TE OGH 1984/10/25 13Os105/84

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Veröffentlicht am 25.10.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Oktober 1984 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, Dr. Lachner, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Radosztics als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter A wegen des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs. 1 (dritter Fall) StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengerichts vom 28.Februar 1984, GZ. 10 Vr 1827/82-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, im Schuld- und Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Der am 19.Dezember 1944 geborene Drogist Peter A wurde des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs. 1

(dritter Fall) StGB. schuldig erkannt. Darnach hat er am 2.September 1982 in Döbriach die am 4.September 1968 geborene Christine B dadurch, daß er ihr vortäuschte, er heiße Dr. C und führe im Einverständnis mit dem Klassenvorstand eine Untersuchung über die Pubertät durch, zum Betasten ihrer Brüste und ihres Geschlechtsteils zu verleiten getrachtet, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen.

Mit der Behauptung, die fernmündlich kontaktierte Christine B für mündig (§ 74 Z. 1 StGB.) gehalten zu haben und damit darin einem Tatbildirrtum (§ 207 Abs. 1 StGB.) erlegen zu sein, bekämpft der Angeklagte die gegenteiligen Urteilsannahmen mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 5, 9 lit. a und b StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Schon die eine widersprüchliche und unvollständige Urteilsbegründung relevierende Mängelrüge schlägt durch. Das Schöffengericht hat festgestellt:

'Der Angeklagte hat nichts getan, um auch nur einigermaßen sichergehen zu können, daß seine Gesprächspartnerin keine unmündige Person mehr ist. So hat er nicht einmal entsprechende Kontrollfragen an das Mädchen gerichtet. Der Angeklagte, ein reifer und im übrigen intelligenter Mann, mußte ernstlich mit der Möglichkeit rechnen, daß sein Opfer noch nicht 14 Jahre alt ist; er hat jedoch, seinem sexuellen Triebe nachgebend, derartige Bedenken gar nicht aufkommen lassen und sich mit dieser Möglichkeit abgefunden. Daß er sich anfänglich in diesem Punkte wohl Gedanken gemacht hat, ergibt sich aus seinem Verhalten. Auf Grund der Aussagen des Zeugen Gruppeninspektor Gerhard D steht schließlich auch fest, daß diesem gegenüber der Angeklagte erklärt hat, das Alter seiner Gesprächspartnerin sei ihm eigentlich egal gewesen' (S. 434, 435).

Indes: Daß der Angeklagte mit der Möglichkeit der Unmündigkeit seiner Gesprächspartnerin ernstlich rechnen mußte, besagt noch nicht, daß er mit dieser Möglichkeit auch tatsächlich gerechnet hat. Die Konstatierung, er habe sich mit einer solchen Möglichkeit abgefunden, setzt aber voraus, daß er mit ihr auch gerechnet hat. Gerade dem widerspricht aber die Feststellung, daß er, 'seinem sexuellen Triebe nachgebend, derartige Bedenken (erst) gar nicht aufkommen' ließ (S. 434).

Daß sich der Angeklagte vorweg bei der 13-jährigen Alexandra B nach dem Alter ihrer Schwester erkundigt und dabei erfahren hatte, daß diese 14 Jahre alt sei (S. 433), zeigt zwar, daß 'er sich anfänglich in diesem Punkt wohl Gedanken gemacht hat' (S. 434). Ein (auch) die Unmündigkeit seiner wenige Stunden vor Erreichen der Mündigkeit stehenden weiteren Gesprächspartnerin Christine B, umfassender bedingter Vorsatz des Angeklagten ist daraus nicht ableitbar; besagt doch die erhaltene Auskunft geradezu das Gegenteil. Dazu kommt, daß sich der Zeuge D mit seiner Aussage, der Angeklagte habe, seiner Darstellung zufolge, zuerst mit der älteren und dann erst mit der jüngeren der beiden Schwestern am Telephon gesprochen, die er nach Information über ihr Alter ausdrücklich als Gesprächspartnerin verlangt hätte (S. 330), im Widerspruch zur Verantwortung des Angeklagten (S. 310, 331, 373, 397, 398, 425, 426), aber auch zu den Depositionen der beiden Mädchen (S. 97, 98) befindet. Obwohl das Schöffengericht hiezu den Bekundungen des Zeugen D widersprechende Feststellungen traf (S. 433), konstatierte es dennoch in übereinstimmung mit diesem (S. 330, 331), daß ihm der Angeklagte erklärt hätte, das Alter seiner Gesprächspartnerinnen sei ihm eigentlich egal gewesen (S. 435), was der Angeklagte bestritten hatte (S. 332). Der mit der älteren, 14-jährigen Schwester gesuchte Gesprächskontakt steht dazu in einem erörterungsbedürftigen Gegensatz.

Nach der insoweit klaren Diktion der Urteilsargumentation hat sich der Angeklagte vielmehr mit der Auskunft der Christine B, sie sei 14 Jahre alt, 'ganz einfach begnügt' (S. 434), was wohl nur dahin verstanden werden kann, daß er sich mit dieser Auskunft zufrieden gab und das Mädchen damit irrtümlich für mündig hielt. Daß er sich nicht näher in die Psyche minderjähriger Mädchen versetzt und 'nicht einmal entsprechende Kontrollfragen an das Mädchen gerichtet' habe (S. 434), verhinderte demnach die Aufklärung dieses Irrtums, der ihm ein Tatbildmerkmal (die Unmündigkeit des Opfers) verhüllte und damit die subjektive Tatseite zu § 207 Abs. 1 StGB. ausschloß.

Rechtliche Beurteilung

Daß der Angeklagte 'nach der zweifelsfreien Überzeugung des Gerichtes' den Tatbestand dieses Delikts in Verbindung mit § 15 StGB. auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht habe (S. 435), ist in den wiedergegebenen Urteilsgründen demnach nicht gedeckt. Ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedürfte, war angesichts des aufgezeigten Begründungsmangels in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde das angefochtene Urteil schon in einer nichtöffentlichen Beratung (§ 285 e StPO.) im Schuld- und Strafausspruch zu kassieren und die Verfahrenserneuerung in diesem Umfang anzuordnen.

Sollte im neuen Verfahrensgang die strittige subjektive Tatseite zum Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nicht erweislich sein, könnten gegebenenfalls auch Feststellungen indiziert sein, die eine Beurteilung des Vorfalls in Richtung des nur mit Ermächtigung des in seinen Persönlichkeitsrechten verletzten Mädchens (Mayerhofer/Rieder, § 2 StPO.;

Anmerkung zu Nr. 51) verfolgbaren Vergehens der Täuschung nach § 108

StGB.

ermöglichen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E04952

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0130OS00105.84.1025.000

Dokumentnummer

JJT_19841025_OGH0002_0130OS00105_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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