TE OGH 1978/10/10 9Os128/78

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Veröffentlicht am 10.10.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Oktober 1978

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek und in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer sowie der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schrammel als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz A wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs. 2, 84 Abs. 1 StGB über die von dem Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die von der Staatsanwaltschaft ergriffene Berufung gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 26. April 1978, GZ. 15 Vr 64/78-15, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Reitter und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Beiden Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 25. Mai 1945 geborene Strafgefangene Franz A, der in der Strafvollzugsanstalt Stein eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, des Vergehens der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs. 2, 84 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 27. Dezember 1977 in der genannten Strafvollzugsanstalt den Strafgefangenen Franz B vorsätzlich durch Faustschläge gegen das Gesicht und durch Fußtritte am Körper mißhandelte und ihm dadurch fahrlässig eine an sich schwere Verletzung, nämlich eine Prellung des linken Augapfels und einen Nasenbeinbruch, zufügte.

Nach den Urteilsfeststellungen kam es zwischen den beiden Strafgefangenen während der gemeinsamen Bewegung im Freien zu einer Auseinandersetzung infolge von Vorwürfen des Angeklagten gegen B wegen dessen nicht rechtzeitiger Rückkehr von einem Ausgang, welcher Ordnungswidrigkeit der Angeklagte nachteilige Auswirkungen auf die Behandlung der Gefangenen im allgemeinen zuschrieb; nach kurzem Wortwechsel gingen A und B mit Fausthieben gegeneinander vor, stürzten zu Boden und schlugen dann noch im Liegen mit den Fäusten und den Füßen aufeinander ein, bis andere Gefangene den Angeklagten von B trennten.

Wer von den beiden mit den Tätlichkeiten begann und wer zuerst zu Boden stürzte, vermochte das Erstgericht nicht festzustellen. Es nahm aber an, daß der Angeklagte sich unnötig in die Tätlichkeiten eingelassen hatte, seinen Widersacher mißhandeln wollte und den Eintritt einer an sich schweren Verletzung als Tatfolge vorhersehen konnte; sohin fällte es den einleitend wiedergegebenen Schuldspruch. Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte dieses Urteil unter Anrufung der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO, inhaltlich der Beschwerdeausführungen auch aus der Z 9 lit. b dieser Gesetzesstelle.

Rechtliche Beurteilung

Der in Ausführung der Mängelrüge erhobene Vorwurf einer Unvollständigkeit der Urteilsbegründung infolge übergehens relevanter Angaben des Zeugen Franz B geht indessen fehl, zumal der Beschwerdeführer selbst die betreffende Aussage unvollständig zitiert: Der Zeuge B hat nämlich im gegebenen Zusammenhang keineswegs die Möglichkeit offen gelassen, daß ihn der am Boden liegende Angeklagte ohne Mißhandlungsvorsatz durch 'Strampelbewegungen' mit den Füßen am Auge getroffen habe, sondern dezidiert behauptet, A habe ihn durch solche Bewegungen überhaupt nicht getroffen (S. 87 d. A). Die Aussage des Zeugen B in der Hauptverhandlung wurde aber ihrem gesamten Inhalt nach vom Erstgericht im Rahmen der ihm zustehenden freien Beweiswürdigung unanfechtbar dahin beurteilt, daß ihr, soweit sie den getroffenen Feststellungen zuwiderlief, keine Glaubwürdigkeit zukomme. Von der behaupteten Unvollständigkeit kann daher keine Rede sein. Entgegen den weiteren Beschwerdeausführungen ist die - eine Notwehrsituation im konkreten Fall ausschliessende - Urteilsfeststellung, daß es dem Angeklagten (nach den vorgelegenen Verhältnissen) möglich (und zumutbar) gewesen wäre, die tätliche Auseinandersetzung mit B zu vermeiden, statt sich in sie einzulassen, durch die - kein Indiz für die gegenteilige Annahme bietenden -

Beweisergebnisse gedeckt und sohin zureichend begründet. Daß den gleichwohl begonnenen Tätlichkeiten wie weiters festgestellt ist, erst durch das Eingreifen von Mitgefangenen ein Ende gesetzt wurde, steht dem nicht entgegen, weshalb der Urteilsbegründung insoweit auch nicht etwa ein innerer Widerspruch anhaftet. Daß das Erstgericht die Frage ausdrücklich offen ließ, ob im Handgemenge der Angeklagte oder B zuerst stürzte, macht das Urteil keineswegs undeutlich im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO. Soweit darnach nicht auszuschließen ist, daß der Angeklagte zuerst zum Sturz kam, ist aber auch die sinngemäß den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO relevierende Inanspruchnahme von Notwehr (§ 3 StGB) als Rechtfertigungsgrund durch den Beschwerdeführer unberechtigt. Denn bei aktiver Beteiligung an einem (waffenlos ausgetragenen) Raufhandel, der aus einer Aufeinanderfolge wechselseitiger Angriffs- und Abwehrhandlungen besteht, kommt eine Notwehrsituation nur ausnahmsweise in Betracht, beispielsweise dann, wenn der Gegner trotz bereits eingetretener Wehrlosigkeit eines Teilnehmers die Tätlichkeiten fortsetzt; außer in solchen oder ähnlich gelagerten Ausnahmefällen darf regelmäßig nicht einmal der Teilnehmer an einem Raufhandel, der zu unterliegen droht, Mittel anwenden, die - wie ein wuchtiger Schlag oder Tritt in die Augengegend - eine schwere Verletzung des Gegners befürchten lassen (vgl. ÖJZ-LSK 1976/37, 1978/179). Da letzteres auf den Beschwerdeführer selbst unter der Voraussetzung zuträfe, daß er als erster im Raufhandel zu Boden ging, wäre ihm auch bei dieser Sachlage ein Handeln in Notwehr rechtsrichtig nicht zuzubilligen. Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen. Der Angeklagte Franz A wurde nach § 84 Abs. 1

StGB zu 9 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Bei der Strafbemessung war erschwerend, daß er schon oftmals wegen Taten, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, verurteilt worden ist, und mildernd, daß er sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tat hinreißen ließ und zumindestens im Vorverfahren zur Wahrheitsfindung beitrug. Mit ihren Berufungen streben der Angeklagte eine 'angemessene Herabsetzung', die Staatsanwaltschaft hingegen eine 'schuldangemessene Erhöhung' der Freiheitsstrafe an. Die Berufungen sind unbegründet.

Es ist der Staatsanwaltschaft zuzustimmen, daß vorliegend von einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung, durch die der Angeklagte sich zur Tat hinreißen ließ, nicht gesprochen werden kann, zumal er es war, der die Auseinandersetzung mit Franz B insoferne begann, als er ihm Vorwürfe machte und ihn u.a. ein 'Kameradschaftsschwein' nannte (S 10 und 108 d. A). Unzutreffend ist aber auch die Auffassung des Angeklagten, es müsse der Umstand, daß die an sich schwere Verletzung des B nicht eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit zur Folge hatte, als mildernd gewertet werden, denn der zusätzliche Eintritt solcher Folgen wäre ihm umgekehrt als erschwerend anzurechnen gewesen.

Es können ihm höchstens noch die leichten Verletzungen, welche er selbst bei der Auseinandersetzung mit Franz B erlitten hat, als (weiterer) Milderungsgrund zugute gehalten werden.

Der Oberste Gerichtshof erachtet dennoch, daß das Erstgericht nach Lage des Falles über den Angeklagten eine den allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung nach § 32

StGB Rechnung tragende schuld- und tatangemessene Strafe verhängt hat, weshalb beiden Berufungen ein Erfolg zu versagen war. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01495

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0090OS00128.78.1010.000

Dokumentnummer

JJT_19781010_OGH0002_0090OS00128_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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