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70/06 Schulunterricht;Norm
SchUG 1986 §19 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der mj. AD, vertreten durch die Eltern und Erziehungsberechtigten Dr. S und AnD, beide in K, beide vertreten durch Dr. Siegfried Dillersberger, Rechtsanwalt in 6330 Kufstein, Maderspergerstraße 8/I, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 27. August 2004, Zl. 1.200/76-III/3b/2004, betreffend Berechtigung zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 27. August 2004 ausgesprochen, die Beschwerdeführerin sei zum Aufsteigen in den 4. Jahrgang einer höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe nicht berechtigt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe im Schuljahr 2003/2004 den 3. Jahrgang einer höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe an der Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe in Kufstein besucht. Auf Grund der Entscheidung der Jahrgangskonferenz vom 21. Mai 2004 habe sie in den Pflichtgegenständen Italienisch und Medieninformatik negative Jahresbeurteilungen erhalten und sei ausgesprochen worden, dass sie zum Aufsteigen in den 4. Jahrgang nicht berechtigt sei. Die dagegen erhobene Berufung sei vom Landesschulrat für Tirol mit Bescheid vom 1. Juli 2004 abgewiesen worden. Auf Grund der von der Beschwerdeführerin auch gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung habe die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur ein pädagogisches Gutachten eingeholt. Diesem zufolge sei, zumal dies auch von der Beschwerdeführerin nicht angezweifelt werde, für das erste Semester von der Richtigkeit der Beurteilung "Genügend" in Medieninformatik auszugehen. Betreffend das zweite Semester sei die Beurteilung der schriftlichen Leistung (zweite Schularbeit) mit "Nicht genügend" eindeutig und gerechtfertigt gewesen. Die Beschwerdeführerin habe bei keiner der Teilaufgaben die geforderten Arbeitsschritte in den wesentlichen Bereichen überwiegend durchführen können. Die sehr detaillierte und genaue Beschreibung des Zustandekommens der Beurteilung durch den unterrichtenden Lehrer sei aus pädagogischer Sicht besonders positiv hervorzuheben. Auch betreffend die mündliche Prüfung sei das Prüfungsprotokoll sehr genau auf die von der Beschwerdeführerin erbrachten Leistungen eingegangen: Mit Ausnahme einer Teilaufgabe habe die Beschwerdeführerin bei keiner der Teilaufgaben die gestellten Anforderungen in der Anwendung des Lehrstoffes in den wesentlichen Bereichen überwiegend erfüllt. Die Beurteilung mit "Nicht genügend" sei daher gerechtfertigt. Betreffend die Mitarbeit der Beschwerdeführerin im Unterricht lägen keine Informationen bzw. Aufzeichnungen vor. Gerade der Unterricht in Medieninformatik stelle jedoch sehr auf die Tätigkeit der Schülerinnen und Schüler ab, weil sehr anwendungsorientierte Lehrstoffinhalte zu vermitteln seien. Da bis zur negativ beurteilten zweiten Schularbeit - laut Stellungnahme des Lehrers - kein Grund für eine "Frühwarnung" der Erziehungsberechtigten bestanden habe, sei davon auszugehen, dass die Mitarbeit im Unterricht zumindest "Genügend" gewesen sei. Eine bessere Beurteilung erscheine unwahrscheinlich, weil im Unterricht auf Grund des vorgesehenen Lehrstoffes im zweiten Semester ähnliche Aufgabenstellungen zu bearbeiten seien, wie bei der Schularbeit bzw. bei der mündlichen Prüfung. Die Gesamtbeurteilung für den 3. Jahrgang im Unterrichtsgegenstand Medieninformatik mit "Nicht Genügend" sei gerechtfertigt, weil auch eine positive Feststellung betreffend die Mitarbeit im Unterricht die massiven Defizite in der Anwendung des Lehrstoffes nicht aufwiegen könne. Die Abhaltung einer kommissionellen Prüfung sei nicht erforderlich. In Ansehung des Unterrichtsgegenstandes "zweite lebende Fremdsprache - Italienisch" sei die Gesamtbeurteilung hingegen - wie näher dargelegt - mit "Genügend" festzusetzen. Ein Aufsteigen der Schülerin nach Wegfall der negativen Beurteilung im Gegenstand "Italienisch" gemäß § 25 Abs. 2 lit. c SchUG werde allerdings nicht empfohlen, weil auf Grund der Beurteilung "Genügend" in acht von siebzehn Unterrichtsgegenständen, darunter sämtliche Sprachen und Rechnungswesen, nicht von ausreichenden Leistungsreserven im Hinblick auf eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht im 4. Jahrgang ausgegangen werden könne.
In ihrer Stellungnahme zu diesem Gutachten habe die Beschwerdeführerin die Abänderung der Jahresbeurteilung in Italienisch begrüßt und mitgeteilt, dass sie ein Aufsteigen mit einem "Nicht genügend" bei Aufrechterhaltung der negativen Jahresbeurteilung in Medieninformatik nicht beantrage. Bis zur verspäteten Frühwarnung am 10. Mai 2004 habe sie allerdings an eine positive Jahresbeurteilung geglaubt und die erforderlichen Gegensteuerungsmaßnahmen nicht ergriffen. Sie habe daher um eine Änderung der Jahresbeurteilung auch in Medieninformatik ersucht. Nach Auffassung der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur sei allerdings weder von einer verspätet erfolgten Frühwarnung auszugehen - der negative Leistungsstand sei erst auf Grund der eindeutig negativen Ergebnisse der zweiten Schularbeit am 28. April 2004 festgestanden - noch könne selbst unter der Annahme, die Frühwarnung sei verspätet erfolgt, daraus die Unzulässigkeit der negativen Jahresbeurteilung abgeleitet werden. Grundlage für die Jahresbeurteilung seien nämlich nur tatsächlich erbrachte Leistungen der Beschwerdeführerin; fiktive Leistungen, die bei größerem Fleiß auf Grund einer früheren Information vielleicht erbracht worden wären, könnten nicht berücksichtigt werden. Die Berechtigung zum Aufsteigen mit einem "Nicht genügend" in Medieninformatik dürfe nur erteilt werden, wenn die Beschwerdeführerin über ausreichende Leistungsreserven verfüge, die es ihr erlaubten, Lernkapazitäten aus den anderen Pflichtgegenständen abzuziehen, um den Anforderungen der folgenden Schulstufe im negativ beurteilten Unterrichtsgegenstand und in den anderen Pflichtgegenständen zu bewältigen. Eine derartige positive Leistungsprognose könne aus den Ergebnissen des pädagogischen Gutachtens allerdings nicht gewonnen werden; die Beschwerdeführerin habe dies ausdrücklich auch nicht beantragt. Die Berechtigung zum Aufsteigen mit einem "Nicht genügend" sei der Beschwerdeführerin daher nicht zu erteilen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 25 Abs. 1 SchUG ist ein Schüler zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn er die Schulstufe erfolgreich abgeschlossen hat. Eine Schulstufe ist erfolgreich abgeschlossen, wenn das Jahreszeugnis in allen Pflichtgegenständen eine Beurteilung aufweist und in keinem Pflichtgegenstand die Note "Nicht genügend" enthält.
Davon abweichend ist ein Schüler gemäß § 25 Abs. 2 SchUG zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn das Jahreszeugnis zwar in einem Pflichtgegenstand die Note "Nicht genügend" enthält, aber
a) der Schüler nicht auch schon im Jahreszeugnis des vorhergehenden Schuljahres in demselben Pflichtgegenstand die Note "Nicht genügend" erhalten hat,
b) der betreffende Pflichtgegenstand - ausgenommen an Berufsschulen - in einer höheren Schulstufe lehrplanmäßig vorgesehen ist und
c) die Klassenkonferenz feststellt, dass der Schüler auf Grund seiner Leistungen in den übrigen Pflichtgegenständen die Voraussetzungen zur erfolgreichen Teilnahme am Unterricht der nächsthöheren Schulstufe im Hinblick auf die Aufgabe der betreffenden Schulart aufweist.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Beurteilung "Nicht genügend" im Pflichtgegenstand Medieninformatik. Sie bringt vor, der unterrichtende Lehrer sei offenbar nicht in der Lage gewesen, Aufzeichnungen über ihre Mitarbeit und ihre sonstigen in die Unterrichtsarbeit eingeordneten mündlichen und praktischen Leistungen vorzulegen. Offensichtlich sei lediglich das Ergebnis der einzigen Schularbeit vorgelegt und der Beurteilung zu Grunde gelegt worden. Unter Berücksichtigung der die Behörde treffende Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit hätte die belangte Behörde aber detaillierte Informationen anfordern müssen. Sie habe demgegenüber aus der Tatsache, dass die "Frühwarnung" erst am 5. Mai 2004 erfolgt sei, abgeleitet, die mündlichen Leistungen der Beschwerdeführerin seien zu diesem Zeitpunkt zumindest mit "Genügend" zu beurteilen gewesen. Zwar widerspreche diese Annahme den Auskünften, die der Lehrer dem Vater der Beschwerdeführerin erteilt habe - demnach habe die Beschwerdeführerin im zweiten Semester ausnahmslos negative Leistungen erbracht -, folge man jedoch dieser Annahme, so sei nicht auszuschließen, dass die Beurteilung der Leistungen der Beschwerdeführerin im mündlichen Bereich allenfalls auch auf "Befriedigend" abzuändern gewesen wäre. Diesfalls hätte trotz der negativen Schularbeit die Jahresbeurteilung jedoch auf "Genügend" lauten können.
Bei diesem Vorbringen übersieht die Beschwerdeführerin, dass die Gesamtbeurteilung im pädagogischen Gutachten, das die Grundlage des angefochtenen Bescheides bildet, nicht bloß auf der Beurteilung der Schularbeit mit "Nicht genügend", sondern auch auf der Beurteilung der mündlichen Prüfung mit "Nicht genügend" beruht und weiters auf der sachverständigen Schlussfolgerung, wonach die festgestellten "massiven Defizite in der Anwendung des Lehrstoffes" auch durch positive Feststellungen betreffend die Mitarbeit im Unterricht - an denen die Beschwerdeführerin auf Grund der Auskünfte des Lehrers aber offenbar selbst Zweifel hegt -
nicht aufgewogen werden könnten. Andererseits zeigt die Beschwerdeführerin selbst nichts Konkretes auf, was Anlass für die Annahme geben könnte, ihre Mitarbeit im Unterricht sei entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht bloß "Genügend", sondern "Befriedigend" gewesen.
Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, § 19 Abs. 4 SchUG normiere ein Recht auf unverzügliche Information und nicht erst zum letztmöglichen Zeitpunkt, damit Strategien zur Vermeidung einer Beurteilung "Nicht genügend" gemeinsam erarbeitet werden könnten. Darauf könnten Eltern und Schüler auch vertrauen. Tatsächlich sei die zwingend vorgesehene Mitteilung an die Erziehungsberechtigten gemäß § 19 Abs. 4 SchUG überhaupt nicht erfolgt. Die Vorgangsweise, die laut einem Rundschreiben der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur einzuhalten sei, habe nicht stattgefunden. Durch den angefochtenen Bescheid sei die Beschwerdeführerin in ihrem Vertrauen auf Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Vorgangsweise verletzt worden. Es dürften daher jene Leistungen (Schularbeit und mündliche Prüfung), die nur deshalb zustande gekommen seien, weil Informationspflichten verletzt worden seien, keine individuellen Strategien erarbeitet worden seien und dem gemäß für die Beschwerdeführerin gar keine Gelegenheit bestanden habe, durch Verbesserung ihrer Leistungen eine positive Leistungsbeurteilung zu erreichen, der Leistungsbeurteilung für das Schuljahr nicht zu Grunde gelegt werden. Ein Verstoß des Lehrers gegen das Gesetz dürfe für die Beschwerdeführerin keinen Nachteil nach sich ziehen. Unter Berücksichtigung der Beurteilung des ersten Semesters mit "Genügend" sowie der Beurteilung der Mitarbeit der Beschwerdeführerin im zweiten Semester ebenfalls mit "Genügend" hätte daher das gesamte Jahr mit "Genügend" beurteilt werden müssen.
Gemäß § 19 Abs. 4 SchUG ist, wenn die Leistungen des Schülers auf Grund der bisher erbrachten Leistungen in einem Pflichtgegenstand im zweiten Semester mit "Nicht genügend" zu beurteilen wären oder wenn das Verhalten des Schülers auffällig ist, wenn der Schüler seine Pflichten gemäß § 43 Abs. 1 in schwer wiegender Weise nicht erfüllt oder wenn es die Erziehungssituation sonst erfordert, dies den Erziehungsberechtigten unverzüglich mitzuteilen und den Erziehungsberechtigten vom Klassenvorstand oder vom unterrichtenden Lehrer im Sinn des § 48 Gelegenheit zu einem beratenden Gespräch zu geben. Dabei sind insbesondere Förderungsmaßnahmen zur Vermeidung dieser negativen Beurteilung bzw. zur Verbesserung der Verhaltenssituation (z.B. Analyse der Lerndefizite, Fördermöglichkeiten, Leistungsnachweise, individuelles Förderkonzept, Befassung ärztlicher oder psychologischer Fachleute) zu erarbeiten und zu beraten.
Die Verständigungen gemäß Abs. 4 haben ausschließlich Informationscharakter (§ 19 Abs. 7 SchUG).
Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 19 Abs. 4 SchUG bereits mehrmals ausgesprochen hat (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 20. Dezember 1999, Zl. 99/10/0240, und vom 27. November 1995, Zl. 94/10/0056), hat eine Verletzung dieser Bestimmung nicht die Unzulässigkeit einer negativen Beurteilung im Jahreszeugnis zur Folge. Es sind nämlich die vom Schüler im betreffenden Unterrichtsjahr tatsächlich erbrachten Leistungen des Schülers für eine auf das Unterrichtsjahr bezogene Leistungsbeurteilung des Schülers maßgeblich. Hingegen bietet das Gesetz keinen Anhaltspunkt dafür, dass bei der Leistungsbeurteilung von fingierten, bei Beachtung der Verständigungspflicht allenfalls erzielbaren Leistungen auszugehen wäre. Ebenso wenig bietet das Gesetz der Annahme eine Grundlage, die unter Verletzung der Verständigungspflichten gemäß § 19 Abs. 4 SchUG erbrachten Leistungen dürften in die Leistungsbeurteilung nicht einbezogen werden. Würden die Verletzung der behördlichen Informationspflicht und die deswegen möglicherweise unterbliebenen "Gegensteuerungsmaßnahmen" der Erziehungsberechtigten in die Jahresbeurteilung miteinbezogen, käme es im Gegenteil zur Berücksichtigung eines Aspekts, der gemäß § 20 SchUG nicht in Rechnung gestellt werden darf (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1992, Zl. 91/10/0246).
Mit ihrem Vorwurf, die gemäß § 19 Abs. 4 SchUG gebotene Verständigung sei nicht bzw. verspätet erfolgt, zeigt die Beschwerdeführerin daher - selbst wenn dieser Vorwurf zuträfe - keine Rechtswidrigkeit der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Leistungsbeurteilung auf. Da auch bei gänzlichem Unterbleiben der vorgeschriebenen Verständigung die belangte Behörde zu keinem im Ergebnis anders lautenden Bescheid hätte gelangen können, ist auch die Rüge der Unterlassung des Parteiengehörs im Zusammenhang mit den Feststellungen der belangten Behörde betreffend die Verständigung der Erziehungsberechtigten gemäß § 19 Abs. 4 SchUG nicht zielführend. Selbst ein in diesem Zusammenhang tatsächlich unterlaufener Verfahrensmangel wäre nicht relevant im Sinn des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 22. November 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004100176.X00Im RIS seit
23.12.2004