TE Vwgh Erkenntnis 2005/1/21 2004/09/0007

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Veröffentlicht am 21.01.2005
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Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

ARB1/80 Art6 Abs1;
AuslBG §15;
AuslBG §4c Abs2 idF 1997/I/078;
AVG §68 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitmarktservice Wien vom 5. Dezember 2003, Zl. 3/13115/128 5466, betreffend Befreiungsschein nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 5. Dezember 2003 wurde der mit Schreiben vom 19. Februar 2003 gestellte Antrag des Beschwerdeführers, ihm einen Befreiungsschein nach § 4c Abs. 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) auszustellen, gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4c Abs. 2 AuslBG und Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz des Beschlusses Nr. 1/1980 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 (ARB Nr. 1/1980) abgewiesen.

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensverlaufes und Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe auf Grund der Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin einen Befreiungsschein mit der Gültigkeitsdauer vom 8. April 1992 bis 7. April 1997 gemäß § 15 Abs. 1 Z. 2 AuslBG gehabt, welcher jedoch auf Grund der Nichtigerklärung der Ehe (rechtskräftig seit 31. Jänner 1994) mit Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 30. November 1995 widerrufen worden sei. In der Folge habe er keine arbeitsmarktbehördlichen Berechtigungen bzw. Bewilligungen nach dem AuslBG erteilt bzw. ausgestellt erhalten. Für die Inanspruchnahme von Rechten gemäß Art. 6 ARB Nr. 1/1980 sei unabdingbar, dass die Beschäftigung ordnungsgemäß, das heißt unter den Voraussetzungen des AuslBG, ausgeübt werde.

Beschäftigungszeiten, die nachweislich ohne Berechtigung nach dem Bewilligungsregime des AuslBG zurückgelegt worden seien, könnten für den Erwerb von Rechten nach dem ARB nicht herangezogen werden. Da dem Beschwerdeführer seit November 1995 keine Berechtigungen nach dem AuslBG ausgestellt worden seien, seien auch die nach dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger zurückgelegten Dienstverhältnisse als nicht ordnungsgemäße Beschäftigungszeiten zu werten und daher für die Ausstellung eines Befreiungsscheines nicht zu berücksichtigen gewesen. Beschäftigungszeiten vor dem Beitritt Österreichs zur EU (1. Jänner 1995) könnten nicht berücksichtigt werden, da zum Jahreswechsel 1994/1995 eine Unterbrechung vorgelegen sei und der Beschwerdeführer erst am 16. Februar 1995 ein Dienstverhältnis aufgenommen habe. Zurückgelegte Beschäftigungszeiten, die auf einer Scheinehe beruhten, stellten keine ordnungsgemäße Beschäftigung im Sinn des § 2 Abs. 2 AuslBG dar, weil durch die Nichtigerklärung der Ehe deren Bestehen in der Wurzel (ex tunc), also mit dem Tag ihrer Schließung rückwirkend vernichtet werde, somit der Bestand der Ehe niemals vorgelegen sei und die Ehegatten als von Anfang an nicht verheiratet anzusehen seien. Der Widerruf des dem Beschwerdeführer auf Grund seiner Ehe ausgestellten Befreiungsscheines sei somit gesetzeskonform erfolgt. Fest stehe, dass der Beschwerdeführer vom 21. Dezember 1996 bis zum 26. August 2001 in keinem Beschäftigungsverhältnis gestanden sei. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sei einem türkischer Staatsbürger ein angemessener Zeitraum zur Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses einzuräumen, welche jedoch mit sechs Monaten als ausreichend erachtet werde. Durch die Zeit der lang andauernden Nichtbeschäftigung im Ausmaß von vier Jahren acht Monaten und sechs Tagen wäre - selbst wenn die bis 20. Dezember 1996 zurückgelegten davor liegenden Arbeitszeiten nicht mit Illegalität behaftet gewesen wären - die Zugehörigkeit zum Arbeitsmarkt erloschen; die davor liegenden Zeiten hätten sohin keine Berücksichtigung mehr finden können. Weiters müsse auch zur Erfüllung der Bedingung des Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz ARB Nr. 1/1980 der türkische Staatsbürger dem regulären Arbeitsmarkt angehören. Dies sei dann gegeben, wenn der türkische Staatsangehörige einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit, die nach dem AuslBG bewilligt worden sei, nachgehe oder eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung beziehe bzw. dem Arbeitsmarktservice für eine Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe. Da der Beschwerdeführer aber keine Berechtigungen nach dem AuslBG besitze und daher eine Vermittlung durch das Arbeitsmarktservice nicht zulässig sei und auch keine Leistung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz erbracht werde, sei dieses zwingende Erfordernis ebenfalls nicht erfüllt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Arbeit in Österreich (Ausstellung eines Befreiungsscheines im Sinne des Ausländerbeschäftigungsgesetzes) verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4c Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes BGBl. Nr. 218/1975 in der Fassung BGBl. I Nr. 78/1997 ist türkischen Staatsangehörigen von Amts wegen ein Befreiungsschein auszustellen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz oder nach Art. 7 zweiter Unterabsatz des ARB Nr. 1/1980 erfüllen.

Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/1980 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB Nr. 1/1980) hat folgenden Wortlaut:

     "Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien

Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische

Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates

angehört, in diesem Mitgliedstaat

     -        nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung

Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen

Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;

     -        nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung -

 vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorranges - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;

-

nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis."

Die Parteien des Verwaltungsverfahrens gingen davon aus, dass der dem Beschwerdeführer zuletzt für den Zeitraum vom 8. April 1992 bis 7. April 1997 ausgestellte Befreiungsschein gemäß § 15 Abs. 1 Z. 2 AuslBG auf Grund der mit 31. Jänner 1994 rechtskräftig gewordenen Nichtigerklärung der Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin mit Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 30. November 1995 widerrufen wurde. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem einen vergleichbaren Fall betreffenden Erkenntnis vom 20. März 2002, Zl. 99/09/0142, ausgeführt hat, liegt die rechtsgestaltende Wirkung des für den türkischen Staatsangehörigen ausgestellten Befreiungsscheines darin, dass dieser zur Aufnahme einer Beschäftigung berechtigt war. Im Beschwerdefall ist darauf hinzuweisen, dass dem mit rechtskräftigem Bescheid vom 30. November 1995 erfolgten Widerruf dieses Befreiungsscheines zwar keine rückwirkende Kraft dergestalt zukommt, dass der Befreiungsschein als von Anfang an nicht erteilt anzusehen gewesen wäre, dieser jedoch ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft des Widerrufsbescheides als nicht mehr existent gilt. Im vorliegenden Fall kann sich daher der Beschwerdeführer nicht rechtens auf Beschäftigungszeiten berufen, die nach dem 30. November 1995 liegen, sofern er nicht im Besitze anderer arbeitsmarktbehördlicher Bewilligungen (etwa Arbeitserlaubnis, Beschäftigungsbewilligung, etc.) war. Wie die belangte Behörde weiters festgestellt hat, stand der Beschwerdeführer in der Zeit vom 21. Dezember 1996 bis zum 26. August 2001 in keinem Beschäftigungsverhältnis.

Von der belangten Behörde war jedenfalls nicht mehr zu untersuchen, ob die Ausstellung des (widerrufenen) Befreiungsscheines im Jahre 1992 rechtens erfolgt war bzw. ob allenfalls vor dem Beitritt Österreichs zur EU (1. Januar 1995) erworbene Beschäftigungszeiten anzurechnen gewesen wären oder nicht.

Für die Beurteilung der Beschäftigungszeiten nach Art. 6 Abs. 1 (erster bis dritter Gedankenstrich) des ARB Nr. 1/1980 bzw. des § 4c AuslBG ist die Erlaubtheit der Beschäftigung (= "ordnungsgemäß") gleichermaßen wesentlich, weshalb für die Anwendbarkeit dieser Norm das oben Gesagte gilt. Dass der Beschwerdeführer tatsächlich zumindest seit dem August 2001 über arbeitsmarktbehördliche Bewilligungen in diesem Sinne verfügt hätte, wird auch in der Beschwerde nicht behauptet. In Entgegnung zu den Beschwerdeausführungen ist darauf hinzuweisen, dass auch durch die Zahlung der "entsprechenden Abgaben und Steuern" eine dem AuslBG widersprechende Beschäftigung nicht legalisiert wird.

Da der Beschwerdeführer daher die zeitlichen Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 dritter Gedankenstrich ARB Nr. 1/1980 nicht erfüllt, erweist sich der angefochtene Bescheid als mit der Rechtslage in Einklang stehend. Die Beschwerde war aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG sowie der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. Jänner 2005

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004090007.X00

Im RIS seit

18.02.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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