TE OGH 1982/12/7 10Os175/82

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Veröffentlicht am 07.12.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den zehnten Senat unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich sowie in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Schneider, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter unter Beiziehung des Richteramtsanwärters Dr. Mekis als Schriftführer in der Strafsache gegen Alois A wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 und § 15 StGB. sowie einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 30.März 1982, GZ. 10 Vr 1014/80-37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alois A (A) des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1

und § 15 StGB. sowie (B) des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit. c WaffG. schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er (zu A) am 21. Dezember 1980 in Stoitzendorf im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung mittels eines Feldmessers mit 30 cm langer Klinge mehrfach gegen Wolfgang B, Norbert C, Reinhard D sowie Karl E stieß und hiedurch den Genannten absichtlich schwere Körperverletzungen (I.) teils zufügte, nämlich dem Wolfgang B einen Lungenstich mit Öffnung des Thoraxraumes sowie einem subcutanen doppelhandtellergroßen Hautemphysem, und (II.) teils zuzufügen trachtete, wobei Reinhard D eine Stichwunde mit einem 7 cm langen Stichkanal sowie eine 3 cm lange strichförmige Hautabschürfung in der Lendenregion, Karl E eine Stichverletzung im Bereich des linken Unterarms und Norbert C eine Stichwunde mit einem 9 cm langen Stichkanal in der Herzgegend erlitt, sowie ferner (zu B) ab einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt nach dem 19.September 1978 in Goggendorf eine Waffe, nämlich ein Flobertgewehr der Marke 'Winchester', Kal. 22, samt 50 Schuß dazupassender Munition besaß, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG. verboten war.

Nach den hier wesentlichen Feststellungen zum Faktum A (S. 264-266) war es zwischen dem Angeklagten einerseits und fünf Gasthausbesuchern aus Eggenburg anderseits vorerst zu einer harmlosen Auseinandersetzung gekommen, bei der die Streitenden einander leichte Stöße versetzt hatten. Nachdem die Widersacher des Angeklagten seiner Aufforderung, einzeln mit ihm vor das Gasthaus zu treten, um gegen ihn zu kämpfen, (gemeinsam) nachgekommen waren, hatte er mit seinem PKW.

die Flucht ergriffen, zu Hause ein Feldmesser geholt und dieses zunächst zwischen den Sitzen seines Fahrzeugs versteckt, weil ihm klar gewesen war, daß er bei einer weiteren Auseinandersetzung, mit der er für den geplanten Fall seiner Rückkehr gerechnet hatte, unbewaffnet unterliegen würde. Tatsächlich war es nach seinem Wiedererscheinen abermals zu einem Streit gekommen, worauf er die Gaststätte (neuerlich) fluchtartig verlassen hatte und mit seinem PKW. weggefahren war.

Auf seine Gegner wütend, weil sie ihn zum zweiten Mal vertrieben hatten, beschloß nun der Angeklagte, nochmals zurückzukehren und sich bei der nächsten Auseinandersetzung, mit der er sicher rechnete, gegen ihre übermacht mit dem Messer zur Wehr zu setzen, wobei ihm klar war, daß ihm das nur gelingen werde, wenn er ihnen damit schwere Verletzungen zufüge; gerade darauf kam es ihm aber an. Er steckte das Feldmesser mit 30 cm langer blanker Klinge in den Hosenbund, sodaß nur der Griff herausragte, zog den Pullover darüber, ließ sich von den Warnungen der Wirtin nicht abhalten, die ihn im Hof auf das mittlerweile verabredete Vorhaben seiner Widersacher, ihn im Fall seiner abermaligen Rückkehr zusammenzuschlagen, aufmerksam machte, und betrat wieder die Gaststube.

Nach einem kurzen Wortwechsel wurde er von seinen Gegnern attackiert, wobei er von zweien links und rechts am Arm gepackt sowie rücklings über einen Barhocker gedrängt wurde, während die anderen drei auf ihn einschlugen.

Dabei gelang es dem Angeklagten, seine rechte Hand frei zu bekommen, das Messer zu ziehen sowie mehrmals blitzartig mit der zwischen Daumen und Zeigefinger aus der Hohlhand ragenden Klinge (im wesentlichen) von unten nach oben zuzustechen, wodurch vier von seinen fünf Widersachern die im Spruch bezeichneten, zum Teil schweren Verletzungen erlitten.

Der nur gegen diesen Schuldspruch gerichteten, auf § 281 Abs. 1 Z. 5, 9 lit. a und 10 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Nicht gesetzmäßig ausgeführt sind die Rechtsrügen (Z. 9 lit. a und 10), bei deren Darstellung der Beschwerdeführer nicht, wie zur Geltendmachung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe erforderlich wäre, auf den gesamten im Urteil als erwiesen angenommenen maßgebenden Sachverhalt abstellt.

So übergeht er bei seinem (der Sache nach erhobenen) Vorwurf des Fehlens von Feststellungen darüber, daß seine Gegner (auf ihn bezogen) gesagt hätten, 'der Krüppel sollte erschlagen werden', sowie ferner, daß er das auch tatsächlich befürchtet habe und daß sie wie irre brutal auf ihn eingeschlagen hätten, sodaß er keine Chance gehabt habe, sich zu befreien - woraus er eine Beurteilung des ihm angelasteten Tatverhaltens als Ausübung gerechtfertigter Notwehr ableiten möchte - (Z. 9 lit. a, inhaltlich indessen lit. b), jene Konstatierungen, wonach er die entscheidende tätliche Auseinandersetzung mit seinen (unbewaffneten) Widersachern im vollen Bewußtsein ihrer Anzahl und damit ihrer körperlichen übermacht gezielt suchte, weil er sich nichtsdestoweniger auf Grund seiner Bewaffnung mit dem als Stichwerkzeug überaus gefährlichen, verborgen gehaltenen Feldmesser ihnen gegenüber als überlegen fühlte und sie von allem Anfang an schwer zu verletzen beabsichtigte. Unter (gebotener) Berücksichtigung dieser (in der Beschwerde verschwiegenen) Umstände könnten - wie zur Klarstellung vermerkt sei - selbst aus einem Ablauf der Auseinandersetzung, wie er vom Angeklagten releviert wird, keinerlei Anhaltspunkte für eine nicht schon von vornherein von ihm einkalkulierte Entwicklung des Geschehens im Sinn einer unangemessenen einseitigen Eskalation des (von beiden Parteien gleichermaßen angestrebten) Raufhandels gewonnen werden, die aber zu einer Beurteilung seiner wiederholten lebensgefährlichen Stichführung mit dem Messer gegen die eingangs genannten Personen als bloße - zur Verteidigung notwendige - Abwehrhandlungen, also für die Annahme einer Rechtfertigung durch Notwehr im Verlauf einer Schlägerei, erforderlich wäre. Denn einzelne Tätlichkeiten im Zug eines Raufhandels dürfen, auch wenn sie in ihrer unmittelbaren Wirksamkeit primär der Abwehr dienen sollen, nicht isoliert betrachtet und schon deshalb allein bloß als Maßnahmen der Verteidigung (§ 3 Abs. 1 erster Satz StGB.) angesehen werden: zielen sie doch regelmäßig letzten Endes genauso auf die gewaltsame überwindung des Gegners wie direkte Angriffe im Verlauf einer Schlägerei, sodaß sie durchaus auch Elemente der Aggression enthalten; dementsprechend kommt bei einem Raufhandel Notwehr nur dann in Betracht, wenn das Angriffselement auf der Seite des betreffenden Beteiligten bereits völlig in den Hintergrund getreten oder überhaupt weggefallen ist, sodaß er sich tatsächlich lediglich zum Zweck der Abwehr verteidigt (so schon 11 Os 117/75; vgl. außerdem Leukauf-Steininger, StGB.2, RN. 84 zu § 3 und die dort angeführte Judikatur sowie Maurach/Zipf S. 381, Jescheck3 S. 275 u. a.).

Aus dem zuvor aufgezeigten Grund lassen aber auch jene weiteren Rechtsrügen (Z. 10) eine prozeßordnungsgemäße Darstellung vermissen, mit denen der Beschwerdeführer eine Beurteilung seines Tatverhaltens bloß als schwere Körperverletzung (§§ 83, 84 StGB.) oder gar nur als Notwehrüberschreitung aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken (§ 88 Abs. 1 und 4 i.V.m. § 3 Abs. 2 StGB.) anstrebt, bei denen er sich jedoch neuerlich über die schon oben relevierte Feststellung seiner Absicht, seine mehreren unbewaffneten Widersacher im Verlauf eines Raufhandels mit dem Feldmesser schwer zu verletzen, hinwegsetzt. Diese Konstatierung hat das Schöffengericht, der Mängelrüge (Z. 5) zuwider, mit der Bezugnahme auf die Art der Tatbegehung, nämlich (im wesentlichen) von unten nach oben geführte heftige Stiche vorwiegend gegen die Brust- und Lendenregion der im Spruch bezeichneten Personen mittels eines Messers mit 30 cm langer Klinge, auf verschiedene dahin weisende öußerungen des Angeklagten bei seiner Verantwortung und insbesondere auch darauf, daß er sich selbst durch die eindringlichsten Warnungen der Wirtin, die ihn vom Vorhaben seiner Gegner, ihn zusammenzuschlagen, informiert hatte, nicht davon abhalten ließ, die Gaststube trotz der vorausgegangenen beiden Auseinandersetzungen neuerlich zu betreten - also keineswegs (wie in der Beschwerde behauptet) allein daraus, daß er das Messer an sich nahm - völlig im Einklang mit den Denkgesetzen sowie mit allgemeiner Lebenserfahrung und damit zureichend begründet (S. 268 f.). Soweit er demgegenüber behauptet, die Ereignisse seien für ihn unvorhergesehenerweise durch seine Widersacher eskaliert worden, und daraus sowie aus Bekundungen der Zeugin Elisabeth F, er sei ansonsten ein ruhiger, eher gleichgültiger und phlegmatischer Gast gewesen, sie habe geglaubt, er werde nicht 'anfangen' und er könnte vielleicht der Meinung gewesen sein, daß seine Gegner ihren Plan aufgäben (S. 219, 221), sowie schließlich aus der Einleitung der Tätigkeiten durch letztere abzuleiten versucht, daß er doch bloß in Notwehr gehandelt habe, ficht er, ohne ein übergehen erörterungsbedürftiger Verfahrensergebnisse (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO.) darzutun, nur im Verfahren über Nichtigkeitsbeschwerden unzulässigerweise die schöffengerichtliche Beweiswürdigung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt (§§ 285 d Abs. 1 Z. 1, 285 a Z. 2 StPO.) und teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO.) schon in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen.

über die Berufung hingegen wird gesondert bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung zu entscheiden sein (§ 296 Abs. 3 StPO.).

Anmerkung

E04003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0100OS00175.82.1207.000

Dokumentnummer

JJT_19821207_OGH0002_0100OS00175_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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