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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §19 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des RM in L, vertreten durch DDr. Michael Wagner, Rechtsanwalt in 5082 Grödig, Hauptstraße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 26. Juni 2002, Zl. UVS-3/12631/10-2002, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 7. Mai 2001 um
7.35 Uhr in Salzburg, auf der Innsbrucker Bundesstraße stadtauswärts fahrend auf der Höhe der Kreuzung mit der Conrad-von-Hötzendorf-Straße in diese nach links einbiegend als wartepflichtiger Lenker des näher bestimmten Kraftfahrzeuges die entgegenkommende und richtungsbeibehaltende vorrangberechtigte Lenkerin des Mopeds mit dem näher angeführten polizeilichen Kennzeichen durch Einbiegen zu unvermitteltem Bremsen des Fahrzeuges genötigt. Er habe dadurch § 19 Abs. 7 i.V.m. Abs. 5 i. V.m. § 99 Abs. 3 lit. a StVO verletzt. Es wurde über ihn gemäß der zuletzt genannten Bestimmung eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) verhängt.
Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt das verfahrensgegenständliche Kraftfahrzeug in der Innsbrucker Bundesstraße von der Aiglhofkreuzung kommend Richtung stadtauswärts gelenkt und die Absicht gehabt habe, in die Conradvon-Hötzendorf-Straße nach links einzubiegen. Zu diesem Zweck habe er die links von dem für seine Fahrtrichtung bestimmten Fahrstreifen befindliche Sperrlinie im Bereich des Objektes Innsbrucker Bundesstraße 14, nachdem ihm der Lenker eines angehaltenen Lastkraftwagens, der Zeuge S., durch Handzeichen bedeutete, er könne abbiegen, überfahren. Der Fahrstreifen, auf dem S. angehalten habe, sei der linke von zwei in Richtung Aiglhofkreuzung (LKH) führenden Fahrstreifen und mit einem Richtungspfeil für den geradeausfahrenden bzw. linksabbiegenden Verkehr gekennzeichnet. Auf diesem Fahrstreifen sei der Beschuldigte gefahren, unter vorheriger Missachtung einer Sperrlinie, nachdem er vom Zeugen S. das Handzeichen bekommen hätte. In weiterer Folge hätte der Beschwerdeführer nochmals direkt vor dem Fahrzeug des Zeugen S. angehalten, mit der Front Richtung blaues Eckgebäude in der Conrad-von-Hötzendorf-Straße schauend, etwa in einem Winkel von 45 Grad zum Zeugenfahrzeug. Danach sei der Beschwerdeführer nicht den üblichen weiten Bogen nach links eingebogen, sondern in einem derart schmalen Bogen, dass er in der Conrad-von-Hötzendorf-Straße linksseitig relativ knapp an der Gehsteigkante des dort befindlichen Eckhauses (Damen Fitnessstudio Aiglhof) infolge der Kollision mit dem Moped der Zeugin So. zu stehen gekommen sei. Die Lenkerin des Mopeds habe der Beschwerdeführer erst wahrgenommen, nachdem es bereits zur Kollision gekommen sei. Die Zeugin So. sei mit dem verfahrensgegenständlichen Moped mit einer Geschwindigkeit von 35 bis 40 km/h Richtung Aiglhofkreuzung (LKH) auf dem rechten der beiden in diese Richtung führenden Fahrstreifen, der "laut Bodenmarkierung für den Rechtsabbiegeverkehr (auch schon Richtung Conrad-von-Hötzendorf-Straße gesehen) bestimmt" sei, obwohl sie an dieser Kreuzung nicht abgebogen sei, auf das Fahrzeug des Beschwerdeführers aufgeprallt. Die Kollision sei mit einer Anprallgeschwindigkeit der Zeugin So. von etwa 15 bis 20 km/h erfolgt.
Der von der Zeugin So. befahrene Fahrstreifen sei laut Bodenmarkierung auch in weiterer Folge, sohin von der Kreuzung mit der Conrad-von-Hötzendorf-Straße bis zur Aiglhofkreuzung, für den nach rechts abbiegenden Verkehr vorgesehen. Die Zeugin So. hätte das Fahrzeug des Beschwerdeführers frühestens in einer Entfernung von 60 m erkennen können, in dieser Entfernung allerdings nur als vorhandenes Fahrzeug ohne Erkennbarkeit von dessen Absicht, nach links einzubiegen. Ab einer Entfernung von 30 m habe die Zeugin So. jedenfalls auch die Absicht des Beschwerdeführers, nach links einzubiegen, erkennen müssen. Innerhalb einer Entfernung von etwa 30 bis 50 m hätte die Zeugin möglicherweise die Absicht des Fahrzeuges des Beschwerdeführers, nach links einzubiegen, erkennen können, an welcher Stelle dies genau der Fall gewesen sein könnte, habe durch den Sachverständigen nicht festgestellt werden können.
Gegenständlich hätten sich beide unfallbeteiligten Fahrzeuge zueinander im Gegenverkehr befunden. Besondere Vorrangregeln seien nicht vorgelegen, sodass § 19 Abs. 5 leg. cit. zur Anwendung gekommen sei. Die Situation sei aber insofern eine besondere gewesen, als sich beide Fahrzeuglenker nicht auf den für ihre Fahrtrichtung bestimmten Fahrstreifen befunden hätten. Die Zeugin So. habe das Moped auf dem laut Bodenmarkierung für den rechtsabbiegenden Verkehr bestimmten Fahrstreifen gelenkt, während sie geradeaus Richtung Aiglhofkreuzung weitergefahren sei. Der Beschwerdeführer seinerseits sei unter Missachtung einer Sperrlinie auf dem für den geradeausfahrenden und linksabbiegenden Gegenverkehr bestimmten Fahrstreifen, wo er schließlich sein Fahrzeug vor dem Einbiegevorgang angehalten habe, gefahren.
Es könne sich jemand, wie im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer, der unter Missachtung einer Sperrlinie sein Fahrzeug auf dem für den Gegenverkehr bestimmten und deutlich markierten Fahrstreifen anhalte, nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen, auch wenn die ihm entgegenkommende Fahrzeuglenkerin von zwei für den Gegenverkehr bestimmten Fahrstreifen - ebenfalls rechtswidrig - den falschen benutzt habe, da das diesbezüglich rechtswidrige Agieren des Beschwerdeführers jedenfalls "ein deutlich gravierenderes Verschulden impliziert" als jenes der Zeugin So., die herannahend bis zum tatsächlichen Beginn des Einbiegevorgangs durch den Beschwerdeführer habe davon ausgehen dürfen, dass es sich an dieser Stelle um ein Richtung Aiglhof fahrendes, da auf diesem Fahrstreifen positioniertes Fahrzeug handle. Abgesehen davon hätte auch der Beschwerdeführer die Zeugin auf eben diese Entfernung sehen müssen, auf welche sie ihrerseits eine Sichtweite auf das Fahrzeug des Beschwerdeführers gehabt hätte und dementsprechend mit dem Einbiegevorgang gar nicht beginnen dürfen.
Ausgehend von diesen Prämissen finde § 19 Abs. 5 i.V.m. Abs. 7 StVO Anwendung. Gehe man nun davon aus, dass die Zeugin nach der gutachtlichen Darstellung bei einer Vollbremsung den Unfall jedenfalls verhindert hätte und bei einer mittelstarken Bremsung, die über eine normale Betriebsbremsung deutlich hinausgehe, ganz knapp vor dem Fahrzeug des Beschwerdeführers zu stehen gekommen wäre, so könne selbst bei Einbeziehung eines Reaktionsverzuges der Zeugin dem Beschwerdeführer der Vorwurf einer Nötigung zu einem unvermittelten Bremsen im Sinne des § 19 Abs. 7 leg. cit. nicht erspart bleiben. Der Beschwerdeführer habe die ihm vorgeworfene Tat zumindest fahrlässig begangen.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen, erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 19 Abs. 5 StVO, BGBl. Nr. 159/1960 (StVO 1960), haben Fahrzeuge, die ihre Fahrtrichtung beibehalten oder nach rechts einbiegen, sofern sich aus Abs. 4 nichts anderes ergibt, den Vorrang gegenüber entgegenkommenden, nach links einbiegenden Fahrzeuge (Abs. 4 ist im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung).
Gemäß § 19 Abs. 7 StVO 1960 i.d.F. BGBl. Nr. 209/1969, darf, wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.
Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO i.d.F BGBl. I Nr. 92/1998 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,
"a) wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist."
Der Beschwerdeführer macht geltend, die belangte Behörde habe zwar richtig festgestellt, dass die Zeugin So. (die Mofalenkerin) auf dem nach der Bodenmarkierung für den Rechtsabbiegeverkehr bestimmten Streifen gefahren sei, sie habe jedoch daraus keine rechtlich relevanten Schlüsse gezogen. Der Mofafahrerin habe daher das Vorrangrecht des Geradeausfahrenden gefehlt. Der einzig Vorrangberechtigte, nämlich der LKW-Fahrer, der sich auf der richtigen Spur befunden hätte, habe auf seinen Vorrang verzichtet. Die Annahme eines Vorranges nach § 19 Abs. 5 StVO 1960 für den Geradeausfahrenden setze voraus, dass der den Vorrang in Anspruch nehmende Verkehrsteilnehmer die Möglichkeit zur - zulässigen - Weiterfahrt habe. Die Möglichkeit sei etwa dann nicht gegeben, wenn sich der Geradeausfahrende auf einem für Rechtsabbieger eingerichteten Fahrstreifen eingeordnet habe und auf seine Richtungsänderung nicht durch ein entsprechendes Zeichen hinweise (es wird auf das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 18. September 1991, 2 Ob 44/91, abgedruckt in ZVR 1992/62, hingewiesen).
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung des Obersten Gerichtshofes, der in seinem Urteil vom 18. September 1991, 2 Ob 44/91, unter Verweis auf entsprechende Vorjudikatur, die Auffassung vertreten hat, dass die Annahme eines Vorranges voraussetze, dass der betreffende Verkehrsteilnehmer überhaupt die Möglichkeit zum Weiterfahren bzw. zum zulässigen Weiterfahren gehabt habe. Gemäß § 9 Abs. 6 zweiter Satz StVO 1960 müssen die Lenker von Fahrzeugen auch dann im Sinne der Richtungspfeile weiterfahren, wenn sie sich nicht der beabsichtigten Weiterfahrt entsprechend eingeordnet haben. Auf die Einhaltung dieser Verkehrsvorschrift können andere Verkehrsteilnehmer vertrauen. Es besteht daher nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes keine Möglichkeit der zulässigen Weiterfahrt geradeaus für den Lenker eines Kraftfahrzeuges, der sich auf einer Fahrspur mit Richtungspfeilen nach rechts befindet. Einem entgegen den Richtungspfeilen geradeaus fahrenden Lenker kommt daher kein Vorrang nach § 19 Abs. 5 StVO 1960 zu. In diesem Sinne bestand für die Zeugin So. im vorliegenden Fall, da sie sich auf einer Fahrspur mit Richtungspfeilen nach rechts befand, nicht die Möglichkeit zu einem zulässigen Geradeausweiterfahren und somit kein Vorrang.
Da eine Verletzung des § 19 Abs. 7 StVO 1960 nur gegenüber einem Vorrangberechtigten gemäß § 19 Abs. 5 StVO erfolgen kann, es im vorliegenden Fall einen solchen Vorrangberechtigten aber nicht gab, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 17. Juni 2004
Schlagworte
VertrauensgrundsatzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002030201.X00Im RIS seit
21.07.2004