TE OGH 1969/4/23 5Ob76/69

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Veröffentlicht am 23.04.1969
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Norm

Außerstreitgesetz §92 (2)
Außerstreitgesetz §114 (2)
Außerstreitgesetz §159

Kopf

SZ 42/60

Spruch

I. Zum Wandlungsrecht des Käufers bei Arglist des Verkäufers.

II. Einwendungen des Käufers bei Konsumfinanzierung.

Entscheidung vom 23. April 1969, 5 Ob 76/69.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Mit Wechselzahlungsauftrag vom 26. Juni 1967 wurde dem Beklagten als Akzeptanten auf Grund des Rektawechsels vom 17. Februar 1967 aufgetragen, der Klägerin den Betrag von 14.353.50 S samt Nebengebühren zu bezahlen.

Zufolge der vom Beklagten erhobenen Einwendungen und des darüber durchgeführten Verfahrens hob das Erstgericht diesen Wechselzahlungsauftrag auf. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Mit Schreiben vom 17. Februar 1967 stellte der Beklagte der Maschinenhandel Ges.m.b.H. in V. das Anbot, ihm den fabriksneuen Ansichtskartenautomaten Marke "Emadis" Fabrikationsnummer 1378 um 15.700 S zu verkaufen. Der Beklagte sollte 3700 S anzahlen, im übrigen ersuchte er die Klägerin, ihm ein Darlehen von 14.340 S (12.000 S Kaufpreisrest, 2220 S Kreditgebühr einschließlich Verwaltungskostenbeitrag sowie 120 S Erhebungsgebühr) einzuräumen, das er sich in 24 aufeinanderfolgenden Monatsraten von je 597.50 S ab 15. März 1967 bei Terminverlust zurückzuzahlen verpflichtete. Zur Sicherung der Darlehensforderung übergab er der Klägerin drei Blankoakzepte. Der eingeklagte Wechsel enthält eine Rektaklausel im Sinne des Art. 11 (2) WG. Laut Rechnung vom 18. Februar 1967 verkaufte die Maschinenhandel Ges.m.b.H. sodann dem Beklagten den in seinem Antrag genau bezeichneten Automaten zu den dort genannten Bedingungen. Er leistete allerdings nur eine Anzahlung von 500 S, wobei er annahm, die Restzahlung werde ihm als Rabatt nachgelassen. Laut Stampiglienaufdruck auf der Rechnung wurde der Apparat unter Eigentumsvorbehalt verkauft und das Eigentum der Klägerin übertragen. Die Verkäuferin zedierte der Klägerin auch die Kaufpreisrestforderung, was von dieser angenommen und vom Beklagten zur Kenntnis genommen wurde.

Entgegen dieser Vereinbarung wurde dem Beklagten in der Folge nicht ein fabriksneuer, sondern ein gebrauchter Apparat geliefert, der auch eine andere Fabrikationsnummer, nämlich 10.167, aufwies. Dies konnte jedoch nicht sofort festgestellt werden, da kein Schlüssel zum Öffnen des Apparates vorlag und dieser von außen wie neu aussah. Trotz der Zusage, daß der Apparat in den nächsten Tagen montiert werde, kam nach wiederholten Urgenzen erst etwa zwei Monate später ein gewisser Anton S., der dem Beklagten mitteilte, er sei von der Lieferfirma beauftragt, den Automaten aufzuhängen. Dabei zeigte sich, daß der Apparat nicht neuwertig war, daß insbesondere das Schloß und die Neonbeleuchtung alt waren und daß der Schlüssel fehlte. S. nahm das Schloß mit, versprach, es gegen ein anderes auszutauschen und schloß den Apparat behelfsmäßig. Das Funktionieren des Automaten konnte mangels der nötigen Ansichtskarten nicht überprüft werden. Nach deren Beschaffung zeigte sich, daß der Automat auch nicht einwandfrei funktionierte. Bei Einwurf von 5 S sollten 2 Ansichtskarten herauskommen, doch kamen manchmal mehr Karten, manchmal auch nur eine heraus.

Da die Lieferfirma seit 8. März 1967 stillgelegt ist, über kein Vermögen verfügt und seither auch keine Geschäfte mehr betreibt, gab der Beklagte den Apparat beim Gastwirt Josef W. ab und jetzt befindet er sich bei Anton S.

Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht wie folgt:

Infolge der Rektaklausel, die der eingeklagte Wechsel enthält, habe seine Übertragung an die Klägerin gemäß Art. 11 (2) WG. nur die Wirkung einer gewöhnlichen Abtretung. Dem Beklagten stunden daher gegen die Klägerin alle Einwendungen aus dem Grundgeschäft zu.

Otto K., der damalige Geschäftsführer und alleinige Gesellschafter der Verkäuferfirma, habe den Beklagten dadurch, daß er ihm statt des vereinbarten neuen Automaten einen gebrauchten mit anderer Fabrikationsnummer lieferte, im Sinne des § 871 ABGB. in Irrtum geführt. Der Beklagte habe den Automaten, sobald er den Irrtum entdeckte, zurückgestellt und sei daher nicht verpflichtet, den Kaufpreis zu bezahlen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Sache unter Rechtskraftvorbehalt zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es führte hiezu folgendes aus:

Unbegrundet seien allerdings die Rekursausführungen, der Beklagte könne der Klägerin keine Einwendungen aus dem Grundgeschäft entgegensetzen. Es handle sich um einen Fall der Konsumfinanzierung, bei dem das Kauf- und das Darlehensgeschäft eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Verträge seien so miteinander verbunden, daß keiner ohne den anderen geschlossen worden wäre.

Es würde daher den guten Sitten widersprechen, wollte das Finanzierungsinstitut das ganze Risiko des Auseinanderfallens von Verkäufer und Darlehensgeber dem Käufer anlasten und jede Haftung und Gewährleistung für die das Wesentliche des Geschäftes bildende Warenlieferung von vornherein ablehnen. Vielmehr könne der Beklagte der Klägerin alle Einwendungen aus dem finanzierten Geschäft entgegensetzen.

Die Feststellung des Erstgerichtes, daß der Beklagte einen fabriksneuen Apparat gekauft habe, daß ihm aber ein gebrauchter, nicht funktionierender Apparat geliefert wurde, sei unbedenklich. Daraus ergebe sich aber nicht, daß der Beklagte gemäß § 871 ABGB. wegen Irreführung an den Vertrag nicht gebunden sei. Da der Beklagte als Gastwirt ebenso Kaufmann sei wie die Verkäuferin und die Klägerin, finde § 377 HGB. Anwendung. Arglist nach Abs. 5 dieser Gesetzesstelle scheide nach der Sachlage aus, zumal gar nicht behauptet worden sei, daß die Ware in voller Kenntnis ihrer Unbrauchbarkeit verkauft wurde. Der Beklagte hätte daher den Automaten unverzüglich nach Lieferung, soweit dies nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlich war, untersuchen und einen allfälligen Mangel dem Verkäufer sofort anzeigen müssen; zeigte sich der Mangel erst später, so wäre er unverzüglich nach seiner Entdeckung anzuzeigen gewesen, widrigens die Ware als genehmigt gilt. Dies gelte auch, wenn eine andere als die bedungene Ware geliefert wurde, sofern diese nicht offensichtlich so erheblich von der Bestellung abweiche, daß der Verkäufer die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen betrachten müßte, was allerdings nur dann zutreffe, wenn die gelieferte Ware mit der bestellten gar nichts gemein habe und offensichtlich für den Zweck des Käufers untauglich sei.

Da die Klägerin behaupte, der Beklagte habe die Mängel erst nach Einbringung der Wechselklage, also verspätet, gerügt, müsse der Beklagte die Rechtzeitigkeit beweisen. Er habe zwar vorgebracht, daß er den Automaten zurückgestellt habe, nicht aber, daß dies sofort nach Entdeckung des Mangels geschehen sei. Es sei daher anzuleiten, entsprechende Prozeßbehauptungen aufzustellen und sodann seien die notwendigen Beweise aufzunehmen. Sollte sich ergeben, daß die Mängel verspätet gerügt wurden, seien auch Feststellungen hinsichtlich der bestrittenen Höhe der Klagsforderung zu treffen.

Der Oberste Gerichtshof gab den von beiden Seiten erhobenen Rekursen Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

I. Der Rekurs des Beklagten ist berechtigt.

Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß mit Rücksicht darauf, daß sowohl die Maschinenhandelsgesellschaft als auch die Klägerin und der Beklagte als Kaufleute anzusehen sind, die Rechtssache zunächst unter dem Gesichtspunkt des § 377 HGB. zu prüfen ist. Nicht gefolgt kann allerdings dem Berufungsgericht darin werden, daß Arglist im Sinne des Absatzes 5 dieser Gesetzesstelle nach der ganzen Sachlage hier nicht in Betracht komme, zumal gar nicht behauptet wurde, daß die Ware in voller Kenntnis ihrer Unbrauchbarkeit verkauft worden wäre. Mit Recht verweist der Beklagte in seinem Rekurs darauf, daß er schon unter Punkt 3 seiner Einwendungen gegen den Wechselzahlungsauftrag vorgebracht hat, die Verkäuferin habe ihm listigerweise einen neuen Apparat versprochen und in Rechnung gestellt, aber einen alten verrosteten, unversperrbaren und nicht funktionierenden Apparat geliefert. Aber auch in seiner Streitverkündigung hat der Beklagte inhaltlich ähnliches vorgebracht. Feststellungen des Erstgerichtes in dieser Richtung sind, wenn auch nicht vollständig, vorhanden, da das Erstgericht als erwiesen angenommen hat, daß der Beklagte einen fabriksneuen Automaten der Marke "Emadis" Fabrikationsnummer 1378 gekauft hat und daß ihm statt dessen ein gebrauchter Apparat geliefert wurde, der zwar von außen wie neu aussah, aber so schwere Mängel aufwies, daß er nicht einwandfrei funktionierte. Daß Otto K., der Geschäftsführer und einzige Gesellschafter der Verkäuferin, die kurz darauf ihre Geschäfte einstellte, davon nichts gewußt hätte, ist kaum anzunehmen, müßte aber nötigenfalls geklärt werden. Das Berufungsgericht hat sich jedoch nicht dazu geäußert, ob und inwieweit es die Feststellungen des Erstgerichtes übernimmt und ob es darin ein arglistiges Vorgehen der Verkäuferin erblickt. Bei seiner neuerlichen Entscheidung wird das Berufungsgericht in rechtlicher Hinsicht davon auszugehen haben, daß bei arglistigem Verschweigen von Mängeln durch den Verkäufer die Anzeigeverpflichtung des Käufers entfällt. Dabei ist es nicht erforderlich, daß der Käufer den Vorspiegelungen des Verkäufers geglaubt hat und dadurch zu seinen Entschließungen veranlaßt wurde. Die Arglist des Verkäufers braucht für den Abschluß des Kaufvertrages nicht kausal gewesen zu sein. Es ist auch nicht nötig, daß der Käufer gerade infolge der Arglist des Verkäufers von der Untersuchung der Ware und der Absendung der Mängelrüge Abstand genommen hat (Schlegelberger, Komm. z. HGB.[4] III S. 2090 Anm. 42 und 43, Hämmerle, Handelsrecht III S. 960). Das Verschweigen des Mangels kann allerdings nur dann arglistig sein, wenn der Verkäufer verpflichtet ist, ihn dem Käufer zu offenbaren. Ob und in welchem Umfang eine solche Verpflichtung nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf bestehende Handelsbräuche gegeben ist, ist nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen. Sie wird namentlich bei solchen Umständen anzunehmen sein, die für den Kaufentschluß des Käufers derart von Bedeutung sind, daß er bei ihrer Kenntnis den Vertrag nicht oder nicht zu den gleichen Bedingungen abgeschlossen hätte. Liegt ein arglistiges Verschweigen eines Mangels vor, so hat der Käufer auch ohne Mängelanzeige das Wandlungsrecht nach § 932 ABGB. (vgl. RGR. Komm. z. HGB.[2] zu § 377 Anm. 156, 153 und 154).

Sollte das Berufungsgericht zur Bejahung der primär zu beantwortenden Frage einer Arglist der Verkäuferin gelangen, dann wäre die Sache im Sinne der Bestätigung des Ersturteils entscheidungsreif. Im anderen Falle ist den Ausführungen des angefochtenen Beschlusses vollinhaltlich zuzustimmen und es bedürfte dann der vom Berufungsgericht aufgezeigten Ergänzung des erstinstanzlichen Verfahrens.

II. Der Rekurs der Klägerin ist zwar im Ergebnis, nicht aber inhaltlich begrundet.

Nach den untergerichtlichen Feststellungen hat der Beklagte in seinem an die Klägerin gerichteten Antrag vom 17. Februar 1967 ausdrücklich um die Gewährung eines Kredites zwecks Bezahlung des von der Gesellschaft für Maschinenhandel gekauften Ansichtskartenautomaten angesucht. Er nahm darin auch die Zession der Kaufpreisforderung, die Übertragung des Eigentumsvorbehaltes und die Besitzanweisung zur Kenntnis. Die Rechnung der Gesellschaft für Maschinenhandel ist vom 18. Februar 1967, also vom darauffolgenden Tag, datiert. An der wirtschaftlichen Einheit des Verkaufs- und des Kreditgeschäftes kann somit kein Zweifel obwalten. Mit Recht hat das Berufungsgericht dies als einen typischen Fall einer Konsumfinanzierung qualifiziert, bei dem sich die Klägerin alle Einwendungen aus dem finanzierten Geschäft entgegensetzen lassen muß. Dies gilt - wie der Oberste Gerichtshof schon mehrfach entschieden hat - auch dann, wenn dem Käufer, weil er selbst Kaufmann ist, der besondere Schutz des Ratengesetzes nicht zugute kommt. Auch so würde es den guten Sitten widerstreiten, wenn das klagende Finanzierungsinstitut zwar die Forderung aus dem Ratenkauf geltend machen könnte, der beklagte Ratenkäufer ihm aber nicht die Einwendungen entgegensetzen dürfte, die ihm gegen den Verkäufer zustehen (EvBl. 1964 Nr. 364, 8 Ob 27/69 u. a.). Unbegrundet ist auch das Rekursvorbringen, der Beklagte habe die ordnungsgemäße Übernahme des Automaten bestätigt und dadurch die Auszahlung des Restkaufpreises durch die Klägerin veranlaßt. Auch hiezu wurde schon in der Entscheidung EvBl. 1964 Nr. 364 dargelegt, daß der Käufer nur dann die Einwendungen aus dem Grundgeschäft verliere, wenn er den Kreditgeber bewußt irreführt und diese Irreführung allein für die Auszahlung des Kaufpreises kausal war. Dies trifft nach dem festgestellten Sachverhalt hier nicht zu.

Anmerkung

Z42060

Schlagworte

Eidesstättiges Vermögensbekenntnis, keine Überprüfung der Richtigkeit, durch Verlassenschaftsgericht, Inventarserrichtung, amtswegige, keine - bei Zuwendung eines, Quotenlegates gemäß § 159 AußStrG. oder an einen Minderjährigen, Nachlaßinventar, keine amtswegige Errichtung der - bei Zuwendung eines, Quotenlegater gemäß § 159 AußStrG. oder an einen Minderjährigen, Quotenvermächtnis, Zuwendung eines - gemäß § 159 AußStrG. oder an einen, Minderjährigen, keine amtswegige Inventarerrichtung, Verlassenschaftsgericht, keine Überprüfung der Richtigkeit eines, eidesstättigen Vermögensbekenntnisses, Vermächtnis, Zuwendung eines Quotenvermächtnisses gemäß § 159 AußStrG., oder an einen Minderjährigen, keine amtswegige Inventarserrichtung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1969:0050OB00076.69.0423.000

Dokumentnummer

JJT_19690423_OGH0002_0050OB00076_6900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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