtene - Bedenken des Verfassungsgerichtshofes:

A. Die Zusammenlegung von Aufgaben der Verwaltungsführung und Aufgaben der Verwaltungskontrolle in einer einzigen Behörde sei im Lichte des Rechtsstaatsprinzips bedenklich, weil dadurch die Sicherung der Gesetzmäßigkeit der solcherart besorgten Verwaltungstätigkeit (mangels umfassender Rechtskontrolle) nicht hinreichend gewährleistet werde.

B. Die Betrauung einer Behörde in einziger Instanz sowohl mit Aufgaben der Verwaltungsführung als auch mit Aufgaben der Verwaltungskontrolle könnte mit dem von der Verfassung gebotenen allgemein geltenden System der Unterordnung der Verwaltungsbehörde unter die obersten Organe der Verwaltung in Widerspruch stehen.

C. Die Anzahl der vom Gesetzgeber geschaffenen Kollegialbehörden im Sinne des Art133 Z4 B-VG habe in Anbetracht der fehlenden nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof ein Ausmaß erreicht, das gegen den Grundsatz des demokratischen Rechtsstaates auf Gewährleistung einer umfassenden nachprüfenden Kontrolle der gesamten staatlichen Verwaltung durch den Verwaltungsgerichtshof verstoßen könnte.

2. Die Bundesregierung zweifelt nicht an der Zulässigkeit der Gesetzesprüfungsverfahren, hält die erhobenen Bedenken jedoch aus folgenden Gründen für unzutreffend:

ad A. aa. Der Verfassungsgerichtshof stellt in seinem Prüfungsbeschluss fest, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung der in Prüfung gezogenen Regelung des §13 Regionalradiogesetz (im folgenden: RRG), BGBl. Nr. 506/1993 idF BGBl. I Nr. 41/1997 und BGBl. I Nr. 2/1999, der Sache nach 'Aufgaben der Verwaltungsführung und Funktionen der Verwaltungskontrolle' in einer zur Entscheidung in erster und gleichzeitig letzter Instanz betrauten und im Sinne des Art133 Z4 B-VG eingerichteten Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag zusammengefasst hat. An diese nach Auffassung der Bundesregierung zutreffende Feststellung knüpft der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass der Gesetzgeber hiedurch eine 'umfassende Kontrolle' der von dieser Behörde zu besorgenden Verwaltungstätigkeiten in einer Weise ausgeschlossen hat, die die in Prüfung gezogene Regelung in Konflikt mit 'dem Rechtsstaatsprinzip', dem nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes die Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung immanent ist, bringen könnte. Eine Bindung verwaltungsbehördlichen Handelns an die Gesetze ohne Kontrolle der Gesetzmäßigkeit dieses Handelns entspricht nach der (vorläufigen) Ansicht des Verfassungsgerichtshofes 'nicht dem Anspruch des verfassungsgesetzlich eingerichteten demokratischen Rechtsstaates.'

ab. Dieses Bedenken wirft die Frage auf, ob es dem einfachen Gesetzgeber im Lichte des Rechtsstaatsprinzips - dessen im gegebenen Zusammenhang relevanter normativer Gehalt im folgenden noch näher zu erörtern sein wird (siehe unten Ad C. dc und dd)- von Verfassungs wegen verwehrt ist, eine nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete Kollegialbehörde mit Aufgaben der Verwaltungsführung in erster und gleichzeitig letzter und somit einziger Instanz zu betrauen: Führt eine solche Betrauung doch gerade wesensmäßig dazu, dass von einer solcherart eingerichteten Behörde 'Aufgaben der Verwaltungsführung und der Verwaltungskontrolle' gleichsam in einem besorgt werden. Von einem Zusammenfallen der Aufgaben der Verwaltungsführung und der Verwaltungskontrolle kann jedoch dann keine Rede sein, wenn die nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete Behörde erst nach Durchlaufen eines vorgelagerten Instanzenzuges (in letzter Instanz) angerufen werden kann. Das in Rede stehende Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gründet somit auf der - vorläufigen - Annahme, die Einrichtung einer Behörde im Sinne des Art133 Z4 B-VG ohne vorgelagerten (administrativen) Instanzenzug sei ohne gleichzeitige Schaffung der Möglichkeit der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes rechtsstaatswidrig, weil dadurch die Sicherung der Gesetzmäßigkeit des solcherart ausgeübten Verwaltungshandelns nicht hinreichend gesichert werde.

b. Diesem Bedenken steht freilich schon eine seit Jahrzehnten gefestigte und nach Auffassung der Bundesregierung auch wohlbegründete Rechtsprechungslinie des Verfassungsgerichtshofes entgegen:

ba. Bereits im Jahre 1964 hat der Verfassungsgerichtshof mit den Erkenntnissen VfSlg. 4819/1964 und 4820/1964 Beschwerden gegen Bescheide der beim Amt der Burgenländischen Landesregierung eingerichteten und zur Entscheidung in erster und gleichzeitig letzter Instanz berufenen Grundverkehrs-Landeskommission, die vom Verfassungsgerichtshof als Behörde im Sinne des Art133 Z4 B-VG qualifiziert wurde, gegen deren Bescheide eine Beschwerdemöglichkeit an den Verwaltungsgerichtshof nicht bestand, abgewiesen. Der Verfassungsgerichtshof hielt in beiden Entscheidungen (unter Hinweis auf seine bis ins Jahr 1959 zurückgehende Vorjudikatur) ausdrücklich fest, dass gegen die gesetzliche Grundlage der in Rede stehenden Behörde keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.

bb. 1969 wurde der Verfassungsgerichtshof im Rahmen einer gegen einen Bescheid der Landesgrundverkehrskommission des Landes Oberösterreich, die ebenfalls als Behörde im Sinne des Art133 Z4 B-VG ohne Möglichkeit der nachfolgenden Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes eingerichtet und zur Entscheidung in einziger Instanz berufen war, mit dem Beschwerdevorbringen konfrontiert, 'dass es dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit widerstreite, wenn eine Behörde als einzige Instanz eingerichtet wird'. Im hiezu ergangenen Erkenntnis VfSlg. 6092/1969 hielt der Verfassungsgerichtshof dem Beschwerdeführer entgegen, dass 'die Bundesverfassung ... den Gesetzgeber (ermächtigt), den administrativen Instanzenzug zu regeln, ohne ihm hiebei Beschränkungen irgendweIcher Art aufzuerlegen'. Von dieser Rechtsauffassung ausgehend sah sich der Verfassungsgerichtshof zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens nicht veranlasst; die Beschwerde wurde abgewiesen.

Die Bundesregierung erlaubt sich darauf hinzuweisen, dass das diesem Erkenntnis zugrundeliegende und vom Verfassungsgerichtshof als unbegründet erachtete Beschwerdevorbringen - die Unvereinbarkeit der Einrichtung einer nach Art133 Z4 B-VG eingerichteten und in einziger Instanz zur Entscheidung berufenen Behörde, gegen deren Bescheide die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes nicht für zulässig erklärt ist, mit dem Rechtsstaat(lichkeit)sprinzip - exakt dem in Rede stehenden Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entspricht, kann doch nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass mit den Begriffen 'Rechtsstaat' und 'Rechtsstaatlichkeit' dasselbe Prinzip lediglich mit zwei verschiedenen Worten umschrieben wird (so etwa auch auf Seite 36 des Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes, wo sowohl der Begriff der 'Rechtsstaatlichkeit' als auch der Begriff des 'Rechtsstaates' mit inhaltlich offenkundig identischer Bedeutung verwendet werden). Die Bundesregierung verkennt dabei nicht, dass aufgrund zwischenzeitlich erfolgter Änderungen der Verfassungsrechtslage - wie etwa dem Inkrafttreten des siebenten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, mit dem in bestimmten (hinsichtlich der Privatrundfunkbehörde jedoch nicht vorliegenden) Fallkonstellationen ein zumindest zweistufiger Instanzenzug verfassungsgesetzlich gefordert wird - sich das damals unbegründete Beschwerdevorbringen aufgrund der geltenden Verfassungsrechtslage in bestimmten Bereichen als zutreffend erweisen würde. Änderungen der Verfassungsrechtslage, die es geboten erscheinen lassen, das vor 30 Jahren unbegründete Beschwerdevorbringen heute hinsichtlich der von der Privatrundfunkbehörde zu besorgenden Aufgaben oder gar schlechthin als zutreffend zu erachten, sind der Bundesregierung jedoch nicht ersichtlich.

bc. Auch in seiner neueren Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass von Verfassungs wegen der Entscheidung einer Kollegialbehörde im Sinne des Art133 Z4 B-VG kein Instanzenzug vorangehen muss. Gegenteilige Beschwerdebehauptungen hatten regelmäßig keinen Erfolg (vgl. zB VfSlg. 13.012/1992 mit weiteren Judikaturnachweisen).

Schließlich hielt der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 14.109/1995 dem vom Beschwerdeführer erhobenen Vorbringen, dass die Rechtsgrundlage der als Art133 Z4 B-VG Behörde eingerichteten Landesgrundverkehrskommission des Landes Oberösterreich, die gemäß §5 Abs1 des Oö. Ausländergrunderwerbsgesetzes in einziger Instanz mit bestimmten Aufgaben der Verwaltungsführung betraut war und gegen deren Bescheide die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gesetzlich nicht vorgesehen war, folgendes entgegen:

'Die in der Beschwerde vorgetragene Auffassung, daß von Verfassungs wegen ein zweigliedriger Instanzenzug vorgesehen sein müsse, ist in dieser Allgemeinheit unzutreffend. Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, schreibt die Bundesverfassung nicht vor, es müsse eine Mehrzahl von Instanzen eingerichtet werden (z.B. VfSlg. 5396/1966, 7038/1973, 7329/1974, 7460/1974). Etwas anderes gilt nur, soweit dies verfassungsgesetzlich angeordnet ist (zB in Art2 des 7. ZPEMRK; s. dazu etwa VfSlg. 13.012/1992).

Weder Art20 Abs2 B-VG noch Art133 Z4 B-VG gebieten, daß die Entscheidung einer in diesen verfassungsrechtlichen Bestimmungen geregelten Kollegialbehörde ein administrativer Instanzenzug vorangehen muss (VfSlg. 13.012/1992; s. etwa auch VfSlg. 4819/1964). Es ist daher zulässig, dass eine solche Kollegialbehörde in erster und zugleich oberster (letzter) Instanz entscheidet (VfSlg. 4820/1964, 6092/1969, 13.012/1992).'

c. In allen zitierten Erkenntnissen sah es der Verfassungsgerichtshof als verfassungsrechtlich zulässig an, eine Behörde im Sinne des Art133 Z4 B-VG in erster und gleichzeitig letzter Instanz mit Aufgaben der Verwaltungsführung selbst dann zu betrauen, wenn die Anrufbarkeit des Verwaltungsgerichtshofes gesetzlich nicht eingeräumt war. Schon im Lichte dieser gefestigten Rechtsprechung, von der abzurücken mangels Änderung der einschlägigen Verfassungsrechtslage (vgl. hiezu oben litbb.) nach Ansicht der Bundesregierung kein Anlaß besteht, erweist sich das vom Verfassungsgerichtshof erhobene Bedenken, dass der Gesetzgeber mit Erlassung des §13 RRG in den in Prüfung gezogenen Fassungen eine 'umfassende Kontrolle' der von der Privatrundfunkbehörde zu besorgenden Verwaltungstätigkeiten in einer Weise ausgeschlossen hat, die in Konflikt mit dem Rechtsstaatsprinzip steht, als unzutreffend.

Ad B. Mit der vorstehend skizzierten Rechtsprechung wird nach Auffassung der Bundesregierung aber hinsichtlich der in Rede stehenden, im Sinne des Art133 Z4 B-VG eingerichteten Behörde auch das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes widerlegt, dass die Betrauung einer Behörde in einziger Instanz sowohl mit Aufgaben der Verwaltungsführung als auch mit Aufgaben der Verwaltungskontrolle mit dem von der Verfassung gebotenen allgemein geltenden System der Unterordnung der Verwaltungsbehörde unter die obersten Organe der Verwaltung in Widerspruch stehen könnte. Da Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag nach der ausdrücklichen Anordnung des Art133 Z4 B-VG die Entscheidung 'in oberster Instanz' zustehen muß, womit die Einräumung eines administrativen Instanzenzuges gegen ihre Bescheide wohl verfassungsrechtlich ausgeschlossen wird, könnte die vom Verfassungsgerichtshof angenommene Verfassungswidrigkeit nur darin bestehen, dass dieser Behörde keine andere Behörde instanzenmäßig untergeordnet ist. Eine solche Annahme steht jedoch im Widerspruch zur vorstehend zitierten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, derzufolge es verfassungsrechtlich zulässig ist, eine im Sinne des Art133 Z4 B-VG eingerichtete Behörde auch bei Nichtanrufbarkeit des Verwaltungsgerichtshofes mit Aufgaben der Verwaltungsführung in einziger Instanz zu betrauen.

Ad C. aa. Der Verfassungsgerichtshof hegt schließlich das Bedenken, dass

'die Anzahl der vom Gesetzgeber geschaffenen Kollegialbehörden im Sinne des Art133 Z4 B-VG im Hinblick auf das Gewicht und den Umfang der von diesen Behörden zu besorgenden Angelegenheiten in Anbetracht der fehlenden nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof ein Ausmaß erreicht haben könnte, das den Verwaltungsgerichtshof in seiner vom Verfassungsgesetzgeber zugewiesenen Funktion bedeutungslos machen und sohin gegen den Grundsatz des demokratischen Rechtsstaates - nämlich eine umfassende nachprüfende Kontrolle der gesamten staatlichen Verwaltung durch den Verwaltungsgerichtshof zu gewährleisten - verstoßen könnte'.

ab. Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfSlg. 11.500/1987 - ohne jegliche Begründung - ausgesprochen, dass der Gesetzgeber von der durch Art133 Z4 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Möglichkeit, Kollegialbehörden im Sinne dieser Verfassungsbestimmung einzurichten, nicht in einem Maße Gebrauch machen darf, dass die allgemeine Leitungsbefugnis der obersten Organe und die umfassende Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Überprüfung des Verwaltungshandelns in Frage stellen würde. Im Lichte des dem Verfassungsgerichtshof damals vorgelegenen Falles ist diese für seine Entscheidung letztlich unerheblich gewesene Aussage freilich als bloßes 'obiter dictum' zu qualifizieren.

ac. In seinem zur - als Behörde im Sinne des Art133 Z4 B-VG eingerichteten - Telecom-Control-Kommission ergangenen Erkenntnis vom 24. Februar 1999, B1625/98, setzte sich der Verfassungsgerichtshof in Anknüpfung mit seiner in VfSlg. 11.500/1987 getätigten Aussage mit möglichen verfassungsrechtlichen Grenzen der Einrichtung von Kollegialbehörden im Sinne des Art133 Z4 B-VG erstmals substanziell auseinander. Wenngleich der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis die Rechtsgrundlagen der Telecom-Control-Kommission letztlich doch als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtete, sah er sich doch veranlasst, 'darauf aufmerksam zu machen, daß nach dem gegenwärtigen Stand seiner Überlegungen Ausmaß und Gewicht der von Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag zu besorgenden Aufgaben sich der Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen inzwischen so weit genähert haben, daß die Einrichtung solcher Behörden, welche die Besorgung wesentlicher Staatsaufgaben in größerem Umfang aus der (insbesondere parlamentarischen) Verantwortlichkeit der zur Leitung der Verwaltung berufenen obersten Organe entläßt und der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof entzieht, nach beiden Richtungen bereits einer besonderen Rechtfertigung durch gewichtige Gründe bedarf'.

b. Die Bundesregierung geht zunächst davon aus, dass Art133 Z4 B-VG - an dessen Verfassungsmäßigkeit im Lichte des rechtsstaatlichen Grundprinzips zu zweifeln sich auch der Verfassungsgerichtshof offenkundig nicht veranlaßt sieht - nicht nur die erforderliche verfassungsrechtliche Grundlage für die Einrichtung von sogenannten Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag bildet, die anstelle der obersten Organe des Bundes der Vollziehung (Art19 Abs1 B-VG) in oberster Instanz entscheidungsbefugt sind. Diese Verfassungsbestimmung geht angesichts der Textierung des letzten Halbsatzes zudem erkennbar davon aus, dass die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gegen Entscheidungen dieser Behörden grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Der einfache Gesetzgeber wird freilich ermächtigt, eine Anrufung dieses Gerichtshofes für zulässig zu erklären.

c. Dem Wortlaut des Art133 Z4 B-VG lassen sich Schranken der einfachen Gesetzgebung hinsichtlich des Umfangs der von von im Sinne dieser Verfassungsbestimmung eingerichteten Behörden zu besorgenden Verwaltungsaufgaben jedenfalls nicht entnehmen. Derartige Schranken können sich somit (wie auch der Verfassungsgerichtshof mit der Bezugnahme auf das 'Rechtsstaatsprinzip' andeutet) nur aus dem Gesamtaufbau der Bundesverfassung ergeben. Es erweist sich sohin als notwendig, die Stellung dieser Behörden im Gefüge der Bundesverfassung und insbesondere im Lichte des vom Verfassungsgerichtshof ins Spiel gebrachten Rechtsstaatsprinzips einer näheren Betrachtung zu unterziehen.

da. Schon ein flüchtiger Blick in die Geschichte der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit zeigt, dass Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag bereits seit Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit eine rechtliche Sonderstellung zukommt. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 15.172/1998 selbst festgestellt hat, sah schon das Gesetz über die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes, RGBl. Nr. 36/1876, eine Ausnahme der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes bezüglich Entscheidungen vor, welche von einer aus Verwaltungsbeamten und Richtern zusammengesetzten Instanz geschöpft worden waren. Im Motivenbericht wird dies damit begründet, dass die 'hohe richterliche Stellung der entscheidenden Behörde solche Garantien richtiger Entscheidung darbietet, die selbst von einem Verwaltungsgerichtshof nicht stärker geboten werden können' (vgl. hiezu ausführlich Pernthaler, Die Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag (1977) 17 ff).

Die Sichtweise, dass eine Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag solche Garantien richtiger Entscheidung darbietet, die selbst von einem Verwaltungsgerichtshof nicht stärker geboten werden können, wurde - auf der Grundlage von in einem Zeitraum von immerhin mehr als 40 Jahren gemachten Erfahrungen - vom Verfassungsgesetzgeber des Jahres 1920 übernommen. Gemäß Art131 Z3 B-VG 1920, StGBl. Nr. 450/1920 bzw. BGBl. Nr. 1/1920 waren von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nämlich ex constitutione die Angelegenheiten ausnahmslos ausgeschlossen, über die eine Kollegialbehörde zu entscheiden oder zu verfügen hat, der in erster oder höherer Instanz wenigstens ein Richter angehört. Eine Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers, in diesen Fällen die Anrufbarkeit des Verwaltungsgerichtshofes vorzusehen, gab es nicht. In ihrem das Verständnis des historischen Verfassungsgesetzgebers widerspiegelnden Kommentar stellen Kelsen/ Froehlich/Merkel, Bundesverfassung 1920 (1922), 245 fest, dass dort, wo ein Richter derart im Rahmen einer kollegialen Verwaltungsbehörde beteiligt ist, 'eine Rechtskontrolle durch ein besonderes Verwaltungsgericht überflüssig ist'.

Im Jahre 1929 wurde durch die B-VG Novelle BGBl. Nr. 392/1929 ein Art129 Abs5 geschaffen, dessen Z4 dem heutigen Art133 Z4 B-VG inhaltlich vollständig entspricht.

db. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VfSlg. 14.702/1996 die Auffassung vertreten, dass aus dem Rechtsstaatsprinzip der Grundsatz hervorgehe, dass die Rechtsordnung ausreichenden effizienten Rechtsschutz gewähren muss. Die Bundesregierung stimmt dieser sehr allgemeinen Aussage mit der Bemerkung zu, dass die Frage, was unter einem im Lichte des Rechtsstaatsprinzips 'ausreichend effizienten Rechtsschutz' zu verstehen ist, in Ermangelung eines eindeutigen Verfassungstextes und späterer einschlägiger Verfassungsänderungen nur unter Heranziehung des im Zeitpunkt der Schaffung der Bundesverfassung aus ihren Bestimmungen klar hervorleuchtenden Verständnisses beantwortet werden kann. Dies gilt auch für die Frage allfälliger Grenzen des einfachen Gesetzgebers hinsichtlich seiner Befugnis zur Einrichtung von Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag.

Die vorstehenden Ausführungen zeigen sehr deutlich, dass der Verfassungsgesetzgeber des Jahres 1920 von der damals immerhin schon seit mehr als 40 Jahren etablierten Auffassung geleitet wurde, das die Gewähr der Rechtsrichtigkeit von Entscheidungen von Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag der Gewähr der Rechtsrichtigkeit verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen entspricht. Ausgehend von diesem dem Art131 Z3 B-VG idF BGBl. Nr. 1/1920 zugrundeliegenden Verständnis ist aber nicht ersichtlich, weshalb die Betrauung einer Behörde im Sinne des heutigen Art133 Z4 B-VG mit Aufgaben der Verwaltungsführung selbst unter gleichzeitigem Ausschluss der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes im Lichte des zeitgleich mit dieser Bestimmung (implizit) eingeführten Rechtsstaatsprinzips ab einem gewissen Punkt verfassungsrechtlich bedenklich sein kann: Der verfassungsgeschichtliche Befund legt es vielmehr nahe, dass der Verfassungsgesetzgeber des Jahres 1920 dem einfachen Gesetzgeber ein Wahlrecht einräumen wollte, nach freiem Ermessen die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes durch Einrichtung einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag auszuschließen: Entspricht die Gewähr der Rechtsrichtigkeit der Entscheidungen dieser Behörden nämlich der Rechtsrichtigkeitsgewähr verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen, so gibt es jedenfalls unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten keinen plausiblen Grund, einer Behörde den Vorzug zu geben. Im Lichte des in Art131 Z3 B-VG idF BGBl. Nr. 1/1920 positivrechtlich verankerten Verfassungsverständnisses des Jahres 1920 sind die beiden in Rede stehenden Alternativen nämlich in rechtsstaatlicher Hinsicht als gleichwertig anzusehen, woraus folgt, dass auch eine Entscheidung einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag einen im Lichte des Rechtsstaatsprinzips 'ausreichend effizienten' Rechtsschutz bietet.

dc. In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass ausschließlich die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bundesverfassung bestehende Verfassungsrechtslage für die Ermittlung des normativen Gehalts des Rechtsstaatsprinzips in seiner Ausprägung als unter dem erhöhten Bestandsschutz des Art44 Abs3 (damals: Art44 Abs2) B-VG stehendem verfassungsrechtlichem Grundprinzip maßgeblich ist: Ausgehend von der in der Lehre herrschenden Auffassung (vgl. zB Thienel, Vertrauensschutz und Verfassungsrecht (1990) 56 bei FN 122), dass die Grundprinzipien der Bundesverfassung nur durch Auslegung der Stammfassung der Bundesverfassung auf induktivem Wege abgeleitet werden können, ist es nämlich schlechthin ausgeschlossen, dass eine Regelung, die bereits zu diesem Zeitpunkt der Bundesverfassung angehörte, mit einem leitenden Grundprinzip in Widerspruch steht (in diesem Sinne auch VfSlg. 11.888/1988 und 12.223/1989, wo der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen hat, dass der damalige Art44 Abs2 und heutige Art44 Abs3 B-VG 'niemals Maßstab für die Entstehung der Bundesverfassung' sein kann). Eine einschränkende Auslegung der durch Art131 Z3 B-VG dem einfachen Gesetzgeber in der Stammfassung des B-VG eingeräumten und nunmehr in Art133 Z4 B-VG verankerten Befugnis, die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes in allen Angelegenheiten auszuschließen, über die eine Kollegialbehörde zu entscheiden oder zu verfügen hat, der in erster oder höherer Instanz wenigstens ein Richter angehört, kann somit weder auf das rechtsstaatliche noch auf ein anderes Grundprinzip der Bundesverfassung gestützt werden.

dd. Die Bundesregierung übersieht in diesem

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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