TE OGH 1982/3/31 6Ob587/82

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Veröffentlicht am 31.03.1982
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Norm

ZPO §577 Abs3

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SZ 55/47

Spruch

Die für den Schiedsvertrag gemäß § 577 Abs. 3 ZPO angeordnete Schriftform ist auch Gültigkeitserfordernis für Verpflichtungserklärungen, einen Schiedsvertrag abzuschließen

OGH 31. März 1982, 6 Ob 587/82 (LG Innsbruck 1 R 249/81; BG Lienz C 329/80)

Text

Die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol leistet ihren Mitgliedern durch das Wirtschaftsförderungsinstitut (WIFI) Unterstützung in Fragen der Betriebsberatung. Dazu stellte die Kammer Richtlinien auf. Diese enthalten folgende Regelung:

"Sämtliche aus einem gemäß den oben stehenden Richtlinien erteilten Beratungsauftrag sich ergebenden Streitigkeiten werden unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges durch ein Schiedsgericht entschieden.

Sämtliche Parteien (Beratungswerber, Berater, WIFI) verpflichten sich ausdrücklich, einen gemäß den Vorschriften der Zivilprozeßordnung errichteten Schiedsvertrag zu schließen."

Der Kläger schloß als Mitglied der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol und durch diese mit dem Beklagten als einem staatlich befugten und beeideten Architekten einen Beratungsvertrag über Baumaßnahmen zur Revitalisierung eines dem Kläger gehörenden, "nach jahrelanger Betriebsunterbrechung in einem desolaten Zustand" befindlichen Gasthofes.

Der Kläger behauptete, er habe sich dabei, ebenso wie der Beklagte schon seinerzeit im voraus, den Richtlinien für die Durchführung von Betriebsberatungen durch das Wirtschaftsförderungsinstitut (WIFI) der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol unterworfen. Nach dem Inhalt dieser Richtlinien hätten sämtliche Streitigkeiten, die sich aus einem den Richtlinien gemäß erteilten Beratungsauftrag ergäben, unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges durch ein Schiedsgericht entschieden werden sollen, wozu sich sämtliche Parteien (Beratungswerber, Berater und WIFI) ausdrücklich verpflichtet hätten, einen gemäß den Vorschriften der Zivilprozeßordnung errichteten Schiedsvertrag zu schließen. Der Beklagte habe im Zug des Beratungsauftrages vom Kläger Pläne erhalten, anfang Jänner 1979 einen nur unzureichenden Kurzbericht erstattet, dann auf Wunsch des Klägers einen von ihm benötigten Kostenvoranschlag ausgearbeitet und verbessert. Nachdem sich im August 1979 herausgestellt habe, daß der Kläger dem Beklagten keinen Architektenvertrag über Planung und Bauleitung zur Umgestaltung des Hofes erteilen würde, habe der Architekt gegen seinen Auftraggeber beim Gerichtshof eine Honorarklage eingebracht; über die in jenem Rechtsstreit erhobene Unzuständigkeitseinrede sei noch nicht entschieden, der Rechtsstreit vielmehr bis zur rechtskräftigen Beendigung des hier anhängigen Rechtsstreites unterbrochen worden. Der Kläger behauptete, auch Schadenersatzansprüche wegen verzögerter Rückstellung der Pläne sowie wegen unvollständiger und verspäteter Beratungsleistungen des Beklagten verfolgen zu wollen.

Der Kläger begehrte daher die Verurteilung des Beklagten zur Unterfertigung eines im vollen Wortlaut in den Urteilsantrag aufgenommenen Schiedsvertrages.

Der Beklagte wendete den Mangel eines Rechtsschutzinteresses des Klägers ein und behauptete, den - im Weg der Kammer zustande gekommenen - Beratungsvertrag voll erfüllt, abgerechnet und auch bezahlt erhalten zu haben, wogegen die der landesgerichtlichen Honorarklage zugrunde liegenden Leistungen auf einem gesonderten Auftrag beruhten, für den die Kammerrichtlinien keine Geltung hätten.

Das Erstgericht gab dem Begehren auf Unterfertigung des Schiedsvertrages statt. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Kläger wandte sich als Kammermitglied an das Wirtschaftsförderungsinstitut mit dem Wunsch um bautechnische Beratung zu der von ihm in Aussicht genommenen Sanierung seines Gasthofes. Der Beklagte war in seiner Eigenschaft als Architekt für das Wirtschaftsförderungsinstitut als Konsulent tätig. Das Wirtschaftsförderungsinstitut nannte dem Kläger den Beklagten als Berater. Der Kläger sprach daraufhin im Büro des Beklagten vor und besichtigte dann mit der Ehefrau des Beklagten seinen Hof. Er beauftragte den Beklagten mit einer Schätzung der Kosten des Umbaues in ein Haus mit Komfortzimmern und übergab dazu Umbaupläne aus den Jahren 1966/67 sowie die Schlüssel zum Objekt. Der Beklagte verfaßte eine mit 8. 1. 1979 datierte, an das Wirtschaftsförderungsinstitut adressierte schriftliche Information, die er als "Kurzbericht" bezeichnete und übersandte dem Wirtschaftsförderungsinstitut am 9. 1. 1979 eine auf den Betrag von 976.32 S lautende Honorarnote. Den in diesem Rechnungsbetrag enthaltenen Umsatzsteuerbetrag von 72.32 S stellte der Beklagte dem Kläger im März oder April 1979 in Rechnung. Der Beklagte setzte seine im Jänner 1979 auf Wunsch des Klägers begonnene Arbeit zu einer Kostenschätzung fort. Das Vertragsverhältnis der Streitteile endete am 29. 8. 1979. Am 14. 12. 1979 brachte der Beklagte gegen den Kläger eine Honorarklage auf Zahlung eines Betrages von 133 071.21 S ein. Dieser Rechtsstreit ist anhängig, wurde aber bis zur Beendigung des hier anhängigen Rechtsstreites unterbrochen. In Ansehung der vom Kläger gewünschten Beratungstätigkeit des Beklagten unterwarfen sich beide Streitteile den erwähnten Richtlinien der Kammer. Der Kläger und das Wirtschaftsförderungsinstitut, nicht aber auch der Beklagte haben einen Schiedsvertrag, wie er nach den Richtlinien vorgesehen ist, unterschrieben.

Das Erstgericht folgerte in rechtlicher Beurteilung, daß der Beklagte infolge seiner Unterwerfung unter die festgestellten Kammerrichtlinien zur Unterfertigung eines Schiedsvertrages nach dem Klagebegehren verpflichtet und das Bestehen auf diesen vertraglichen Anspruch keinesfalls als Schikane des Klägers aufzufassen sei, weil zumindest einzelne der zwischen den Streitteilen aus dem im Weg der Kammer zustande gekommenen Beratungsvertrag strittigen Ansprüche von dem nach den Richtlinien vorgesehenen Schiedsgericht zu entscheiden wären.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es bejahte, nicht zuletzt wegen der Absicht des Klägers, Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten wegen nicht gehöriger Erfüllung des Beratungsvertrages zu verfolgen, das vom Beklagten in erster Instanz bestrittene Rechtsschutzinteresse des Klägers. Das Berufungsgericht vertrat aber die Rechtsansicht, daß eine Verpflichtungserklärung zum Abschluß eines Schiedsvertrages ebenso wie dieser selbst zu seiner Wirksamkeit der Schriftform bedürfe. Das Berufungsgericht erachtete daher die Feststellung, beide Streitteile hätten sich den Richtlinien der Kammer unterworfen, als ergänzungsbedürftig. Es trug dem Erstgericht auf, allenfalls nach Erörterung iS des § 182 Abs. 1 ZPO zu klären, in welcher Form die Parteien die Verpflichtung zum Abschluß des Schiedsvertrages eingegangen seien und ob alle Parteien des nach dem Prozeßstandpunkt des Klägers abzuschließenden Schiedsvertrages ihre Verpflichtungserklärung in der gehörigen Form unterfertigt hätten. Dabei sei unter der Bezeichnung des WIFI die dieses Institut führende Kammer der gewerblichen Wirtschaft zu verstehen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

§ 577 Abs. 3 ZPO ordnet an, daß der Schiedsvertrag "schriftlich errichtet werden" muß. Diese verfahrensrechtliche Formvorschrift weicht in ihrem Wortlaut in auffallender Weise von der Bestimmung des § 104 Abs. 1 Satz 2 JN über die Zuständigkeitsvereinbarung ab, die dem Gericht "urkundlich nachgewiesen werden" muß.

Die - ungeachtet ihrer Aufnahme in das ABGB dem Regelungsgehalt nach rein verfahrensrechtliche - Norm des § 1008 ABGB über das Erfordernis einer besonderen, auf das einzelne Geschäft ausgestellten Vollmacht zur Einräumung der Befugnis, "einen Schiedsrichter zu wählen", läßt erkennen, daß der Gesetzgeber die Unterwerfung unter dem Spruch eines Schiedsrichters für so bedeutsam und überlegenswert erachtete, daß eine Stellvertretung dabei nur im Fall einer inhaltlich bestimmten Vollmacht wirksam sein soll.

Die inhaltliche Regelung des § 1008 Satz 2 ABGB und die abweichende Formulierung des § 104 Abs. 1 JN rechtfertigen es, hinter der Formvorschrift des § 577 Abs. 3 ZPO nicht bloß den Zweck einer im Verfahrensrecht erforderlichen klaren und leichten Beweisbarkeit, sondern darüber hinaus die Absicht des Gesetzgebers zu sehen, eine Überlegungsschranke vor unbedachtem Ersatz des verfahrensrechtlich institutionalisierten Rechtsschutzes durch das Erkenntnis eines autonomen Rechtsprechungsorgans zu errichten. Es ist daher der von Pollak, System[2] 775 f., und Fasching, Komm. IV 725, vertretenen Lehrmeinung zu folgen, daß die Formvorschrift des § 577 Abs. 3 ZPO auch dem Schutz vor Übereilung beim Vertragsabschluß diene (so auch: EvBl. 1972/287).

Ist aber dieser Formzweck erkannt, muß die für den Schiedsvertrag selbst normierte Schriftform auch für Verpflichtungserklärungen, einen solchen Vertrag abzuschließen, als Gültigkeitserfordernis angesehen werden (vgl Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 579, wenn auch die dort als Beleg zitierte Entscheidung GlUNF 3978 von einem anderen Gedanken getragen wird). Der berufungsgerichtlichen Rechtsansicht über das auch für Vorverträge zu einem Schiedsvertrag bestehende Gültigkeitserfordernis der Schriftform iS des § 577 Abs. 3 ZPO ist beizutreten.

Anmerkung

Z55047

Schlagworte

Schiedsvertrag, Schriftform: Gültigkeitserfordernis für, Verpflichtungserklärung über Abschluß eines, Schriftform, Gültigkeitserfordernis für Verpflichtungserklärung, einen, Schiedsvertrag abzuschließen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0060OB00587.82.0331.000

Dokumentnummer

JJT_19820331_OGH0002_0060OB00587_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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