TE OGH 1984/1/19 6Ob823/83

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Veröffentlicht am 19.01.1984
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Norm

AußStrG §1
JN §1
MRG §9 Abs1
MRG §37 Abs1
MRG §37 Abs3

Kopf

SZ 57/13

Spruch

Die auf Grund einer vertraglichen Regelung geltend gemachten Ansprüche des Mieters auf Vornahme bestimmter baulicher Veränderungen am Mietobjekt sind im ordentlichen Rechtsweg zu verfolgen

OGH 19. 1. 1984, 6 Ob 823/83 (LG Linz 13 R 562/83; BG Linz 10 C 862/83)

Text

Die Klägerin begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Erwirkung der Unterfertigung des Einreichplanes für das in ihre Mietwohnung eingebaute Badezimmer durch den Sohn der Beklagten, Ewald E. Sie brachte vor, sie sei Mieterin einer Wohnung in Linz, S-Straße 3, das zur Hälfte Michaela H und je zu einem Viertel der Beklagten und Ewald E gehöre. Am Viertelanteil Ewald Es stehe der Beklagten der Fruchtgenuß zu. Mit Mietvertrag vom 1. 11. 1981 hätten Michaela H und die Beklagte der Klägerin das Recht eingeräumt, in der Speis ein Bad einzubauen bzw. zu installieren. Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz habe der Klägerin den Auftrag erteilt, nachträglich um die Baubewilligung für den Einbau des Bades anzusuchen. Ewald E habe als einziger der Miteigentümer die Unterfertigung des Bauansuchens verweigert. Die Installation eines Bades sei eine übliche Veränderung iS des Mietengesetzes. Als Fruchtnießerin stehe der Beklagten nicht bloß das Recht, Mietverträge abzuschließen, sondern auch derartige Änderungen zu genehmigen, zu. Obschon die Beklagte zur Erwirkung der Unterschrift Ewald Es verpflichtet sei, habe sie nichts unternommen, um ihn zur Unterfertigung des Einreichplanes zu veranlassen.

Zur Sicherung dieses Anspruches beantragte die Klägerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der der Beklagten aufgetragen werde, Ewald E binnen einer Woche zu Unterfertigung des Einreichplanes aufzufordern und bei Weigerung gegen ihn - auch durch einen entsprechenden Sicherungsantrag - gerichtlich vorzugehen. Die Klägerin behauptete, sonst bestehe die Gefahr, daß der Klägerin von der Baubehörde die Beseitigung des Bades aufgetragen werde; damit wäre aber die hygienische Versorgung ihres im Säuglingsalter befindlichen Kindes gefährdet.

Die Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung aus, weil sie als Fruchtnießerin weder berechtigt noch verpflichtet sei, die Zustimmung des Ewald E zu in die Substanz des Mietgegenstandes eingreifende Baumaßnahmen gerichtlich zu betreiben. § 18 MG berechtigte den Mieter nur zu solchen Änderungen, die keiner Baubewilligung bedürften. Im übrigen werde auch die behauptete Gefahr für die Tochter der Klägerin bestritten.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es führte aus, Ewald E sei vertraglich nicht zur Genehmigung der Bauführung verpflichtet. § 18 MG könne die Klägerin deshalb nicht für sich ins Treffen führen, weil diese Bestimmung nur zu solchen baulichen Veränderungen berechtige, die keiner behördlichen Bewilligung bedürften. Deshalb könne auch die Beklagte nicht verhalten werden, die Zustimmung ihres Sohnes gerichtlich zu erzwingen. Der Sicherungsantrag scheitere schon an der mangelnden Anspruchsbescheinigung.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluß und das vorangegangene Verfahren aus Anlaß des Rekurses der Klägerin als nichtig auf und wies die Klage samt Sicherungsantrag zurück. Zur Begründung führte es aus, gemäß § 43 Abs. 1 MRG gelte das I. Hauptstück dieses Gesetzes auch für Mietverträge, die vor seinem Inkrafttreten (am 1. 1. 1982) geschlossen worden seien. Die von der Klägerin angestrebte Verbesserung des Mietgegenstandes sei von diesem Grundsatz abweichenden Übergangsrecht (§§ 43 Abs. 2 bis 52 MRG) nicht betroffen. Da keiner der im § 1 Abs. 2 bis 4 MRG vorgesehenen Ausnahmetatbestände vorläge, unterliege das Mietobjekt der Anwendung des Mietrechtsgesetzes. § 37 Abs. 1 Z 6 dieses Gesetzes verweise Veränderungen (Verbesserungen) des Mietgegenstandes nach § 9 MRG in das Verfahren außer Streitsachen. Während § 24 Abs. 1 MG den Zuständigkeitsbereich des Außerstreitrichters durch Erfassung bestimmter Entscheidungen umschrieben habe, umgrenze § 37 Abs. 1 MRG den Anwendungsbereich des Verfahrens außer Streitsachen durch Zuordnung aller in den Z 1 bis 13 angeführten Angelegenheiten. Diese Ausdehnung der Entscheidungsbefugnis werde insbesondere in der Z 6 offenbar, weil dort der gesamte Komplex "Veränderung (Verbesserung) des Mietgegenstandes" unter Verweisung auf § 9 MRG dem Außerstreitrichter zugewiesen werde. § 37 Abs. 1 MRG habe den Anwendungsbereich des Verfahrens außer Streitsachen durch den Begriff "Angelegenheiten" wesentlich erweitert, sodaß dort die Zuständigkeit des Außerstreitrichters das streitige Verfahren ausschließe. Nach § 9 Abs. 1 MRG könne der Vermieter unter den dort genannten Voraussetzungen weder die Zustimmung zu Veränderungen noch die erforderliche Antragstellung bei der Baubehörde verweigern. Streitigkeiten über die Weigerung der Beklagten, ihren Sohn zur Unterfertigung des Bauansuchens zu verhalten, gehörten vor den Außerstreitrichter. Im Falle des § 37 Abs. 1 Z 6 MRG seien sowohl Leistungs- als auch Feststellungsbegehren insoweit zulässig, als ohne Verweisung in das Verfahren außer Streitsachen Klagen zulässig wären. Im Interesse einer möglichen Verfahrensvereinfachung und - beschleunigung liege der Schwerpunkt des § 37 Abs. 1 MRG in einer weitgehenden Verlagerung des Verfahrens vom Zivilprozeß in das Verfahren außer Streitsachen, obschon es sich der Sache nach überwiegend um die Durchsetzung bestrittener Leistungs- und Feststellungsansprüche und sonst um die Erzwingung gesetzeskonformen Verhaltens handle. Sei aber dem Anspruch der ordentliche Rechtsweg verwehrt, liege der auch von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens aufzugreifende Nichtigkeitsgrund der Unzulässigkeit des Rechtsweges nach § 477 Abs. 1 Z 6 ZPO vor, der zur Zurückweisung der Klage einschließlich des Sicherungsantrages führen müsse.

Der Oberste Gerichtshof hob aus Anlaß des Rekurses der Klägerin den Beschluß des Rekursgerichtes im Umfang der Zurückweisung der Klage als nichtig auf, gab dem Rekurs im übrigen Folge und trug dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs der Klägerin gegen den Beschluß des Erstgerichtes auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Da das Rekursgericht nicht bloß den Sicherungsantrag, sondern auch die Klage aus Anlaß des Rechtsmittels zurückgewiesen hat, obgleich das Erstgericht lediglich über den ersteren abgesprochen hatte, gilt es zu prüfen, ob das Gericht zweiter Instanz zur amtswegigen Zurückweisung der Klage aus Anlaß des Rekurses im Sicherungsverfahren überhaupt befugt war. Die Grenzen des Rechtsmittelverfahrens werden durch die Anträge des Rechtsmittelwerbers abgesteckt; diese Anträge konnten nur die Abweisung des Sicherungsantrages durch das Erstgericht zum Gegenstand haben. Die Berücksichtigung einer Nichtigkeit von Amts wegen hat zur Voraussetzung, daß das Rechtsmittelgericht aus Anlaß eines formell zulässigen Rechtsmittels in die Lage kommt, in die Überprüfung der Sache selbst einzutreten (SZ 5/241 ua.). Das Rekursgericht hat demnach bei der über die Zurückweisung der Klage - im Hauptverfahren hat das Erstgericht mit Ausnahme der Klagszustellung noch überhaupt keine Verfahrensschritte unternommen - eine Funktion in Anspruch genommen, die nur dem Erstgericht zukam, weil es in diesem Umfang keine erstrichterliche Entscheidung überprüfte, sondern selbst erstmalig in einer vor dem Erstgericht noch anhängigen Rechtssache entschieden hat. Das Rekursgericht war daher funktionell und damit auch absolut unzuständig. Im Umfang der Klagszurückweisung ist deshalb die Entscheidung der zweiten Instanz gemäß § 477 Abs. 1 Z 3 ZPO als nichtig aufzuheben (4 Ob 15/81).

Im übrigen ist dem Rekursgericht darin beizupflichten, daß das I. Hauptstück des Mietrechtsgesetzes auch für den vorliegenden Mietvertrag Geltung besitzt, obschon er vor Inkrafttreten dieses Gesetzes abgeschlossen worden ist (§ 43 Abs. 1 MRG). Es liegt des weiteren auch weder ein Tatbestand vor, der diese Wohnungsmiete vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes ausnimmt (§ 1 Abs. 2 bis 4), noch sind nach dessen Übergangsrecht (§§ 43 Abs. 2 bis 52) die bisher in Geltung gestandenen Vorschriften auf die Veränderung (Verbesserung) des Mietgegenstandes anzuwenden, wenn der Mietvertrag noch vor dem genannten Zeitpunkt abgeschlossen wurde. Richtig ist auch, daß das für Zivilrechtssachen zuständige Bezirksgericht, in dessen Sprengel das Miethaus liegt, nach den Bestimmungen des Verfahrens außer Streitsachen - ua. - über Anträge auf Veränderung (Verbesserung) des Mietgegenstandes nach § 9 MRG entscheidet (§ 37 Abs. 1 Z 6 und Abs. 3 MRG), während in diesem Verfahren bisher - soweit der Mieter die Vornahme von Änderungen am Mietgegenstand anstrebte (§ 18 MG) - bloß über die Entschädigung für die damit verbundene erweiterte Benutzung desselben zu entscheiden war (§§ 24 Abs. 1 Z 1, 18 Abs. 4 MG).

Das ändert jedoch nichts daran, daß für den eingeklagten Anspruch der streitige Rechtsweg eröffnet ist. Die Klägerin stützt nämlich ihr Begehren und den Sicherungsantrag (auch) auf Punkt 25 des Mietvertrages. Es kann auch aus der Bestimmung des § 9 MRG nicht erschlossen werden, daß der Gesetzgeber der Durchsetzung vertraglicher Ansprüche den Rechtsweg nehmen und somit über Verträge im Verfahren außer Streitsachen entscheiden lassen will. Um den außerstreitigen Weg zu beschreiten, bedarf der Mieter keiner Vereinbarung (EvBl. 1952/417 ua.). Auch die gegenüber § 24 MG geänderte Fassung des § 37 MRG ordnet vertragliche Ansprüche nicht dem Anwendungsbereich des Verfahrens außer Streitsachen zu. Das muß umso mehr für solche Vertragsbestimmungen gelten, mit welchem dem Mieter gegenüber dem Gesetz weitergehende Rechte eingeräumt werden. Kann der Mieter von ihm beabsichtigte Veränderungen (Verbesserungen) des Mietgegenstandes gegenüber dem Vermieter nur unter den im § 9 Abs. 1 MRG umschriebenen Voraussetzungen durchsetzen, braucht er, wenn ihm ein solches Recht vertraglich zugesichert wurde, die in dieser gesetzlichen Vorschrift vorgesehenen Beschränkungen (vgl. etwa § 9 Abs. 1 Z 5 und 6 MRG) nicht gegen sich gelten zu lassen. Es könnte deshalb auch nicht ins Treffen geführt werden, daß die Berufung auf das vertraglich eingeräumte Recht lediglich der Umgehung der vom Gesetz vorgeschriebenen Verfahrensart dienen soll. Wenn es daher auch zutrifft, daß der Außerstreitrichter über Anträge in allen Angelegenheiten der im § 9 MRG genannten Veränderungen (Verbesserungen) des Mietgegenstandes zu befinden hat, so umfaßt diese am § 1 AußStrG (§ 37 Abs. 3 MRG) zu messende Vorschrift jedenfalls doch nicht vertragliche Ansprüche des Mieters, die die Vornahme bestimmter baulicher Veränderungen am Mietobjekt zum Gegenstand haben, wenn diese Ansprüche über die dem Mieter im § 9 MRG eingeräumten Rechte hinausgehen. Solche vertragliche Ansprüche sind somit nach wie vor im ordentlichen Rechtsweg zu verfolgen.

Anmerkung

Z57013

Schlagworte

Mietobjekt, vertraglicher Anspruch auf bauliche Veränderungen:, ordentlicher Rechtsweg, Vollmacht, s. a. Prozeßvollmacht (§ 30 Abs. 2 ZPO)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0060OB00823.83.0119.000

Dokumentnummer

JJT_19840119_OGH0002_0060OB00823_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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