TE Vwgh Erkenntnis 2004/2/27 2002/11/0184

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Veröffentlicht am 27.02.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §8 Abs2;
FSG-GV 1997 §17 Abs1;
FSG-GV 1997 §3 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 2. Juli 2002, Zl. MA 65-8/201/2002, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer unterzog sich am 4. März 2002 einer verkehrspsychologischen Untersuchung beim psychologischen Zentrum N. in Wien. In der mit 5. März 2002 datierten verkehrspsychologischen Stellungnahme (Mag. G.) lautete die "Zusammenfassung der Befunde/Verkehrspsychologische Stellungnahme" (anonymisiert) wie folgt:

"Herr S(...), geb. am (...)1957, erbrachte bei der verkehrspsychologischen Untersuchung am 04.03.2002 in den kraftfahrspezifischen Leistungsbereichen der Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit (COG) aufgrund eines unangepassten Arbeitsstiles bzw. aufgrund instruktionswidriger Bearbeitungsstrategien keine interpretierbaren Ergebnisse. Im Tachistoskopischen Verkehrsauffassungstest (TAVTMB) zur Erhebung der selektiven Aufmerksamkeitsfähigkeit erzielte S(...) durchschnittliche Werte. Die Überprüfung seines Reaktionsverhaltens, seiner Reaktionssicherheit sowie reaktiven Belastbarkeit (DT) ergab unterdurchschnittliche Ergebnisse. Unter erhöhter Anforderung war die Reaktionsfähigkeit ebenfalls unterdurchschnittlich ausgewiesen. Hinsichtlich seiner diskriminativen Reaktionsfähigkeit (RT) zeigte sich bei einer unterdurchschnittlichen Reizverarbeitung eine durchschnittlich rasche Reizreaktion. Im Bereich der Sensomotorik erzielte er bei einem unterdurchschnittlichen Arbeitstempo eine durchschnittliche Verhaltensgenauigkeit.

Die Werte der Erhebung der kognitiv-intellektuellen Grundfunktionen aufgrund sprachfreier Erfassung des logischen Denkens lagen im Durchschnittsbereich.

Die Ergebnisse im Bereich der Persönlichkeitsdiagnostik lassen auf eine begeisterungsfähige und zur Besorgtheit neigende Persönlichkeit schließen, welche in überdurchschnittlichem Maße zur Selbstbehauptung neigt (16-PF). Einstellungen in Verbindung mit verkehrsauffälligem Verhalten lagen in überdurchschnittlichem Ausmaße vor (KFP-30). Einstellungen, die häufig mit einer psychischen Alkoholdisposition in Zusammenhang stehen, waren ebenfalls überdurchschnittlich hoch ausgewiesen (ATV). Die Summe der erfassten Aggressivitätsfaktoren lag im Durchschnittsbereich. In der Skala 'reaktive Aggressivität' erzielte er überdurchschnittlich hohe Werte (FAF). Die psychometrisch erfasste Risikobereitschaft war überdurchschnittlich hoch ausgeprägt.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in allen kraftfahrspezifischen Leistungsbereichen, außer im Bereich der selektiven Aufmerksamkeit, wo sich den Anforderungen entsprechende Werte zeigen, durchgehend altersuntypische Leistungsdefizite festgestellt wurden. Die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit ist daher derzeit insgesamt nicht gegeben.

Im Persönlichkeitsbereich zeigte sich eine begeisterungsfähige und zur Besorgtheit neigende Persönlichkeit, welche über ein hohes Maß an Selbstbehauptung verfügt. Sowohl die verfahrensmäßig erhobenen Einstellungen hinsichtlich verkehrsauffälligen Verhaltens als auch Einstellungen, welche Rückschlüsse auf eine psychische Alkoholdisposition erlauben, zeigten sich schlecht angepasst. Weiters lag die Risikobereitschaft überdurchschnittlich hoch ausgewiesen vor. Eine Bereitschaft zu verkehrsangepasstem Verhalten kann daher derzeit nicht angenommen werden.

Zur Steigerung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit werden Alkoholabstinenz sowie ein kognitives Leistungstraining empfohlen. Die Absolvierung des Einstellungs- und Verhaltenstrainings wird dringend angeraten.

Aufgrund der Ergebnisse der erhobenen Befunde sowie der Hinweise aus den explorativ gewonnenen Daten kann eine ausreichende kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit und Bereitschaft zur Verkehrsanpassung derzeit nicht angenommen werden. Herr S(...)ist daher aus verkehrspsychologischer Sicht zum Lenken von KFZ der FS-Gruppe 1, Klasse B derzeit

nicht geeignet".

Auf der Grundlage dieser verkehrspsychologischen Stellungnahme erstellte Dr. E., Amtsarzt der Bundespolizeidirektion Wien, am 25. März 2002 ein Gutachten nach § 8 des Führerscheingesetzes (FSG), in dem er den Beschwerdeführer zum Lenken eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 1 für nicht geeignet befand. Die (handschriftliche) Begründung lautet wörtlich:

"dzt. keine ausreichende kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit u. mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung.

Konjunktive gerötet, Fingertremor bei chron. Alkoholabusus"

Mit Bescheid vom 26. März 2002 entzog die Bundespolizeidirektion Wien dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 FSG die für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung auf die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung, gerechnet ab Zustellung des Bescheides. Unter einem wurde einer allfälligen Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Begründend wurde ausgeführt, bei der amtsärztlichen Untersuchung am 25. März 2002 sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer aus gesundheitlichen Gründen zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B nicht geeignet sei (derzeit keine ausreichende kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit und mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung). Auf Grund des "oben angeführten Sachverhaltes" besitze der Beschwerdeführer nicht die gesundheitliche Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, dem verkehrspsychologischen Gutachten liege ein Computertest zu Grunde, bei welchem er auf verschiedene Signale mechanisch/motorisch zu reagieren gehabt hätte. Er weise darauf hin, dass ihm auf Grund eines Verkehrsunfalles am 15. August 2001 der "III Finger links" habe amputiert werden müssen. Obwohl er die diesbezüglichen Unterlagen beim verkehrspsychologischen Test vorgelegt habe, sei auf diese Verletzung in keiner Weise Bezug genommen worden.

Der Landeshauptmann von Wien wies die Berufung mit Bescheid vom 5. März 2003 gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und bestätigte den erstbehördlichen Bescheid. In der Begründung führte der Landeshauptmann von Wien nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtsvorschriften sowie der oben wieder gegebenen

verkehrspsychologischen Stellungnahme aus, auf Grund der

verkehrspsychologischen Stellungnahme und des Ergebnisses der amtsärztlichen Untersuchung habe der amtsärztliche Sachverständige am 25. März 2002 gutächtlich festgestellt, dass der Beschwerdeführer wegen mangelnder kraftfahrspezifischer Leistungsfähigkeit und mangelnder Bereitschaft zur Verkehrsanpassung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 nicht geeignet sei. Der Beschwerdeführer bekämpfe diese gutächtlichen Feststellungen mit der Begründung, dass die Amputation an zwei Fingern ihm die Handhabung der Testgeräte erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht hätte, dies aber bei der Auswertung der Reaktionstestergebnisse nicht berücksichtigt worden sei. Diesem Vorbringen habe kein Erfolg beschieden sein können und der Beschwerdeführer habe damit nicht sämtliche Feststellungen im Gutachten vom 25. März 2002 zu entkräften vermocht, zumal "diese Reaktionstests" auch nur einen Teil des umfangreichen Untersuchungsprogramms darstellten. Das Kalkül mangelnder gesundheitlicher Eignung sei auch hauptsächlich auf mangelnde nötige kraftfahrspezifische psychophysische Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers gestützt, die im Wege persönlicher Befragung ermittelt worden sei. Wenngleich Anzeichen für Alkoholabusus nicht zu Tage getreten seien, habe eine eindeutige ablehnende Haltung zu Alkohol nicht verifiziert werden können. Befund und Gutachten seien schlüssig, nachvollziehbar "und nach den derzeitigen medizinischen und verkehrspsychologischen Erkenntnissen erstellt". Somit habe die Berufungsbehörde keine Veranlassung, sie nicht heranzuziehen. Der Beschwerdeführer sei dem Gutachten auch nicht mit einem auf gleicher wissenschaftlicher Ebene stehenden Gegengutachten entgegen getreten. Aus dem amtsärztlichen Gutachten ergebe sich somit, dass beim Beschwerdeführer die notwendige gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 auf Grund mangelnder kraftfahrspezifischer Leistungsfähigkeit nicht gegeben sei. Aus "oben angeführten" Gründen habe die Erstbehörde zu Recht diesen Mangel der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers im Sinne des § 3 Abs. 1 FSG-GV zur Grundlage der Entziehung der Lenkberechtigung auf die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung "für die Klassen A und B" genommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Im Beschwerdefall ist das FSG in der Fassung vor dem Verwaltungsreformgesetz 2001, BGBl. I Nr. 65/2002, maßgeblich.

Die einschlägigen Bestimmungen des FSG lauteten (auszugsweise):

"Gesundheitliche Eignung

§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein und ist von einem im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, die das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung durchführt, in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt für Allgemeinmedizin zu erstellen.

(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. ... .

...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.

die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.

die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. ... .

(2) Die Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann auch nur hinsichtlich bestimmter Klassen ausgesprochen werden, wenn der Grund für die Entziehung oder Einschränkung nur mit der Eigenart des Lenkens dieser bestimmten Klasse zusammen hängt. ... .

...

(4) Vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8, vor der Entziehung wegen mangelnder fachlicher Befähigung ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen.

..."

1.2. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der Führerschein-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) lauten (auszugsweise):

"Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

...

4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische psychophysische Leistungsfähigkeit verfügt.

Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. ... .

...

Verkehrspsychologische Stellungnahme

§ 17. (1) Die Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle gemäß § 8 Abs. 2 FSG ist im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten insbesondere dann zu verlangen, wenn der Bewerber um eine Lenkberechtigung oder der Besitzer einer Lenkberechtigung Verkehrsunfälle verursacht oder Verkehrsverstöße begangen hat, die den Verdacht

1.

auf verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit oder

2.

auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung

erwecken. ... .

...

§ 19. (1) Eine verkehrspsychologische Stellungnahme darf nur von einer vom Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr (nunmehr: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie) ermächtigten verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle abgegeben werden.

...

(5) Die verkehrspsychologischen Stellungnahmen sind von dem hierfür verantwortlichen Psychologen abzugeben; ... ."

2.1. Vorauszuschicken ist zunächst, dass die Bundespolizeidirektion Wien mit ihrem Bescheid vom 26. März 2002 ausschließlich die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die Klasse B entzogen hat. Es ist daher unerfindlich, weshalb die belangte Behörde in ihrer Bescheidbegründung ausführt, dass die Erstbehörde zu Recht den Mangel der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers zur Grundlage der Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A und B genommen habe.

2.2. Die belangte Behörde stützt ihre Annahme der mangelnden gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers (noch erkennbar) sowohl auf die Annahme mangelnder kraftfahrspezifischer Leistungsfähigkeit als auch auf die Annahme, dass der Beschwerdeführer der ausreichenden Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ermangle.

2.2.1. Was zunächst die Annahme der nicht ausreichenden kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit anlangt, so bezieht sich die belangte Behörde auf das amtsärztliche Gutachten Dris. E. vom 25. März 2002. Dieses nach Auffassung der belangten Behörde schlüssige, nachvollziehbare und nach den derzeitigen medizinischen und verkehrspsychologischen Erkenntnissen erstellte Gutachten - eine offenkundig formelhafte Behauptung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2002, Zl. 2000/11/0169) - enthält seinerseits überhaupt keine eigenständige Begründung, aus der hervorginge, weshalb der amtsärztliche Sachverständige zum Ergebnis gelangte, beim Beschwerdeführer bestünde keine ausreichende kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit. Ein gänzlich begründungsloses Gutachten vermag aber die diesbezügliche Feststellung der belangten Behörde nicht zu tragen.

Selbst wenn man aber das amtsärztliche Gutachten so verstehen wollte, dass es zur Gänze einen Verweis auf die einschlägigen Passagen der verkehrspsychologischen Stellungnahme vom 5. März 2002 darstellte, hätte die belangte Behörde nicht ohne ergänzendes Ermittlungsverfahren das amtsärztliche Gutachten sowie die verkehrspsychologische Stellungnahme ihrem Bescheid zu Grunde legen dürfen. Der Beschwerdeführer hat nämlich bereits in seiner Berufung auf eine körperliche Behinderung an der linken Hand auf Grund einer Amputation hingewiesen und erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass er auf Grund dieser Behinderung an einer einwandfreien Durchführung der verkehrspsychologischen Tests gehindert gewesen sei. Dieses Berufungsvorbringen durfte die belangte Behörde nicht übergehen. Sie wäre vielmehr verpflichtet gewesen, der Frage nachzugehen, ob durch eine Behinderung an der linken Hand eine Beeinflussung der Testergebnisse zu Lasten des Beschwerdeführers möglich gewesen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2003, Zl. 2003/11/0065). Träfe es zu, dass dem Beschwerdeführer an der linken Hand der dritte Finger amputiert worden ist, so wäre eine Beeinflussung der Testergebnisse jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen gewesen (vgl. auch hiezu das erwähnte hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2003).

Soweit die belangte Behörde aber in der Begründung ihres Bescheides undifferenziert ausführt, "diese Reaktionstests" hätten nur einen Teil des umfangreichen Untersuchungsprogramms dargestellt, ist ihr insofern ein wesentlicher Begründungsmangel anzulasten, als der angefochtene Bescheid keinerlei Ausführungen dazu enthält, welche Teile des durchgeführten Testprogramms auf Grund einer Behinderung des Beschwerdeführers nicht hätten herangezogen werden können und inwieweit die übrigen Tests allenfalls auch unter Einbeziehung der Behinderung des Beschwerdeführers aussagekräftig waren.

In diesem Zusammenhang fällt auch auf, dass die verkehrspsychologische Stellungnahme erwähnt, der Beschwerdeführer habe in den kraftfahrspezifischen Leistungsbereichen der Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit "keine interpretierbaren Ergebnisse" erbracht. Da grundsätzlich nicht angenommen werden kann, dass Testergebnisse in den Leistungsbereichen der Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit für die Beurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit des Probanden unerheblich sind, wäre in der Stellungnahme darzulegen gewesen, wieso ungeachtet nicht interpretierbarer Testergebnisse in den erwähnten Bereichen dennoch eine gutachterliche Aussage über die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers getroffen werden konnte.

2.2.2. Was schließlich die von der belangten Behörde angenommene mangelnde Bereitschaft des Beschwerdeführers zur Verkehrsanpassung anlangt, so stützt sie sich dabei ebenfalls auf das amtsärztliche Gutachten vom 25. März 2002. Dieses ist aber auch hinsichtlich der angenommenen mangelnden Bereitschaft des Beschwerdeführers zur Verkehrsanpassung gänzlich begründungslos und vermag den angefochtenen Bescheid sohin nicht zu tragen.

Daran vermöchte sich auch nichts zu ändern, wenn man das amtsärztliche Gutachten auch hinsichtlich der angenommenen mangelnden Bereitschaft zur Verkehrsanpassung so verstehen wollte, dass es zur Gänze einen Verweis auf die einschlägigen Passagen der verkehrspsychologischen Stellungnahme vom 5. März 2002 darstellte. Die verkehrspsychologische Stellungnahme spricht in diesem Zusammenhang nur davon, dass sich im Persönlichkeitsbereich eine begeisterungsfähige und zur Besorgtheit neigende Persönlichkeit gezeigt habe, welche über ein hohes Maß an Selbstbehauptung verfüge, sowie davon, dass sowohl die verfahrensmäßig erhobenen Einstellungen hinsichtlich des verkehrsauffälligen Verhaltens als auch Einstellungen, welche Rückschlüsse auf eine psychische Alkoholdisposition erlauben, sich schlecht angepasst gezeigt hätten. Schließlich sei die Risikobereitschaft überdurchschnittlich hoch ausgewiesen gewesen. Eine nähere Erklärung, auf Grund welcher Erfahrungssätze Personen, bei denen diese Feststellungen getroffen werden, bereits der ausreichenden Bereitschaft zum verkehrsangepassten Verhalten ermangeln, ist nicht erkennbar. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher auch hinsichtlich des angenommenen Mangels der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung als nicht ausreichend begründet.

Soweit aber die belangte Behörde kryptisch darauf hinweist, eine eindeutige ablehnende Haltung des Beschwerdeführers zu Alkohol habe nicht verifiziert werden können, ist sie an die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu erinnern, derzufolge es im Zusammenhang mit der Beurteilung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nicht darauf ankommt, ob der Betreffende völlig alkoholabstinent ist, sondern darauf, ob die Ergebnisse der verkehrspsychologischen Untersuchung darauf schließen lassen, der Betreffende sei nicht willens oder nicht in der Lage, sein Verhalten in Bezug auf Alkoholkonsum an die Erfordernisse des Straßenverkehrs anzupassen, m.a.W. es sei konkret zu befürchten, dass er in durch Alkohol beeinträchtigtem Zustand am Straßenverkehr teilnehmen werde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. September 2003, Zl. 2002/11/0231, m.w.N.).

Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 27. Februar 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002110184.X00

Im RIS seit

31.03.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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