TE OGH 1984/11/7 11Os169/84

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Veröffentlicht am 07.11.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.November 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schiller als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann A wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach § 15, 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengerichtes vom 21.September 1984, GZ 7 Vr 289/84-29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

über die Berufung wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die durch seine Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 4.Mai 1936 geborene Johann A des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den § 15, 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 23.März 1984 in Atzing dadurch, daß er im Gasthaus B (richtig: C) die Gastwirtin Theresia C an den Haaren erfaßte und vom Gastzimmer in die Küche zerrte, wobei er ihr ein Büschel Haare ausriß und ihr mit der geballten Faust Schläge androhte, versuchte, eine Person weiblichen Geschlechtes mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen. Der Angeklagte wurde hiefür nach dem § 202 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe verurteilt; ferner wurde gemäß dem § 21 Abs 2 StGB seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet. Gegen den Schuldspruch und den Ausspruch über die Anstaltsunterbringung richtet sich die auf die Z 5, 9 lit a, 10 und 4 (der Sache nach jedoch auf die Z 3) des § 281 Abs 1 StPO als 'Berufung wegen Nichtigkeit' bezeichnete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Den Strafausspruch und den Ausspruch über die Anstaltsunterbringung bekämpft der Angeklagte überdies mit Berufung (wegen Strafe).

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist zum Teil offenbar unbegründet, zum Teil nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Entgegen den insoweit aktenwidrigen Ausführungen der Mängelrüge stellte das Erstgericht ausdrücklich fest, daß der Angeklagte die Frau zu einem Geschlechtsverkehr nötigen wollte und hiezu auch in der Lage gewesen wäre (S 168 und 170). Es beschäftigte sich den weiteren Beschwerdebehauptungen zuwider auch mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. D, stellte dessen aus der Alkoholisierung und aus 'möglichen organischen Schädigungen' zur Debatte gestellten Zweifeln an der Fähigkeit des Angeklagten zu einem Geschlechtsverkehr (S 55) die Ausführungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Univ.Prof. Dr. E gegenüber, der den Angeklagten untersucht hatte, und leitete daraus - in freier Beweiswürdigung - seine Feststellung über die Fähigkeit des Angeklagten zur Ausübung eines Geschlechtsverkehrs ab (S 170). Das (aktenwidrige) Vorbringen der Mängelrüge zeigt somit keine Undeutlichkeit oder Unvollständigkeit des erstgerichtlichen Urteils auf. Entgegen den weiteren Ausführungen der Beschwerde konstatierte das Schöffengericht auch deutlich, was der Angeklagte (bis) zu jenem Zeitpunkt, als die Mutter des Opfers die Küche verließ, vorhatte, denn es stellte fest, daß er Theresia C zum Geschlechtsverkehr nötigen wollte und, als deren Mutter die Küche durch einen Hinterausgang verließ, um Hilfe zu holen, nunmehr die Aussichtslosigkeit seines Vorhabens erkennend von seinem Opfer abließ (S 168).

Auch zur Alkoholisierung des Angeklagten traf das Erstgericht die für die Entscheidung erforderlichen Feststellungen, wenn es, gestützt auf die Aussagen der Zeugen und die beiden eingeholten Sachverständigengutachten, ausführt, daß ein schwerer Rauschzustand nicht vorlag (S 170). Im übrigen räumt die Nichtigkeitsbeschwerde hiezu ein, daß dies 'insbesondere bei der Strafzumessung' zu berücksichtigen wäre und gibt damit selbst zu erkennen, daß sie keinen für das - im Schuldspruch - anzuwendende Strafgesetz oder den anzuwendenden Strafsatz entscheidenden Umstand releviert. Die weiteren Ausführungen der Mängelrüge, die dem erstgerichtlichen Urteil vorwerfen, es hätte sich 'zu wenig' mit den Gutachten der Sachverständigen Dr. E und Dr.D beschäftigt, zeigen keinen formalen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO auf; sie sind ausschließlich ein unzulässiger und daher unbeachtlicher Versuch der Bekämpfung der freien erstgerichtlichen Beweiswürdigung. Die Beschwerdebehauptung, die Urteilsfeststellung über einen im Jahr 1983

mit einer anderen Frau ausgeführten Geschlechtsverkehr des Angeklagten sei aktenwidrig, ist unzutreffend: Diese Konstatierung beruht, worauf das Erstgericht ausdrücklich hinwies, auf Angaben des Angeklagten vor dem Sachverständigen Dr. E (S 92 und 94). Ein Strafvollzug (bis zum 10.August 1983 - S 15) steht dieser Konstatierung nicht entgegen, weil dieser Geschlechtsverkehr nach den Angaben des Angeklagten zu Weihnachten 1983

stattfand (S 94).

Wenn die Mängelrüge zuletzt die aus dem beobachteten Umdrehen des Angeklagten auf seiner Flucht gezogenen Schlußfolgerungen (S 170) als 'kühn' bezeichnet und in diesem Zusammenhang den Zweifelsgrundsatz reklamiert, so bekämpft sie damit keine den Schuldspruch tragende Erwägung des Erstgerichtes, weil auf diesem Umstand lediglich im Zusammenhang mit Erörterungen über eine - vorgebliche - Erinnerungslosigkeit des Angeklagten hingewiesen wurde;

abgesehen davon handelt es sich dabei in Wahrheit wieder um nichts anderes als eine unzulässige Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung.

Die auf die Z 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Rechtsrüge des Angeklagten ist insgesamt nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht von dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt ausgeht, sondern jeweils nur Teile des konstatierten Sachverhaltes heranzieht oder Abschnitte der Urteilsfeststellungen durch eigene Annahmen ersetzt oder sich in diesem Zusammenhang (wiederholt) auf den Zweifelsgrundsatz beruft, womit der Sache nach nur Ausführungen nach Art einer im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässigen Berufung wegen Schuld zu erblicken sind.

Vom konstatierten Sachverhalt weicht die Rechtsrüge (auch) ab, wenn sie die Behauptung aufstellt, das Erstgericht habe Feststellungen zur subjektiven Tatseite unterlassen (dagegen S 168) und keine Feststellungen zur Alkoholisierung getroffen (dagegen S 170) sowie wenn sie einwendet, daß der Angeklagte keine Erinnerung an die Tat habe (dagegen S 170).

Mit den Ausführungen, ob in einer geballten Faust bereits eine Drohung gesehen werden könnte, wird die Feststellung übergangen, daß der Angeklagte die Frau überdies an den Haaren erfaßte, vom Gastzimmer in die Küche zerrte und ihr ein Büschel Haare ausriß, somit tatsächlich schon einleitende Gewalt anwendete, sodaß die Urteilsannahme über das drohende Erheben der Faust aus der festgestellten Gesamtheit der Tatumstände gelöst wird. Die Ausführungen zur Freiwilligkeit eines Rücktritts vom Versuch negieren (ausdrücklich und nach Art einer Schuldberufung) die Urteilsfeststellungen, wonach der Angeklagte in der Erkenntnis der Aussichtslosigkeit seines Vorhabens (wegen der Flucht der Mutter des Opfers, von der zu erwarten war, daß sie Hilfe herbeihole) - und damit nicht freiwillig - von Theresia C abließ.

Alle Ausführungen, die die Urteilskonstatierung über die Fähigkeit des Angeklagten zu einem Geschlechtsverkehr zu bekämpfen suchen, stellen sich abermals als unzulässige Anfechtung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung dar und führen einen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht dem Gesetz gemäß aus. Der Ausspruch über die Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach dem § 21 Abs 2 StGB wird vom Angeklagten in seiner Nichtigkeitsbeschwerde unter Anrufung der Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO bekämpft, wobei er der Sache nach jedoch weitgehend den Nichtigkeitsgrund der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO geltend macht. Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde die im Urteil festgestellte (ungünstige) Prognose bekämpft, ist sie schon deshalb nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil dieser Umstand allein mit Berufung angefochten werden kann.

Wenn die Beschwerde unter Bezugnahme auf § 429 StPO Verfahrensverstöße behauptet, ist ihr vorerst zu entgegnen, daß sie einem Rechtsirrtum unterliegt: Die Bestimmung des § 429 StPO handelt von Verfahrensunterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach dem § 21 Abs 1 StGB Vorliegend wurde aber eine Unterbringung nach dem § 21 Abs 2 StGB angeordnet. Das Verfahren hiefür ist in den § 435 ff StPO geregelt. Die Bestimmungen des § 429 StPO kommen dabei soweit zur Anwendung, als die § 436 Abs 2 und 439 Abs 2 StPO darauf verweisen. Mit Nichtigkeit - gemäß dem § 281 Abs 1 Z 3 StPO - bedroht ist überdies lediglich eine Verletzung der Bestimmungen des § 439 Abs 1 und 2 StPO

Eine derartige Nichtigkeit liegt jedoch nicht vor: Daß während der ganzen Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein Verteidiger anwesend war, ist unbestritten. Ein Sachverständiger aus dem Gebiet der Psychiatrie wurde beigezogen, nämlich Univ.Prof. Dr. E, der - nach dem Ergebnis einer durch den Obersten Gerichtshof gemäß dem § 285 f StPO eingeholten Aufklärung - als Sachverständiger auf dem Gebiete der Nerven- und Geisteskrankheiten in der Sachverständigenliste eingetragen ist (Jv 9176-5,2/83 des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz), womit er die Voraussetzungen des § 429 Abs 2 Z 2 StPO erfüllt, ohne daß es darauf ankäme, ob er auch Facharzt für Psychiatrie ist (so bereits 13 Os 135/76).

Auf alle weiteren rechtsirrtümlich auf § 429 StPO gestützten Ausführungen der Nichtigkeitsbeschwerde muß nicht eingegangen werden (nur am Rande sei bemerkt, daß die Behauptung, es habe keine Voruntersuchung im Hinblick auf die Anstaltsunterbringung gegeben und der psychiatrische Sachverständige sei nicht schon während der Voruntersuchung beigezogen worden, aktenwidrig ist; gerade zu diesem Zweck wurde das Verfahren an den Untersuchungsrichter rückgeleitet - siehe S 3 c).

Soweit schließlich die Unterlassung der Beiziehung eines weiteren Sachverständigen oder einer 'weiteren Untersuchung' moniert wird, wird damit kein Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO geltend gemacht. Zur Geltendmachung eines Verfahrensmangels im Sinn der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO fehlt es dem Beschwerdeführer aber hier an einer Anfechtungslegitimation, weil er im Verfahren erster Instanz keinen darauf abzielenden Antrag gestellt hatte. Aus den angeführten Gründen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten bei der nichtöffentlichen Beratung zum Teil als offenbar unbegründet, zum Teil als nicht gesetzmäßig ausgeführt zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 und 2 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO).

über die Berufung des Angeklagten wird in einem mit gesonderter Verfügung anzuberaumenden Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung zu entscheiden sein.

Die Kostenentscheidung fußt auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E04893

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0110OS00169.84.1107.000

Dokumentnummer

JJT_19841107_OGH0002_0110OS00169_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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