TE OGH 1982/1/28 13Os13/82

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Veröffentlicht am 28.01.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Hörburger und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Franz als Schriftführers in der Strafsache gegen Johann A wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 und 15 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 1.Dezember 1981, GZ. 1 b Vr 10296/81-19, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch B und demzufolge im Strafausspruch aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Johann A wurde des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den § 202 Abs. 1 und 15 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 19.September 1981 in Wien (zu A) die 16-jährige Susanne B durch einen festen Griff um den Hals, Mitsichziehen, gewaltsames Entkleiden und Drücken an einen Baum sowie die Äußerung, er werde sie aufschlitzen, zum außerehelichen Beischlaf genötigt und (zu B) die 15-jährige Regina C dadurch, daß er sie am Hals packte und mit sich zog, sie gegen einen Gartenzaun lehnte, ihr Ober- und Unterhose auszog und drohte, er werde sie aufschlitzen, sie dann gegen einen Baum lehnte und trachtete, mit ihr einen Geschlechtsverkehr durchzuführen, zu einem solchen zu nötigen versucht.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte aus den Gründen der Z. 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

A hat, obwohl von den Tatopfern eindeutig als Täter bezeichnet (S. 23, 97, 101, 171, 174, 175), seine Täterschaft bestritten. Dennoch hat sie das Schöffengericht in eingehender und ausführlicher Erörterung aller zur Identifizierung des Täters dienlichen Beweisergebnisse (S. 186 bis 188) zweifelsfrei als erwiesen angenommen. In seiner Mängelrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 5 StPO) bekämpft der Angeklagte nur diese Beweiswürdigung, wenn er deshalb, weil die Tatopfer als Zeuginnen nicht von einer Tätowierung (auch) des rechten Unterarms des Täters, wie sie der Angeklagte aufweist, berichteten und die Beschreibung der Kleidung des Täters in Details von der des Beschwerdeführers abwich, die Täterschaft eines anderen annehmen und daher seine für ausgeschlossen halten will. Das Schöffengericht hat ohnehin auf 'geringe Widersprüche' in den Aussagen der beiden Mädchen hingewiesen (S. 186) und dennoch keinen Grund gefunden, an der Richtigkeit ihrer Angaben zu zweifeln. Es hat auch als belastendes Indiz gewertet, daß ihnen der anders als in Wien oder Niederösterreich übliche Dialekt des Angeklagten aufgefallen war, aber nicht für entscheidend erachtet, daß sie nicht genau feststellen konnten, ob es sich um die Tiroler oder um eine sonstige deutsche Mundart handelte (S. 187).

Daß auch der Regina C die Ober- und Unterhose gewaltsam ausgezogen wurden, hat das Erstgericht gar nicht festgestellt (S. 181, 184). Dies wäre bei der deliktsspezifisch auch widerstandslosen Duldung des Beischlafs durch das Opfer nach Beugung seines entgegenstehenden Willens (Leukauf-Steininger2, RN. 7 u. 8 zu § 202 StGB) ebensowenig entscheidend wie die 'Art und Weise', in der der Angeklagte den außerehelichen Beischlaf an Susanne B vollzogen hat; eine eingehendere 'Darstellung' desselben war daher entbehrlich. Anders als der Mängelrüge ist hingegen der Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 10 StPO) ein Erfolg beschieden.

Regina C hat den Angeklagten, nachdem er ihr Ober- und Unterhose ausgezogen und sie zum Beischlaf zu nötigen getrachtet hatte, zunächst weggestoßen. Nach einem (die Einheit des Tatgeschehens nicht in Frage stellenden) Ortswechsel zog er ihr kurz darauf neuerlich die genannten Kleidungsstücke herunter und versuchte, sein Glied (in ihre Scheide) einzuführen, 'doch ließ er davon ab, als ihm die C sagte, sie werde operiert', wandte sich der B zu und vollzog an ihr, obwohl sie vorschützte, die Regelblutung zu haben, einen Geschlechtsverkehr (S. 184).

Bei dieser Sachlage blieb offen, ob der Angeklagte bei Regina C von der Ausführung des Geschlechtsverkehrs freiwillig Abstand nahm und damit vom Versuch des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf im Sinn des § 16 Abs. 1 StGB rechtswirksam zurücktrat, oder aber, ob er dies nur, durch Umstände bewogen, tat, die seinem Rücktritt die Freiwilligkeit gemäß der zitierten Gesetzesstelle (Leukauf-Steininger2, RN. 2 bis 4 zu § 16 StGB) nahmen.

Es war daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Schuldspruch wegen versuchter Nötigung (B) schon in nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285 e StPO zu kassieren und, weil sich zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, die Strafsache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung rückzuverweisen.

Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO gleichfalls bereits in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Im wiederholten Rechtsgang wird es entscheidend auf die Beantwortung der Frage durch das Schöffengericht ankommen, welche Bedeutung der Angeklagte der Mitteilung der Regina C beimaß, daß sie operiert werde.

Dazu wird das gesamte festgestellte Verhalten des Angeklagten, insbesondere auch, daß er von seinem kriminellen Vorhaben nicht schlechthin abließ, als er sich von Regina C abwandte, sondern den abgenötigten Beischlaf an Susanne B trotz vorgeschützter Regelblutung vollzog (nunmehr rechtskräftiger Schuldspruch), in Betracht zu ziehen sein.

Bei all dem ist ferner davon auszugehen, daß zunächst lediglich die Motivation des Angeklagten während eines Teilgeschehens, d.h. ein ausschließlich innerer Vorgang beim Täter, der Beweiswürdigung unterzogen werden muß.

Darnach wird zur prüfen sein, inwieweit hier die abermalige zeugenschaftliche Einvernahme der beiden Mädchen überhaupt notwendig sein wird. Auf jeden Fall wäre es, um den vom Obersten Gerichtshof strikt begrenzten Rahmen der Urteilsaufhebung nicht zu sprengen, unerläßlich, die eventuelle Befragung der Zeugin(nen) zunächst auf jene minimale Tatphase einzuschränken, die für die Rücktrittsfrage maßgebend ist, nämlich auf die wohl nur wenige Sekunden beanspruchende Reaktion des Täters auf die Erklärung der Regina C, sie werde operiert, und auf das unmittelbar anschließende Verhalten des Beschwerdeführers.

Des weiteren wird im zweiten Rechtsgang zu beachten sein, daß bei Annahme eines Rücktritts vom Versuch der Nötigung der C zum Beischlaf der Angriff des Sexualattentäters auf dieses Mädchen hiedurch keineswegs ohne weiters straflos wird. Das gewalttätige Vorgehen des Rechtsmittelwerbers gegen C wird in diesem Fall vielmehr an den Tatbeständen der Nötigung zur Unzucht nach § 204 StGB und (ultimo loco) der Freiheitsentziehung nach § 99 StGB zu messen sein (sogenannter qualifizierter Versuch). Daß er 'allenfalls' die Nötigung der C zur Unzucht gemäß § 204 StGB verantwortet, hat der Angeklagte in seiner Nichtigkeitsbeschwerde selbst eingeräumt (S. 199 unten, 200 oben).

Anmerkung

E03517

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0130OS00013.82.0128.000

Dokumentnummer

JJT_19820128_OGH0002_0130OS00013_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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