TE OGH 1986/11/25 10Os160/86

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Veröffentlicht am 25.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.November 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Sulzbacher als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter A*** u. e.a. wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 11.September 1986, GZ 31 Vr 520/86-90, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch die Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Walter A*** zu A) 1) und 2) des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB, zu B) des (richtig: der) Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und Z 2 StGB sowie zu

C) des Verbrechens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB und (die am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligte) Christine G***, seine vormalige Lebensgefährtin, des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt. Der Schuldspruch wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges (A) erfolgte, weil der Angeklagte mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, nachangeführte Personen durch Vorgabe seiner Zahlungsfähigkeit und -willigkeit, mithin durch Täuschung über Tatsachen, zu nachangeführten Handlungen verleitete, welche die in der Folge angeführten Personen wie folgt am Vermögen schädigten, wobei der Schaden 100.000 S übersteigt und der Genannte die Straftaten in der Absicht beging, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar:

1) unter Verwendung des Falschnamens Robert Z*** im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Christine G*** (§ 12 StGB), a) am 9. März 1985 in Klagenfurt Agnes R*** zur Vermietung eines Zimmers bis 12.März 1985, Schaden 1.020 S;

b) Mitte März 1985 in Villach Karoline L*** zur Vermietung eines Zimmers bis 31.März 1985, Schaden S 7.410;

2) als Alleintäter a) Anfang November 1984 in Tarrenz und Landeck Emil K*** zur Abhaltung zweier Konzerte, Schaden S 7.500;

b) zwischen 3. und 5.Dezember 1984 in Klagenfurt Annemarie M*** zur Hingabe dreier Darlehen von 2.000 S, 1.000 S und 17.000 S, Schaden insgesamt 20.000 S;

c) am 2.April 1985 in Klagenfurt Annemarie M*** zur Herausgabe eines Darlehens von 16.000 S, Schaden 16.000 S;

d) am 9.Februar 1985 in Klagenfurt Günther M*** zur Herausgabe eines Videorecorders Hitachi VT 88, Schaden 27.900 S;

e) in der Zeit von 30.Oktober bis 13.November 1984 in Imst Richard W*** zur Durchführung von 6 Taxifahrten, Schaden 4.120 S sowie f) am 22. Mai 1986 in Klagenfurt Angestellte der Firma Fritz S*** zur Ausfolgung einer Kaffeemaschine Marke F*** mit Pumpe, einer Kaffeemühle und eines Eiswürfelerzeugers Marke I*** im Gesamtwert von 28.900 S.

Rechtliche Beurteilung

Nur den Schuldspruch im Faktum A) 2) c) sowie die rechtliche Beurteilung der ihm angelasteten Betrugstaten als gewerbsmäßig bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die nominell auf die Gründe der Z 5, 9 lit a, lit c und 10 gestützt wird. Unter Geltendmachung der Z 5 und 10 rügt der Beschwerdeführer, das Erstgericht lasse in Ansehung der Tatbestandsmerkmale der Gewerbsmäßigkeit, nämlich, daß die strafbare Handlung in der Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) vorgenommen wurde, damit der Täter sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme verschaffe (§ 70 StGB), "Ausführungen bzw eine entsprechende Begründung" vermissen. Dem ist zu erwidern, daß der behauptete Begründungsmangel nicht vorliegt, hat das Erstgericht doch ausgeführt, der Angeklagte habe alle diese (ihm im Schuldspruch angelasteten schweren) Betrügereien nur deshalb begangen, um sich eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, weil er nur mehr über Schulden und über keine Vermögenswerte oder ein Einkommen verfügte" (US 16 oben). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers stellt die vom Erstgericht gewählte Begründung eine durchaus tragfähige Grundlage für die Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung dar.

Den Beschwerdeausführungen zuwider hat das Erstgericht aber auch sämtliche Tatbestandsmerkmale gewerbsmäßiger Begehung festgestellt:

Im Urteilstenor (US 2) wird zur Faktengruppe A) (wegen schweren

Betruges) festgehalten, daß der Angeklagte A*** die Straftaten in

der Absicht beging, sich durch die wiederkehrende Begehung eine

fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Auch aus den Gründen (US 9

unten: "... hatte sich durch die wiederkehrende Begehung von

Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahmsquelle verschafft.") und

der bereits vorhin zitierten Passage (US 16 oben) erhellt im

Zusammenhang gesehen unzweideutig, daß der Angeklagte die schweren

Betrügereien in der Absicht beging (verbis: "... nur deshalb setzte,

um ... zu verschaffen."), um sich durch ihre wiederkehrende Begehung

eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Mit den Einwänden (Z 10), es könne überhaupt keine Rede davon sein, daß der Angeklagte die Absicht hatte, sich durch diese strafbaren Handlungen, deren er schuldig erkannt wurde, eine fortlaufende Einnahmsquelle zu verschaffen und es wäre dies wohl auch nicht möglich gewesen, sowie das Gesamtverhalten des Angeklagten, wie es vom Erstgericht festgestellt worden sei, lasse keinesfalls auf eine gewerbsmäßige Begehung der Straftaten schließen, setzt sich der Beschwerdeführer zum einen über die vorhin zitierten gegenteiligen Urteilsfeststellungen hinweg, zum anderen ficht er nur nach Art und Zielsetzung einer im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung unzulässigerweise die erstinstanzliche Beweiswürdigung an. Der geltend gemachte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund, der stets vom tatsächlich festgestellten Urteilssachverhalt auszugehen hat, gelangt demnach nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung.

Auch in Ansehung des Faktums A) 2) c) läßt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) eine gesetzmäßige Ausführung vermissen. Der Angeklagte, der Feststellungsmängel darin erblickt, daß im Ersturteil Konstatierungen zur subjektiven Tatseite fehlen, negiert die Passage im Urteilstenor (US 2), daß er in der Faktengruppe A) mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich (oder einen Dritten) unrechtmäßig zu bereichern, nachangeführte Personen (unter ihnen auch Annemarie M***) zu nachteiligen Handlungen verleitete, die sie am Vermögen schädigten. In den Gründen zum Schuldspruch im Faktum A) 2) c) führt das Erstgericht zur subjektiven Tatseite aus, daß der Angeklagte gegenüber Annemarie M*** "in betrügerischer Absicht" vorgegangen sei (US 14 oben); da der Tatbestand des Betruges beim Täter stets den Vorsatz voraussetzt, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern und dadurch einen anderen am Vermögen zu schädigen, erweist sich auch die vorhin zitierte Formulierung im Ersturteil als ausreichende Feststellung zur subjektiven Tatseite des Angeklagten. Daß der Angeklagte Annemarie M*** getäuscht hat, ergibt sich aus den Konstatierungen, daß er seine (triste) finanzielle Situation verschwiegen und Annemarie M*** (sowie Helene G***) unter der Zusicherung der Rückzahlung binnen längstens fünf Tagen (US 12) "hinters Licht geführt" hat (US 13 Mitte). Mit der Urteilsfeststellung, daß der Angeklagte, der nur mehr beträchtliche Schulden aufwies und weder über irgendwelche Vermögenswerte oder über irgendein Einkommen verfügte (US 9, 16 oben), bei der inkriminierten Darlehensaufnahme seine wahre Vermögenslage verschwieg (US 13 unten), brachte das Erstgericht, wie den Urteilsgründen in ihrem Zusammenhalt unzweifelhaft zu entnehmen ist, unmißverständlich zum Ausdruck, daß der Angeklagte zumindest ernstlich mit der Möglichkeit gerechnet und sich damit abgefunden hat, daß die Darlehensgeberin durch die erwähnte Täuschung des Angeklagten geschädigt und er hiedurch bereichert wurde. Angesichts des Gebotes gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) erweisen sich vorliegend die Urteilsfeststellungen in ihrer Gesamtheit auch in Ansehung der subjektiven Tatseite als (noch) ausreichend. Indem der Beschwerdeführer die eben wiedergegebenen Ausführungen des Erstgerichtes im Urteil übergeht, bringt er die Rechtsrüge erneut nicht zu gesetzmäßiger Darstellung. Als unrichtig erweist sich die in diesem Zusammenhang erhobene Beschwerdebehauptung, das Erstgericht habe festgestellt, eine Schädigung der Annemarie M*** sei gar nicht eingetreten; dem Urteil ist eine derartige Feststellung nicht zu entnehmen. Wohl hat das Erstgericht - in Übereinstimmung mit den Verfahrensergebnissen - darauf Bezug genommen, daß Helene G*** "in der Folge" als Bürgin in Anspruch genommen wurde und den Darlehensbetrag zurückgezahlt hat (US 13), doch räumt der Beschwerdeführer selbst in der Rechtsmittelschrift ausdrücklich (arg verbis "... letzten Endes..."; S 168/II) ein, daß diese Rückzahlung mit beträchtlicher Verspätung erfolgte; auch läßt er die weitere Feststellung, daß die Bürgin Helene G*** mangels Vermögens und zufolge geringen Einkommens zur Rückzahlung des Darlehensbetrages von 16.000 S "binnen weniger Tage" gar nicht in der Lage war (erneut US 13) - welche Zusicherung für M*** jedoch für die erneute Darlehensgewährung ausschlaggebend war (US 12 unten) - ausdrücklich unbekämpft. Die bloße Beschwerdebehauptung, der Angeklagte habe in der Person der Helene G*** "einen tauglichen Bürgen gestellt", weicht vom oben wiedergegebenen Urteilssachverhalt ab. Die Rechtsrüge wird demgemäß nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht.

Nur der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, daß Betrug nicht nur dann vorliegt, wenn der Darlehensnehmer überhaupt nicht willens ist, die versprochene Gegenleistung zu erbringen, sondern auch dann, wenn er sie nicht zeitgerecht oder doch innerhalb einer wirtschaftlich vertretbaren Frist erbringen will (Liebscher im WK Rz 22 zu § 146 StGB, mit Judikaturzitaten ua).

In dieser Richtung ist die Beschwerde jedoch nicht ausgeführt worden. Da die nach der Aktenlage mit Verzögerung erfolgte Darlehensrückzahlung durch die - nach den unbekämpften Urteilsfeststellungen - zu einer termingerechten Rückzahlung gar nicht fähige Bürgin nach dem Vorgesagten für die strafrechtliche Subsumtion unter die Bestimmung des Betrugstatbestandes (unter Berücksichtigung des bereits eingetretenen Verzögerungsschadens) ohne Relevanz ist, sah sich der Oberste Gerichtshof auch zu einer amtsweigigen Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 StPO nicht veranlaßt. Verfehlt ist letztlich auch der aus Z 9 lit c unter Bezugnahme auf die in der Hauptverhandlung am 11.September 1986 erfolgte "Modifizierung der Anklage" erhobene Einwand, es fehle nunmehr an der nach dem Gesetz erforderlichen Anklage, weil die - ursprünglich inkriminierte - Schädigung der Annemarie M*** "nicht mehr Inhalt der Anklage" sei. Damit bezieht er sich auf die - nach dem Wortlaut des Hauptverhandlungsprotokolls vom 11.September 1986, zudem auch sprachlich mißglückte - Erklärung des Staatsanwaltes, die Anklage zum Faktum A) 2) c) dahingehend zu modifizieren, "daß für die Schulden von 16.000 S die Bürgin Helene G*** eingetreten ist" (S 137/II).

Mit diesem Vorbringen wird nämlich - unter weitgehender Verkennung der Rechtslage - überhaupt nicht der angezogene Nichtigkeitsgrund releviert, mit dem nur Verletzungen von materiellrechtlichen Grundsätzen über die Anklageberechtigung unter Nichtigkeitssanktion gestellt werden, sondern der Sache nach (bloß) eine Überschreitung der Anklage und damit der (formelle) Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 281 Abs 1 StPO geltend gemacht (Lohsing-Serini, S 556; Mayerhofer-Rieder, StPO 2 E Nr 10 zu § 281 Abs 1 Z 9 lit c).

Dieses Vorbringen geht jedoch gleichfalls fehl.

Gegenstand der (ursprünglichen) Anklageschrift ON 62 war die Herauslockung eines Darlehens von 16.000 S zum Nachteil der Annemarie M***, wobei schon nach dem Inhalt der Anklagebegründung - die beim Vergleich zwischen Anklagefakten und Urteilsfakten stets mitheranzuziehen ist (EvBl 1972/195;

Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , E Nr 5 ff zu § 262) - dieses Darlehen durch eine Bürgschaft der (Mutter der Mitangeklagten Christine G***) Helene G*** besichert und überhaupt nur im Hinblick auf diese Bürgschaft gewährt worden war (Anklagebegründung S 33/II). Das Erstgericht stellt im Urteil hiezu auch ausdrücklich fest, daß diese Bürgin in der Folge auch tatsächlich zur Zahlung herangezogen wurde (US 13).

Bei dieser Sachlage wäre das Gericht auch ohne die erwähnte (an sich überhaupt überflüssige) "Modifizierung" bei der Erledigung der Anklage zum Anklage(Urteils-)faktum A/ 2) c) bei Beurteilung der Frage, ob der aus dieser Darlehensgewährung resultierende (inkriminierte) Schaden (zunächst wegen der beträchtlichen Verzögerung der Rückzahlung) nur bei der Darlehensgeberin Annemarie M*** oder (in der Folge) bei der Bürgin Helene G*** eingetreten wäre, gar nicht gebunden gewesen.

Demnach aber kann hier Urteilsnichtigkeit im Sinne der Z 8 des § 281 Abs 1 StPO durch eine vorschriftswidrige Anklageüberschreitung von vornherein nicht in Frage kommen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher sofort bei der nichtöffentlichen Beratung als zum Teil nicht gesetzmäßig ausgeführt, zum Teil offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 und Z 2 i.V.m. § 285 a Z 2 StPO).

Über die Berufung wird bei einem mit gesonderter Verfügung anzuberaumenden Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Anmerkung

E09903

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0100OS00160.86.1125.000

Dokumentnummer

JJT_19861125_OGH0002_0100OS00160_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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