TE OGH 1980/11/11 10Os171/80

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.11.1980
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Winter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Friedrich A und andere wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20. August 1980, GZ. 7 Vr 3675/79-80, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen (Punkte I. 1. a bis c, IV., V.) unberührt bleibt, in Stattgebung dieses Rechtsmittels im Schuldspruch laut Punkt III. 2., ferner nach § 290 Abs. 1 StPO zunächst auch in jenem laut Punkt III. 1. des Urteilssatzes (und damit im gesamten Schuldspruch wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB) sowie weiters in den Schuldsprüchen wegen der Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 StGB (Punkte I. 2. a und b, I. 3. a und b, II. 1. a und b, II. 2.) sowie der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (Punkte II. 1. c., II. 3.) und demgemäß außerdem im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs gemäß § 38 StGB) betreffend Friedrich A sowie im Zuspruch eines Betrages von 5.000 S an Robert B (gemäß § 369 StPO) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde (unter anderem) Friedrich A (III.) des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB, begangen dadurch, daß er andere, und zwar (1.) am 4. August 1979 in Kremsbrücke Hermann C durch eine Drohung mit dem Abstechen und (2.) am 8. Dezember 1979 in Stainz Helga D durch eine mit den Worten 'Wenn ich herauskomme, zerfetze ich dir deine Larve' geäußerte Drohung mit einer erheblichen Verstümmelung, gefährlich bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, sowie (außer weiteren Delikten auch) der Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 StGB (Fakten I. 2. a und b, I. 3. a und b, II. 1. a und b sowie II. 2.) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (Fakten II. 1. c und II. 3.) schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Der nur gegen den Schuldspruch (wegen gefährlicher Drohung) gemäß Punkt III. 2. des Urteilssatzes gerichteten, auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt Berechtigung zu.

Bloß eine 'kleine Divergenz' über den Wortlaut der dem Beschwerdeführer insoweit angelasteten Drohung erblickte das Schöffengericht zwischen jenen Angaben der Zeugin Helga D bei der Gendarmerie und vor Gericht, nach denen der Angeklagte Friedrich A zu ihr 'Halt die Goschn, sonst mache ich dich kalt' hingerufen (und sie somit jedenfalls zweifellos bedroht) habe, einerseits sowie den eindeutigen und zweifelsfreien Depositionen des erhebenden Gendarmeriebeamten in der Anzeige anderseits, wonach die genannte Zeugin bei ihrer informativen Befragung in seiner Gegenwart von diesem Angeklagten mit den Worten 'Wenn ich herauskomme, zerfetze ich dir (euch) die Larve' bedroht worden sei (S 33/II). Bei der dargestellten Wiedergabe der von der Zeugin D bei der Gendarmerie und vor Gericht gemachten Angaben ist aber dem Erstgericht eine (auf eine erhebliche Unkenntnis der bezüglichen Aktenlage hinweisende) grobe Aktenwidrigkeit unterlaufen, die vom Beschwerdeführer immerhin soweit (mit Recht) gerügt wird, als sie die in der Hauptverhandlung abgelegte Aussage der in Rede stehenden Zeugin betrifft. Denn Helga D hat weder bei der Gendarmerie noch vor dem Untersuchungsrichter, bei dem sie die hier interessierende Drohung gar nicht ausdrücklich erwähnte (ON 25,) noch in der Hauptverhandlung jemals bekundet, daß sie durch den Angeklagten (Friedrich A) bedroht worden sei: nach ihrer bei der Gendarmerie gegebenen Darstellung war die während ihrer ersten Befragung (am Tatort der Urteilsfakten I. 1. a-c) an sie gerichtete Aufforderung 'Halt die Goschn, weil sonst mach ich dich noch kalt!' durch einen mit einer grauen Hose bekleidet gewesenen Mann geäußert worden (S 255/I; vgl. aber auch S 253/I), wogegen sie Friedrich A als 'mit einem dunklen Anzug bekleidet' bezeichnet hatte (S 253/I iVm S 337/I); dementsprechend gab sie in der Hauptverhandlung an, sie sei 'von den heute anwesenden Angeklagten', darunter Friedrich A, nicht bedroht worden; was letzterer zu ihr gesagt habe, als die Gendarmerie neben ihr gestanden sei, wisse sie nicht mehr; mit den Worten 'Halte die Goschen, sonst mach ich dich kalt!' aber habe sie (der zur Hauptverhandlung nicht erschienene Mitangeklagte Bruno) E bedroht (S 12/II).

Die Aktenwidrigkeit betrifft ungeachtet dessen, daß der mit den Erhebungen (mit-) befaßt gewesene Gendarmeriebeamte Franz F in der (demnach in den Entscheidungsgründen insoweit gleichfalls nicht aktengetreu zitierten) Anzeige vermerkte, die in Rede stehende Drohung des Angeklagten habe sich auch oder möglicherweise nur auf Anna G bezogen (S 269, 182/I), daß jene Zeugin bestätigte, Friedrich A habe ihr während ihrer Befragung am Tatort etwas zugerufen, was eine Drohung gewesen sein könnte, doch wisse sie nicht mehr, was er gesagt habe (S 268/I iVm S 353/I, 16/II), und daß der Beschwerdeführer zwar in der Hauptverhandlung erklärte, sich im Sinn der Anklage schuldig zu fühlen (S 9/II), vor der Gendarmerie aber auf den Vorhalt, 'eine Frau' bedroht zu haben, nur eine auf 'diese Frau' gemünzte Äußerung zugegeben (S 275/I) und letztere beim Untersuchungsrichter (unter sukzessive verstärkter Behauptung von Erinnerungsmängeln) erst nach einem weiteren, (dahin) gezielten Vorwurf (ohne nähere Erörterung) auf Helga D bezogen hatte (S 41, 41 b, 41 f/I), eine entscheidende Tatsache: geht es dabei doch keineswegs bloß um den Wortlaut der dem Angeklagten angelasteten Drohung oder um die Identität der Bedrohten allein, sondern darum, daß die strafbare Handlung (§ 107 Abs. 1 - allenfalls auch Abs. 2 - StGB), sofern die inkriminierte Äußerung gegen Anna G gerichtet gewesen und von ihr nicht gehört (verstanden) worden sein könnte, möglicherweise nur beim Versuch (§ 15 StGB) geblieben wäre (vgl. Leukauf-Steininger, StGB2, RN 5 zu § 107).

Schon dieser vom Beschwerdeführer zutreffend gerügte Begründungsmangel (Z 5) erfordert demnach die Aufhebung des bekämpften Schuldspruchs (Faktum III. 2.) und die Zurückverweisung der Sache in die erste Instanz zur bezüglichen Verfahrenserneuerung, ohne daß es einer Erörterung des zudem geltend gemachten (materiellrechtlichen) Feststellungsmangels zur objektiven Tatseite des § 107

StGB (Z 9 lit. a) bedürfte.

Wohl aber soll nicht unerwähnt bleiben, daß das Urteil insoweit auch mit einer (vom Angeklagten nicht gerügten) Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO deshalb behaftet ist, weil es keinerlei Feststellungen zur subjektiven Tatseite der vorerwähnten Strafbestimmung (§ 107 StGB) enthält, und zwar weder zum Grundtatbestand (Abs. 1), noch zu dessen angenommener Qualifikation (Abs. 2). Gerade in Ansehung der letzteren wären derartige Konstatierungen umso notwendiger gewesen, als der Beschwerdeführer nach dem Inhalt der Anzeige (S 182, 269/ I) Anna G oder/und Helga D nur mit einem 'Zerkratzen' des Gesichts bedroht hat und für den ihm bei der Gendarmerie (offensichtlich) gemachten Vorhalt, er habe mit einem 'Zerfetzen' des Gesichts 'oder so ähnlich' gedroht (S 275/I), worauf er eine derartige ('oder ähnliche') Äußerung (als möglich) zugab (S 275, 41, 41 b, 41 f/I), eine Grundlage im Akt nicht zu erkennen ist.

Teils gleiche und teils gleichartige, vom Beschwerdeführer ebenfalls nicht geltend gemachte, jedoch zu seinen Gunsten von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs. 1 StPO) Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite (Z 9 lit. a), die insoweit gleichermaßen eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz erforderlich machen (§ 288 Abs. 2 Z 3

StPO), liegen auch hinsichtlich der Fakten III. 1. (weitere gefährliche Drohung), I. 2. a und b, I. 3. a und b, II. 1. a und b sowie II. 2. strafbare Handlungen im Zustand voller Berauschung) und II. 1. c sowie II. 3. (Sachbeschädigung) vor.

Zur Hintanhaltung ähnlicher gravierender Fehler (Z 5) im zweiten Rechtsgang ist in diesem Zusammenhang außerdem zu bemerken, daß a) der Schuldspruch gemäß Punkt III. 1. des Urteilssatzes ausschließlich auf das 'Geständnis' des Angeklagten gestützt wurde, obwohl sich dieser auch hiezu von Anfang an gleichwie in der Hauptverhandlung mit Volltrunkenheit verantwortet (S 167, 41 d/I, 9/II) und die inkriminierte Drohung tatsächlich im Verlauf desselben einheitlichen Tatgeschehens (Fakten I. 2. a und b, I. 3. a und b,

II.

1. a und b, II. 2.) geäußert hatte, in Ansehung dessen ihm ansonsten eine volle Berauschung zugebilligt wurde;

b) bei der Begründung eben jener Annahme davon ausgegangen wurde, der Sachverständige Dr. H habe sich dem Gutachten Dris. I angeschlossen, obwohl er - trotz der bezüglichen Wendung in seinem mündlichen Vortrag und dessen teilweise sinnentstellend verstümmelter Wiedergabe im Hauptverhandlungsprotokoll doch klar erkennbar - in bezug auf das vorerwähnte Tatgeschehen einerseits und auf das Faktum II. 1. c (Sachbeschädigung im Arrest) anderseits jeweils zu genau konträren Ergebnissen gelangt (S 19 f/II iVm S 444 f/I);

c) dem Angeklagten zu den Fakten II. 1. c und II. 3. nach den Entscheidungsgründen eine Tatbegehung in Volltrunkenheit nicht eingeräumt wurde (S 32/II), wogegen er sich der (in bezug darauf völlig mißglückten) Gliederung des Urteilstenors (S 24-26/II) zufolge auch hiebei in diesem Zustand befand, und d) er (umgekehrt) bei der Ausführung der Fakten I. 3.

a und b nach den Gründen des Urteils volltrunken gewesen wäre (S 31/II), wogegen er nach dessen Spruch (s. neuerlich S 24 f/II) - in dem ihm überdies infolge der bezüglichen Gliederung und Formulierung hinsichtlich der Fakten II.

(1. a, b und c, 2. sowie 3.) zwar deren Begehung 'in diesem Zustand' (§ 11 StGB) zugutegehalten, nicht aber dessen (zumindest fahrlässige) Herbeiführung (§ 287 StGB) angelastet wurde - die betreffenden Taten nicht im bezeichneten Zustand verübt hätte. Nach Anhörung der Generalprokuratur war demnach gemäß § 285 e StPO (idF BGBl. 1980/28) schon bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen.

Anmerkung

E02886

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0100OS00171.8.1111.000

Dokumentnummer

JJT_19801111_OGH0002_0100OS00171_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten