Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 5.März 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Köhl als Schriftführer in der Strafsache gegen Erhard A wegen des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Erhard A gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 9.November 1984, GZ 21 Vr 1468/84-42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
über die Berufung wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die durch seine Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Erhard A und der am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligte Engelbert B des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil sie am 28. April 1984
in St. Johann im Pongau teils im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter und im übrigen teils A allein Elisabeth C durch Gewalt widerstandsunfähig gemacht und in diesem Zustand wiederholt zum außerehelichen Beischlaf mißbraucht hatten (Punkt 1). Außerdem wurde A des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 15, 269 Abs 1
erster Fall (richtig: dritter und vierter Fall, siehe EvBl 1982, 47; vgl. auch, allerdings mit anderer Systematik, Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB 2 , RN. 10 zu § 269) StGB schuldig erkannt, weil er am 27.April 1984
in St. Johann im Pongau versucht hatte, die Gendarmeriebeamten Manfred B und Richard D mit Gewalt und gefährlicher Drohung an einer Amtshandlung, nämlich der Durchsetzung der Einhaltung der Sperrstunde, zu hindern (Punkt 2).
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte A bekämpft lediglich den Schuldspruch im Faktum 1 mit Nichtigkeitsbeschwerde aus der Z. 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO, der jedoch keine Berechtigung zukommt.
Als Verfahrensmangel (Z. 4) rügt der Beschwerdeführer das Unterbleiben der von ihm mit Schriftsatz vom 1.Oktober 1984 ausdrücklich beantragten Einvernahme der Zeugen Josef A und Elfriede E (ON 36). Diese Rüge entbehrt jedoch einer gesetzmäßigen Ausführung, weil bereits die formellen Erfordernisse für die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z. 4 StPO nicht vorliegen: Der Angeklagte hat zwar diesen Beweisantrag schriftlich gestellt, er hat ihn jedoch in der Hauptverhandlung am 9. November 1984 nicht mündlich vorgetragen. Es fehlt demnach an der gesetzlichen Grundvoraussetzung, daß über einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag nicht oder nicht im Sinne des Antragstellers entschieden wurde. Auf einen Antrag, der vor der Hauptverhandlung zwar überreicht, in dieser nach dem Inhalt des Protokolls aber nicht wiederholt wurde, kann daher dieser Nichtigkeitsgrund nicht mit Aussicht auf Erfolg gestützt werden (EvBl 1948/915, SSt. 10/88 u.a.). Der Angeklagte ist daher durch die Nichtaufnahme der in Rede stehenden Beweise nicht in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt worden.
In der Mängelrüge (Z. 5) wird zunächst releviert, der erstgerichtliche Ausspruch, die Schreie der Elisabeth C seien von Elfriede E als damals einziger Hausbewohnerin deswegen nicht gehört worden, weil in der Nähe des Hauses ein Bach fließe, sei unzureichend begründet. Dem ist zu entgegnen, daß die Frage, ob die Schreie der Elisabeth C gehört wurden oder nicht, vorliegend nicht entscheidend ist. Als entscheidungswesentliche Tatsache im Sinne des gerügten Nichtigkeitsgrundes ist immer nur jene zu betrachten, die entweder auf die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluß übt. Aus welchen Gründen E die vom Beschwerdeführer gar nicht bestrittenen (vgl. S. 17, 28, 173, 176, 205) Schreie der Zeugin C - nach den Urteilsfeststellungen zudem zur Nachtzeit - nicht gehört hat (vgl. S. 45), ist jedoch vorliegend keine Tatsache, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage einschließlich der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände maßgebend ist.
Sofern der Angeklagte darlegt, es sei denkunmöglich, daß er mit der Zeugin C einen Geschlechtsverkehr durchgeführt habe, weil er in diesem Falle an Gonorrhö erkrankt hätte sein müssen, begibt er sich auf das ihm verwehrte Gebiet der Bekämpfung der Beweiswürdigung und gelangt daher nicht zu gesetzmäßiger Darstellung der Mängelrüge. Nur der Vollständigkeit halber ist hiezu lediglich darauf zu verweisen, daß sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. F kein eindeutiger Nachweis dafür ergibt, daß die Zeugin überhaupt von dieser Geschlechtskrankheit befallen war; es wird darin lediglich eine derartige Möglichkeit aufgezeigt. Demzufolge hat das Erstgericht auch ausgeführt (S. 225), daß eine Gonorrhöerkrankung bei Elisabeth C nicht feststellbar sei. Wenn in der Beschwerde daher von anderen als den vom Gericht festgestellten Tatsachen ausgegangen wird, wird mit diesem Vorbringen nur in im Nichtigkeitsverfahren unzulässiger Weise die erstrichterliche Beweiswürdigung bekämpft. Mit dem Aufstellen aktenmäßig nicht begründeter Prämissen, denen zufolge Schlußfolgerungen des Gerichtes 'denkunmöglich' wären, wird jedenfalls ein Begründungsmangel im Sinne des zitierten Nichtigkeitsgrundes nicht aufgezeigt.
Die behauptete Aktenwidrigkeit hinwieder, wonach laut dem Urteil Elisabeth C bei der Begegnung mit Annemarie G versucht habe, ihre Verletzungen im Gesicht abzudecken, während C in der Hauptverhandlung am 28.September 1984 ausgesagt habe, sie hätte (lediglich) den Kragen hinaufgeschlagen, liegt in Wahrheit nicht vor, denn Elisabeth C bekundete, sie hätte den Kragen deswegen hinaufgeschlagen, weil sie nicht wollte, daß jemand ihre Verletzungen sehe (S. 187). Darüber hinaus betrifft auch dieser Beschwerdeeinwand keine entscheidungswesentliche Tatsache im vorhin aufgezeigten Sinne. Daß die Zeugin G die 'angeblich blutende Lippe' jedenfalls hätte sehen müssen, ist eine reine Spekulation des Nichtigkeitswerbers, der die Aussagen der Genannten, es sei ihr nichts aufgefallen, sie habe C 'auch gar nicht so genau angesehen' (S. 180), entgegenstehen.
Eine Urteilsunvollständigkeit wird in der Beschwerde schließlich darin erblickt, es sei die Aussage der Zeugin C übergangen worden, wonach sie geraucht, Wasser getrunken und sich mit dem Angeklagten unterhalten habe, was gegen ihre Widerstandsunfähigkeit spreche. Dem ist zu erwidern, daß diese Begebenheiten keinesfalls vor dem ersten Geschlechtsverkehr stattgefunden haben, sodaß sie - entgegen der Beschwerdeansicht - auch keineswegs gegen eine Widerstandsunfähigkeit der Elisabeth C sprechen können. Für die weitere, nicht substantiierte Beschwerdebehauptung, diese Zeugin sei wegen Depressionen infolge des Selbstmordes ihrer Mutter nicht widerstandsunfähig gewesen, bietet die Aktenlage nicht die geringsten Anhaltspunkte.
Nicht entscheidungswesentlich ist auch der Beschwerdeeinwand, der Angeklagte A habe Elisabeth C für ein leichtes Mädchen, dem bekannt gewesen sei, daß er eben aus der Strafhaft entlassen worden sei, gehalten. Abgesehen davon, daß der Aktenlage in dieser Richtung außer den diesbezüglichen, vom Erstgericht ersichtlich als bloße Schutzbehauptung gewerteten Angaben des Angeklagten nicht der geringste Anhaltspunkt zu entnehmen ist (vgl. auch S. 207), ist dieses Argument aber auch von vornherein nicht zielführend, weil auch 'ein leichtes Mädchen' Opfer einer Notzucht sein kann, selbst wenn es weiß, daß der Täter eben aus der Strafhaft entlassen worden ist.
Die Mängelrüge erweist sich daher teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils als offenbar unbegründet.
Die Rechtsrüge (Z. 9 lit a) macht Feststellungsmängel dahin geltend, daß der Angeklagte mit der Zustimmung der C zu sexuellen Handlungen gerechnet habe. Hier geht sie indessen nicht von den gegenteiligen ausdrücklichen Urteilsfeststellungen aus, wonach der Angeklagte A den Vorsatz gefaßt hatte, deren Widerstandsunfähigkeit herbeizuführen, um mit ihr sodann den außerehelichen Beischlaf zu vollziehen, wobei er sein Vorhaben in der Folge gegen deren heftigsten Widerstand in die Tat umsetzte (S. 222 f.). Diese Urteilsfeststellungen schließen aber die Annahme, A habe mit der Zustimmung der C zu sexuellen Handlungen gerechnet, eindeutig aus. Da bei Darlegung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes stets von den tatsächlichen Urteilsfeststellungen auszugehen ist, die Beschwerde diese jedoch negiert, erweist sie sich hier als nicht dem Gesetze gemäß ausgeführt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher sofort bei der nichtöffentlichen Beratung als zum Teil nicht gesetzmäßig ausgeführt, zum Teil offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z. 1 und 2 i.V.m. § 285 a Z. 2 StPO).
über die Berufung wird in einem mit gesonderter Verfügung anzuberaumenden Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
Anmerkung
E05358European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0100OS00016.85.0305.000Dokumentnummer
JJT_19850305_OGH0002_0100OS00016_8500000_000