TE OGH 1980/4/17 12Os14/80

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Veröffentlicht am 17.04.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. April 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger, Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Sperker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kurt A und andere wegen des Vergehens der teils versuchten, teils vollendeten schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84

Abs. 2 Z. 2 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die von den Angeklagten Wolfgang B und Manfred C gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Jugendschöffengericht vom 6. Oktober 1978, GZ. 3 Vr 1651/77-77, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Verteidigers des Angeklagten B, Dr. Bauer, der Ausführungen des Verteidigers des Angeklagten C, Dr. Wintersberger, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Der Berufung des Angeklagten C wird Folge gegeben und unter Bedachtnahme auf die Urteile vom 17. Mai 1978, AZ. 1 a E Vr 10.887/77 und vom 13. Juli 1978, AZ. 1 b E Vr 2394/78 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gemäß §§ 31, 40 StGB. von der Verhängung einer Zusatzstrafe abgesehen.

Hingegen wird der Berufung des Angeklagten Wolfgang B nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden unter anderem der am 18. April 1961 geborene Mechanikerlehrling Wolfgang B und der am 10. November 1956 geborene Chauffeur Manfred C des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84

Abs. 2 Z. 2 und 15 StGB. schuldig erkannt, weil sie am 19. Oktober 1977 in Wien in verabredeter Verbindung mit den bereits rechtskräftig verurteilten Kurt A, Peter D, Rudolf und Gerhard E a) den Otto F am Körper verletzten, indem sie mit Fäusten auf ihn einschlugen und mit den Füßen gegen ihn traten, wodurch er Prellungen, Hautabschürfungen, Schwellungen und Blutunterlaufungen am ganzen Körper erlitt.

b) versuchten, Karl G durch Versetzen von Ohrfeigen am Körper zu verletzen.

Diesen Schuldspruch bekämpfen die genannten Angeklagten jeweils mit Nichtigkeitsbeschwerden, die ergangenen Strafaussprüche fechten sie mit Berufung an.

I./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Wolfgang B:

Der auf § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. gestützte Vorwurf dieses Angeklagten, das Erstgericht habe in unkritischer Übernahme der Anklagevorwürfe unter Vernachlässigung entlastender Umstände getroffene Sachverhaltsannahmen nur mangelhaft begründet, hält einer Prüfung nicht stand.

Rechtliche Beurteilung

Das Gericht hat nach der Vorschrift des § 258 Abs. 2 StPO. alle für und wider den Angeklagten vorgeführten Beweismittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen, muß aber nicht im einzelnen begründen, warum es etwa die Verantwortung eines Angeklagten für glaubwürdiger erachtet als die eines anderen. Selbst wenn das Urteil hiefür Gründe anführt, bleibt die Überprüfung der höheren Glaubwürdigkeit jeder Anfechtung aus dem angerufenen Nichtigkeitsgrund entzogen (RZ. 1970, 16). Dies gilt im vorliegenden Fall für die Erwägungen, aus denen das Jugendschöffengericht seiner Urteilsannahme, daß die Körperverletzung von den sechs deshalb schuldig gesprochenen Angeklagten in verabredeter Verbindung begangen wurden die von den Angeklagten Kurt A und Peter D nach ihrer dem Tatgeschehen unmittelbar folgenden Verhaftung gemachten Angaben zugrundelegte und die anders lautenden Darstellungen der anderen Angeklagten - nicht ohne dabei übrigens die in der Beschwerde aktenwidrig als übergangen bezeichnete Behauptung mit zu erörtern, es sei nur eine Geburtstagsfeier für den (gesondert verfolgten) Karl B beabsichtigt gewesen - als widerlegt ansah. Von einer bloßen Scheinbegründung kann dabei keine Rede sein; eine solche wäre gegeben, wenn für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache nur solche Gründe angegeben sind, aus denen sich nach den Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung ein Schluß auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen läßt oder der logische Zusammenhang kaum erkennbar ist (EvBl. 1972/17 u.a.), was aber vorliegend nicht zutrifft. Die Behauptung des Beschwerdeführers, mit der Annahme einer stattgefundenen Beeinflussung von Mitangeklagten zum Leugnen werde im Urteil (unzulässigerweise) ein Vorgang unterstellt, dessen Hintanhaltung doch zu den Zwecken der Untersuchungshaft gehöre (vgl. § 184 in Verbindung mit § 180 Abs. 2 Z. 2 StPO), muß schon deshalb unverständlich erscheinen, weil das Jugendschöffengericht eine solche Beeinflussung gerade innerhalb des Kreises der während des ganzen Verfahrens auf freiem Fuß gebliebenen Angeklagten als 'naheliegend' angenommen hat.

Damit ist auch dem Einwand, das Urteil sei undeutlich und mit sich selbst in Widerspruch, weil es einerseits ein Versagen des Untersuchungshaftvollzuges unterstelle, andererseits aber (vom Angeklagten behauptete) Protokollierungsfehler bei den Vernehmungen im Vorverfahren ausschließe, von vornherein die Basis entzogen. Das Urteil ist auch nicht deshalb mit einem Begründungsmangel behaftet, weil es eine Beeinflussung der Aussagen bestimmter Angeklagter als (naheliegende) 'Vermutung' bezeichnet. Abgesehen davon, daß die gerügte Annahme nach Lage des Falles keineswegs willkürlich ist, gehört sie in den Bereich der (im schöffengerichtlichen Verfahren unanfechtbaren) Beweiswürdigung; der vollen Bestimmtheit aller als erwiesen angenommenen entscheidenden, d.h. für das Erkenntnis in der Schuldfrage maßgebenden und entweder die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes beeinflussenden Tatsachen geschieht dadurch kein Abbruch. In seiner aus den Nichtigkeitsgründen der Z. 9 (sachlich lit. a und b) des § 281 Abs. 1 StPO. erhobenen Rechtsrüge behauptet der Beschwerdeführer, das Erstgericht habe in bezug auf das tatsächliche Geschehen rechtsirrig Tatbegehung in verabredeter Verbindung angenommen sowie darnach erforderliche Feststellungen über seine Beteiligung an den Tätlichkeiten und zur Klärung der Notwehrfrage unterlassen.

Auch diese Einwände gehen fehl:

Zwar sind Verletzungen zufällig hinzugekommener Personen, derentwegen keine verabredete Verbindung bestand, nicht im Rahmen des § 84 Abs. 2 Z. 2 StGB. zu verantworten (ÖJZ-LSK. 1979/186). Eine Verabredung, worunter eine vor Beginn der Tatausführung gelegene Willenseinigung zu verstehen ist, kraft deren die zur Begehung entschlossenen Personen am Tatort als Einheit auftreten, kann aber auch bloß durch Zeichen zustandekommen oder sich in einem sonstigen die Willensübereinstimmung (schlüssig) zum Ausdruck bringenden Verhalten äußern; jeder der Verabredeten haftet nach § 84 Abs. 2 Z. 2

StGB., mag er auch im Einzelfall keine unmittelbar zu Verletzungen führenden Aktivitäten gesetzt, sondern bloß verabredungsgemäß durch seine (Mit-)Anwesenheit am Tatort seinen Willen zum allfälligen Eingreifen in den Ereignisablauf ausgedrückt haben (EvBl. 1979/146, 1977/225 u.a.).

Im vorliegenden Fall umfaßte das (ausdrückliche) Einverständnis der schuldiggesprochenen Angeklagten nach dem als erwiesen angenommenen Sachverhalt zunächst einen Angriff auf den im Gasthaus F anwesenden Karl G.

In dem auf den Zuruf des Angeklagten Wolfgang B, daß Kurt A bereits (drinnen) raufe, erfolgten Eindringen der bis dahin auf der Straße wartenden Verabredeten in das genannte Gasthaus kam aber - wie dem Urteil insbesondere durch dessen Ausspruch, daß (auch) die Aggression der Eindringenden gegen den sich ihnen in den Weg stellenden Gastwirt Otto F ihrem Vorsatz zum gemeinsamen Tätigwerden entsprach, zu entnehmen ist - ihre schlüssig bekundete übereinstimmende Entschlossenheit zum Ausdruck, nunmehr als Einheit gegen die im Lokal befindlichen Widersacher tätlich vorzugehen, wobei die solcherart erweiterte Verabredung auch einen Angriff auf den Lokalinhaber F, mit dessen Gegenwehr nach Lage des Falles zu rechnen war, nicht ausschloß. So gesehen wurde das Verhalten des an der Verabredung beteiligten Beschwerdeführers Wolfgang B rechtsrichtig nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 2 in Verbindung mit § 15 StGB. beurteilt, ohne daß es konkreter Feststellungen bedurfte, ob er selbst an einen der Angegriffenen Hand angelegt hat.

Für die Annahme einer Notwehrsituation ist aber bei dem festgestellten Sachverhalt, dem zufolge der Beschwerdeführer und seine Mitverurteilten verabredetermaßen die Tätlichkeiten eröffneten, kein Raum.

II./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Manfred C:

Das Beschwerdevorbringen dieses Angeklagten ist ungeachtet seiner einleitenden Erklärung, die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z. 1 bis 11 StPO. geltend zu machen, nur soweit einer sachlichen Erledigung zugänglich, als im folgenden bestimmte Umstände vorgebracht werden, durch die nach Ansicht des Beschwerdeführers Nichtigkeitsgründe - und zwar nach Z.4, 5 und 9 lit. a (der Sache nach auch lit. b) des § 281 Abs. 1

StPO. - verwirklicht sind.

Dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund mangelt allerdings schon insofern ein geeignetes Substrat, als der Beschwerdeführer nicht anzugeben vermag, welchem Antrag seiner Verteidigung während der Hauptverhandlung nicht entsprochen worden sein soll; dem Verhandlungsprotokoll ist in dieser Richtung nichts zu entnehmen, vielmehr ist dort vor Schluß des Beweisverfahrens festgehalten, daß von keiner Seite weitere (noch nicht durchgeführte) Beweisanträge gestellt wurden (S. 438).

Mit der weiteren Rüge, das Erstgericht hätte von Amts wegen durch eingehendere Vernehmung sämtlicher Angeklagten und Zeugen den Sachverhalt genauer klären müssen (und wäre dann zu für den Beschwerdeführer günstigeren Feststellungen gelangt), wird eine Unvollständigkeit des Verfahrens behauptet, die nie in den Bereich des darauf gestützten Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. fallen, aber auch nach der Z. 4 dieser Gesetzesstelle hier schon mangels der hiefür erforderlichen formellen Voraussetzung eines vom Gerichtshof in der Hauptverhandlung unerledigten oder abweislich beschiedenen Antrags des Beschwerdeführers nicht mit Erfolg geltend gemacht werden kann (Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2 § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO./9, 35 und 36). In der Behauptung schließlich, die dem Angeklagten zur Last fallende Tat sei nicht erwiesen und es fehle deshalb eine strafbare Handlung, kann eine gesetzmäßige Ausführung des damit ziffernmäßig relevierten Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. nicht erblickt werden, welche voraussetzen würde, daß der im Urteil als erwiesen angenommene Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Gesetz verglichen und angegeben wird, inwieweit dadurch nach Ansicht des Beschwerdeführers das Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet wurde.

Mit dem in die Berufung (gegen den Strafausspruch) aufgenommenen Einwand, die Voraussetzungen des § 42 StGB.

seien (rechtsirrig) nicht geprüft worden, wird sachlich ein weiterer Nichtigkeitsgrund, nämlich nach Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. geltend gemacht. Diesem Vorbringen genügt es aber zu erwidern, daß nach § 42 Abs. 1 StGB. mangelnde Strafwürdigkeit - von den sonstigen Voraussetzungen hiefür ganz abgesehen - bei einer mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedrohten Tat von vornherein nicht in Betracht kommt, das dem Beschwerdeführer zur Last fallende Vergehen aber nach § 84 StGB. mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht ist und schon deshalb nicht nach § 42 StGB. straflos bleiben kann. Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen. Das Jugendschöffengericht verurteilte die Angeklagten Wolfgang B und Manfred C nach § 84 Abs. 1 StGB., Wolfgang B auch unter Anwendung des § 11 JGG. zu Freiheitsstrafen in der Dauer von jeweils drei Wochen, welche es gemäß § 43 Abs. 1 StGB. unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Bei der Strafzumessung wertete es als erschwerend bei Wolfgang B den Umstand, daß er einer der Anstifter war, bei Manfred C hingegen nichts, nahm hingegen als mildernd bei beiden Angeklagten den ordentlichen Lebenswandel, den Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist, bei Manfred C überdies die Begehung der Tat vor Vollendung des 21. Lebensjahres und die mindere Beteiligung an dieser an.

Die Berufung des Angeklagten Wolfgang B strebt Anwendung der echten bedingten Verurteilung im Sinne des § 13 Abs. 1 JGG., jene des Angeklagten Manfred C eine Strafermäßigung an.

Was zunächst die Berufung des Angeklagten Wolfgang B anlangt, so kann ihr Berechtigung nicht zuerkannt werden.

Nach Lage des Falles bedarf es bei den zum Tatzeitpunkt das 16. Lebensjahr schon überschritten habenden Angeklagten der Verhängung einer, wenn auch bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe, um ihn vor ähnlichen, im Milieu von Jugendlichen Schlägerbanden sich ereignenden Straftaten abzuhalten, mag auch sein (intellektueller) Tatbeitrag nicht als allzu hoch eingeschätzt werden. Hingegen ist die Berufung des Angeklagten Manfred C im Ergebnis begründet.

Nach Inhalt der (allerdings erst nach der Urteilsfällung in erster Instanz eingeholten richtigen Strafregisterauskunft) wurde dieser Angeklagte mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17. Mai 1978 zu AZ. 1 a E Vr 10887/77

wegen §§ 298 Abs. 1, 164 Abs. 1 Z. 2, Abs. 2 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten, bedingt für drei Jahre, verurteilt. Ferner weist die Strafregisterauskunft eine weitere Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 13. Juli 1978 (rechtskräftig am 24. Oktober 1978) zu AZ. 1 b E Vr 2494/78 wegen §§ 127 Abs. 1 und 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 15, 136 Abs. 1 StGB. auf, wobei über ihn unter Bedachtnahme auf das vorerwähnte Urteil gemäß §§ 31 und 40 StGB. eine Zusatzstrafe in der Höhe von einem Jahr verhängt wurde.

Auf diese Verurteilungen wäre im Hinblick auf die Tatzeit vom 19. Oktober 1977 gleichfalls gemäß §§ 31, 40 StGB. Rücksicht zu nehmen gewesen. Unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens bei diesen und bei der gegenständlichen Straftat kann nicht angenommen werden, daß insgesamt eine höhere als 18 Monate dauernde Freiheitsstrafe auch bei Berücksichtigung des im Gegenstand inkriminierten Verhaltens verhängt worden wäre. Insoweit war daher der Berufung des Angeklagten Manfred C Folge zu geben und von der Verhängung einer Zusatzstrafe abzusehen.

Es war somit spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

Anmerkung

E02569

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0120OS00014.8.0417.000

Dokumentnummer

JJT_19800417_OGH0002_0120OS00014_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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