TE OGH 1986/5/15 12Os22/86

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Veröffentlicht am 15.05.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Mai 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger sowie Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Enzenhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Jörg K*** wegen des Vergehens der Täuschung nach § 108 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Jugendschöffengericht vom 22. November 1985, GZ 11 c Vr 737/85-11, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, des Angeklagten Jörg K*** und des Verteidigers Dr. Bruckner zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben, der Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 13 Abs. 1 JGG der Ausspruch und die Vollstreckung der Strafe für eine Probezeit von 2 (zwei) Jahren aufgeschoben. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24.Jänner 1968 geborene, zur Tatzeit sohin jugendliche Spediteurlehrling Jörg K*** des Vergehens der Täuschung nach § 108 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Inhaltlich des Schuldspruchs hat er vom Februar 1985 bis 4.Mai 1985 und vom 9.Mai 1985 bis 21.Mai 1985 in Korneuburg und anderen Orten wiederholt dadurch, daß er, nachdem er in seinem Kleinmotorrad den eingebauten Originalzylinder (mit 49,6 ccm Hubraum) gegen einen Zylinder mit 80 ccm Hubraum ausgetauscht hatte, mit dem veränderten Fahrzeug Fahrten auf öffentlichen Verkehrsflächen unternahm, dem Staat in seinem Recht auf Zulassung von Kraftfahrzeuglenkern (richtig: von Kraftfahrzeugen) zum öffentlichen Verkehr im Rahmen der geltenden gesetzlichen Bestimmungen absichtlich Schaden zugefügt, indem er mit der Verkehrsüberwachung betraute Beamte in Beziehung auf ihre Amtsgeschäfte durch Täuschung über die Tatsache des Hubrauminhaltes und die für ihn demnach erforderliche Lenkerberechtigung der Gruppe A zur Duldung der weiteren Benützung dieses Fahrzeugs auf öffentlichen Verkehrsflächen verleitete. Dieser Schuldspruch wird von der Mutter und gesetzlichen Vertreterin des jugendlichen Angeklagten in dessen Namen mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit. a und lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft. In der Mängelrüge (Z 5) behauptet die Beschwerdeführerin Unvollständigkeit der Urteilsgründe, weil das Vorbringen des Angeklagten, bei den früheren Kontrollen seines Fahrzeuges durch Gendarmeriebeamte seien lediglich die Reifen geprüft worden, von Vergaser oder Zylinder sei nie die Rede gewesen; als er bei der Verkehrskontrolle am 21.Mai 1985 nach dem Hubraum seines Motors befragt worden sei, habe er den Austausch des Zylinders sofort zugegeben; auch sei ein Motor mit 50 ccm Hubraum von einem solchen mit 80 ccm zu unterscheiden, übergangen worden sei. Auf Grund dieser Verantwortung des Angeklagten hätte daher festgestellt werden müssen, daß es vor dem 21.Mai 1985 zu keiner Täuschung anderer Personen, insbesondere von Organen der Straßenverkehrsaufsicht gekommen und auch an diesem Tag eine solche nicht versucht worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Dem ist zu entgegnen, daß eine Erörterung der zitierten Aussage des Angeklagten im Urteil entbehrlich war, weil sie keine entscheidenden Tatsachen im Sinne des behaupteten Nichtigkeitsgrundes betrifft. Nach den insofern unbekämpften Urteilsfeststellungen veränderte der Angeklagte sein Kleinmotorrad in der Weise, daß es sodann ein Motorrad darstellte (vgl. § 2 Z 14 und 15 KFG) und nur mit einer Lenkerberechtigung der Gruppe A auf öffentlichen Verkehrsflächen gelenkt werden durfte. Gleichwohl benützte er das Fahrzeug in der Folge mehrfach und wurden dabei auch zu wiederholten Malen Verkehrskontrollen durch Gendarmeriebeamte vorgenommen. Dabei fiel der Motorumbau nicht auf. Gerade daraus ergibt sich das Gelingen der Täuschung staatlicher Straßenaufsichtsorgane, die ungeachtet der Erkennbarkeit der vorgenommenen Manipulation am Motor sich durch das Verhalten des Angeklagten zur Annahme bestimmen ließen, er benütze ein - der daran angebrachten Kennzeichentafel entsprechendes - Kleinmotorrad, wofür er auch die erforderliche Lenkerberechtigung besaß. Ob sich das Augenmerk der Beamten im übrigen auf die Bereifung richtete, ist hier unerheblich; im Wesen einer Verkehrskontrolle liegt jedenfalls die Überprüfung aller Zulassungsvoraussetzungen des Fahrzeuges und der Berechtigung des Lenkers. Soweit eine zielgerichtete Prüfung hinsichtlich der motorischen Ausrüstung des Fahrzeuges indes unterblieben ist, stellt dies die Folge der Täuschung der Beamten dar, nicht aber das Unterbleiben einer Täuschung.

Daß am 21.Mai 1985 eine Täuschung nicht gelungen ist, steht außer Frage; aus der Schilderung des Angeklagten ergibt sich jedoch dem Beschwerdevorbringen zuwider keineswegs, daß er bei dieser Gelegenheit die Täuschung nicht versucht hätte; ein Versuch der Täuschung lag vielmehr schon in der Benützung öffentlicher Verkehrsflächen mit seinem Fahrzeug trotz fehlender Zulassung und fehlender Lenkerberechtigung (vgl. 12 Os 194/85). Daß er bei der nun auf den Zustand des Motors gezielten Kontrolle den vorgenommenen (augenfälligen und kaum zu leugnenden) Einbau eines größeren Zylinders sogleich zugab, kann die schon vorher unternommene (bei dieser Gelegenheit im Versuchsstadium gebliebene) Täuschung nicht ungeschehen machen. Im Hinblick auf den vom Erstgericht festgestellten einheitlichen Täuschungsvorsatz des Angeklagten bei allen Fakten und die grundsätzliche Subsidiarität des Versuchs gegenüber der Vollendung ein und desselben Delikts kam andererseits eine gesonderte Subsumtion hinsichtlich dieses letzten Teilaktes des fortgesetzten Delikts als versuchte Täuschung nicht in Betracht; überdies wäre ein einen zusätzlichen Schuldspruch anstrebendes Rechtsmittel auch nicht zugunsten des Angeklagten ausgeführt. Auch die Rechtsrüge (Z 9 lit. a) versagt und zwar zunächst schon insoweit, als sie unter Hinweis auf EBRV 1971, 239 vorbringt, das in Rede stehende staatliche Recht sei bereits durch die Handlung des Angeklagten selbst und nicht erst dadurch verletzt worden, daß ein Dritter (die Gendarmeriebeamten) zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet worden wäre. Bei der gegebenen Fallkonstellation waren es nämlich sehr wohl (auch) die getäuschten Beamten, die durch ihr (durch die Täuschung bewirktes) Untätigbleiben den Staat an Hoheitsrechten schädigten. Die Untätigkeit der getäuschten Beamten stellt ein für den Ablauf des Tatgeschehens kausales, eine Schädigung des Staates an Hoheitsrechten unmittelbar bewirkendes Verhalten dar (ZVR 1984/343). Verfehlt ist aber auch das Beschwerdevorbringen, wonach das Gesetz Absichtlichkeit nicht nur für die (wie vom Erstgericht angenommen) Schadenszufügung, sondern auch für die Täuschung verlange. Nach einhelliger Rechtsprechung (12 Os 158/76, 9 Os 103/78, 13 Os 29/84, 11 Os 101/85 uva), von der abzugehen kein Anlaß besteht, und herrschender Lehre (Kienapfel BT I § 108 RN 43, Leukauf-Steininger, Kommentar 2 , § 108 RN 19; aM Bertel im WK § 108 RN 73) reicht nämlich für die tatbestandsmäßige Täuschung über Tatsachen jeder Vorsatzform, mithin auch bedingter Vorsatz aus. Soweit der Beschwerdeführer, gestützt auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO, einen Freispruch gemäß § 259 Z 4 StPO aus dem Grunde des § 42 StGB anstrebt, genügt der Hinweis, daß die durch längere Zeit fortgesetzte Teilnahme des Angeklagten mit seinem manipulierten Fahrzeug am öffentlichen Verkehr einen erheblichen Schuldgehalt seines deliktischen Verhaltens erkennen läßt, sodaß schon deshalb von nur geringer Schuld (vgl. § 42 Abs. 1 Z 1 StGB) nicht gesprochen werden kann. Der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Entscheidung ZVR 1978/125 lag ein anderer Sachverhalt (der Hubraum war vom Vorbesitzer des Mopeds schon verändert worden; die nur wenig intensiven Täuschungshandlungen blieben beim Versuch) zugrunde.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach § 108 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 11 Z 1 JGG eine Freiheitsstrafe in der Dauer eines Monates, die es gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend den langen Tatzeitraum, als mildernd den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, den Umstand, daß die Tat mit dem bisherigen Verhalten des Angeklagten in auffallendem Widerspruch steht und daß der Angeklagte durch den Inhalt seiner Verantwortung wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte statt der verhängten Freiheitsstrafe ihm eine Ermahnung zu erteilen (§ 12 Abs. 2 JGG) oder den Ausspruch und die Vollstreckung der Strafe gemäß § 13 Abs. 1 JGG vorläufig aufzuschieben, in eventu über ihn eine bedingt nachgesehene Geldstrafe zu verhängen oder die Freiheitsstrafe herabzusetzen.

Die Berufung ist im Recht.

Nach Lage des Falles reicht der Schuldspruch allein aus, um den Angeklagten von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten, da der zwar nicht geringfügige Schuldgehalt der Tat doch nicht so gravierend ist, daß aus spezialpräventiven Erwägungen ein tatsächlicher Strafausspruch erforderlich wäre. Generalpräventive Bedenken stehen der Anwendung des § 13 Abs. 1 JGG deswegen nicht entgegen, weil der Angeklagte immerhin über eine Lenkerberechtigung der Gruppe A/J verfügt und das verfahrensgegenständliche Kleinmotorrad haftpflichtversichert war, sodaß die Tat des Angeklagten nicht mit dem Risiko besonders folgenschwerer Nachteile sowohl in gesundheitlicher als auch in vermögensrechtlicher Hinsicht verbunden war.

So gesehen waren Ausspruch und Vollstreckung einer Strafe für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig aufzuschieben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E08478

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0120OS00022.86.0515.000

Dokumentnummer

JJT_19860515_OGH0002_0120OS00022_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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