TE OGH 1952/9/18 3Ob547/52

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Veröffentlicht am 18.09.1952
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Norm

ABGB §879 (1)
ABGB §1431
Hausbesorgerordnung §6

Kopf

SZ 25/243

Spruch

Nichtigkeit der Vereinbarung einer an den Hauseigentümer oder Verwalter zu bezahlenden Ablöse für die Überlassung einer Hausbesorgerdienstwohnung und die Bestellung zum Hausbesorger.

Wer eine fremde Schuld, für die der Rechtsgrund mangelt, bezahlt, ist berechtigt, diese Zahlung vom Empfänger der Leistung unmittelbar zurückzufordern.

Entscheidung vom 18. September 1952, 3 Ob 547/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von 2500 S s. A. mit der Begründung, die Beklagte habe die Verleihung des Hausbesorgerpostens im Hause in W., M.straße 97 an die Gattin des Klägers von der Bezahlung eines Betrages von 2500 S abhängig gemacht, welchen Betrag der Kläger der Beklagten aus eigenen, aus Darlehen erhaltenen Mitteln aushändigte; da die Forderung der Beklagten eines Rechtsgrundes entbehrt habe, verlange er die Rückzahlung des Betrages.

Das Prozeßgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, daß die Beklagte von der Gattin des Klägers die Bezahlung eines Betrages von 2500 S für die Überlassung des Hausbesorgerpostens verlangte, daß der Kläger sich durch Aufnahme von Darlehen diesen Betrag beschaffte und der Beklagten aushändigte, schließlich, daß der Kläger durch eine Hausbesorgerversammlung im April 1951, in welcher auf die Unzulässigkeit von Zahlungen, die von Hausbesorgern beim Abschluß eines Hausbesorgervertrages verlangt werden, verwiesen wurde, dazu veranlaßt wurde, die Klage einzubringen. Nach Ansicht des Prozeßgerichtes liege der Klage ein im § 1431 ABGB. begrundeter Bereicherungsanspruch zugrunde, weil der Kläger erst nachträglich darüber Aufklärung erhalten habe, daß es sich um ein unzulässiges Begehren der Beklagten handelte. Überdies liege im Verlangen und der Hingabe des Betrages ein im Sinne des § 879 ABGB. nichtiges Geschäft, weil der Hauseigentümer gemäß § 6 HBO. verpflichtet sei, dem Hausbesorger eine mietzinsfreie Wohnung einzuräumen. Es handle sich um einen offenkundigen Mißbrauch beim Abschluß eines Hausbesorgerdienstvertrages unter Ausnützung der durch die Wohnungsnot geschaffenen Zwangslage.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Seiner Meinung nach habe der Kläger gemäß § 1422 ABGB. eine fremde Schuld, nämlich eine solche seiner Gattin, bezahlt, er stehe durch die Bezahlung nur zu seiner Gattin in Rechtsbeziehungen, sei aber nicht in den Vertrag seiner Gattin mit der Beklagten eingetreten; er könne daher im Falle eines Irrtums, den er gar nicht behauptet habe, nur gegen seine Gattin Ansprüche erheben, hingegen nicht aus dem Vertrage seiner Gattin einen Rückforderungsanspruch daraus ableiten, daß die Forderung unzulässig war. Selbst wenn aber der Kläger ein unmittelbares Forderungsrecht gegen die Beklagte hätte, so könne er sich nicht auf eine dem § 17 MietG. ähnliche Bestimmung berufen, da die HBO. keine solche enthalte. Eine Anfechtung des gesamten einheitlichen Vertrages könne nur nach dem ABGB. erfolgen, in einem solchen Falle müßten aber beide Teile Zug um Zug das zurückstellen, was sie aus dem Vertrage zu ihrem Vorteil erhalten haben; die Übergabe der Hausbesorgerwohnung habe aber der Kläger nicht angeboten.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und stellte das Urteil des Prozeßgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Im Hinblick auf die in der Zwischenzeit eingetretene Änderung in den allgemeinen, vor allem in den wirtschaftlichen Verhältnissen und das katastrophale Ansteigen der Wohnungsnot vermag der Oberste Gerichtshof seine in der Entscheidung NotZ. 1933 S. 114 geäußerte Meinung, das Verlangen einer Ablöse für die Überlassung eines Hausbesorgerpostens seitens des Hauseigentümers oder des Hausverwalters verstoße nicht gegen die guten Sitten, nicht mehr aufrecht zu erhalten. Aus der derzeit geringen Höhe des Reinigungsgeldes, das bei weitem nicht ausreicht, um die primitivsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen, ist zu erschließen, daß im gegenwärtigen Zeitpunkt beim Abschluß eines Hausbesorgerdienstvertrages für den Hausbesorger das Hauptgewicht auf der Einräumung einer Dienstwohnung liegt, die gemäß § 6 HBO. dem Hausbesorger mietzinsfrei überlassen werden muß; letztere Bestimmung stellt gemäß § 20 HBO. zwingendes Recht dar, das durch Vereinbarungen weder aufgehoben noch beschränkt werden darf. Das gleiche gilt übrigens auch hinsichtlich der Bestimmung des § 7 HBO. über das Reinigungsgeld. Das Begehren einer Ablöse für die Überlassung eines Hausbesorgerpostens stellt somit nichts anderes als die Umgehung der zwingenden Vorschrift des § 6 der HBO. dar und verstößt daher gegen das Gesetz. Es verstößt aber weiters auch, da hiedurch die drückende Wohnungsnot ausgenützt wird, gegen die guten Sitten. Die Vereinbarung, mit welcher zwischen dem Hausbesorger und dem Hauseigentümer oder Hausverwalter die Leistung eines Entgeltes für die Überlassung des Hausbesorgerpostens bedungen wird, ist daher gemäß § 879 ABGB. nichtig und es kann derjenige, der auf Grund einer derartigen nichtigen Vereinbarung verpflichtet wurde, eine Ablöse zu bezahlen oder der diese auf Grund der nichtigen Vereinbarung für einen Dritten geleistet hat, die Ablöse gemäß § 877 ABGB., welche Gesetzesstelle auch auf § 879 ABGB. anzuwenden ist (SZ. XXIII/159), vom Leistungsempfänger zurückfordern, da letzterer alles das zurückzustellen verpflichtet ist, was er auf Grund der nichtigen Vereinbarung zu seinem Vorteil erhalten hat.

Die Bestimmungen des § 1422 ABGB., die sich nur auf das Verhältnis zwischen dem Zahler einer fremden Schuld und dem Schuldner beziehen, haben entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes mit der hier zu entscheidenden Rechtsfrage nichts zu tun. Vielmehr ist auch derjenige, der eine fremde Schuld, für die der Rechtsgrund mangelt, bezahlt, berechtigt, diese Zahlung vom Empfänger der Leistung unmittelbar zurückzufordern (GlU. 9153, 14298 u. a. m.). Die Bestimmung des § 1432 ABGB., wonach Zahlungen einer Schuld, zu deren Eintreibung das Gesetz das Klagerecht versagt oder von der der Zahlende weiß, daß er sie nicht schuldig ist, nicht zurückgefordert werden kann, gilt sogar für wissentliche Zahlungen auf Grund eines - unerlaubten Vertrages nicht (GlU. 6259, GlUNF. 5513). Der Kläger ist aber auch gemäß § 1431 ABGB. berechtigt, die von ihm - wenn auch für seine Gattin - geleistete Zahlung von der Beklagten zurückzuverlangen. Aus dem Klagevorbringen, insbesondere aus der Behauptung, daß der Zahlung der Rechtsgrund mangle, und den übrigen Verfahrensergebnissen ergibt sich mit hinlänglicher Deutlichkeit, daß der Kläger seinen Anspruch auch darauf stützt, daß er die Zahlung aus einem Rechtsirrtum darüber, daß er zu dieser Zahlung nicht verpflichtet sei, bzw. diese Zahlung auf Grund eines nichtigen Vertrages geleistet habe, entrichtet habe. Der Kläger ist daher sowohl nach den §§ 877, 879 ABGB. als auch nach der Bestimmung des § 1431 ABGB. (condictio indebiti) zur Rückforderung des auf Grund des nichtigen Vertrages Geleisteten berechtigt.

Es ist aber auch die Ansicht des Berufungsgerichtes verfehlt, daß der Kläger im Falle einer Anfechtung des Vertrages gemäß § 879 ABGB. seinerseits die Rückstellung der Hausbesorgerwohnung anbieten müsse, was er unterlassen habe. Der Hausbesorgerdienstvertrag, in welchem sich die Gattin des Klägers verpflichtet hat, die ihr nach der Hausbesorgerordnung obliegenden Verpflichtungen zu übernehmen, während die Beklagte sich verpflichtete, der Gattin des Klägers die Dienstwohnung einzuräumen und die sonstigen, aus der Hausbesorgerordnung sich für den Hauseigentümer ergebenden Verpflichtungen zu erfüllen, hat mit dem Vertrage über die Zahlung einer Ablöse für die Überlassung des Hausbesorgerpostens nichts zu tun. Letztere Vereinbarung wurde nur aus Anlaß des Hausbesorgerdienstvertrages abgeschlossen, stellte aber einen gesonderten und selbständigen Vertrag dar, der, wie bereits erörtert, gemäß § 879 ABGB. nichtig ist.

Der Kläger ist daher aus den beiden angeführten Gründen zur Rückforderung der von ihm aus seinen Mitteln der Beklagten geleisteten Zahlung berechtigt. Da die von der Berufung bekämpften Feststellungen des Erstgerichtes über das Verlangen der Beklagten nach einer Ablöse und deren Entrichtung an die Beklagte durch den Kläger offenbar vom Berufungsgerichte übernommen und jedenfalls in der Revisionsbeantwortung nicht mehr bekämpft wurden, somit feststeht, daß der Kläger der Beklagten für die Überlassung des Hausbesorgerpostens an seine Gattin eine Ablöse von 2500 S bezahlt hat, die Vereinbarung über die Ablöse aber gemäß § 879 ABGB. nichtig ist, erscheint der Klagsanspruch begrundet, weshalb der Revision Folge zu geben und das Urteil des Prozeßgerichtes wieder herzustellen war.

Anmerkung

Z25243

Schlagworte

Ablöse für Hausbesorgerdienstwohnung ist nichtig, Condictio indebiti, Rückforderung der Ablöse für, Hausbesorgerdienstwohnung, Hausbesorgerdienstwohnung, nichtige Ablöse, Nichtigkeit einer Ablösevereinbarung für Hausbesorgerdienstwohnung, Rückforderung der Ablöse für Hausbesorgerdienstwohnung, Zahlung einer fremden Nichtschuld, Rückforderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1952:0030OB00547.52.0918.000

Dokumentnummer

JJT_19520918_OGH0002_0030OB00547_5200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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