TE Vwgh Erkenntnis 2004/10/20 2003/08/0267

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Veröffentlicht am 20.10.2004
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §56 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des H in G, vertreten durch Dr. Edwin Mächler, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Glacisstraße 67, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 15. Oktober 2003, Zl. LGS600/SfA/1218/2003-Mag.GR/Kö, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 330,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat am 29. Dezember 1998 einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld eingebracht, wobei als Datum der Geltendmachung der 10. November 1998 vermerkt wurde. Im bundeseinheitlichen Antragsformular beantwortete der Beschwerdeführer die Frage, ob er Anspruch auf Kündigungsentschädigung oder Urlaubsentschädigung/Urlaubsabfindung habe, mit "Nein". Auch die Frage, ob die Ansprüche nicht ausbezahlt wurden, weil der Anspruch strittig ist, wurde vom Beschwerdeführer verneint; er gab auch nicht an, dass er diese Ansprüche geltend gemacht oder eingeklagt hätte.

Mit zwei Bescheiden der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz vom 21. September 1999 wurde gemäß § 24 Abs. 2 AlVG der Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum 25. November 1998 bis 21. April 1999 bzw. für den Zeitraum 10. Mai 1999 bis 22. Juni 1999 widerrufen, die Bemessung rückwirkend berichtigt und der Beschwerdeführer zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes verpflichtet. Über Berufung des Beschwerdeführers wurden diese Bescheide mit dem auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 3. November 1999 zunächst bestätigt. Nach Aufhebung dieses Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof (Erkenntnis vom 28. März 2003, Zl. 99/02/0366) wurde mit Bescheid vom 26. Juni 2003 der Berufung des Beschwerdeführers stattgegeben und die Bescheide der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz vom 21. September 1999 aufgehoben.

Mit Bescheid vom 17. Juni 2003 hat die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz den Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum 25. November 1998 bis 17. März 1999 gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und gemäß § 25 Abs. 1 AlVG den Beschwerdeführer zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes verpflichtet. Der Gesamtbetrag ist im Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz vom 17. Juli 2003 wörtlich in folgender Weise angegeben:

"25.11.1998 - 17.03.1999 Gesamtforderung EUR 3821,88 Euro 3.792,08

05680.009 Bundessozialamt für Steiermark"

Begründend wurde angegeben, dass der Beschwerdeführer die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für den Zeitraum vom 25. November 1998 bis 17. März 1999 zu Unrecht bezogen habe, da er von der Firma T. eine Kündigungs- und eine Urlaubsentschädigung erhalten habe. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, dass in dem von der Behörde angeführten Zeitraum weder ein Gehalt noch eine Kündigungsentschädigung von der Firma T. bezahlt worden wäre. Die letzte Auszahlung eines Gehaltes sei per Ende September 1998 erfolgt, im Jänner 2003 sei "schließlich nach jahrelanger erfolgreicher Prozessführung die Abgeltung der offenen Forderungen" erfolgt. Aus einem auf der Berufung handschriftlich angebrachten Aktenvermerk geht hervor, dass "lt. LG f. ZRS" eine Klagseinbringung gegen den Dienstgeber am 4. November 1998 erfolgt sei. Dieser Aktenvermerk ist mit 10. Oktober 2003 datiert und stammt offenbar von der Sachbearbeiterin der belangten Behörde. Weiters erliegt im vorgelegten Verwaltungsakt ein Versicherungsdatenauszug der Österreichischen Sozialversicherung vom 9. Oktober 2003, in dem für den Zeitraum 7. November 1998 bis 10. Februar 1999 Kündigungsentschädigung und für den Zeitraum 11. Februar 1999 bis 17. März 1999 "Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung" vermerkt sind.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 15. Oktober 2003 hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers nicht stattgegeben. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld die Fragen nach einem Anspruch auf Kündigungsentschädigung und Urlaubsentschädigung mit "Nein" angekreuzt habe und auch in einer mit ihm am 29. Dezember 1998 aufgenommenen Niederschrift angegeben habe, gegen die fristlose Entlassung keine rechtlichen Schritte einleiten zu wollen.

Wörtlich heißt es im angefochtenen Bescheid sodann:

"Offensichtlich und das beschreiben Sie auch in Ihrer Berufung hat es aber doch eine jahrelange diesbezügliche Prozessführung gegeben und wurde Ihnen am Ende eine Kündigungsentschädigung vom 7.11.1998 bis 10.02.1999 sowie eine Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung vom 11.02.1999 bis 17.03.1999 zuerkannt und ausbezahlt."

Da der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum auch Arbeitslosengeld bezogen und die Prozessführung dem Arbeitsmarktservice nicht gemeldet habe, habe dieses "das als Vorschuss auf die Kündigungsentschädigung und Urlaubsentschädigung bezogene Arbeitslosengeld nicht in Form einer Legalzession auf den Dienstgeber übertragen", sodass der Beschwerdeführer nun zweifach für diesen Zeitraum Leistungen einerseits vom Dienstgeber und andererseits vom Arbeitsmarktservice erhalten habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer rügt, dass die belangte Behörde nicht auf "die Mitteilung/Bescheid vom 11. Juli 2003" Bezug nehme, in welchem die belangte Behörde das dem Beschwerdeführer vom 18. März 1999 bis 21. April 1999 und vom 10. Mai 1999 bis 13. Oktober 1999 zustehende Arbeitslosengeld mit EUR 34,20 pro Tag festgelegt habe, dem Beschwerdeführer jedoch das Arbeitslosengeld vom 23. Juni bis 13. Oktober 1999 nicht ausbezahlt worden sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass der Einbehalt auf Grund des Bescheides der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice erfolgte und gemäß § 56 Abs. 2 AlVG der Berufung keine aufschiebende Wirkung zukommt. Dass der Betrag, der vom Beschwerdeführer rückgefordert wird, bereits vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes durch Einbehalt von zustehenden Leistungen eingebracht wurde, steht dem Erfordernis, darüber bescheidmäßig abzusprechen, nicht entgegen.

Der Beschwerdeführer rügt, dass weder im Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitmarktservice Graz vom 17. Juli 2003 noch im angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. Oktober 2003 ersichtlich sei, für welchen Zeitraum und in welcher Höhe er eine Kündigungsentschädigung bzw. eine Ersatzleistung für Urlaubsgeld erhalten hätte. Im Hinblick auf den im Verwaltungsverfahren geltenden Grundsatz der materiellen Wahrheit sei die belangte Behörde verpflichtet gewesen, bei der Durchführung des Ermittlungsverfahrens von Amts wegen vorzugehen; dieser Ermittlungspflicht sei sie nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Der Bescheid sei auch unzureichend begründet, da nicht ersichtlich sei, auf Grund welcher betragsmäßig konkreten Zahlungen das Arbeitslosengeld zurückgefordert werde. Der Beschwerdeführer legt jedoch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar, zumal er nicht angibt, dass die belangte Behörde im Falle der Durchführung eines mängelfreien Verfahrens hätte zum Ergebnis kommen können, dass für die verfahrensgegenständlichen Zeiträume keine Kündigungsentschädigung bzw. Urlaubsentschädigung oder Urlaubsabfindung gezahlt worden wäre. Weiters führt der Beschwerdeführer aus, dass er zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen lediglich dann verpflichtet werden dürfe, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigen maßgebender Tatsachen herbeigeführt habe oder wenn er hätte erkennen müssen, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 10. November 1998 habe er wahrheitsgemäß angegeben, dass er weder eine Kündigungsentschädigung noch eine Urlaubsentschädigung/Urlaubsabfindung erhalten würde. Er habe erst später Klage gegen den früheren Dienstgeber erhoben.

Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes deutet die Verwendung der Begriffe "unwahr" (und nicht bloß "unrichtig") bzw. "verschweigen" in § 25 Abs. 1 AlVG auf eine subjektive Komponente hin, das heißt, dass von jenem Arbeitslosen nichts zurückgefordert werden kann, der zwar objektiv falsche Angaben, jedoch in unverschuldeter Unkenntnis des wahren Sachverhaltes gemacht hat (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 30. März 1993, Zl. 92/08/0183). Davon kann im Beschwerdefall jedoch nicht die Rede sein. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, Klage gegen den früheren Arbeitgeber eingebracht zu haben, und er wendet sich auch nicht gegen die Feststellung, dass er vom 7. November 1998 bis 10. Februar 1999 Kündigungsentschädigung und im Zeitraum vom 11. Februar 1999 bis 17. März 1999 Urlaubsabfindung bzw. Urlaubsentschädigung zuerkannt und ausbezahlt erhalten habe. Die vom Beschwerdeführer in der Beschwerde erstmals vorgebrachte Begründung für das Verschweigen der (geplanten) Klagseinbringung, er sei zum Zeitpunkt der Antragstellung "noch so geschockt über die erfolgte Entlassung" gewesen, dass er nicht an eine Klage gegen den früheren Arbeitgeber gedacht habe, stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung dar. Im Übrigen ist der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, dass das Beschäftigungsverhältnis unstrittig am 27. Oktober 1998 geendet hat, der Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld jedoch erst am 29. Dezember 1998 (Geltendmachung gemäß § 46 Abs. 1 AlVG ab 10. November 1998) abgegeben wurde. An diesem Tag wurde auch eine Niederschrift mit dem Beschwerdeführer aufgenommen, in der er ausdrücklich erklärte, keine rechtlichen Schritte gegen die Entlassung einzuleiten. Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, dass der Beschwerdeführer die (geplante) Klagseinbringung im Sinne des § 25 Abs. 1 AlVG verschwiegen habe.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003; die belangte Behörde hat lediglich "Kosten für den Beschwerde- und Schriftsatzaufwand", somit den ihr gemäß § 48 Abs. 2 Z. 2 VwGG gebührenden Aufwandersatz, nicht jedoch auch den nach § 48 Abs. 2 Z. 1 VwGG gebührenden Vorlageaufwand begehrt.

Wien, am 20. Oktober 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003080267.X00

Im RIS seit

26.01.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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