TE OGH 1982/7/1 13Os88/82

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Veröffentlicht am 01.07.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Juli 1982 unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Faseth, Dr. Schneider, Dr. Friedrich und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stolfa als Schriftführers in der Strafsache gegen Leopold A und einen anderen wegen des Vergehens der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs. 2

StGB über die vom Angeklagten Leopold A gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 22. April 1982, GZ. 2 d Vr 863/82-26, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Eduard Wegrostek und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Ersten Generalanwalts Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Leopold A auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 25.Mai 1946 geborene, derzeit karenzierte Gemeindebeamte Leopold A des Vergehens der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs. 2 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, im Herbst 1981 in Wien als Beamter der Gemeinde Wien (Verwaltungsoberoffizial) dadurch, daß er für die Zuweisung einer Gemeindewohnung an Helmut B von diesem einen Bargeldbetrag von 10.000 S annahm, für die pflichtgemäße Vornahme eines Amtsgeschäftes für sich einen Vermögensvorteil angenommem zu haben (Punkt A des Urteilssatzes). Walter C, der das Urteil unbekämpft ließ, wurde als Beitragstäter (§ 12 StGB) zu dieser Tat verurteilt (B).

In seiner Nichtigkeitsbeschwerde beruft sich der Angeklagte Leopold A auf die Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO und behauptet, den erstgenannten Nichtigkeitsgrund ausführend, das Urteil sei unvollständig und aktenwidrig begründet. Das Schöffengericht habe die Aussage des Zeugen Dr. D mit Stillschweigen übergangen, der die Wohnungszuweisungen durch die Gemeinde als 'privat' bezeichnet habe. Diese Aussage sei vom Erstgericht im Protokoll zwar auf 'Privatwirtschaftsverwaltung' ausgebessert worden, doch liege insoweit ein Protokollsberichtigungsantrag vor. Zu bedenken wäre auch, daß die Wohnungszuweisung ebenso eine private Angelegenheit sei wie der Wohnungsbau der Gemeinde Wien im wesentlichen durch die P, die ein Verein sei und die keine Amtstätigkeit bei der rein privat erfolgenden Wohnungsvergabe durchführen könne.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu:

Zu den Amtsgeschäften des Beschwerdeführers (Leukauf-Steininger, Komm.2, RN. 7 zu § 304 StGB, RN. 21

zu § 302 StGB) gehörte die Mitwirkung an der Entscheidung über die Wohnungsvergabe, wenn auch in allenfalls untergeordneter Funktion, wobei es für die Anwendung des § 304 StGB aber keinen Unterschied macht, ob die Tätigkeit des Beamten im Rahmen der Hoheitsverwaltung oder im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung erfolgt (Leukauf-Steininger, Komm.2, RN. 10 zu § 304 StGB).

Damit bestand für das Schöffengericht entgegen der Meinung des Beschwerdeführers gar kein Anlaß, sich noch weiter mit der - vom Gericht übrigens zutreffend bejahten (S. 125) - Frage auseinanderzusetzen, ob die Wohnungsvergabe zu den Agenden der Privatwirtschaftsverwaltung der Gemeinde Wien gehört, es genügte vielmehr die Feststellung, daß die Mitwirkung bei der Wohnungsvergabe zu den Amtsgeschäften des Beschwerdeführers zählte und er in diesem Zusammenhang von B 10.000 S erhielt (S. 121, 125, 126). Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, daß der vorstehend erwähnte Protokollsberichtigungsantrag abgewiesen wurde (S. 143, 144); nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls hat der Zeuge Dr. D zur bestehenden Rechtslage (richtig) erklärt, die Vergabe von Wohnungen erfolge im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung der Gemeinde Wien (S. 107). Was die im Rechtsmittel erfolgte Bezugnahme auf die P und deren (behaupteten) Vereinscharakter bedeuten soll, bleibt unerfindlich, weil dem Beschwerdeführer nicht etwa eine Verfehlung als Funktionär dieser politischen Partei, sondern gesetzwidriges Verhalten in bezug auf seine Tätigkeit als Beamter der Gemeinde Wien vorgeworfen wird. Es bedarf deshalb keines weiteren Eingehens auf diese Ausführungen. Aktenwidrig seien, so meint der Beschwerdeführer, die Feststellungen des Urteils, es habe sich bei der Wohnungsvergabe um ein Amtsgeschäft gehandelt, denn es habe der Zeuge Dr. D erklärt, es gäbe keine gesetzlichen Grundlagen für die Wohnungsvergabe und der Angeklagte sei nur berechtigt gewesen, die auf die Wohnungsvergabe bezüglichen Akten den allein entscheidungsbefugten Stadtrat F und Regierungsrat G vorzulegen, nicht aber selbst hierüber zu entscheiden. Er hätte auch das an B gerichtete Schreiben mit der Zusage einer Wohnungszuweisung nicht unterfertigen (in der Beschwerdeschrift offensichtlich irrig 'mitunterfertigen') dürfen. Schließlich sei der Angeklagte entgegen den Urteilsfeststellungen nicht pragmatisierter, sondern provisorischer Verwaltungsoberoffizial gewesen.

Was zunächst den Einwand anlangt, der Angeklagte sei nicht pragmatisiert gewesen, so betrifft er keine entscheidungswesentliche Tatsache, weil der Begriff des Beamten die Pragmatisierung nicht voraussetzt, sondern rein funktional zu verstehen ist (Leukauf-Steininger, Komm.2, RN. 9 zu § 74 StGB).

Mit den weiteren Ausführungen, die sich gegen die Beurteilung der Tätigkeit des Angeklagten als Amtsgeschäft wenden, wird das Wesen der Aktenwidrigkeit verkannt. Denn diese liegt nur dann vor, wenn in den Entscheidungsgründen als Inhalt einer Urkunde oder Aussage etwas angeführt wird, das deren Inhalt nicht bildet, wenn also der Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels im Urteil unrichtig wiedergegeben wird.

Nicht diesen Vorwurf aber erhebt der Beschwerdeführer, sondern er behauptet, daß die Feststellung, er habe bei der Entscheidung über Wohnungsvergaben Amtsgeschäfte verrichtet, unrichtig sei; damit wird nicht der angerufene, sondern der - ohnehin auch herangezogene - Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO geltend gemacht, worauf in der Folge einzugehen sein wird.

Wenn der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge nach § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO behauptet, er sei nicht Beamter, so übersieht er, daß, wie bereits dargelegt, der Beamtenbegriff funktional auszulegen ist und es nicht auf ein Ernennungs- oder Anstellungsverhältnis ankommt, und unter den strafrechtlichen Beamtenbegriff alle Personen fallen, die mit Aufgaben der Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung betraut sind.

Daß der Beschwerdeführer aber mit Aufgaben der Gemeindeverwaltung betraut war, hat das Erstgericht ausdrücklich festgestellt (S. 121, 126); dies vermag auch der Beschwerdeführer nicht zu bestreiten. Zu den Aufgaben der Gemeindeverwaltung gehört es nämlich, gemeindeeigene Wohnungen zu vergeben, mag diese Aufgabe auch nach privatwirtschaftlichen Erwägungen erfüllt werden und nicht der Hoheitsverwaltung zuzurechnen sein. Dabei genügt es, wenn der Beamte, wie im vorliegenden Fall vom Gericht festgestellt (S. 121) und wie der Angeklagte in seiner Beschwerdeschrift auch einräumt, bloß mit der Vorerledigung und Vorbereitung von Entscheidungen über die Wohnungszuweisung befaßt ist. Daß aber auch für den privatwirtschaftlichen Bereich der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung ein Verbot der Geschenkannahme in Amtssachen besteht, wurde bereits erwähnt. Die Beurteilung der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Amtsgeschäft, das im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung der Gemeinde Wien durchzuführen war, geschah somit ohne Rechtsirrtum, weshalb sein Verhalten auch zutreffend dem § 304 Abs. 2 StGB unterstellt worden ist. Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten A nach der zuletzt angeführten Gesetzesstelle eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die es unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.

Es wertete bei der Strafbemessung die Vorstrafe wegen (versuchter) Entwendung als erschwerend; einen Milderungsumstand nahm es nicht an.

Mit seiner Berufung zielt der Angeklagte A unter Hinweis auf die im § 304 Abs. 2 StGB mit einem Jahr normierte Strafobergrenze auf die Herabsetzung der Freiheitsstrafe oder die Verhängung einer Geldstrafe ab.

Auch diesem Rechtsmittel kann ein Erfolg nicht beschieden sein:

Wertet man nämlich, daß der - u.a. wegen eines Eigentumsdelikts vorbestrafte - Angeklagte seine Amtsstellung zur Ausbeutung einer unter akuter Wohnungsnot leidenden Familie ausnützte, ergibt sich ein Schuldgehalt, der einer (auch nur geringfügigen) Reduzierung der Freiheitsstrafe entgegensteht.

Die Verhängung einer Geldstrafe anstelle der Freiheitsstrafe verbietet sich aus spezial- und generalpräventiven Belangen, deren Berücksichtigung § 37 StGB ausdrücklich verlangt.

Anmerkung

E03756

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0130OS00088.82.0701.000

Dokumentnummer

JJT_19820701_OGH0002_0130OS00088_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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